Philosophie in der Sozialen Arbeit
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Philosophie in der Sozialen Arbeit

Ein Lehrbuch

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Philosophie in der Sozialen Arbeit

Ein Lehrbuch

About this book

Das Lehrbuch greift den gesamten Kanon der fĂŒr die Soziale Arbeit relevanten philosophischen Themen auf und vermittelt diese auf einem fĂŒr Studierende angemessenen Level. Die Einzelkapitel zu Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie, Ontologie, Ethik, Sozialphilosophie, Rechtsphilosophie, Anthropologie, Ästhetik und zur Philosophie der Bildung und Erziehung geben jeweils eine allgemeine EinfĂŒhrung in die philosophische Disziplin und zeigen zugleich deren Stellenwert fĂŒr Theorie und Praxis der Sozialen Arbeit auf. Das Lehrbuch gibt Studierenden, Praktikern und Lehrenden einen exemplarischen Zugang zu philosophischen Themen. Vertiefungen und Fallbeispiele aus dem Bereich der Sozialen Arbeit leiten zum Weiterdenken und -arbeiten an.

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Information

1.  Einleitung

Vor ĂŒber zweitausend Jahren begannen griechische Philosophen ĂŒber das Wesen der Welt systematisch nachzudenken. Die Frage nach den Ursachen und dem Wesen der Dinge und des Menschen standen dabei im Zentrum. Dieses grundlegende Anliegen kennzeichnet bis heute die Philosophie.
Die Soziale Arbeit – bestehend aus Sozialarbeit und SozialpĂ€dagogik – ist einerseits eine Praxis. Hier zielt sie auf Hilfe und UnterstĂŒtzung. Sie ist aber auch eine Wissenschaft, die diese Praxis theoretisch strukturiert und erforscht. Sowohl als Praxis, wie auch als Wissenschaft, bezieht sich Soziale Arbeit auf zahlreiche Bezugswissenschaften. In erster Linie sind dies Psychologie, Soziologie, Politikwissenschaft, Medizin, Ökonomie, Management, Forschungsmethoden sowie Recht. Die Philosophie wurde eben bewusst nicht angefĂŒhrt, da ihre Bedeutung fĂŒr die Soziale Arbeit nicht allgemein anerkannt ist (Perko 2017, 7).
Das vorliegende Lehrbuch macht einerseits plausibel, warum Philosophie fĂŒr die Soziale Arbeit wichtig ist und vermittelt anderseits Grundlagen. Dabei werden nicht nur philosophische Teilgebiete und Positionen vorgestellt. Bei der Darstellung der Inhalte wird jeweils auch ihre Bedeutung fĂŒr die Soziale Arbeit aufgezeigt. Inwieweit stecken in Fragestellungen Sozialer Arbeit in verdeckter Form bereits philosophische Fragestellungen? Und können philosophische Diskussion bzw. Positionen die Soziale Arbeit befördern?
Niemand bestreitet im Grund die Bedeutung bestimmter psychologischer, soziologischer, medizinischer und ökonomischer Fragestellungen in der Sozialen Arbeit. Dabei wird im Allgemeinen stillschweigend vorausgesetzt, dass die angefĂŒhrten Disziplinen empirische Wissenschaften sind, sie also ihr Wissen durch Befragungen, Beobachtungen oder Experimente kontrollieren. Soziale Arbeit soll sich auf die angefĂŒhrten Disziplinen beziehen, deren Wissen verarbeiten und auf dieser Grundlage handeln.
In Bezug auf die Philosophie liegt keine vergleichbare SelbstverstĂ€ndlichkeit vor. Warum ist das so? Im Gegensatz zur Psychologie, Soziologie, Politikwissenschaft usw., ist die Philosophie keine Erfahrungswissenschaft. Dies könnte durchaus ein Grund sein, der den Verdacht erweckt, sie könnte irrelevant fĂŒr Soziale Arbeit sein. Aber gilt dies nicht auch fĂŒr das Recht? Die Rechtswissenschaft ist ebenfalls keine empirische, sondern eine normative Wissenschaft. Sie bringt nicht zum Ausdruck, was ist, sondern was sein soll.
Der Unterschied scheint wohl darin zu liegen, dass das Recht unmittelbar praxisrelevante normative Fragestellungen behandelt. Welche Gesetze bzw. welche Normen und Werte fĂŒr bestimmte Situationen der Praxis Sozialer Arbeit gelten, ist eine konkrete, meist fallbezogene, Fragestellung. In der Philosophie werden im Unterschied dazu hochgradig allgemeine und auf den ersten Blick eher praxisferne Probleme behandelt. Sie charakterisieren sich dadurch, dass sie nicht in erster Linie empirisch bearbeitet werden können. So ist beispielsweise die Frage, was das Sein oder das Seiende ist, eine klassisch philosophische Frage, die bereits bei den antiken Griechen auftauchte und die Geschichte der Philosophie durchzieht. Auch ohne hier ĂŒber Vorkenntnisse zu verfĂŒgen, dĂŒrfte unmittelbar einsichtig sein, dass man die Frage, was das Sein oder das Seiende ist, nicht in erster Linie durch Befragung, Beobachtung oder Experiment klĂ€ren kann. Hier spielen vielmehr die Logik und das Denken die entscheidende Rolle.
Aber was hat so eine Frage mit Sozialer Arbeit zu tun? Treffen nicht doch die spontanen EinschÀtzungen, die den Stellenwert der Philosophie in der Sozialen Arbeit verneinen, zu?
Das Ziel dieses Lehrbuches ist, gerade den Stellenwert auch solch grundlegender Fragen fĂŒr die Soziale Arbeit deutlich zu machen.
Ende April 2016 wurde bei der 16. Mitgliederversammlung der Deutschen Gesellschaft fĂŒr Soziale Arbeit das fĂŒr die Bundesrepublik Deutschland geltende Kerncurriculum Soziale Arbeit verabschiedet.1 Es soll Leitlinie fĂŒr die Konzeptionierung und Überarbeitung von Studienprogrammen der Sozialen Arbeit sein und zudem professions- und hochschulpolitische Orientierung geben.
Das Kerncurriculum enthÀlt in fast allen sieben Studienbereichen neben empirisch-sozialwissenschaftlichen WissensbestÀnden auch genuin philosophische Inhalte.
In diesem Lehrbuch werden die philosophischen Thematiken auf das Kerncurriculum bezogen. Dabei steht neben der exemplarischen Vermittlung zentraler philosophischer Inhalte jeweils der Stellenwert des philosophischen Wissens in der Sozialen Arbeit im Zentrum. Es geht um die Frage, welchen Nutzen in Bezug auf wissenschaftliche Fundierung, Reflexion und Praxis SozialpÀdagoginnen bzw. Sozialarbeiter aus der Philosophie ziehen können.
Dabei geht es auch darum, das Vorurteil, dass der Philosophie in einem Studium Sozialer Arbeit eine eher randstĂ€ndige Rolle zukommen mĂŒsse, zu korrigieren. In den einzelnen Kapiteln soll jeweils deutlich werden, inwieweit Philosophie die fachliche Basis Sozialer Arbeit erweitern kann.
GĂ€ngige LehrbĂŒcher, die philosophische Aspekte Sozialer Arbeit thematisieren, konzentrieren sich meist auf die Berufsethik, seltener auf die Anthropologie. In Bezug auf andere Bereiche liegt ein deutliches Defizit an Veröffentlichungen vor. Insbesondere fehlt ein Lehrbuch, das den gesamten Kanon der fĂŒr die Soziale Arbeit relevanten philosophischen Themen aufgreift und diesen auch auf einem angemessenen Level verarbeitet.
Im Einzelnen werden die folgenden Teildisziplinen und zugehörigen Fragestellungen behandelt werden:
‱ Erkenntnis- und Wissenschaftstheorie ist durch die Frage, was Erkenntnis und Wissen im Allgemeinen und was Wissenschaft im Besonderen ist, charakterisiert. Soziale Arbeit als Wissenschaft steht in diesem Zusammenhang vor der Frage als welcher Typus von Wissenschaft sie sich sieht. Begreift sie sich als empirische Wissenschaft, als normative Wissenschaft, sinnverstehende Wissenschaft oder als kritische Wissenschaft (vgl. 3.1; 10.2.4)? Die Frage nach dem Zusammenhang zwischen Theorie und Praxis soll hier ebenfalls angegangen werden (vgl. 3.2). Inwieweit lĂ€sst sich Praxis wissenschaftlich begrĂŒnden? Welche Modelle einer Verbindung von Theorie und Praxis gibt es? Angesprochen wird auch die aktuelle Entwicklung in der Wirkungsforschung, wobei die philosophische Reflexion dieser Entwicklungen im Fokus steht.
‱ Die Frage, wie wir das Sein oder das Seiende verstehen wollen, wird in der Ontologie oder allgemeinen Metaphysik behandelt. Dabei handelt es sich um eine Teildisziplin der Philosophie. FĂŒr Soziale Arbeit lĂ€sst sich die Relevanz der Ontologie durch folgende Anmerkungen andeuten: Soziale Arbeit hat einen Gegenstand und dieser wird als strukturiert gedacht. Welche Strukturen sind das? Welche Rolle spielen Grundauffassungen vom Sein und Seienden in der Wissenschaft der Sozialen Arbeit und ihrer Praxis (vgl. 4.)? Sein und Seiend sind allgemeinste Bestimmungen von allem, was es gibt. Wenn wir beispielsweise sagen, jemand habe ein ADHS, dann bringen wir zum Ausdruck, dass ADHS existiert. Die meisten Menschen beschĂ€ftigen sich erst einmal mit der auf den speziellen Gegenstand gerichteten Frage, was ADHS ist, welche Ursachen es hat, welche Kriterien geeignet sind, um es zu diagnostizieren und welche Hilfsmöglichkeiten es gibt. Eher fremd und kĂŒnstlich erscheint uns in diesem Zusammenhang die Frage, was es heißt, dass jemand ADHS hat. Hat er es wie eine Jacke, die er ablegen könnte? Gibt es das Kind, z. B. Gerda, und ihr Symptom, also zwei Elemente? Oder tĂ€uscht uns hier die Sprache und meinen wir vielleicht gar nicht, dass es neben dem Kind noch das Symptom gibt?
NatĂŒrlich kann man solche Fragen, die der gewöhnlichen Richtung unseres Denkens fremd sind, abtun und schnell zu Konkreterem, Handfesterem, ĂŒbergehen. Aber wenn man sich in Bezug auf ADHS einschlĂ€gige Theorien genauer ansieht, zeigt sich doch, dass solche Fragen verdeckt in der Sozialen Arbeit und ihren Bezugswissenschaften selbst liegen. Ein Symptom wie ADHS wird in einzelnen AnsĂ€tzen z. B. nicht als Eigenschaft einer Person gesehen, sondern als Art und Weise eine schwierige Situation zu bewĂ€ltigen. Der Perspektivwechsel – weg von der isolierten Person – fĂŒhrt zu ganz anderen Konzepten der Intervention als ein Herangehen, das die Person als TrĂ€ger von Eigenschaften ansieht. Wenn wir Letzteres annehmen, können wir vermuten, dass wir den Klienten von der betreffenden Eigenschaft befreien können und sonst nichts Ă€ndern mĂŒssen. Im anderen Fall werden wir die Gesamtsituation in den Blick nehmen mĂŒssen und eine VerĂ€nderung wird die Klientin und ihre Gesamtpersönlichkeit nicht unberĂŒhrt lassen. Auch die Umwelt wĂ€re hier zu berĂŒcksichtigen.
Die unterschiedliche Sicht auf soziale Probleme, Symptome usw. wird somit auf unser VerstÀndnis des Seins bezogen. Dabei ist der Gegensatz zwischen einer an Substanzen oder Dingen orientierten Ontologie und einer Prozessontologie, die nicht mehr von abgrenzbaren einzelnen Bestandteilen der Wirklichkeit ausgeht, von zentraler Bedeutung (vgl. 4.1.3).
‱ Ethik fragt nach den Normen, den Werten, dem Guten oder dem, was wir tun sollen (vgl. 5.). Als Berufsethik ist Ethik in der Sozialen Arbeit am stĂ€rksten prĂ€sent. Hier ist sie konkret und fallbezogen. Aber es gibt eine darĂŒber hinausgehende Ebene, die die Frage der Werte, Normen bzw. des Guten im Allgemeinen betrifft. Lassen sich ĂŒbergeordnete normative Zielsetzungen Sozialer Arbeit bestimmen, an denen sie sich grundsĂ€tzlich orientieren soll? Beispiele wĂ€ren hier Autonomie, Menschenrechte oder Wohlergehen. Wie lassen sich diese Zielsetzungen begrĂŒnden?
‱ Sozialphilosophie und Sozialethik thematisieren die Gesellschaft nicht wie die Soziologie primĂ€r empirisch, sondern normativ (vgl. 6.). Zudem ist ihr Gegenstand in erster Linie die Gesellschaft im Ganzen und nicht nur einzelne Teilbereiche wie Organisationen, Institutionen oder Lebensalter. Im Zentrum stehen hier Fragen wie die BegrĂŒndung von Wohlfahrt und Gerechtigkeit.
‱ Rechtsphilosophie fragt nach dem Grund der Geltung des Rechts (vgl. 7.). Die Praxis der Sozialen Arbeit bezieht sich besonders stark auf rechtliche Regelungen. Das Recht wird oft als nicht weiter diskutierbare Grundlage gesehen. Was fĂŒhrt ĂŒberhaupt zur Geltung von Recht? Wie hĂ€ngen Recht und Moral bzw. Ethik zusammen? Welchen Stellenwert hat die Berufsethik neben dem Recht?
‱ Anthropologie stellt die Frage nach dem Wesen des Menschen (vgl. 8.). Soziale Arbeit hat es mit dem Menschen zu tun. Die Anthropologie liefert zahlreiche Modelle des Menschen, die Modelle der empirischen Wissenschaften ergĂ€nzen können. Auch ein kritisches VerhĂ€ltnis zwischen beiden ist möglich. Anthropologie kann insbesondere auch den Machbarkeitsglauben mancher Modelle relativieren und hier korrigierend wirken und die menschliche Freiheit hervorheben.
‱ Ästhetik thematisiert die sinnliche Wahrnehmung, das Schöne und die Kunst (vgl. 9.). Soziale Arbeit nutzt vielfach kĂŒnstlerisch-Ă€sthetische Methoden. Die Ästhetik kann dazu beitragen, diese Methoden tiefergehend zu verstehen und gleichzeitig kann sie ein kreatives Potential entwickeln, um neue Methoden zu erfinden, die sich auf das Schöne und das Ästhetische beziehen. Im Einzelnen soll gezeigt werden, wie durch philosophische Theorien der Ästhetik das VerstĂ€ndnis des KĂŒnstlerisch-Ästhetischen vertieft werden und auf dieser Basis die Auswahl geeigneter Methoden anhand geeigneter Kriterien verbessert werden kann. Gleichzeitig wird deutlich, wie durch Philosophie eine Basis fĂŒr Reflexion geschaffen werden kann, die das VerstĂ€ndnis des Prozesses erhöht und auf diese Weise neue Handlungsoptionen ins Blickfeld rĂŒckt.
‱ Eine Philosophie der Bildung und Erziehung (vgl. 10.) zeigt die Grenzen einer ausschließlich empirischen PĂ€dagogik. Die BezĂŒge zwischen Erziehung, Bildung und Philosophie werden an ausgewĂ€hlten Positionen deutlich gemacht.
Das Lehrbuch konzentriert sich auf Inhalte, die in der Philosophie als zentral angesehen werden. Dabei war ein »Mut zur LĂŒcke« unumgĂ€nglich. Bei der Auswahl folgte der Verfasser seinen eigenen Vorstellungen in Bezug auf den Stellenwert der Themen und Autoren. Als besondere Zugangsweise kann die Herangehensweise ĂŒber Falldarstellungen und praktische Problemstellungen der Sozialen Arbeit gelten. Die Philosophie wird so nicht in Reinform vermittelt, sondern in ihrem Anwendungsbezug. Bereits die Darstellungen der Theorien nehmen auf konkrete FĂ€lle Bezug. Dies soll den Leser unterstĂŒtzen, bei der abstrakten Materie den Überblick nicht zu verlieren und handfeste Ideen zu deren Relevanz fĂŒr die Theorie und Praxis Sozialer Arbeit auszubilden.
Die Fallbeispiele sind sowohl dem eigenen Erfahrungsbereich des Autors, wie der Literatur entnommen. Letztere entstammen meist einem außerphilosophischen Kontext. Im Lehrbuch werden die FĂ€lle auf Basis philosophischer Theorien reflektiert. Das Ziel besteht jeweils darin, neue Sichtweisen und Handlungsimpulse zu gewinnen. Dabei liegt kein technisches VerstĂ€ndnis des VerhĂ€ltnisses von Analyse, Interpretation und praktischer Handlungsanleitung zugrunde. Nirgends kann der Philosophie unmittelbar ein Rezept entnommen werden. Das VerhĂ€ltnis zwischen Theorie und Praxis orientiert sich an der Hermeneutik (vgl. 3.1.3). Den Theorien können Impulse fĂŒr Analysen und Interpretationen abgewonnen werden.
Um die Lesbarkeit des Textes zu verbessern, werden Einzelpassagen folgendermaßen hervorgehoben:
Die Praxisbeispiele am Anfang der Kapitel sind in kleinerer Schrift und eingerĂŒckt formatiert.
SpĂ€tere BezĂŒge zu oder Anwendungen auf die Praxisbeispiele, die die philosophischen ZusammenhĂ€nge verdeutlichen, werden grau unterlegt.
Aussagen zur Sozialen Arbeit, die in Kapiteln bzw. Unterkapiteln erfolgen, in denen vorrangig philosophische Positionen vorgestellt werden, erhalten eine Rahmung.
In Unterkapiteln, die sich ausschließlich auf Soziale Arbeit beziehen, erfolgt keine Rahmung.
Die Philosophie erweist sich insgesamt als Reflexionsdisziplin, die der Sozialen Arbeit eine Vertiefung ihrer Fundamente ermöglicht. Gleichzeitig regt sie neue Sichtweisen an. Der »Fall« wird möglicherweise aus seiner bisherigen Enge herausgehoben und in grĂ¶ĂŸere ZusammenhĂ€nge eingeordnet. Im Gegensatz zu Interpretationsverfahren der qualitativen Sozialforschung sind die hier praktizierten Fallanalysen nicht methodisch strukturiert, sondern stellen sich eher als Form offener Reflexion dar. Dies erscheint dem Verfasser als der Thematik angemessen.
Das Lehrbuch wendet sich in erster Linie an Studierende, Praktiker sowie Dozierende der Sozialen Arbeit. Durchgehend war die BemĂŒhung leitend, die Inhalte verstĂ€ndlich darzustellen und durch Praxisbeispiele einen möglichst konkreten Zugang zu schaffen. Die jeweiligen ZugĂ€nge sind als beispielhaft zu werten. Die Leser können eigene FĂ€lle in vergleichbarer Weise analysieren und interpretieren. Sicherlich werden mancher Leserin auch Interpretationsideen in den Sinn kommen, die hier nicht erfasst wurden.
Insgesamt erhebt der Verfasser nicht den Anspruch, eine eigene Theorie oder ein System zu entwickeln. Es geht um die Darlegung und Nutzung bestehender AnsÀtze. Als roter Faden lÀsst sich sicherlich aber die Intention erkennen, rein empirisch-wissenschaftliche Herangehensweisen in ihrem Alleinanspruch zu relativieren. Gleichzeitig wird der Mensch durchgÀngig als Wesen der Freiheit gesehen. Um dies zu verdeutlichen, werden allerdings als Kontrastfolie auch Positionen referiert, die die Freiheit in Frage stellen und das traditionelle Subjekt auf einen erforschbaren Objektzusammenhang reduzieren möchten.

2. Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie

2.1 Die Relevanz erkenntnis­theoretischer und sprachphilosophischer Fragen in der Sozialen Arbeit

Maik ist 26 Jahre alt. Vor kurzem hat er eine Stelle als SozialpĂ€dagoge in einer Jugendeinrichtung angetreten. Hohe Erwartungen waren an Maik gerichtet. Bereits mehrere Tage bevor er sein neues ArbeitsverhĂ€ltnis angetreten hatte, wurde er von einzelnen Besuchern der Jugendeinrichtung angerufen und gefragt, wie oft er die Einrichtung öffnen wolle. Maik hielt sich erst einmal zurĂŒck und gab nur vage AuskĂŒnfte. Der TrĂ€ger hatte Maik maximalen Freiraum geboten. Die Öffnungszeiten der Einrichtung kann er selbst festlegen. DarĂŒber hinaus soll er Veranstaltungen und weitere Programme anbieten.
Am ersten Arbeitstag kommt auf Maik ein Fiasko zu. Im Treff sind ĂŒber zwanzig Jugendliche. Sie grölen laut und fordern, dass an sieben Tagen in der Woche geöffnet wird. Maik glaubt nicht widersprechen zu dĂŒrfen und erklĂ€rt, dass die Jugendlichen dann den Treff zum Teil in Selbstverwaltung fĂŒhren mĂŒssen. Maik ist dreimal in der Woche sechs Stunden anwesend. An vier Tagen sollen die Jugendlichen den Treff selbst organisieren. Innerhalb weniger Wochen kommt es zu massiven Beschwerden, da die Jugendlichen Mobiliar beschĂ€digt haben. ZusĂ€tzlich wurde von den ReinigungskrĂ€ften gesehen, dass Alkohol getrunken wird.
Maik wird nun von seinen Vorgesetzten kritisiert. Er hĂ€lt dagegen, dass die Jugendlichen sehr schwierig seien. Er schlĂ€gt nun vor, die Öffnungszeiten einzugrenzen. Dies akzeptiert allerdings der TrĂ€ger nicht. Nachdem der Zustand sich nicht grundsĂ€tzlich Ă€ndert, entstehen Zweifel an Maiks Fachkompetenz. Man wirft Maik vor, nicht ausreichend durchsetzungsstark zu sein. Außerdem mĂŒsse er mehr Zeit und Engagement einbringen. Maik signalisiert, dass er bereits 18 Stunden im Treff arbeitet. DarĂŒber hinaus mĂŒsse er BĂŒroarbeit, Jugendberatung, Programmarbeit und -vorbereitung machen. Einen weiteren Mitarbeiter sieht er als dringend erforderlich an. Der TrĂ€ger signalisiert, dass die Finanzen dies im Moment nicht ermöglichen. Die Kritik an Maik nimmt weiter zu.
Die Falldarstellung beginnt an einer bestimmten Stelle. Maik erhÀlt Anrufe, bevo...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Impressum
  3. Vorwort
  4. 1.  Einleitung
  5. 2.  Erkenntnistheorie und Sprachphilosophie
  6. 3.  Wissenschaft und Forschung als Gegenstand der Wissenschaftstheorie
  7. 4.  Ontologie
  8. 5.  Ethik
  9. 6.  Sozialethik, Gerechtigkeit und Sozialphilosophie
  10. 7.  Rechtsphilosophie
  11. 8.  Anthropologie
  12. 9.  Ästhetik
  13. 10.  Philosophie der Bildung und Erziehung
  14. 11.  Schluss
  15. Literatur