6Eingeteilt ist das BGB in fünf Bücher: Allgemeiner Teil, Recht der Schuldverhältnisse, Sachenrecht, Familienrecht und Erbrecht. Das dem BGB zugrunde liegende Aufbauprinzip, das zwischen einem im ersten Buch des BGB enthaltenen allgemeinen Teil und einem von den weiteren vier Büchern gebildeten besonderen Teil unterscheidet, stammt nicht aus dem römischen Recht, sondern geht auf das 17. und 18. Jahrhundert, die Zeit des Natur- bzw. Vernunftrechts, zurück.8 Hinzu kommt das im 19. Jahrhundert vorherrschende fünfteilige System des Pandektenrechts, das Vorbild für die Einteilung des BGB in fünf Bücher war.9
7Das Motto des fünfteiligen Pandektensystems lautet „von der Wiege bis zur Bahre“, womit gemeint ist, dass sich der Regelungsaufbau daran orientiert, was für den Menschen im Laufe seines Lebens von Wichtigkeit ist. Das BGB beginnt demnach mit der Geburt und der damit verbundenen Erlangung der Rechtsfähigkeit: Gemäß § 1 BGB beginnt die Rechtsfähigkeit des Menschen mit der Vollendung der Geburt. Die Definition der Rechtsfähigkeit wird dabei vom BGB-Gesetzgeber vorausgesetzt.
Rechtsfähigkeit bedeutet die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein.
8Aus § 1 BGB ergibt sich, dass die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, allen Menschen – unabhängig von der Staatsangehörigkeit, unabhängig vom Alter und unabhängig von den körperlichen und geistigen Fähigkeiten – zukommt. Im Gegensatz zu den Rechtsobjekten, die Gegenstand von Rechten sind, handelt es sich bei den Menschen um Rechtssubjekte, also um die Träger der an den Rechtsobjekten bestehenden Rechte. Die Vorschrift zeigt auch, dass die Fähigkeit, Träger von Rechten und Pflichten zu sein, einem Kleinkind bereits unmittelbar nach Vollendung seiner Geburt zukommt. Kleinkinder können daher ohne Weiteres Träger eines größeren Vermögens und beispielsweise auch Inhaber von Unternehmen sein, etwa wenn die Eltern früh versterben und das Kleinkind das Unternehmen der Eltern erbt.
9Von der Rechtsfähigkeit ist die Geschäftsfähigkeit zu unterscheiden.
Geschäftsfähigkeit meint die Fähigkeit, Rechtsgeschäfte wirksam abzuschließen.
10Voll geschäftsfähig ist man, wie sich aus §§ 2, 104 Nr. 1 und 106 BGB ergibt, erst mit Vollendung des 18. Lebensjahres: Bis zur Vollendung des siebten Lebensjahres ist man nach § 104 Nr. 1 BGB geschäftsunfähig, während Minderjährige, also noch nicht volljährige Personen, die das siebte Lebensjahr vollendet haben, nach § 106 BGB beschränkt geschäftsfähig sind. Hinzu kommt die Vorschrift des § 2 BGB, wonach die Volljährigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres eintritt. Im Umkehrschluss kann man aus diesen Vorschriften ableiten, dass man die volle Geschäftsfähigkeit mit Vollendung des 18. Lebensjahres, also mit Eintritt der Volljährigkeit, erlangt.
11An den Allgemeinen Teil des BGB, der insbesondere auch Fragen des Personenrechts wie die Rechts- und Geschäftsfähigkeit behandelt, schließen sich das zweite und dritte Buch des BGB an, das Recht der Schuldverhältnisse und das Sachenrecht. Diese beiden Bücher umfassen das bürgerliche Vermögensrecht und stehen unter dem gemeinsamen Motto „der lebende Mensch in seinen wirtschaftlichen Beziehungen“: Im Laufe des Lebens schließt man Kaufverträge, mietet beispielsweise eine Wohnung, erwirbt Eigentum. All das gehört zu den wirtschaftlichen Beziehungen eines Menschen und ist daher Gegenstand des im zweiten und dritten Buch des BGB geregelten Vermögensrechts. Das vierte Buch beinhaltet das Familienrecht, das sich insbesondere mit den Fragen der Eheschließung, der Scheidung, des Kindschaftsrechts und des Unterhaltsrechts beschäftigt. Da jedes menschliche Leben zeitlich begrenzt ist, regelt das BGB schließlich im fünften Buch, dem Erbrecht, die Nachfolge in die Rechte und Pflichten eines Verstorbenen.
12Wichtiger als das Motto „von der Wiege bis zur Bahre“ ist die aus dem Natur- bzw. Vernunftrecht stammende Unterscheidung zwischen einem allgemeinen und einem besonderen Teil. Der Allgemeine Teil zeichnet das BGB gegenüber anderen modernen Zivilgesetzbüchern wie dem französischen Code Civil und dem österreichischen Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) aus und stellt einen wichtigen gesetzestechnischen Fortschritt dar. Man nennt die mit dem Allgemeinen Teil des BGB verwirklichte Gesetzestechnik auch Klammermethode. Damit ist gemeint, dass der Gesetzgeber im Allgemeinen Teil die Vorschriften zusammengefasst hat, die für alle übrigen Bücher des BGB Gültigkeit haben. Diese universell anwendbaren Vorschriften sind sozusagen „vor die Klammer gezogen“ und daher mit allen Vorschriften der übrigen Bücher des BGB kombinierbar, so wie ein vor die Klammer gezogener Multiplikator nach dem mathematischen Distributivgesetz auf alle in der Klammer stehenden Werte anzuwenden ist. Man muss also bei der Anwendung der übrigen Bücher des BGB immer wieder auf Vorschriften des Allgemeinen Teils zurückgreifen. Die universelle Anwendbarkeit der Vorschriften des Allgemeinen Teils ist dabei maßgeblich für den hohen Abstraktionsgrad des BGB verantwortlich. Das BGB ist ein Gesetzeswerk, bei dem die Vorschriften hochgradig miteinander verzahnt sind. Die Schwierigkeit bei der Anwendung des BGB besteht gerade darin, das Zusammenspiel der Vorschriften richtig zu erfassen. Dabei kommt dem Verständnis des Allgemeinen Teils des BGB eine ganz besondere Bedeutung zu.
13Im Recht der Schuldverhältnisse, also im zweiten Buch des BGB, hat der Gesetzgeber die Klammermethode noch einmal im Kleinen verwirklicht. Das zweite Buch, kurz auch „Schuldrecht“ genannt, gliedert sich in acht Abschnitte, wovon die ersten sieben Abschnitte allgemeine Regelungen enthalten, die für alle Schuldverhältnisse gelten, insbesondere Vorschriften über die Begründung, die Übertragung und das Erlöschen von Schuldverhältnissen. Der achte Abschnitt ist überschrieben mit „Einzelne Schuldverhältnisse“. Dabei handelt es sich um die typischen, im BGB geregelten Schuldverhältnisse wie Kauf, Tausch, Miete, Dienst- und Werkvertrag usw. Der achte Abschnitt enthält damit das besondere Schuldrecht, während die ersten sieben Abschnitte das allgemeine Schuldrecht, oder – wie man auch sagt – den allgemeinen Teil des Schuldrechts bilden. Der allgemeine Teil des Schuldrechts darf freilich nicht verwechselt werden mit dem Allgemeinen Teil des BGB. Im allgemeinen Teil des Schuldrechts sind die Regelungen versammelt, sozusagen vor die Klammer gezogen, die für alle Schuldverhältnisse gelten. Im Allgemeinen Teil des BGB finden sich die Vorschriften, die für das gesamte BGB gelten, z. B. die bereits erwähnten Vorschriften über die Geschäftsfähigkeit. Rechtsgeschäfte gibt es in allen Büchern des BGB, weshalb der Gesetzgeber die Regelung der Fähigkeit, ein Rechtsgeschäft wirksam abzuschließen...