Der Mut zum Sein
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Der Mut zum Sein

Paul Tillich

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  1. 144 pages
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Der Mut zum Sein

Paul Tillich

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Paul Tillichs (1886-1965) Abhandlung Der Mut zum Sein ist eine seiner einflussreichsten Schriften, welche ihn einem breiten Lesepublikum bekannt machte. Das schmale Bändchen geht auf seine 'Dwight Harrington Terry Foundation Lectures on Religion in the Light of Science and Philosophy' zurück, welche er vom 30. Oktober bis 2. November 1950 an der Yale University gehalten hatte. In Der Mut zum Sein fasst Tillich zentrale Gedanken seines theologischen Gesamtwerkes brennpunktartig in seiner Reformulierung des Glaubensbegriffs als Mut zum Sein vor dem Hintergrund einer Deutung der modernen Gesellschaft zusammen. Werkgeschichtlich gehört die Schrift in die Spätphase seines Denkens, wie es in der Systematischen Theologie vorliegt, deren erster Band im Jahre 1951 erschien.
Der klar geschriebene und mit einer Einleitung in das Denken Tillichs versehene Band führt prägnant in grundlegende Motive seiner Theologie und Religionsphilosophie ein.

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2015
ISBN
9783110411201

Der Mut zum Sein. Ein werkgeschichtlicher Prospekt

I

Im Jahre 1952 erschien Paul Tillichs kleine Schrift The Courage to Be.1 Sie machte den 1933 aus Deutschland emigrierten Theologen zu einem der meistgelesenen und bekanntesten religiösen Denker in den Vereinigten Staaten von Amerika nach dem Zweiten Weltkrieg. In einem Rundschreiben aus dem Jahre 1953 klagt der gefragte Redner seinen deutschen Freunden, er komme aufgrund „eine[r] unendliche [n] Fülle von Aufgaben, die an mich herankamen, nachdem ich besonders durch mein letztes Buch ‚The Courage to Be‘ in America sehr bekannt geworden bin“, nicht zum Beantworten ihrer Briefe.2 Einladungen zu zahlreichen bedeutenden Vorlesungen wie den Gifford Lectures in Aberdeen u. a. waren die Folge. In den 1950er Jahren befand sich Tillich auf dem Höhepunkt seines Erfolgs in Nordamerika. Als einer der wenigen Theologen zierte er am 16. März 1959 das Cover des Time Magazin, und 1955 ernannte man ihn zum University Professor an der Harvard University in Cambridge, eine der höchsten akademischen Ehren in den USA. Seine eindringliche Analyse des ‚age of anxiety‘, sein Vorschlag einer ‚theology of despair‘ wurde zu einem Bestseller und gehörte zur Pflichtlektüre an amerikanischen Universitäten.3 Eine deutsche Übersetzung von Gertie Siemsen erschien bereits im Jahre 1953 unter dem Titel Der Mut zum Sein, und schließlich wurde die Schrift in den 1969 erschienenen Band 11 der Gesammelten Werke Paul Tillichs in einer Neubearbeitung der Übersetzung durch Ingeborg C. Henel aufgenommen. 4
Dem erfolgreichen Buch Tillichs liegen seine vier Dwight Harringthon Terry Foundation Lectures on Religion in the Light of Science and Philosophy zugrunde, welche er vom 30. Oktober bis zum 2. November 1950 an der Yale University in New Haven gehalten hat. Die renommierten Terry-Lectures verdanken sich einer 1905 erfolgten Stiftung von Dwight H. Terry, wurden aber erst seit 1923 jährlich abgehalten. Ihr Anliegen ist es, religiöse Probleme im Horizont von Science und Philosophie zu thematisieren. Namhafte Intellektuelle, wie Erich Fromm, der 1949 über Psychoanalyses and Religion sprach, oder Charles Hartshorn, wurden als Referenten für die Vorlesungsreihe eingeladen. Tillich hielt die 27. Terry-Lecture. In einem Rundbrief vom 14. März 1950 berichtet er seinen deutschen Freunden, er sei „im Januar aufgefordert worden, im Herbst eine Foundation-Lectureship zu übernehmen, die sogenannten Terry-Lectures in Yale University, eine Aufforderung, die niemand ausschlagen kann. Das schließt ein die druckfertige Vorbereitung eines kleinen Buches, das unter weitester und schärfster Kritik stehen wird.“5 Die Entwürfe zu den vier Vorlesungen der Vortragsreihe vom Herbst 1950 sind im Paul-Tillich-Archiv der Andover-Harvard Theological Library, Harvard Divinity School, aufbewahrt. Sie tragen folgende Überschriften: 1. Being and Courage, 2. The Courage to Be a Part, 3. The Courage to Be Oneself und 4. The Courage to Accept Acceptance.6 Diese Vorträge hat Tillich in den sechs Kapiteln der Schrift The Courage to Be aufgenommen, die 1952 in dem Verlag Yale University Press in New Haven und London erschien.
Mit dem Verhältnis von Gewissheit und Zweifel, dem Glauben als Mut zum Sein sowie der Rede von einem ‚Gott über Gott‘ greift die zeitdiagnostisch angelegte Schrift Themen und Motive auf, welche sich im gesamten Werk des prominenten Theologen finden. Werkgeschichtlich betrachtet gehört Der Mut zum Sein in die späte Schaffensphase Tillichs. 1951 erschien der ersten Band der Systematic Theology.7 Der gedankliche Gehalt der Themen, welche die Schrift von 1952 in der Beschreibung des Glaubens als Mut verdichtet, der die Bedrohung durch das Nichtsein in sich aufnimmt, erschließt sich allererst vor dem Hintergrund der denkerischen Entwicklung des deutsch-amerikanischen Theologen.

II

Paul Tillich, 1886 in Starzeddel bei Guben geboren und 1965 in Chicago gestorben, studierte von 1904 bis 1908 Theologie in Berlin, Tübingen, Halle und nochmals Berlin.8 Von entscheidender Bedeutung für seinen weiteren Bildungsgang war sein viersemestriges Studium an der Theologischen Fakultät der Universität Halle von 1905 bis 1907. Hier wurde er durch den Privatdozenten der Philosophie und Fichte-Forscher Fritz Medicus mit der um die Jahrhundertwende einsetzenden Idealismusrenaissance bekannt gemacht.9 Sie schlägt sich in seinen beiden Graduierungsarbeiten zur Spätphilosophie Schellings ebenso nieder10 wie in seinen ersten eigenständigen theologischen Entwürfen, der 1911 verfassten Thesenreihe Die christliche Gewißheit und der historische Jesus11 und dem zwei Jahre später geschriebenen Entwurf einer Systematischen Theologie.12 Die genannten Texte lassen das Interesse des jungen Theologen an Begründungsfragen einer modernegemäßen Theologie vor dem Hintergrund der zeitgenössischen Debatten über die „Krisis des Historismus“ (Ernst Troeltsch) erkennen, welche ihren Ausgangspunkt bei dem Gedanken des Absoluten nimmt. Das Absolute, in der Systematischen Theologie von 1913 als absoluter Wahrheitsgedanke verstanden, ist das Prinzip der Theologie. Im Kontext derartiger Überlegungen begegnet in der 1915 an der Theologischen Fakultät der Universität Halle eingereichten Habilitationsschrift Der Begriff des Übernatürlichen, sein dialektischer Charakter und das Prinzip der Identität – dargestellt an der supranaturalistischen Theologie vor Schleiermacher die markante Wendung von einem Gott über Gott. „Der Inbegriff aller Realität und Vollkommenheit“, so schreibt er hier mit kritischem Bezug auf die supranaturalistische Theologie der späten Aufklärung, „müßte sowohl über Gott wie über den anderen Wesen stehen: Ist das Naturgesetz der Gott unter Gott, so das Absolute der ‚Gott über Gott‘. Das Supra führt einerseits zu weit, andererseits nicht weit genug über die Welt hinaus.“13 Gott ist als das Absolute zu denken, aber beide sind nicht identisch. Das Absolute überschreitet jeden Gottesbegriff und ist in diesem Sinne der Gott über Gott. Die Wendung hat sichtlich die Funktion, eine Fassung des Gottesgedankens auszuarbeiten, welche gegenüber religionskritischen Einwänden bestehen kann. Das Absolute als Grundlage des menschlichen Selbstbewusstseins geht jeder Fassung des Gottesgedankens als endliche Bestimmung in einem logischen Sinne voran. Deshalb hat das Supra keinen Begriff, sondern eine Dialektik.
Die Habilitationsschrift fällt in eine Umbruchphase des Denkens des jungen Theologen. Während des Ersten Weltkriegs verändert er die Fassung der prinzipientheoretischen Grundlagen seiner Theologie und Religionsphilosophie. In den vor dem Krieg verfassten Schriften fungiert das Absolute gewissermaßen als gegenüber dem Individuum übergeordneter Bezugsrahmen des theologischen Systems. Diese Konstruktion gibt er auf. Das Absolute, so heißt es nun, „ist ein Götze“.14 Der Gehalt des Absoluten verschwindet indes nicht. Es wird gleichsam in den religiösen Akt verlagert und neu bestimmt. Das Unbedingte, so die dominante Beschreibung ab 1918, sei kein Seiendes, sondern Sinn. Zur methodischen Grundlage der Theologie und Religionsphilosophie avanciert jetzt der Sinnbegriff in einem objektiven Sinne. Er wird im Anschluss an die sinntheoretischen Debatten im Neukantianismus und in der Phänomenologie als Medium verstanden.15 Das hat Folgen für den Begriff der Religion. Sie sei, wie die vielfach gebrauchte Wendung der 1920er Jahre lautet, Richtung auf das Unbedingte. An dem in der Habilitationsschrift von 1915 ausgeführten Gedanken einer Dialektik des Supra, die zu der Bestimmung eines Gottes über Gott führt, hat er, wie er in einem Brief an seinen Freund Emanuel Hirsch am 20. Februar 1918 schreibt, allerdings festgehalten. 16 Geändert hat sich jedoch die systematische Konstruktion dieses Gedankens.
Die ersten Hinweise auf die angesprochenen Veränderungen in der systematischen Grundlegung seiner Theologie finden sich in einem Brief an Hirsch vom 12. November 1917. Gleich zu Beginn des Schreibens heißt es: „Meine Fassung des Rechtfertigungsgedankens hat mich bis zu der Paradoxie des‚ Glaubens ohne Gott‘ getrieben. Denn wenn das Denken ein Tun, ein Werk ist (vergl. den Begriff des sacrificium intellectus) und wenn Gott als irgendwie seiend gedacht eben die Setzung eines gegenständlichen Denkens ist, so kann er gewissermaßen das Werk dieses Gedankens nicht von jemand verlangen, den er rechtfertigen will.“ Und Tillich fährt fort, auch„ der‚ Atheist‘ kann in seinem Atheismus sich ‚gerechtfertigt‘ glauben von einer Ordnung oder Realität oder Tiefe, die noch über dem steht, was er als ‚Sein Gottes‘ verneint. Jene ‚Ordnung‘ ist natürlich nicht als ein Sein zu denken, was ein Circulus wäre, sondern als ‚ Tiefe‘ oder ‚Sinn‘ etc.“17 Ganz ähnlich formulierte er kurze Zeit später in einem Brief an Maria Klein vom 5. Dezember 1917. Er schreibt hier: „Ich bin durch konsequentes Durchdenken des Rechtfertigungsgedankens schon lange zu der Paradoxie des ‚Glaubens ohne Gott‘ gekommen, dessen nähere Bestimmung und Entfaltung den Inhalt meines gegenwärtigen religionsphilosophischen Denkens bildet.“18 Auch hier geht es noch um die Dialektik des Supra. Die Objektivationen der religiösen Gewissheit in Form von inhaltlichen Gegenständen sind Produkte des religiösen Bewusstseins. Sie sind der Religionskritik ebenso ausgesetzt wie dem Zweifel an der religiösen Gewissheit. Um den Gottesgedanken vor dem religionskritischen Einwand zu bewahren, er sei eine bloße Setzung des Bewusstseins, ist dieser als Grundlagenfunktion des Bewusstseins zu fassen. Er repräsentiert die Voraussetzung aller inhaltlichen Setzungen des Bewusstseins. Die konkreten Begriffe von Gott, die stets vom Menschen geschaffen sind, haben den epistemischen Status von Deutungen der religiösen Gewissheit. Sie sind deren Ausdruck, aber nicht mit dem Unbedingten identisch. Letzteres transzendiert jede seiner (endlichen) Bestimmungen, und zugleich kann es nur durch solche repräsentiert werden. Freilich ist das Unbedingte nicht im Sinne einer bewusstseinstranszendenten Substanz oder ähnlichem zu verstehen, da eine solche der Dialektik des Supra nicht entgehen würde.19 Es ist die Einheits- und Grundlagenfunktion des menschlichen Bewusstseins. Der Transzendenzbegriff muss folglich im Horizont eines, wie es Tillich nennt, „Monismus des Sinnes“ reformuliert werden.20
Das Problem der Objektivationen des religiösen Bewusstseins, an dem sich unter den Bedingungen der Moderne das Spannungsverhältnis von Zweifel und Gewissheit entzündet und das zu der Dialektik des Supra treibt, wie sie in der Formel von einem Gott über Gott aufgenommen ist, hat Tillich in seinen Schriften nach dem Ersten Weltkrieg durch die Ausarbeitung einer sinntheorischen Religionstheorie auf einer geistphilosophischen Grundlage weiter bearbeitet. Die erste, noch schwankende systematische Ausführung der neuen Konzeption liegt in dem 1919 entstandenen Entwurf Rechtfertigung und Zweifel vor, von dem im Nachlass zwei Versionen überliefert sind.21 Das Anliegen der Ausarbeitung, die anlässlich seiner 1919 erfolgten Umhabilitierung an die Theologische Fakultät der Berliner Universität entstanden ist, ist die Begründung eines theologischen Prinzips, durch das der Gegensatz von Religion und moderner, autonomer Kultur überwunden werden soll.22 Dieser Gegensatz findet seine Auflösung in dem Glaubensakt, der als Bejahung des absoluten Paradoxes verstanden wird. Als methodische Grundlage des Glaubensbegriffs fungiert eine unter Aufnahme von Motiven Edmund Husserls ausgearbeitete intentionalitätstheoretische Fassung des religiösen Bewusstseins. Im religiösen Akt, so heißt es in dem Entwurf, werde das Unbedingte „durch bedingte Vorstellungen hindurch“ gemeint.23 Religion wird hier als ein Reflexionsgeschehen im kulturschaffenden Bewusstsein verstanden. Das Bewusstsein richtet sich im religiösen Akt auf das Unbedingte, aber es kann dies nur unter Aufnahme der bedingten kulturellen Formen. Das Unbedingte wird durch die kulturellen Formen hindurch gemeint. Im Glaubensakt wird sich das menschliche Bewusstsein einerseits in seiner reflexiven Tiefenstruktur verständlich, und andererseits fungieren die bedingten Vorstellungsformen als Darstellungen der religiösen Gewissheit und nicht als Beschreibung einer transzendenten religiösen Gegenwartssphäre.24 Die Negativität der Subjektivität und die Gewissheit des Glaubens sind hier miteinander verbunden. In der Negativität des Zweifels aktualisiert sich die Subjektivität, und zugleich ist sie darin in ihr...

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