Interrogative und Exklamative
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Interrogative und Exklamative

Syntax und Semantik von multiplen wh-Elementen im Französischen und Italienischen

Olga Kellert

  1. 302 pages
  2. German
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Interrogative und Exklamative

Syntax und Semantik von multiplen wh-Elementen im Französischen und Italienischen

Olga Kellert

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Diese Studie untersucht, ob im Französischen und Italienischen die Verwendung mehrerer Frageelemente in einem Fragesatz (z.B. engl. Who ate what? ) möglich ist. Wie sich zeigt, gibt es Frage- und Exklamativsatztypen, die mit mehrfachen Frageelementen von Muttersprachlern als ungrammatisch bewertet werden und deren Existenz auch nicht in großen Korpora des Italienischen und Französischen bestätigt werden kann. Einige Beschränkungen, die in dieser Arbeit beobachtet werden, sind in der vorhandenen Literatur bereits bekannt (vgl. Obenauer 1994, Den Dikken & Giannakidou 2002 zu Fragesätzen mit Partikeln wie frz. diable bzw. engl. the hell; Castroviejo 2006, Rett 2008 zu Exklamativsätzen und Lambrecht 1996 zu ähnlichen Beschränkungen in Spalfragen). Die meisten Analysen in der Forschungsliteratur sind jedoch auf einen bestimmten Frage- oder Exklamativsatztyp ausgerichtet (z.B. Fragen mit Partikeln oder Spaltfragen) oder auf sogenannte Gradexklamativsätze. Es stellt sich daher die Frage ob, und wenn ja, wie diese Analysen auf andere Frage- und Exklamativsatztypen übertragen werden können.

Die vorliegende Studie geht von der These aus, dass die meisten Beschränkungen in Frage-und Exklamativsätzen mit mehreren Frageelementen einheitlich als Interventionseffekte erklärt werden können (vgl. Beck 2006, Mayr 2013). Wie sich zeigen wird, sind solche Frage-und Exklamativsatztypen mit einem Fokusoperator verbunden, der einen Interventionseffekt auslöst. Der Vorteil einer solchen einheitlichen Beschreibung ist evident, denn damit können viele auf den ersten Blick verschiedene Phänomene zusammengeführt werden.

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2015
ISBN
9783110424256
Edition
1

1 Einleitung

1.1 Gegenstand, Ziel und Aufbau der Arbeit

In vielen Sprachen der Welt gibt es die Möglichkeit, mehrfache Frageelemente in einem Fragesatz auszudrücken. Derartige Fragesätze werden multiple Interrogativa genannt (engl. multiple interrogatives, vgl. hierzu die typologische Studie von Dayal 2006).1 Auch das Deutsche und das Englische bieten diese Möglichkeit (vgl. Krifka 2001, Dayal 2006):
(1) Who ate what?
(2) Wer hat was2 gegessen?
Ziel dieser Arbeit ist es, herauszufinden, ob vergleichbare Strukturen im Französischen und im Italienischen möglich sind und wenn ja, welchen Beschränkungen diese Strukturen unterliegen. Es sollen vor allem Fragesätze mit Frageelementen, die eine Argumentfunktion haben (z. B. Subjekt- und Objektfunktion wie in (1) und (2)), untersucht werden.3
Nun kommen Frageelemente nicht nur in Fragesätzen, sondern auch in Exklamativsätzen vor:
(3) Quelle surprise! ‘Was für eine Überraschung!’
(4) Che faccia! ‘Was für ein Gesicht!’
Aus diesem Grund werden auch Exklamativsätze in die Untersuchung mit aufgenommen, zumal es romanische Sprachen geben soll, die multiple wh-Elemente in Exklamativsätzen erlauben sollen (vgl. Radford 1989 zum Französischen, Oda 2008 zum Rumänischen).
Wie sich in dieser Arbeit zeigen wird, gibt es Beschränkungen bei der Bildung von Sätzen mit mehrfachen Frageelementen. Derartige Beschränkungen nenne ich ganz allgeme in Beschränkung multipler wh-Elemente mit Argumentfunktion oder abgekürzt Bmw-Effekt.4
Es wird sich herausstellen, dass einige Beschränkungen semantisch-pragmatischer und andere syntaktischer Art sind. Mit Beschränkungen ist gemeint, dass das Vorkommen multipler wh-Elemente nicht in jedem Kontext grammatisch ist. Die relevanten Beschränkungen werden im Rahmen formal-semantischer Theorien von Fragesätzen theoretisch beleuchtet, genauer in Anknüpfung an Hamblin (1973) und Karttunen (1977), von nun an H & K (vgl. die Darstellung des theoretischen Rahmens dieser Arbeit in Kapitel 3). Die syntaktische Analyse bewegt sich im Rahmen der Generativen Grammatik nach Chomsky (1995) und Rizzi (1997), wie unter 3.1 ausgeführt wird.
Da das Ziel der genannten formal-semantischen Theorien darin besteht, die Bedeutung von Fragen aus den lexikalischen Einträgen von Wörtern und ihrer syntaktischen Zusammensetzung nach einem bestimmten Verfahren kompositionell abzuleiten, setzt ihre Anwendung eine syntaktische Analyse der Fragen voraus. Aus diesem Grund gilt es, die formal-semantische und die syntaktische Analyse von Fragen miteinander zu verknüpfen.
Die relevanten Daten sollen hier im Rahmen dieser Einführung zunächst möglichst the orieneutral und allgeme inverständlich vorgestellt und besprochen werden. Dies erfolgt unter 1.2 Vertiefung der Fragestellung. Danach folgen eine Auseinandersetzung mit dem Forschungsstand (1.3) sowie zentrale Hypothesen der Arbeit (1.4), die Methode (1.5) und Ausführungen zur Datenerhebung (1.6).
Die vorliegende Arbeit besteht aus drei groben thematischen Teilen: aus dem empirischen Teil (vgl. 1.2 und Kapitel 2), der die eigenen Daten und die Daten aus der Literatur umfasst, aus dem theoretischen Rahmen dieser Arbeit und dem Forschungsstand (Kapitel 3) und aus eigenen Analysevorschlägen (Kapitel 4 bis 6). Kapitel 7 bietet eine Zusammenfassung der Arbeit und einen Ausblick auf unbeantwortete Fragen für die zukünftige Forschung.

1.2 Vertiefung der Fragestellung

1.2.1 Multiple wh-Elemente im Französischen und Italienischen

In diesem Abschnitt werden zunächst grammatische Sätze mit multiplen wh-Elementen vorgestellt und insbesondere im Hinblick auf die verschiedenen möglichen Interpretationen solcher Fragen besprochen (zu ähnlichen Beispielen im Französischen, vgl. Deprez 2003, Marandin 2006, Boucher 2010 und Gazdik 2011, und zu ähnlichen Beispielen im Italienischen siehe Frascarelli 2000, Grasso 2007):5
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(6) Kontext: Der Lehrer stellt eine mathematische Aufgabe an
die Schulkinder:Esercizio 5: Chi abita dove? Aufgabe 5: ‘Wer wohnt wo?’ Richtige Antwort: Maria abita al 3° piano, Sara al 2°, Carlo e Giulio al 1°. ‘Maria wohnt im 3. Stock, Sara im 2. Stock, Carlo und Giulio im 1. Stock.’
(@-1)
Im Französischen können beide wh-Elemente in Hauptsatzfragen auch postverbal stehen (von nun an wh-im situ) (vgl. (7)a.). In dieser Position stehen auch referentielle Ausdrücke (vgl. (7)b.). Vergleichbare Beispiele finden sich auch in der Literatur (vgl. Gazdik 2011: 259).6 Beispiele ohne Quellenangaben stammen, wenn nicht anders erwähnt, aus der eigenen Sprecherbefragung (vgl. 1.6 zur Datenerhebung):
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Es wird sich im Laufe der Arbeit zeigen, dass die Elemente mai, diable (etwa vergleichbar mit engl. the hell) zur Agrammatikalität von Fragen mit multiplen wh-Elementen führen. Es wird daher der Frage nachgegangen, ob diese Elemente selbst die Agrammatikalität verursachen oder ob bestimmte von diesen ausgelöste Interpretationen zur Agrammatikalität führen. Schauen wir uns daher an, wie Fragen überhaupt interpretiert werden.
Eine mögliche Interpretation von Fragen mit multiplen wh-Elementen ist die Listenlesart (engl. pair-list reading) (vgl. Den Dikken & Giannakidou 2002). Der Ausdruck pair-list verweist auf mehrere Paare oder Listen von Eigennamen oder anderen referentiellen Ausdrücken, die zusammen vollständige Antworten auf eine Frage mit multiplen wh-Elementen bilden (vgl. (5) und (6)). Fragen mit multiplen wh-Elementen können aber auch durch eine einzige Antwort vollständig beantwortet werden. Diesen Typ von Fragen nenne ich in Anlehnung an die Literatur Fragen mit einer Einzelpaarlesart (engl. single-pair reading) (vgl. Krifka 2001, Den Dikken & Giannakidou 2002):
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Fragen wie solche in (8) können in einem bestimmten Kontext auch als Echofragen interpretiert werden (d. h. als Fragen, die in einem Kontext geäußert werden, in welchem der Sprecher eine Information z. B. akustisch nicht verstanden hat):
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Gewöhnlich gehen Hauptsatzfragen wie in (8) mit Antworten einher, die der Sprecher zum Zeitpunkt der Äußerung noch nicht weiß. Der Sprecher hat in diesem Fall einen Informationsmangel (man nennt diesen Fragetyp in der Literatur auch genuine Fragen bzw. Informationsfragen (vgl. Den Dikken & Giannakidou 2002). Es gibt jedoch auch Hauptsatzfragen, deren gültige Antworten der Sprecher bereits zu kennen glaubt, d. h. der Sprecher hat eine bestimmte Erwartungshaltung bezüglich der wahren Antwort auf seine Frage (vgl. (10)). Solche Fragen nenne ich in Anlehnung an Caponigro & Sprouse (2007) rhetorische Fragen. Bestimmte Typen von rhetorischen Fragen enthalten auf der Ebene der erwarteten Antwort anstelle von wh-Elementen keine Eigennamen oder sonstige referentielle Ausdrücke, sondern Quantoren wie niemand oder etwas, z. B. ‘niemand hätte etwas machen können’. Ich verwende den Begriff negativ-rhetorische Fragen, um anzudeuten, dass das, was der Sprecher als Antwort erwartet, eine negative Bedeutungskomponente enthält:7
(10) QüI aurait pu faire QüOI sous son administration sans risquer sa peau ou sa liberté?
‘Wer hätte unter seiner Regierung was machen können ohne seine Haut und Freiheit zu verlieren?’ (@-2)
(Erwartete Antwort: ‘Niemand hätte etwasllist können.’)
Die negativ-rhetorische Interpretation hängt vom Kontext ab, d. h. die gleichen Fragen können in einem anderen Kontext auch als Fragen mit einer Listenlesart interpretiert werden:
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(12) Chi può aiutare chi?8
‘Wer kann wem helfen?’
‘Marco kann Paola helfen. Lucia kann Maria helfen, …’ (Listenlesart)
(13) ui aurait pu faire quoi? Pierre ceci. Marie cela.
‘Wer hätte was tun können? Pierre dies. Marie jenes.’ (Listenlesart)
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass Sätze mit multiplen wh-Elementen bei gleichbleibender Grammatikalität im Französischen und im Italienischen unterschiedlich interpretiert werden: a) mit einer Listenlesart, b) mit einer Einzelpaarlesart, c) mit einer negativ-rhetorischen Interpretation, d) als Echofragen.
Es stellt sich nun die Frage, unter welchen Bedingungen Sätze mit multiplen wh-Elementen ungrammatisch ...

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