Enterprise Resource Planning und Supply Chain Management in der Industrie
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Enterprise Resource Planning und Supply Chain Management in der Industrie

Von MRP bis Industrie 4.0

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Enterprise Resource Planning und Supply Chain Management in der Industrie

Von MRP bis Industrie 4.0

About this book

Enterprise Resource Planning (ERP) und Supply Chain Management (SCM) gehören zu den Kernaufgaben eines Industrieunternehmens. Sie haben sich evolutionĂ€r aus der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) herausentwickelt. Ein Großteil der betriebswirtschaftlichen, administrativen und teilweise auch technischen Aufgaben eines Industrieunternehmens wird heute durch ERP- und SCM-Systeme unterstĂŒtzt.

Das Buch erklĂ€rt die konzeptionellen Grundlagen der Systeme, zeigt auf, wie typische GeschĂ€ftsprozesse mit Hilfe praktischer Systeme (z.B. SAP ERP) durchgefĂŒhrt werden, und behandelt aktuelle Entwicklungen wie Industrie 4.0. Fertigungsnahe und technische Anwendungssysteme werden mit ihren Schnitt stellen um ERP und SCM herum platziert. Die praktische Umsetzung theoretischer Konzepte illustrieren zahlreiche Anwendungsbeispiele.

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2016
Print ISBN
9783110441680
eBook ISBN
9783110433340

1EinfĂŒhrung

1.1Betriebliche Anwendungssysteme

Anwendungssoftware
Im Kern dieses Buchs stehen Aufgaben eines Industrieunternehmens und Anwendungssysteme, die die ErfĂŒllung dieser Aufgaben unterstĂŒtzen. In der Praxis spricht man traditionell von Anwendungssystemen, Anwendungen oder Anwendungssoftware, im akademischen Bereich (in der Wirtschaftsinformatik) von Informationssystemen, im IT-Jargon von Applikationen und in der Entwicklerszene (insbesondere bei Entwicklern mobiler Applikationen) von Apps.
Standardanwendungssoftware
In den AnfĂ€ngen der Datenverarbeitung wurden Anwendungssysteme meist vom einzelnen Unternehmen individuell fĂŒr seine spezifischen Gegebenheiten entwickelt (Individualsoftware). Im Gegensatz dazu sind es heute meist Softwareunternehmen, welche die Software produzieren. Da diese Unternehmen i. d. R. einen breiteren Markt adressieren und deshalb allgemeiner einsetzbare, standardisierte Softwaresysteme entwickeln, spricht man von betrieblicher (oder betriebswirtschaftlicher) Standardanwendungssoftware oder verkĂŒrzt von Standardsoftware. GĂ€ngige Anglizismen sind Business Software oder Business Package.
In einem typischen Industrieunternehmen kommt eine ganze Reihe von Standardsoftwaresystemen zum Einsatz, hÀufig ergÀnzt durch Individualentwicklungen.

1.1.1Der Weg von MRP zu Industrie 4.0

MRP- und PPS-Systeme
Mit dem ersten Einsatz von Computern in Industriebetrieben entstanden schon in den 60er-Jahren Anwendungssysteme fĂŒr die Produktionsplanung und -steuerung. Im angelsĂ€chsischen Raum wurden sie als MRP-Systeme, im deutschsprachigen als PPS-Systeme bezeichnet. MRP und PPS sind AbkĂŒrzungen fĂŒr Material Requirements Planning bzw. Produktionsplanung und -steuerung.
Bereits die frĂŒhen MRP- bzw. PPS-Systeme waren gegenĂŒber anderen kaufmĂ€nnischen Informationssystemen relativ anspruchsvoll, da sich sowohl die Planungsaufgaben als auch die Datenstrukturen im Produktionsbereich deutlich von anderen einfachen ein-/ausgabeorientierten Systemen der betrieblichen Datenverarbeitung abhoben.
Material Requirements Planning (MRP)
Wie die englische Bezeichnung Material Requirements Planning (MRP) bereits zum Ausdruck bringt, lag der Schwerpunkt auf der Materialbedarfsplanung. Die zentrale Fragestellung lautete etwas verkĂŒrzt: Welcher Materialbedarf (= SekundĂ€rbedarf) entsteht, wenn ein bestimmtes Produktionsprogramm (= PrimĂ€r-bedarf) hergestellt werden soll, und wie kann dieser Bedarf gedeckt werden? Angesichts der Vielzahl und der KomplexitĂ€t der Erzeugnisstrukturen war es eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe, alle mit der Beantwortung verbundenen Details zu errechnen. Von den frĂŒhen MRP-Systemen konnten Fertigungsbetriebe ganz erheblich profitierten.
Dass eine gute Planung der Materialmengen noch lange nicht fĂŒr eine gute − oder wenigstens realisierbare − Planung der Produktion ausreichend ist, liegt auf der Hand. Wenn bei der Planung nicht die Belegung der FertigungskapazitĂ€ten und der zeitliche Ablauf der Produktion berĂŒcksichtigt werden, kann es durchaus sein, dass die geplanten Mengen zu den gewĂŒnschten Terminen nicht hergestellt werden können. VernachlĂ€ssigt man die Absatzplanung, mag zwar ein ordentlicher Produktionsplan, aber unter UmstĂ€nden ein schlechtes Gesamtergebnis herauskommen.
MRP II − Manufacturing Resource Planning
Die Grundidee des Erfinders von MRP II, Oliver Wight, ist deshalb eine ganzheitliche markt- und ressourcenorientierte Planung der Absatz-, Produktions-und Bestandsmengen, die die KapazitĂ€ten berĂŒcksichtigt. Sie soll auf oberster Managementebene beginnen und eng mit dem GeschĂ€ftsplan verbunden sein [Wight 1984, S. 53 f.]. MRP II ist zwar, wie die AbkĂŒrzung nahelegt, eine Weiterentwicklung von MRP, bedeutet aber Manufacturing Resource Planning.
In der Konsequenz erfĂ€hrt die Planung des Produktionsprogramms stĂ€rkere UnterstĂŒtzung, und die fĂŒr das Produktionsprogramm erforderlichen KapazitĂ€ten werden mit den im Planungszeitraum tatsĂ€chlich verfĂŒgbaren im Rahmen einer groben KapazitĂ€tsplanung bereits frĂŒhzeitig abgeglichen. Auch die Planung des Fertigungsablaufs und die Feinterminierung der kapazitativen Ressourcen wird in MRP II mit einbezogen.
PPS-Systeme im 20. Jahrhundert
Auf der Grundlage von MRP II arbeiteten nicht nur die in den USA entstandenen MRP II-Systeme, sondern auch die im deutschsprachigen Raum entwickelten PPS-Systeme. Bis etwa zur Jahrtausendwende stand der Begriff PPS-System oft als Synonym fĂŒr das zentrale Anwendungssystem eines Produktionsunternehmens und in diesem Sinne fĂŒr sein informationstechnisches RĂŒckgrat. PPS-Systeme deckten nicht nur unmittelbar produktionsbezogene Funktionen ab, sondern eine Vielzahl angrenzender und allgemeiner betriebswirtschaftlicher Funktionen wie Kalkulation, Beschaffung, Versand oder Personalzeiterfassung.
ERP − Enterprise Resource Planning
Die Weiterentwicklung von MRP II bzw. PPS mĂŒndete in das Enterprise Resource Planning (ERP). Zum einen basiert sie auf dem Grundgedanken von MRP II, d. h. der BerĂŒcksichtigung aller relevanten Planungsbereiche und Ressourcen. Nimmt man den Gedanken ernst, so mĂŒssen auch andere, fĂŒr den GeschĂ€ftserfolg wichtige Bereiche als nur die mit der Produktion direkt oder indirekt verbundenen berĂŒcksichtigt werden.
Zum anderen gibt es noch mehr Branchen und Wirtschaftszweige als die Industrie. Man denke z. B. an die Finanzwirtschaft und weitere Dienstleistungssektoren. Auch diese benötigen leistungsfÀhige Informationssysteme.
ERP-Systeme sind funktions-, branchen- und wirtschaftszweigĂŒbergreifend. Der Begriff ERP-System wurde in den 90er-Jahren von den Herstellern betriebswirtschaftlicher Standardsoftware wie SAP, Peoplesoft, Baan u. a. geprĂ€gt. Er drĂŒckt aus, dass alle Ressourcen, die fĂŒr die GeschĂ€ftstĂ€tigkeit eines Unternehmens von Bedeutung sind, in die Planung einbezogen werden.
ERP enthÀlt meist PPS
ERP-Systeme decken eine Vielzahl betriebswirtschaftlicher Funktionen ab, zu denen natĂŒrlich auch die Produktionsplanung und -steuerung gehört. Manche ERP-Systeme enthalten sehr leistungsfĂ€hige PPS-Module, manche Systeme haben ihre StĂ€rken in anderen Bereichen. ERP-Systeme fĂŒr nichtproduzierende Unternehmen benötigen offensichtlich keine UnterstĂŒtzung fĂŒr die Produktionsplanung und -steuerung.
PPS wurde zu ERP
Der Begriff PPS-System ist im Lauf der Zeit weitgehend verschwunden. Da die erfolgreichen PPS-Systeme ohnehin immer mehr um betriebswirtschaftliche FunktionalitÀt erweitert wurde, benannten Ende der 90er-Jahre viele Hersteller ihre Systeme um und bezeichneten sie nun als ERP-Systeme. Etwas vereinfacht kann man sagen, dass die PPS-Systeme mehr oder weniger in den heutigen ERP-Systemen aufgingen.
Defizite des ERP
Mit zunehmender Vernetzung der Unternehmen in Form von Lieferketten, teilweise verursacht durch sinkende Fertigungstiefe und Konzentration auf Kernkompetenzen, traten auch Defizite des Enterprise Resource Planning zutage.
Lieferanten-Abnehmer-Netze
Beim ERP steht das einzelne Unternehmen mit seinen internen GeschĂ€ftsprozessen im Mittelpunkt. In einem komplexen Lieferanten-Abnehmer-Netzwerk kann das einzelne Unternehmen aber nicht mehr fĂŒr sich allein betrachtet werden. Selbst wenn jedes Unternehmen mit Hilfe eines ERP-Systems seine jeweiligen GeschĂ€ftsprozesse optimieren wĂŒrde, wĂ€re damit noch lange nicht gewĂ€hrleistet, dass es nicht bessere Ergebnisse erzielen könnte, wenn es seine Planung und Steuerung mit den anderen Unternehmen abstimmen wĂŒrde.
SCM − Supply Chain Management
Dies ist der Ansatz beim Supply Chain Management (SCM). Wesentliche Gesichtspunkte sind der frĂŒhzeitige Informationsaustausch sowie die Abstimmung der Beschaffungs-, Produktions- und AbsatzplĂ€ne unter den Partnern einer Lieferkette.
In der heutigen vernetzten Welt kommt es fĂŒr das einzelne Unternehmen nicht mehr nur darauf an, dass die internen Prozesse gut funktionieren. Mit abnehmender Fertigungstiefe und zunehmender AbhĂ€ngigkeit des Unternehmens von seinen Zulieferern (und teilweise auch von seinen Abnehmern) ist es fĂŒr den GeschĂ€ftserfolg mindestens genauso wichtig geworden, dass die zwischen-betrieblichen Beziehungen reibungslos laufen. Dies gilt nicht nur fĂŒr die Beziehungen des Unternehmens zu seinen unmittelbaren Lieferanten, sondern auch fĂŒr die Beziehungen der Lieferanten zu ihren Lieferanten etc.
SCM-Systeme
Softwaresysteme zur UnterstĂŒtzung des Supply Chain Management (SCM-Systeme) wurden einerseits von den Herstellern der ERP-Systeme und andererseits von Softwareanbietern, die auf Logistikprobleme spezialisiert sind, entwickelt. SCM-Systeme weisen i. d. R. Schnittstellen zu ERP-Systemen auf. WĂ€hrend in der Anfangszeit SCM-Systeme meist gesonderte Systeme darstellten, ist zunehmend zu beobachten, dass die strikte Trennung von ERP und SCM aufgegeben wird. Viele Hersteller weisen heute SCM- und ERP-Komponenten gleichranging unter den FunktionalitĂ€ten ihrer betriebswirtschaftlichen Software aus.
Globale Planung und Steuerung
Die erweiterte Sichtweise im Supply Chain Management bedeutet, dass der eigene Beschaffungs-, Produktions- und Absatzplan unter BerĂŒcksichtigung eines Netzwerks von Unternehmen, in das man eingegliedert ist, aufgestellt und durchgefĂŒhrt wird. KapazitĂ€tsengpĂ€sse beim Lieferanten eines Lieferanten können beispielsweise Auswirkungen auf die eigenen Beschaffungs-, Produktions-und Absatzmöglichkeiten haben. SCM-Systeme sollten deshalb die Koordination im Netzwerk und die Anpassung an verĂ€nderte Bedingungen unterstĂŒtzen.
APS − Advanced Planning and Scheduling
Die Produktionsplanung und -steuerung ist im Supply Chain Management nicht nur weiter, sondern auch noch komplexer geworden. Stießen frĂŒher mathematische Methoden und fortgeschrittene Heuristiken fĂŒr komplexe Planungsprobleme schnell an die Grenzen der Rechenbarkeit, gibt es heute dank leistungsfĂ€higer Informationstechnologie anspruchsvolle LösungsansĂ€tze, die auch praxistauglich sind. Diese werden hĂ€ufig unter dem Begriff Advanced Planning and Scheduling (APS) bzw. APS-Systeme zusammengefasst (vgl. Abschnitt 9.5).
„Intelligente“ Maschinen und Produkte
Fortschritte der Mikroelektronik ermöglichen es heute, „Intelligenz“ nicht nur in konventionellen Computern bzw. ihren Softwaresystemen zu verankern, sondern auch in Maschinen, Transporteinrichtungen, WerkstĂŒcken und Endprodukten. Technologien wie Mikrochips, RFID (Radio Frequency Identification), CPS (Cyber-Physical Systems) und das Internet der Dinge erlauben es nun, diese GegenstĂ€nde selbst handlungsfĂ€hig zu machen und zu vernetzen.
Daraus resultieren nicht nur Effizienzpotentiale fĂŒr die Produktion und Logistik, sondern auch betriebswirtschaftliche Potentiale hinsichtlich neuer GeschĂ€ftsmodelle und GeschĂ€ftsprozesse. In der Folge ergeben sich neue Anforderungen an ERP-, SCM- und andere betriebswirtschaftliche Anwendungssysteme.
Industrie 4.0
Die neuen methodischen und technologischen AnsĂ€tze werden im deutschsprachigen Raum meist unter dem Schlagwort Industrie 4.0 zusammengefasst. Der Begriff Industrie 4.0 geht auf eine Initiative der deutschen Bundesregierung zurĂŒck, die durch Digitalisierung und Automatisierung in der Produktionstechnik („Smart Factory“) die FĂŒhrungsposition Deutschlands im globalen Wettbewerb festigen und verbessern...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhaltsverzeichnis
  5. Vorwort zur achten Auflage
  6. 1 EinfĂŒhrung
  7. 2 MRP – Material Requirements Planning
  8. 3 MRP II – Manufacturing Resource Planning
  9. 4 Auftrags- und Einzelfertigung
  10. 5 ERP – Enterprise Resource Planning
  11. 6 Beispielhafte ERP-Systeme: SAP ERP und mehr
  12. 7 EinfĂŒhrung und Technologie eines ERP-Systems
  13. 8 Das Umfeld von ERP: MES, CAx und PDM
  14. 9 SCM – Supply Chain Management
  15. 10 Ein beispielhaftes SCM-System: SAP SCM
  16. 11 Lebenszyklusmanagement: Produktion und Supply Chains rĂŒckwĂ€rts
  17. 12 Industrie 4.0
  18. Anhang
  19. Literaturverzeichnis
  20. Index
  21. Fußnoten