Klinische Hämostaseologie in der Chirurgie
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Klinische Hämostaseologie in der Chirurgie

Christoph Sucker

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Klinische Hämostaseologie in der Chirurgie

Christoph Sucker

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Dieses Buch stellt praxisrelevante Aspekte des Spezialgebietes "Gerinnung" einschließlich Diagnostik und Therapie von Gerinnungsstörungen für Chirurgen dar. Im Fokus stehen wichtiges Wissen zu Blutungsneigung und Thromboseneigung im Rahmen operativer Eingriffe.

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2016
ISBN
9783110418507

Teil II:Grundlagen: Blutungsneigung

Perioperative Blutungen stellen eine wichtige Ursache der Morbidität und Mortalität im Rahmen operativer Eingriffe dar. Die Ursachen der vermehrten Blutungsneigung bei operativen Eingriffen sind heterogen; von den häufigen chirurgischen Blutungen sind die nichtchirurgischen Blutungen abzugrenzen; nichtchirurgische Blutungen können durch angeborene oder erworbene Gerinnungsdefekte bedingt sein. Es wird angenommen, dass es bei etwa 10 %der durchgeführten Eingriffe zu einer vermehrten Blutungsneigung kommt; dies ist natürlich maßgeblich abhängig von Art und Umfang des durchgeführten Eingriffes. Besonders schwerwiegend ist die Massivblutung, die durch den Blutverlust (Verlust des zirkulierenden Blutvolumens innerhalb von 24 Stunden oder den Verlust von 50% des Blutvolumens innerhalb von drei Stunden oder einen anhaltenden Blutverlust über 150 ml/Minute) oder durch den sich aus der Blutung ergebenden hohen Transfusionsbedarf bzw. der Notwendigkeit einer Massivtransfusion (Transfusion von ≥ 4 Erythrozytenkonzentraten (EK) in 24 Stunden oder≥10 EK in 24 Stunden oder > 2 EK in 15 Minuten) definiert werden kann. Statistisch kommt es in etwa 1% der Eingriffe zu massiven perioperativen Blutungen, von denen etwa 25% durch Gerinnungsdefekte erklärbar sind.
Gerinnungsdefekte können mit einer vermehrten Blutungsneigung (hämorrhagischen Diathese) oder einer erhöhten Blutungsgefährdung im Rahmen von Traumata sowie operativen und zahnärztlichen Eingriffen einhergehen. Prinzipiell sind die insgesamt seltenen genetisch bedingten hereditären angeborenen Gerinnungsstörungen von den häufigen erworbenen Gerinnungsstörungen abzugrenzen, die im Rahmen verschiedener Grunderkrankungen auftreten oder durch Medikamente hervorgerufen werden können. Nachfolgend wird auf wichtige Gerinnungsdefekte, deren Klinik, Diagnostik und Therapie kurz eingegangen; hierbei wird auf angeborene und erworbene Gerinnungsstörungen fokussiert. Bzgl. Gerinnungsstörungen durch Antikoagulanzien wird auf Abschnitt 6 (Pharmaka zur Prophylaxe und Therapie venöser thrombotischer Ereignisse) verwiesen.

3Angeborene und erworbene Gerinnungsdefekte

3.1Defekte der primären Hämostase

Bei Störungen der primären Hämostase, die mit einem erhöhten Blutungsrisiko einhergehen, kann es sich um Defekte der Gefäßwand (vaskuläre hämorrhagische Diathese), Verminderung (Thrombozytopenie) und/oder Funktionsstörungen der Thrombozyten(Thrombozytopathie) sowie eine Beeinträchtigung der Interaktion von Gefäßwand und Thrombozyten, insbesondere beim von-Willebrand-Syndrom, handeln.

3.1.1Vaskuläre hämorrhagische Diathesen

Unter der Bezeichnung vaskuläre hämorrhagische Diathesen werden Erkrankungen subsumiert, bei denen es durch eine abnorme Durchlässigkeit oder eine erhöhte Fragilität von Blutgefäßen zu einer vermehrten Blutungsneigung kommt. Bei isolierten vaskulären hämorrhagischen Diathesen ist die Gerinnungsanalytik im Labor unauffällig, so dass diese Erkrankungen nicht durch Gerinnungstests diagnostiziert oder ausgeschlossen werden können.
Klinisch relevant unter den insgesamt sehr seltenen angeborenen vaskulären hämorrhagischen Diathesen ist der autosomal-dominant vererbte Morbus Osler (hereditäre Teleangiektasie), bei dem es zu einer pathologischen Erweiterung und vermehrten Fragilität von Blutgefäßen kommt. Bei den Patienten zeigen sich erweiterte Gefäße der Haut (Teleangiektasien), zumeist im Gesichts- und Mundbereich. Leitsymptom ist ein rezidivierendes, häufig schwerwiegendes Nasenbluten aus erweiterten Gefäßen im Nasenraum; gastrointestinale Blutungen können ebenfalls auftreten. Zudem kann es zu Blutungen aus pulmonalen, hepatischen und zerebralen Gefäßmalformationen kommen. Die Angaben zur Häufigkeit der Erkrankung sind heterogen, es wird eine Prävalenz von etwa 1 : 50.000 angenommen. Erbliche Bindegewebserkrankungen, wie das Marfan-Syndrom und das seltene Ehlers-Danlos-Syndrom (EDS), welches durch eine Hyperelastizität mit konsekutiv gesteigerter Gefäßfragilität und erhöhter Blutungsneigung gekennzeichnet ist, stellen eine seltene genetische Ursache einer gesteigerten Blutungsneigungdar. Es wird eine Prävalenz von etwa 1 : 10.000 angenommen.
Erworbene vaskuläre hämorrhagische Diathesen sind weitaus häufiger als die zuvor genannten genetisch bedingten Formen. Sehr oft tritt die sogenannte Purpura senilis auf, bei der es durch gesteigerte Gefäßfragilibität und Hautatrophie zu teilweise ausgeprägten Hauteinblutungen bei älteren Menschen kommt. Hierbei sind von den Einblutungen überwiegend die lichtexponierten Hautareale (Hände und Unterarme, Unterschenkel, Dekolleté) betroffen. Sonstige Blutungszeichen liegen bei isolierter Purpura senilis nicht vor, die Gerinnungsdiagnostik ist unauffällig, es besteht per se kein erhöhtes Risiko für sonstige Blutungsmanifestationen, insbesondere kein erhöhtes perioperatives Blutungsrisiko. Klinisch identisch kann sich eine vermehrte Blutungsneigung bei einer Hautatrophie nach langdauernder Steroidtherapie präsentieren. Abzugrenzen von Blutungen bei einer vermehrten Hautatrophie ist die Blutungsneigung bei entzündlichen Gefäßerkrankungen (Vaskulitiden). Es handelt sich um eine heterogene Gruppe von Krankheitsbildern, die entweder eigenständig oder als Begleitphänomen unterschiedlicher Erkrankungen (z. B. postinfektiöse Vaskulitis) auftreten können. Es kommt zu einer vermehrten Gefäßpermeabilität, was zu vorwiegend punktförmigen (petechialen) Blutungen führt; das generalisierte Auftreten von Petechien wird als Purpura bezeichnet. Bekannt ist die Purpura Schoenlein-Henoch (Vasculitis allergica), die zumeist im Kindesalter im Anschluss an einen Atemwegsinfekt oder durch andere Auslöser auftritt; in seltenen Fällen sind jedoch auch Erwachsene betroffen. Pathophysiologisch handelt es sich um eine Immunkomplexvaskulitis. Die Erkrankung, die in der Regel selbstlimitierend ist, kann sich neben generalisierten Petechien der Haut (Purpura) beispielsweise auch durch gastrointestinale Beteiligung (abdominelle Koliken, Darmblutungen u. a.), Nierenbeteiligung (Hämaturie, Proteinurie, Niereninsuffizienz) und zerebrale Beteiligung (Purpura cerebri) manifestieren.
Im perioperativen Setting stellt sich die Frage, inwieweit Patienten mit vaskulären hämorrhagischen Diathesen ein erhöhtes perioperatives Blutungsrisiko aufweisen.Da die Ursachen kutaner Blutungssymptome,wie oben aufgeführt, vielfältig sind, ist zunächst eine weitere differenzialdiagnostische Einordnung erforderlich. Patienten mit isolierter kutaner Blutungsneigung auf dem Boden einer Hautatrophie (Purpura senilis) weisen per se in der Regel kein erhöhtes perioperatives Blutungsrisiko auf, insofern kein zusätzlicher Gerinnungsdefekt vorliegt. Bei Patienten mit Morbus Osler kann bei Eingriffen in betroffenen Gefäßprovinzen eine starke lokale vaskuläre Blutungsneigung auftreten. Zur Prophylaxe und Therapie von Schleimhautblutungen bei Patienten mit vaskulärer hämorrhagischer Diathese kann durch Einsatz von Antifibrinolytika häufig eine deutliche Reduktion der Blutungsneigung erzielt werden. Da kutane Blutungen auch durch Gerinnungsdefekte bedingt sein können, sollte eine auffällige Neigung zu kutanen Blutungen vor operativen Eingriffen abgeklärt und ein Gerinnungsdefekt ausgeschlossen werden.
Kurzgefasst
Patienten mit vaskulär bedingter Blutungsneigung müssen nicht per se eine gesteigerte Blutungsneigung bei operativen Eingriffen aufweisen. Im Falle der häufigen durch eine Atrophie bedingten Hautblutungen (sog. Purpura senilis) besteht keine systemisch gesteigerte Blutungsneigung, insofern kein zusätzlicher Gerinnungsdefekt vorliegt. Hingegen kann bei anderen Formen der vaskulären Blutungsneigung, beispielsweise bei Patienten mit hereditären Teleangiektasien (Morbus Osler), eine deutlich verstärkte lokale perioperative Blutungsneigung bestehen. Eine auffällig gesteigerte Neigung zu Hautblutungen sollte weiter abgeklärt werden, um eine zugrundeliegende Gerinnungsstörung auszuschließen. Isolierte periphere Hautblutungen in Licht-exponierten oder atrophen Hautarealen sind in der Regel nicht mit einem systemisch gesteigerten Blutungsrisiko assoziiert.

3.1.2Thrombozytopenie

Eine Verminderung der Blutplättchen unter den Normbereich, zumeist unter etwa 150.000/μl, wird als Thrombozytopenie bezeichnet. Bei unbeeinträchtigter Funktion der Thrombozyten besteht hierbei oberhalb einer Thrombozytenzahl von 50.000/μl keine relevante Blutungsneigung. Spontane Blutungsmanifestationen treten in der Regel erst bei Thrombozytenzahlen unter 10.000–20.000/μl auf; als Prädikatoren für das Auftreten von Blutungen bei einer Thrombozytopenie sind neben der Thrombozytenzahl auch andere Risikofaktoren (z. B. Infektionen, Fieber über 38 °C, zusätzliche plasmatische Gerinnungsstörung, rasche Dynamik des Thrombozytenabfalls, Einnahme von Pharmaka, die die Plättchenfunktion beeinträchtigen [z. B. Acetylsalicylsäure, Plättchenfunktionshemmer, Serotonin-Reuptake-Hemmer]) identifiziert worden, die bei der Indikationsstellung zur Plättchentransfusion berücksichtigt werden müssen. Typische Blutungszeichen bei einer Thrombozytopenie sind Petechien, die zunächst an den abhängigen Partien der Haut und der Mund- und Rachenschleimhaut auftreten, sowie Schleimhautblutungen. Das Blutungsrisiko bei Interventionen und operativen Eingriffen ist in Abhängigkeit von der Ausprägung der Thrombozytopenie gesteigert.
Die Diagnose einer Thrombozytopenie ist durch eine Bestimmung der Thrombozytenzahlen im Blutbild leicht möglich. Auszuschließen ist eine Pseudothrombozytopenie, die ein im Hinblick auf das Blutungsrisiko klinisch irrelevantes Laborartefakt darstellt, welches bei etwa 0,1% aller Blutproben beobachtet wird und ca. 10–20% aller Thrombozytopenien ausmacht. Bei der Pseudothrombozytopenie kommt es bei der Blutentnahme im EDTA-Röhrchen zur Bildung von Thrombozytenaggregaten, was eine Thrombozytopenie vortäuscht; bei Blutentnahme in einem anderen Entnahmemedium, etwa Citrat- oder Heparinblut, finden sich dann normale Plättchenzahlen. Das Phänomen kann idiopathisch auftreten oder aber im Rahmen von Tumorerkrankungen, hämatologischen System- oder Autoimmunerkrankungen. Bei der Pseudothrombozytopenie liegt also keine „echte Thrombozytopenie“ vor, so dass sich kein erhöhtes Blutungsrisiko, insbesondere auch kein erhöhtes perioperatives Blutungsrisiko, für den betroffenen Patienten ergibt. Bei gesicherter Pseudothrombozytopenie ist somit keine spezifische medikamentöse Blutungsprophylaxe im Rahmen von Eingriffen erforderlich. Perioperative Blutbildkontrollen sollten bei bekannter Pseudothrombozytopenie nicht aus EDTA-Blut, sondern aus alternativ antikoagulierten Entnahmeröhrchen erfolgen, um die „wahre“ Thrombozytenzahl ermitteln zu können.
Die Ursachen der „echten“ Thrombozytopenie sind äußerst vielfältig; pathophysiologisch sind eine verminderte Produktion von Thrombozyten, ein vermehrter Abbau der Thrombozyten, eine Anreicherung von Thrombozyten („Pooling“) in der Milz beim Hyperspleniesyndrom sowie ein gesteigerter Verbrauch von Thrombozyten bedeutsam. Hierfür finden sich zahlreiche zugrundeliegende Ursachen, wobei sich die verschiedenen Pathomechanismen teilweise überlagern können (Tab. 3.1).Grundsätzlich sind angeborene bzw. hereditäre Thrombozytopenien eine ausgesprochene Rarität, ganz überwiegend handelt es sich bei den Thrombozytopenien um erworbene Krankheitsbilder.
Tab. 3.1: Ursachen der Thrombozytopenie (* die primäre Immunthrombozytopenie ist neben einem vermehrten Abbau von Thrombozyten durch eine inadäquate Steigerung der Thrombopoese bedingt).
Ursache Krankheitsbilder
verminderte Thrombopoese hämatologische Erkrankungen (aplastische Anämie, myelodysplastische Syndrome, Leukämien, Lymphome etc.)
Knochenmetastasierung solider ...

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