Anorganische Chemie
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eBook - ePub

About this book

Dieses moderne Lehrbuch hebt sich von den StandardlehrbĂŒchern ab. Das GerĂŒst der Lerneinheiten bilden dabei die wichtigsten Prinzipien der Anorganischen Chemie wie Symmetrie, Koordination und PeriodizitĂ€t. Die Stoffchemie wird zur Darstellung und Verdeutlichung hinzugezogen. Zahlreiche neue Abbildungen, ein neues Layout und viele Übungsaufgaben nach jedem Kapitel vervollstĂ€ndigen die Neuauflage.

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2014
eBook ISBN
9783110374001

1 Was ist Anorganische Chemie?

Ralf Steudel

GegenwĂ€rtig sind mehr als 50 Millionen chemische Verbindungen bekannt und tĂ€glich werden weltweit in den Forschungslabors neue MolekĂŒle synthetisiert oder aus natĂŒrlichen Quellen isoliert, z. B. aus Pflanzen oder tierischen Organismen einschließlich Meeresorganismen. Die meisten dieser Verbindungen sind der organischen Chemie zuzuordnen, aber ihre Synthese im Labor, vor allem bei chiralen MolekĂŒlen, erfordert in der Regel Katalysatoren, die die anorganische Chemie zur VerfĂŒgung stellt. Das sind bei homogenen Reaktionen in Lösung meistens Komplexe aus einem oder mehreren Metallatomen und molekularen Liganden, die ihrerseits entweder der organischen oder der anorganischen Chemie zuzurechnen sind.
Großtechnische Synthesen in der chemischen Industrie erfordern in den meisten FĂ€llen ebenfalls eine katalytische UnterstĂŒtzung, um hohe Reaktionsgeschwindigkeiten und SelektivitĂ€ten bei gleichzeitig hohen Ausbeuten an gewĂŒnschtem Produkt zu erzielen. Diese Reaktionen sind meistens heterogen, d. h. die Katalysatoren sind fest und der Festkörperchemie zuzurechnen. Auch dabei spielen Metallatome oder Metalloxide eine entscheidende Rolle, aber diese sind auf einem TrĂ€germaterial fixiert, sodass es nicht wie bei homogenen Systemen zu einer Vermischung von Katalysator und Produkt kommt, wodurch eine kontinuierliche ReaktionsfĂŒhrung möglich wird. Das vielleicht bekannteste und sicher wichtigste Verfahren dieser Art ist die technische Ammoniaksynthese aus den Elementen Stickstoff und Wasserstoff, fĂŒr deren Erfindung,2 technische Entwicklung3 und wissenschaftliche AufklĂ€rung4 gleich drei Nobelpreise vergeben wurden, und zwar alle an deutsche Wissenschaftler. In diesem Lehrbuch beschreiben wir die verschiedenen Aspekte der anorganischen Chemie, die zum VerstĂ€ndnis von Reaktionen und Verfahren nötigt sind, wie sie oben angedeutet wurden.

1.1 Die AnfÀnge der anorganischen Chemie

Der Begriff anorganische Chemie bedeutete ursprĂŒnglich unbelebte Chemie : Das war der Zweig der Chemie, der sich aus der BeschĂ€ftigung mit Mineralien und Erzen entwickelt hatte. Alles hatte damit angefangen, dass man natĂŒrlich vorkommende Stoffe mit nĂŒtzlichen Eigenschaften fand, zum Beispiel Feuerstein, den man zu Werkzeugen verarbeiten konnte (Mittleres PleistozĂ€n, vor ca. 5 · 105 oder weniger Jahren). Dieses Gebiet entwickelte sich schließlich zur Mineralogie bzw. Geologie. Die Chemie andererseits beschĂ€ftigt sich mehr mit den Umwandlungen, die man in Stoffen hervorrufen kann. Eine der wichtigsten frĂŒhen Reaktionen war die Reduktion von Metalloxiden und -carbonaten zu den freien Metallen mittels Holzkohle:5
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(1.1)
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(1.2)
Dies waren die ersten Beispiele angewandter Redoxchemie, und bis zum heutigen Tag sind Abgabe und Aufnahme von Elektronen in der anorganischen Chemie von zentraler Bedeutung. Die Begriffe Oxidation, Reduktion und Base (von „basischem Metalloxid“) hĂ€ngen alle eng mit diesen ersten metallurgischen Prozessen zusammen. Der Begriff SĂ€ure andererseits (lat. acidum) ist von Weinessig (lat. L. acetum ) abgeleitet.
Der grĂ¶ĂŸte Teil dieser frĂŒhen Arbeiten war rein experimentell und pragmatisch und ohne viel Theorie, wie wir sie heute verstehen. Man musste die besten und reichsten Erze identifizieren und von scheinbar Ă€hnlichen Stoffen unterscheiden, wie beispielsweise das so genannte „Narrengold“ (Eisenpyrit, FeS2), das manchen GutglĂ€ubigen in vergangenen Zeiten als richtiges Gold verkauft wurde.
Einige natĂŒrliche Silicate wie die Zeolithe waren in alten Zeiten nur schwer zu verstehen. Der Name leitet sich von den griechischen Wörtern fĂŒr Kochen
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und Stein
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ab, da diese Mineralien beim Erhitzen Wasserdampf abgeben. Dass ein fester Stein gleichzeitig flĂŒssiges Wasser enthalten konnte, war verstĂ€ndlicherweise verblĂŒffend. Da diese Frage aber nicht von praktischer Bedeutung zu sein schien, wurde das Problem der „reinen“ oder „Grundlagen-Chemie“ zugewiesen.

1.2 Ein Beispiel fĂŒr moderne anorganische Chemie

In der Absicht, ein irgendwie reprĂ€sentatives chemisches System fĂŒr unsere Einleitung zu finden, haben wir einen Zeolith ausgewĂ€hlt. Dieser Begriff mag Ihnen nicht vertraut sein, aber mit Sicherheit findet man ein oder mehrere Zeolithe nicht nur in jedem chemischen Labor, sondern auch in Ihrem Haushalt und in vielen wichtigen industriellen Prozessen. Zeolithe sind Gegenstand intensiver chemischer Forschung, von der Strukturbestimmung ĂŒber die Katalyse bis zu anorganischen Aspekten der ErnĂ€hrung.6
Der natĂŒrliche Zeolith Boggsit, eine Verbindung aus Natrium, Calcium, Aluminium, Silicium, Wasserstoff und Sauerstoff, wurde in den spĂ€ten 1980er Jahren in den USA als Mineral entdeckt7 und erst vor kurzem an der UniversitĂ€t von Valencia (Spanien) synthetisiert.8 Aber zwischen den ersten Beobachtungen an „kochenden Steinen“ (1756) und der Entdeckung von Boggsit haben andere Zeolithe enorme Bedeutung erlangt. Falls Sie zu Hause eine WasserenthĂ€rtungsanlage besitzen, so enthĂ€lt sie wahrscheinlich Zeolith oder eine verwandte Verbindung. Hartes Wasser enthĂ€lt bestimmte Metallkationen, die die Wirkung von Seife oder synthetischen Waschmitteln beeintrĂ€chtigen. Das Material im WasserenthĂ€rter tauscht die Ca2+-und Mg2+-Ionen des Wassers gegen Na+-Ionen aus. In der folgenden Gleichung steht das Symbol Z fĂŒr die gesamte Zeolithstruktur mit Ausnahme der austauschbaren Na+-Ionen:
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(1.3)
Diese Entdeckung wurde bereits um 1850 gemacht und obige Reaktion war die Grundlage des ersten WasserenthÀrtungs-Prozesses durch Ionenaustausch. Die heute in WasserenthÀrtungsanlagen verwendeten Austauscher haben eine Àhnliche Struktur, sind aber von höherer LangzeitstabilitÀt.
In neuerer Zeit haben sich die Zeolithe eine verwandte, aber dennoch verschiedene Anwendung erobert. Nicht jeder, der in einem Gebiet mit hartem Wasser wohnt, hat einen WasserenthĂ€rter. In dem BemĂŒhen, den negativen Einfluss von hartem Wasser auf den Waschvorgang zu mildern, haben die Hersteller von Waschmitteln schon frĂŒher ihren Seifen und Detergentien so genannte Builder zugesetzt. Zuerst waren dies Carbonate (Waschsoda, Na2CO3) und Borate [z. B. Borax, Na4B4O5(OH)4]. In neuerer Zeit wurden stattdessen Polyphosphate [O3PO(PO3)n]m– (m = n + 3) eingesetzt, die die zweiwertigen Kationen des harten Wassers komplexieren, d. h. sie so binden, dass sie den Waschprozess nicht mehr beeintrĂ€chtigen. Die Synthese der Polyphosphate und das Studium ihrer Komplexbildungseigenschaften mit Mg2+, Ca2+ und anderen Kationen sind ein weiterer Aspekt der anorganischen Chemie. Andererseits ist Phosphat einer der drei Hauptbestandteile von DĂŒngemitteln,9 und zu viel Phosphat im Abwasser fĂŒhrt zur Eutrophierung von Seen und FlĂŒssen.10 Um den Verbrauch von Phosphaten zu reduzieren, haben die Waschmittelhersteller daher ihren Detergentien Zeolithe als mikroskopisch feines Pulver zugesetzt, um die unerwĂŒnschten Kationen zu binden. Heute ist dies der grĂ¶ĂŸte Anwendungsbereich fĂŒr Zeolithe.
Damit Sie jetzt nicht murren: „Phosphatverschmutzung raus, Zeolithverschmutzung rein“ sei gesagt, dass Zeolithe zu den ganz wenigen Stoffen gehören, die man dem Ökosystem ohne negative Folgen zusetzen kann. Durch ihre besondere Struktur sin...

Table of contents

  1. Titel
  2. Impressum
  3. Vorwort zur 5. deutschen Auflage
  4. Autorenverzeichnis
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. HĂ€ufig gebrauchte AbkĂŒrzungen
  7. HĂ€ufig verwendete Symbole
  8. 1 Was ist Anorganische Chemie? - Ralf Steudel
  9. 2 Die Struktur der Atome - Ralf Steudel
  10. 3 Symmetrie und Gruppentheorie - Ralf Steudel
  11. 4 Bindungsmodelle in der Anorganischen Chemie: Teil 1 - Dirk Johrendt
  12. 5 Bindungsmodelle der Anorganischen Chemie, Teil 2: Die kovalente Bindung - Ralf Steudel
  13. 6 Struktur und ReaktivitĂ€t von MolekĂŒlen
  14. 7 Der feste Zustand
  15. 8 Chemische KrÀfte
  16. 9 SĂ€ure-Base-Chemie
  17. 10 Chemie in wÀssrigen und nichtwÀssrigenLösungen
  18. 11 Koordinationschemie: Struktur und Bindung - Maik Finze und Udo Radius
  19. 12 Charakterisierung von Koordinationsverbindungen - Udo Radius und Maik Finze
  20. 13 Strukturen von Koordinationsverbindungen - Maik Finze und Udo Radius
  21. 14 Reaktionen von Koordinationsverbindungen: Kinetik und Mechanismen
  22. 15 Organometallverbindungen
  23. 16 Anorganische Ketten, Ringe, KĂ€figeund Cluster
  24. 17 Die Chemie der Halogene undder Edelgase
  25. 18 PeriodizitÀt und fortgeschrittene Aspekteder chemischen Bindung
  26. 19 Bioanorganische Chemie
  27. Anhang A
  28. Anhang B - Einheiten und Umrechnungsfaktoren
  29. Anhang C - Atomare EnergiezustÀnde und Termsymbole
  30. Anhang D - Charaktertafeln
  31. Anhang E
  32. Anhang F
  33. Anhang G - IUPAC-Empfehlungen zur Nomenklatur in der anorganischen Chemie
  34. Index