1.1.1 Führungsinformations- und Frühwarnsysteme
Häufig geraten Gesundheitsbetriebe in Schieflage, weil Risiken nicht rechtzeitig erkannt und Bedrohungen nicht als solche wahrgenommen werden. Dadurch verstreicht wertvolle Zeit, die zur Gefahrenabwehr und zur Entwicklung von Gegenmaßnahmen hätte genutzt werden können. Eigentümern, Banken und Beratern bleibt in diesen Situationen oft nur noch übrig zu retten, was noch zu retten ist. Leidtragende sind dabei in erster Linie die Patienten der betreffenden Gesundheitseinrichtung und deren Mitarbeiter mit ihren Familien. Insofern ist es wichtig, sich abzeichnende Probleme möglichst frühzeitig zu erkennen und sich offensiv damit auseinanderzusetzen.
Der Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands (VdK) weist in einer Pressmitteilung vom 11.09.2013 auf die schwierige Lage der Krankenhäuser hin: „Die Krankenhausversorgung in Deutschland ist nicht zukunftsfest. Vor allem die Versorgung in der Fläche ist gefährdet.“ … „Im vergangenen Jahr hatten laut Umfrage 46,2 Prozent der Klinikmanager von Allgemeinkrankenhäusern (mit Universitätsklinika, ohne Fachkrankenhäuser) mit einem negativen Jahresabschluss gerechnet. Das traf fast punktgenau zu: 46,1 Prozent schlossen 2012 mit einem Defizit ab.“ … „Für 2013 zeichnet die Befragung ein ähnlich düsteres Bild. Für alle Krankenhäuser, einschließlich der Fachkrankenhäuser und psychiatrischen Kliniken, lag der Anteil mit einem Defizit bei 39,5 Prozent. Die Fachkrankenhäuser schnitten aufgrund ihrer Spezialisierung noch am besten ab – 15,8 Prozent wiesen ein Defizit aus. Insgesamt wurde erneut deutlich, dass die Defizite zu einem Großteil systembedingt sind: Kleine Krankenhäuser der Grundversorgung sind massiv benachteiligt und mehrheitlich in ihrem Bestand gefährdet. Sie müssen den ihnen zugewiesenen Versorgungsauftrag erfüllen, erhalten aber im Fallpauschalensystem keine Refinanzierung. Grund ist, dass die Durchschnittskalkulation der Fallpauschalen vor allem auf den Kalkulationen größerer Krankenhäuser beruht.“ … „Die Krankenhäuser selbst präferieren zur Verbesserung ihrer Finanzlage zu 17,1 Prozent an erster Stelle Maßnahmen zur Erlössteigerung durch Leistungssteigerung. “ … „Es folgen der Abbau von Rückstellungen aus Überstunden und Urlaub (16,6%), Prozessoptimierungen im OP und Sachmitteleinsatz (16,0%), die Optimierung des Einkaufs (15,4%) und erst deutlich danach ein Aufschub von Investitionen (10,4%).“ … „Als allerletzte Optionen stehen bei fast allen betriebsbedingte Kündigungen, Tarifausstieg, Verkauf oder Fusion sowie Schließung von Abteilungen.“ (Verband der Krankenhausdirektoren Deutschlands, 2013, S. 1ff.).
Neben Wachsamkeit und aufmerksamer Beobachtung allgemeiner Entwicklungen in Gesundheitsbetrieben und deren Umfeld, tragen systematische Ansätze und organisatorische Vorkehrungen zu einer Frühwarnung bei.
Zunächst können Führungsinformationssysteme (FIS) eingesetzt werden, damit die Leitung einer Gesundheitseinrichtung mit den für Entscheidungen relevanten Daten und Informationen zeitgerecht versorgt wird. Damit ist nicht zwangsläufig der technisch komplizierte Aufbau eines vollumfänglichen Berichtswesens gemeint. Vielmehr ist zu überlegen, wie die Fülle der in einem Gesundheitsbetrieb vorhanden wirtschaftlichen Daten, Patienten- und Belegungszahlen, Kosteninformationen, Daten aus der Privat- und Kassenliquidation und vieles andere mehr zu aussagekräftigen Informationen zusammengefasst und den Entscheidungsträgern in geeigneter Form zugeführt werden. Wichtig ist hierbei zunächst, dass dies
- – regelmäßig,
- – mit den wesentlichen Informationen und
- – mit vergleichbaren Daten- und Berichtsstrukturen
geschieht. So wie bei einem Schiff über das Radar permanent die eigene Position bestimmt wird, damit möglichen Kollisionen ausgewichen und der eigene Kurs eingehalten werden kann, muss auch der Gesundheitsbetrieb wissen, wo er steht und wohin er sich entwickelt, damit gegebenenfalls steuernd eingegriffen werden kann. Diese, üblicherweise durch das Controlling wahrgenommene Steuerungsfunktion hat beispielsweise zur Aufgabe
- – Kostenstellen und Kostenträgerrechnungen durchzuführen,
- – sich an veränderten Rahmenbedingungen zu orientieren,
- – Abweichungen von Einnahmen- oder Kostendeckungszielen im Auge zu behalten,
- – notwendige Korrekturen einzuleiten,
- – die Einrichtung gegenüber Veränderungen im Umfeld zu wappnen und
- – Chancen und Risiken für den Gesundheitsbetrieb systematisch zu erkennen, um seine Existenz langfristig zu sichern und Erfolgspotentiale aufzubauen.
Damit die Steuerungsfunktion des Controllings durch die Leitung eines Gesundheitsbetriebs wahrgenommen werden kann, müssen die dazu notwendigen Daten zusammengetragen und aufbereitet werden. Damit dies nicht manuell, immer wieder neu und mit großem Aufwand geschehen muss, ist hierzu der Einsatz eines Führungsinformationssystems sinnvoll, das die Daten aus Buchhaltungs-, Abrechnungs- oder sonstigen Systemen über Schnittstellen automatisiert zusammenführt. In Krankenhausinformationssystemen (KIS), Heim- oder Praxisverwaltungssystemen (PVS) ist eine derartige Funktion häufig integriert.
Bei kleineren Gesundheitsbetrieben reicht beispielsweise der Einsatz einer monatlich erstellten Excel-Liste aus, in der z. B. aus dem Verhältnis des gesamten investierten Kapitals und des Betriebsumsatzes zum Betriebsgewinn der Return on Investment oder aus dem Verhältnis zwischen Zahlungsmittelbestand und kurzfristigen Verbindlichkeiten der 1. Liquiditätsgrad ermittelt werden kann.
Frühwarnsysteme dienen zur systematisierten Beobachtung und Kontrolle von den Gesundheitsbetrieb bedrohenden Risiken und beziehen zum Zwecke der Schadensvermeidung neben Daten aus internen Verarbeitungssystemen auch zusätzliche Indikatoren mit ein, vor allen Dingen auch externe Informationen. Nach Emmrich (2002, S. 169) und Hummel (2001, S. 195) lassen sich hierbei folgende Ansätze unterscheiden:
- – Warnung: Frühzeitiges Feststellen von Risiken durch interne Kennzahlen und Prognosen,
- – Erkennung: Frühzeitiges Feststellen von Risiken und Chancen durch interne und externe Indikatoren,
- – Aufklärung: Wahrnehmen und Steuern von Risiken und Chancen durch Erfolgspotentiale.
Während die Frühwarnung eher vergangenheitsorientiert ist und sich in erster Linie auf gut strukturierte, quantitative Daten der Gesundheitseinrichtung stützt, ist die Frühaufklärung strategisch orientiert und bezieht auch qualitative externe, weniger strukturierte Signale mit ein. Von besonderer Bedeutung ist daher die Auswahl der Indikatoren, die zum Erkennen von Bedrohungen herangezogen werden, wie ihre Werte zu interpretieren sind und auf welche Weise sie in Entscheidungen eingehen.
1.1.2 Frühwarnindikatoren
Die Anforderungen an die Führung eines Gesundheitsbetriebs sind komplexer geworden. Der Umgang mit betrieblichen Risiken gehört nicht nur zu den Sorgfaltspflichten im Gesundheitswesen, sondern stellt auch ein wichtiges Führungsinstrument dar, um Gesundheitseinrichtungen erfolgreich zu steuern. Neben plötzlich auftretenden Risikosituationen, entwickeln sich Risiken häufig eher schleichend, langsam und allmählich, wobei sie als Bedrohungen auch nicht immer sofort erkennbar sind. Es ist daher Aufgabe von Frühwarnindikatoren hierfür gewissermaßen als Messgrößen zu fungieren, um möglichen Schaden abzuwenden und rechtzeitiges, zielführendes Handeln auszulösen. Zur Festlegung von für den Gesundheitsbetrieb geeigneten Indikatoren bietet sich beispielsweise folgende, praktikable Vorgehensweise an (vgl. Tab. 1.1).
Häufig wird beispielsweise der Finanzbereich eines Gesundheitsbetriebs als wichtigster Beobachtungsbereich für Frühwarnindikatoren angesehen. Jedoch schlagen sich in finanziellen Auswirkungen oftmals erst relativ spät Entwicklungen nieder, die ihre eigentlichen Ursachen in veränderten Konkurrenzsituationen oder Strukturveränderungen (Stichwort: Fallpauschalen!) haben und sich beispielsweise zeitlich verzögert auf die Einnahmesituation auswirken. Dem Personalbereich wird als Beobachtungsbereich mitunter zu wenig Bedeutung beigemessen, doch gerade im Gesundheitswesen stellen beispielsweise aufgrund einer erhöhten Fluktuationsrate qualitativ nachlassende Behandlungs- und Pflegeleistungen nicht nur ein Problem für die Patientenversorgung, sondern auch für eine nachhaltig erfolgreiche Entwicklung des Gesundheitsbetriebs dar.
Tab. 1.1: Entwicklung von Frühwarnindikatoren.
Schritt | Beschreibung | Beispiele |
1 | Beobachtungsbereiche festlegen | Allgemeiner Gesundheitsmarkt, Konkurrenzsituation, Patientenentwicklung, wirtschaftliche Entwicklung etc. |
2 | Indikatoren je Beobachtungsbereich definieren | Fallzahlen, Bettenauslastungsgrad, Niederlassungszahlen, Cash Flow, Liquiditätsgrade, ausstehende Patientenforderungen, Arztdichte, Krankenhausdichte etc. |
3 | Melde- und Toleranzwerte je Indikator festlegen | Schwellenwerte, ab denen zunächst erhöhte Aufmerksamkeit für die Indikatoren einsetzt und bei weiterer Steigerung Aktivitäten erfolgen. |
4 | Reporting organisieren | Zusammenfassung regelmäßig gemessener Indikatorenwerte zu aussagefähigen Berichten. |
5 | Überprüfung durchführen | Halbjährliche oder mindestens jährliche Überprüfung der Indikatoren und Schwellenwerte im Hinblick auf ihre Aktualität und die Zuverlässigkeit des Messverfahrens. |
Auch innerhalb einzelner Beobachtungsbereiche gibt es unterschiedliche Präferenzen. So ist im Bereich der Informationstechnik sicherlich der Entwicklungsstand zu verfolgen und der Einsatz veralteter, nicht-kombatibler Techniken risikobehaftet. Mindestens ebenso wichtig sind allerdings beispielweise die Stabilität und Verfügbarkeit digitaler Steuerungen bei der eingesetzten Medizintechnik und die Berücksichtigung der vorhandenen Ausfallrisiken. Insgesamt ist bei der Definition einzelner Frühwarnindikatoren für Gesundheitseinrichtungen darauf zu achten, dass
- – die Indikatorenauswahl möglichst objektiv und nicht willkürlich erfolgt,
- – alle wesentliche Risiken beachtet und einzelne Risiken nicht unterschätzt werden,
- – die Konzentration bei der Indikatorenanwendung nicht nur auf den Symptomen liegt, sondern vor allen Dingen deren Ursachen berücksichtigt.
Damit ein Frühwarnsystem seiner Warnfunktion nachkommen kann, müssen zunächst Grenz- oder Schwellenwerte festgelegt werden, deren Überschreiten vordefinierte Aktionen auslösen.
So lässt sich beispielsweise für die Kostenzuwachsrate (sie stellt die Entwicklung der Betriebskosten dar und ermittelt sich z. B. folgendermaßen: [(Betriebskosten Periode A ÷ Betriebskosten Periode B) × 100] ein Schwellenwert festlegen, der der Inflationsrate entspricht. Dies setzt voraus, dass die Kostenzuwächse...