1Einleitung
Wenn die Rede von Google ist, hört es oftmals mit der Vorstellungskraft auf. Das Unternehmen aus Mountain View in den USA hat schon lange Ausmaße angenommen, die sich unserer Vorstellungskraft entziehen. Dabei ist es absolut notwendig, dass wir eine Idee gewinnen, mit wem wir es auf den kommenden Seiten zu tun haben werden, mit dem wir es oftmals im täglichen Leben, manchmal sogar mehrere Stunden am Tag, zu tun haben.
1.1Google – was machen die schon?
Wie wir im Verlauf des Buchs noch sehen werden, ist es besonders wichtig, dass wir uns die Sache, mit der wir uns beschäftigen, bildhaft vorstellen können. Wir steigen deshalb an dieser Stelle mit ein paar interessanten Zahlen ein, die wir in für unser Gehirn handhabbare Bilder überführen, um Google besser greifbar zu machen.
1.1.163.420 Suchanfragen pro Sekunde
Google selbst kommuniziert nicht allzu viele konkrete Zahlen zur eigenen Infrastruktur. Jüngst sickerten jedoch ein paar Hinweise2 durch, die uns eine Mindestzahl weltweiter Suchanfragen ableiten lassen. Demnach bearbeitet Google mindestens 63.420 Suchanfragen pro Sekunde. Ist das viel oder wenig? Das lässt sich leichter beantworten, wenn wir diesen Wert umrechnen – und zwar in Wörter, die die Suchmaschine pro Sekunde bearbeiten muss. Nicht jede Suchanfrage besteht nur aus einem einzelnen Wort. Aktuelle Statistiken gehen von folgender Verteilung aus:
Bild 1.1: Anzahl der Wörter in Suchanfragen, USA, Januar 2016 (Quelle: Statista)
1.1.2212.138 Wörter in allen Suchanfragen pro Sekunde
Daraus ergibt sich eine Mindestanzahl von etwa 212.138 Wörtern, die Google in jeder Sekunde verarbeiten muss. Auch diese Anzahl lässt sich nur schwer vorstellen. Gleich wird es einfacher, denn wir schreiben mit diesen Wörtern ein Buch. Und weil es vom Umfang her recht gut passt, ist unsere Wahl auf die Trilogie »Der Herr der Ringe« von J. R. R. Tolkien gefallen.
1.1.3Zwei Sekunden für die Trilogie »Der Herr der Ringe«
Mit 470.000 Wörtern, die die deutsche Version von »Der Herr der Ringe« füllt, lassen sich in ungefähr 2,2 Sekunden alle Seiten mit allen gestellten Suchphrasen füllen. Wenn wir prüfen, welchen Umsatz3 Google weltweit in einer Sekunde generieren kann, können wir den Gegenwert berechnen, den ein einzelnes Exemplar der Trilogie wert ist.
1.1.46.000 US-Dollar pro Exemplar
Google verdient mit der Beantwortung aller Fragen, die in einem Exemplar stehen, umgerechnet etwa 6.000 Dollar. Bedenkt man, dass es sich nicht um eigene Inhalte, um eigene Antworten handelt, ist das schon eine stattliche Summe. Dennoch ist es nichts Verwerfliches, denn Google tritt ja als Informationsvermittler und Informationsmoderator auf.
An dieser Stelle sei erwähnt, dass Google diesen Umsatz nur im Mix aus organischen und bezahlten Suchergebnissen erzielen kann. Sie sind in dieser Bilanz, aber auch in ihrer funktionierenden Konzeption, untrennbar miteinander verbunden. Dennoch: Die etwa 6.000 Dollar, die in einer Sekunde erwirtschaftet werden, sind aufgrund der knappen Zeiteinheit immer noch schwer vorstellbar. Wir verladen deshalb mehrere Exemplare auf Europaletten.
1.1.54,8 Millionen US-Dollar pro Europalette
Wir haben nachgerechnet: Auf einer Europalette dürften etwa 800 Exemplare von »Der Herr der Ringe« ihren Platz finden. Das entspricht einem Gegenwert von etwa 4,8 Millionen Dollar. Doch wie viele Europaletten am Tag werden benötigt, um alle Exemplare unterzubringen?
•48 Europaletten pro Tag – Insgesamt wären tatsächlich ganze 48 Europaletten erforderlich, um alle täglichen Suchanfragen in unseren Büchern unterbringen und verladen zu können.
•235 Millionen US-Dollar pro Tag – Das entspricht einem Gegenwert von insgesamt etwas mehr als 235 Millionen Dollar an einem einzigen Tag.
Bedenkt man nun noch, dass die in den Büchern gestellten Fragen auch gespeichert und inhaltlich im zeitlichen Verlauf ausgewertet werden, wird die besondere technische Leistung deutlich, die Google täglich vollbringt.
Es scheint allein schon aus ökonomischen Gründen auf der Hand zu liegen: Erhält der Suchende nicht bei der ersten Suchanfrage ein relevantes passendes Suchergebnis, wird er seine Suche verfeinern und die Infrastruktur von Google erneut nutzen. Auf diese Weise werden aus den 48 Europaletten pro Tag ganz schnell deutlich mehr. Und das ohne eine zwingend proportionale Steigerung des Umsatzes. Im Gegenteil: Durch eine intensivere Nutzung der Google-Suche steigen die Kosten – und die Unzufriedenheit der Nutzer. Der weltweite Umsatz von etwa 2.727 US-Dollar pro Sekunde steht dann auf dem Spiel.
1.1.6Ausgaben pro Sekunde
Die Ausgaben, die Google pro Sekunde zu stemmen hat, wollen wir an dieser Stelle aber auch nicht verschweigen. Sie liegen in etwa bei 2.108 Dollar. Davon entfallen durchschnittlich etwa 3 Dollar pro Sekunde auf die Stromkosten.
•619 US-Dollar Gewinn pro Sekunde – Nach Abzug aller Ausgaben bleibt aber immerhin noch ein Gewinn von mehr als 600 Dollar pro Sekunde. Das entspricht in etwa 53,5 Millionen Dollar pro Tag.
Insgesamt dürfen wir zusammenfassen: Google verfügt über eine erstaunliche Infrastruktur. Wir müssen allerdings auch davon ausgehen, dass die hohen Umsätze auf relativ wackligen Beinen stehen. Nur geringfügige Änderungen bei der Qualität oder leichte Verschiebungen in der Balance zwischen organischen und bezahlten Suchergebnissen können massive Auswirkungen auf den Umsatz des Unternehmens haben. Kein Wunder also, dass Google permanent an der Optimierung seiner Bewertungsmechanismen arbeitet.
1.2So fing alles an
Doch gehen wir einen Schritt zurück: Man mag es kaum glauben, aber die Suchmaschinenoptimierung als solche hat es bereits lange vor Google gegeben. Und war damals mit sehr wenigen Handgriffen erledigt. Ein paar Keywords an die korrekte Stelle im Quellcode der Website platziert – entweder als Meta-Keywords oder, wenn erforderlich, auch in der Farbe des Hintergrunds –, und schon ging es los. Getrickst und gemogelt wurde schon immer. Gegen die Regeln verstoßen wurde schon immer. Schließlich ging und geht es um Geld. Und wenn man es selbst nicht machte, dann machte es eben der Konkurrent.
Klassischerweise wurden die folgenden Hebel zur Manipulation eingesetzt:
Bild 1.2: Onpage- und Offpage-Optimierungshebel
Während sich die Onpage-Maßnahmen auf die Website selbst bezogen, wurden mittels Linkaufbau die von Google eingeführten Offpage-Bewertungsmechanismen bedient. Aus dieser Situation heraus erwuchsen Agenturen, die sich auf jeweils einen dieser Optimierungshebel spezialisierten.
Doch warum hat Google etwas gegen eine solche »Platzierungsbegünstigung«?
Ganz klar! Die Suchmaschine möchte nach objektiven Kriterien entscheiden können, ob eine HTML-Seite für eine konkrete Suche ein passendes Ergebnis bereithält. Ist das nicht möglich, liefert Google möglicherweise kein zufriedenstellendes Ergebnis mehr. Und genau das kann verheerende Folgen für die Akzeptanz der Marke Google haben. Da Google seine Haupteinnahmen über bezahlte Werbung (Google AdWords) generiert, könnte ein solcher Umstand die finanzielle Entwicklung des Unternehmens gravierend schädigen. Google wird also alles unternehmen, um eine Manipulation der Suchergebnisse zu verhindern.
Verständlich, dass deshalb auch nur wenig offizielle Worte über die zugrunde liegenden Bewertungsmechanismen existieren, mit denen Google die Rankings, also die einzelnen Platzierungen auf den Suchergebnisseiten, kalkuliert. Jede Information, die den Mechanismus offenlegt, macht Google gegenüber Manipula...