1. Faszination Makrofotografie
Die Makrofotografie ist für viele die Königsdisziplin der Fotografie. Die Faszination begründet sich aus der Möglichkeit, ein Motiv aus nächster Nähe zu fotografieren und zu betrachten. Details werden sichtbar, von deren Existenz man vielleicht noch nicht einmal gewusst hat. Bei einer Blume beispielsweise wird jedes Blütenstäubchen sichtbar oder bei einem Insekt jede Facette eines Auges.
Der Feurige Perlmuttfalter (Argynnis adippe) ist ein Schmetterling aus der Familie der Edelfalter. Im Spessart gelang mir diese Aufnahme auf einem Trockenrasen im morgendlichen Sonnenlicht.
100 mm | f/14 | 1/30 s | ISO 1000 | mit Stativ
Noch nah oder bereits Makro?
Was aber heißt aus nächster Nähe? Und gibt es einen Unterschied zwischen der Nah- und der Makrofotografie? Eine eindeutige Definition des Genres Makrofotografie gibt es nicht. Die grobe Einordnung des Genres findet zunächst zwischen den Aufnahmebereichen »Normal«, »Nah« und »Makro« statt, die sich wiederum durch ihren Abbildungsmaßstab definieren. Lassen wir an dieser Stelle die Zahlen sprechen:
- Normalbereich - ∞ bis β 1:20
- Nahbereich - β 1:20 bis 1:1
- Makrobereich - β 1:1 bis 25:1
An diesen Zahlen sehen Sie, dass der Makrobereich bei einem Abbildungsmaßstab von 1:1 beginnt und beim Abbildungsmaßstab 25:1 endet.
Da, wo die Nahfotografie aufhört, fängt die Makrofotografie an. Das heißt, ab einem Abbildungsmaßstab von 1:1 sprechen wir von Makrofotografie. Motiv und Foto sind gleich groß. Dazu ist ein speziell dafür entwickeltes Objektiv erforderlich, das diesen Abbildungsmaßstab bietet. Wird mit einem Abbildungsmaßstab größer als 1:1 fotografiert, befindet man sich im Bereich der Makrofotografie.
Symbol des Abbildungsmaßstabs
Der griechische Buchstabe Beta β ist das Symbol für den Abbildungsmaßstab.
Blendenwert und Schärfentiefe
Der Blendenwert beeinflusst die Schärfentiefe. Je mehr Sie mit einem höheren Blendenwert abblenden, desto größer wird der Schärfentiefebereich. Diese Schärfentiefe ist weiterhin noch abhängig vom Abbildungsmaßstab. Je größer der Abbildungsmaßstab, desto geringer die Schärfentiefe.
Die Tabelle zeigt unterschiedliche Abbildungsmaßstäbe zu einem bestimmten Blendenwert.
Zunehmende Nähe macht es schwieriger
Die Makrofotografie stellt den Fotografen durch die Möglichkeit, einem Motiv wirklich nahe zu kommen, vor erhöhte Herausforderungen. So wird es beispielsweise mit zunehmender Nähe auch zunehmend schwieriger, die Aufnahme nicht zu verwackeln. Der Schärfebereich wird geringer, wird oft sogar bis auf einen Millimeter reduziert.
Des Weiteren setzt die Fluchtdistanz Grenzen bei der Annäherung an ein lebendes Motiv. Das alles setzt Verständnis für und Kenntnis über das Motiv voraus. Weiterhin sollten mindestens grundlegende Kenntnisse über das Fotografieren vorhanden sein. Für die Makrofotografie sind spezielle Objektive erforderlich, die Nähe zum Motiv zulassen.
Die Makrofotografie ist aufgrund der detaillierten Ansicht auf das Motiv sowohl zur dokumentarischen als auch zur Darstellung mit bildgestalterischen Elementen geeignet.
- Bei der dokumentarischen Makrofotografie liegt das Augenmerk in erster Linie darauf, z. B. die äußeren Merkmale eines Schmetterlings zu belegen.
- Dagegen wird bei der Makrofotografie mit bildgestalterischen Elementen eher Wert auf eine gefällige Bildaufteilung gelegt.
Beispiel: dokumentarische Makrofotografie
Um den Schmetterling zu bestimmen, reicht dieses dokumentarische Foto aus. Für ein gutes Makrofoto ist der Hintergrund zu unruhig, und die Bildgestaltung lässt zu wünschen übrig.
150 mm | f/8 | 1/500 s | ISO 800 | ohne Stativ
Beispiel: Makrofotografie mit bildgestalterischen Elementen
Hier sieht man ganz deutlich, was eine gute Freistellung und Bildgestaltung ausmacht. Die Aufnahme wurde in der Eifel auf einem Magerrasen gemacht.
150 mm | f/8 | 1/320 s | ISO 400 | ohne Stativ
Nach einer längeren Phase der eher dokumentarischen Darstellung habe ich mich nun schon seit einigen Jahren für eine Makrofotografie mit bildgestalterischen Elementen entschieden.
Beginn einer Leidenschaft
Durch einen wunderbaren Zufall bin ich zur Makrofotografie gekommen. Bei einem Urlaub am Gardasee hatte ich neben meiner Spiegelreflexkamera auch eine Nahlinse mit im Gepäck. Ihr sollte noch größere Bedeutung zukommen. An einem heißen Nachmittag setzte sich ein Schmetterling (Schwalbenschwanz) an den Rand des Hotelpools, um Feuchtigkeit aufzunehmen. Schnell holte ich meine Kamera. Der Falter saß noch immer ganz ohne Scheu am Rand des Pools, sodass ich einige Fotos machen konnte. Von den Aufnahmen war ich derart begeistert, dass ich danach alles nur noch mit Nahlinse fotografierte.
Meine allererste Aufnahme von einem Schmetterling habe ich mit der Canon AV-1, einem Farbnegativfilm 10 ASA von Fujifilm, einem 50-mm-Objektiv und einer Nahlinse gemacht.
50 mm | f/16 | 1/125 s | ISO 100 | ohne Stativ
Eine Canon EOS 60D löste meine analoge Spiegelreflex ab, und ein Vielfaches an fotografischen Möglichkeiten tat sich damit auf. Das Bearbeiten und Verwalten der Fotos wurde zum Genuss. Schnell war klar, ein Makroobjektiv muss her, und das Canon 100 mm/2.8 erweiterte meine Ausrüstung. Jetzt ging es richtig los mit der Makrofotografie. Mit der Canon EOS 7D kam eine weitere Kamera hinzu, und das Sigma 150 mm/2.8 erweiterte den Objektivpark – ein tolles Objektiv. Inzwischen war die Makrofotografie, speziell die Fotografie unserer heimischen Schmetterlinge, zu meinem favorisierten Sujet geworden.
Der Umstieg von APS-C-Format auf Vollformat war die logische Konsequenz und wurde mit der Canon EOS 5D Mark III Realität. Es ist ein Traum, mit dieser Kamera zu fotografieren. Zusammen mit dem Makroobjektiv Sigma 150 mm/2.8 und dem Canon 100 mm/2.8 IS USM habe ich die für mich perfekte Kamera-Objektiv-Kombination gefunden. Die Ausrüstung ist natürlich nur Mittel zum Zweck. Denn eine teure Ausrüstung ist nicht zwangsläufig gleichbedeutend mit guten Fotos. Ein gutes Foto hängt vom Auge und von der Kreativität des Fotografen ab.
Jedes Foto ist einzigartig in seinem Augenblick! Jedes Foto hat seine eigene kleine Geschichte, wunderschöne Augenblicke, kleine Anekdoten.
Auf meiner Fototour in den Spessart konnte ich diesen seltenen und schönen Schmetterling fotografieren. Das Bergkronwicken-Widderchen steht auf der Roten Liste der bedrohten Arten. Nur in ganz wenigen Habitaten in Deutschland kann man das Widderchen beobachten. Es bleibt zu hoffen, dass es sich auf Dauer halten kann.
100 mm | f/10 | 1/100 s | ISO 1000 | mit Stativ
Festlegung auf einen Themenbereich
Die Makrofotografie umfasst sehr viele Themenbereiche – von der Naturfotografie über Stillleben bis hin zur Studiofotografie. In kaum einem anderen Bereich der Fotografie sind die Möglichkeiten so weit gefächert. Ich persönlich habe mir die Makrofotografie in freier Natur zum Thema gemacht. Hier haben es mir besonders unsere heimischen Schmetterlinge angetan. Alle Fotos von mir sind in freier Natur unter Einhaltung aller Naturschutzvorschriften entstanden. Um das Motiv möglichst natürlich darzustellen, verzichte ich auf jegliche Art von Blitzlicht. Die Kombination von Natur erleben und fotografieren hat sich zu einer echten Leidenschaft entwickelt.
Welcher Aufnahmemodus ist der richtige?
Die Zeitautomatik (A, Av) ist für Einsteiger wohl die beste Wahl. Der Fotograf wählt die Blende vor, und die Kamera wählt die dazugehörige Verschlusszeit. So kann man sich ganz auf die Bildgestaltung konzentrieren. Fortgeschrittene Fotografen setzten eher auf die manuelle Einstellung von Blende und Verschlusszeit, mit ihr kann man noch mehr Kreativität einbringen und Situationen mit schwieriger Belichtung besser meistern.
Oben das Aufnahmemoduswahlrad einer Canon EOS 5D Mark III und unten das einer Nikon D5500. Canon bezeichnet die Zeitautomatik mit dem Kürzel Av und die Blendenautomatik mit dem Kürzel Tv. Die meisten anderen Kamerahersteller verwenden für die Zeitautomatik das Kürzel A und für die Blendenautomatik das Kürzel S.
Autofokus oder manuell fokussieren?
In der Makrofotografie hat sich für statische Motive die manuelle Fokussierung als die beste Methode bewährt. Mit manueller Fokussierung kann man exakt auf den Punkt scharf ...