IN DIESEM KAPITEL
- Wie man Nukleinsäure gewinnt
- Wie man die isolierte Nukleinsäure bearbeiten kann
- Wie man blottet, hybridisiert und eine cDNA synthetisiert
Nun ist es so weit. Nachdem Sie jetzt wissen, was DNA und RNA ist, und einen Blick in den Werkzeugkasten des Molekularbiologen geworfen haben, können wir uns endlich selbst ins Labor begeben – ins Herzstück der molekularbiologischen Welt. Als Einstand für Ihre praktische Arbeit wollen wir uns in diesem Kapitel mit einigen typischen Standardmethoden der Genomik beschäftigen, die jeder Experimentator beherrschen sollte. Natürlich können diese Methoden von Labor zu Labor je nach Forschungsgebiet variieren, aber einige werden Ihnen immer wieder begegnen!
Wir sehen uns an, wie man Nukleinsäuren – also das Wichtigste: unser Arbeitsmaterial – aus Zellen gewinnt, und was man dann mit ihnen machen kann, um mehr über ihre Struktur oder Funktion zu erfahren. In den darauffolgenden Kapiteln beschäftigen wir uns dann mit anderen wichtigen Methoden, die oft auf den Standardmethoden aufbauen. Lassen Sie uns also jetzt mit dem wirklich spannenden Teil beginnen, der praktischen Arbeit mit genetischem Material, und nehmen Sie Ihren Platz an der Bench ein!
Wie man Nukleinsäure aus Zellen isoliert
Am Anfang eines jeden Experiments mit genetischem Material muss der Molekularbiologe oft erst einmal an seine (DNA- oder RNA-)Proben kommen. Werden diese nicht schon fertig von anderen zur Verfügung gestellt, muss er sie aus den Zellen oder Zellkernen isolieren: Er nennt das extrahieren. Je nachdem, woher die Nukleinsäure stammt, sind etwas unterschiedliche Methoden erforderlich. Grundsätzlich unterscheidet man bei der Nukleinsäureextraktion zwischen
- genomischer DNA, also der DNA, die man im Zellkern eines Lebewesens beziehungsweise bei Prokaryoten im Cytoplasma findet und die bei Eukaryoten als Chromosomen strukturiert sind. Falls Sie in diesem Zusammenhang nochmals eine kleine Gedächtnisstütze brauchen, sehen Sie einfach in Kapitel 2 nach.
- Plasmiden, den ringförmigen DNA-Molekülen der Bakterien, die wesentlich kleiner als das eigentliche Bakterienchromosom sind und die man bei vielen Klonierungsexperimenten verwendet.
- Phagen-Nukleinsäuren, der Erbinformation von Viren, die Bakterien befallen. Diese kann je nach Phage sehr unterschiedlich aussehen und ein lineares (Phage λ) oder ringförmiges (Phage M13) DNA-Molekül oder auch ein RNA-Molekül sein.
- RNA: Hier geht es meist darum, Abschriften der genomischen DNA (mRNAs) zu isolieren.
Bei allen molekulargenetischen Versuchen geht es ausnahmslos um DNA oder RNA – und die muss erst einmal aus Zellen oder Geweben gewonnen werden. Da es sich also bei der Gewinnung von Nukleinsäuren um eine der wichtigsten Beschäftigungen in einem molekularbiologischen Labor handelt, muss jeder dort Tätige mindestens eine Isolierungsmethode wie im Schlaf beherrschen. Auf der Qualität der Proben bauen alle weiteren Schritte auf, denn ohne eine brauchbare Nukleinsäure hat sich auch der Rest des Experiments erledigt und die ganze Arbeit war umsonst. Aufgrund der Bedeutung der Isolierungsverfahren gibt es mittlerweile viele, viele unterschiedliche Methoden zur Extraktion von Nukleinsäuren. Im Folgenden möchte ich Ihnen die gebräuchlichsten vorstellen. Viele Protokolle sind in der »Bibel des Molekularbiologen«, dem Handbuch Molecular Cloning von Sambrook und Russel (Cold Spring Harbor Laboratory Press) gesammelt, das Sie mit seinen drei Bänden in jedem molekularbiologischen Labor vorfinden.
Für die Isolierung oder Extraktion von Nukleinsäuren gibt es ebenso wie für viele andere molekularbiologische Verfahren sogenannte
Kits zu kaufen. Bei einem Kit handelt es sich um ein Komplettpaket, bei dem alles, was Sie für Ihr Experiment brauchen (beispielsweise Lösungen oder Reaktionsgefäße), in einem Set zur Verfügung gestellt wird und Sie nur noch Schritt für Schritt nach dem mitgelieferten Rezept verfahren müssen. Kits sparen viel Zeit, sind aber natürlich meist teurer als »selbst gemachte« Experimente – eine Garantie fürs Gelingen gibt es trotzdem nicht. Zur Isolierung und Reinigung von genomischer DNA werden in den Kits meistens Anionenaustauschersäulen eingesetzt, durch die die Lösungen zentrifugiert werden. Dies hat den Vorteil, dass keine giftigen Chemikalien verwendet werden müssen, aber den Nachteil, dass die DNA leicht in kleinere Stücke zerlegt wird, was bei einigen Anwendungen nicht erwünscht ist.
Die Extraktion genomischer DNA
Die genomische DNA ist die gesamte DNA, die man aus einer Zelle gewinnen kann. Hierfür gibt es ganz viele verschiedene Protokolle, weil es auch unüberschaubar viele Zelltypen gibt, aus denen man DNA gewinnen kann. Je nachdem, ob Sie Ihre DNA aus Blut, Blättern, einer Stuhlprobe, Knochen oder gar aus einem einzigen Spermium gewinnen möchten, sieht die Vorgehensweise ein bisschen anders aus. Gemeinsam sind aber allen Protokollen die folgenden Schritte:
- Man öffnet die Zellen meist mithilfe von Chemikalien und befreit die DNA aus den Zellkernen. Der Molekularbiologe nennt diesen Vorgang Lyse. Hierbei wird aber leider nicht nur die zelluläre DNA freigesetzt, sondern auch Nukleasen, die die kostbare DNA gleich zerstören könnten. Deshalb ist es außerordentlich wichtig, deren Arbeitseifer möglichst schnell zu hemmen, indem ein spezieller Extraktionspuffer zugegeben wird.
- Da Proteine nun den größten Teil der lysierten Probe ausmachen (die man aber nicht haben will!), werden sie durch eine Proteinase – also durch ein Enzym, das Proteine verdaut – zerstört und manchmal durch eine Behandlung mit Phenol und Chloroform sowie Zentrifugation entfernt. Dabei werden auch unerwünschte Zelltrümmer mit entsorgt. Dieser Schritt wird meist wiederholt, damit die Probe auch wirklich sauber wird.
- Die DNA befindet sich nun stark verdünnt und schon relativ sauber in wässriger Lösung. Sie wird nun noch ein letztes Mal gereinigt und aufkonzentriert: Durch Zugabe von hochprozentigem Alkohol fällt die DNA aus, kann aus dem Reaktionsgefäß gefischt werden oder findet sich nach einer Zentrifugation am Boden des Reaktionsgefäßes als Pellet (fester Niederschlag). Die DNA wird dann in Puffer oder sterilem Wasser wieder gelöst (der Molekularbiologe sagt auch »resuspendiert« dazu).
Die isolierte DNA sollte man nicht bei Raumtemperatur lagern. Sie bleibt für kürzere Zeit im Kühlschrank bei 4 °C stabil. Wenn man sie länger aufbewahren möchte, sollte man sie tiefgefrieren.
Die Kunst bei der Isolierung von genomischer DNA ist es, die extrem großen Moleküle möglichst in ihrer
vollen Länge zu gewinnen, also sie nicht allzu klein zu hacken. Scherkräfte, die bei der Extraktion entstehen, können sie nämlich sehr leicht in kleine Bruchstücke zerlegen. Die DNA intakt zu gewinnen ist sehr schwer und gelingt in der Regel nicht perfekt. Sie sollten DNA-haltige Lösungen daher nur sehr vorsichtig mischen oder pipettieren und keine Pipettenspitzen mit kleinen Durchmessern verwenden. Außerdem muss man sie sorgfältig vor Nukleasen, den Zerstörern, schützen. Beispielsweise sollte man DNA niemals ohne Handschuhe extrahieren – an den Händen hängt ein ganzes Sammelsurium der gefährlichen Zerstörer.
Das Beispiel im Kasten »DNA-Extraktion aus Blut (Aussalzmethode)« ist nur eine von vielen Möglichkeiten, um genomische DNA zu gewinnen. Wenn Sie sich DNA einfach nur mal zum Spaß in der eigenen Küche ansehen wollen, finden Sie ein Protokoll zur DNA-Extraktion mit Hausmitteln in Kapitel 3.