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Heine Und Die Weltliteratur
About this book
"The 1997 London Heine Conference brought together leading scholars and critics from Austria, Britain and Germany. The essays collected in this volume offer a broad canvas of Heine's themes and techniques, his debts and his influence, the ancient and modern connections of his work, its epic and lyrical forms, together with materials and comparisons drawn from English, German, Russian, Jewish and Islamic sources, and the musical settings of his poems. The collection complements recent scholarship, much of which has explored Heine's theoretical and other prose works, by paying close attention once more to the inexhaustible riches of his poetry."
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Information
Part I
Heine’s Intertextual Muse
1
“In der Literatur wie im Leben hat jeder Sohn einen Vater”: Heinrich Heine zwischen Bibel und Homer, Cervantes und Shakespeare*
I
Der noch verhältnismäßig junge, aber bereits berühmte Heinrich Heine wird nach seinen zwiespältigen heimatlichen Erfahrungen, die er freilich auf Reisen mit solchen aus halb Europa hatte vergleichen können, im Mai 1831 endlich in Paris, der damaligen Hauptstadt einer ganzen Epoche und Welt, als journalistischer Vermittler zwischen deutschen und französischen Gepflogenheiten wie Ereignissen tätig. Dabei gerät er als Flaneur und Beobachter der Französischen Zustände, wie er seine Ende 1832 mit dem Erscheinungsdatum 1833 als Buch zusammengefaßten Skizzen für Cottas Augsburger Allgemeine Zeitung nennt, im Laufe der Zeit zwangsläufig auch zum 1806 erbauten Leichenschauhaus, zur Morgue, damals gelegen auf der Île de la Cité am Ende des Pont Saint-Michel, nach heutiger Bezeichnung am Quai du Marché Neuf unmittelbar an der Brücke. Heine bezeichnet die Morgue als “jenes trübsinnige Haus, das vielmehr einem großen Steinklumpen gleicht”, und beschreibt die Funktion in drastischem Realismus mit Einschlüssen aus der schwarzen Romantik als eine, “wo man die Leichen, die man auf der Straße oder in der Seine findet, hinbringt und ausstellt, und wo man also die Angehörigen, die man vermißt, aufzusuchen pflegt”. Auch Charles Dickens spricht 1852 noch von dieser ‘gräßlichen Morgue’, die dann zwölf Jahre später abgerissen und durch ein größeres und moderneres Gebäude nahe Notre-Dame ersetzt wurde. Die alte Morgue war ein Platz der Sensation und des Schmerzes. Dorthin eilten nach den blutigen Straßenunruhen Anfang Juni 1832, wie Heine beobachtet, viele Menschen, wobei einige voller Angst “die ausgestellten Todten betrachteten, immer fürchtend, denjenigen zu finden, den sie suchten”. Heine illustriert seinen makabren Bericht durch “zwey entsetzliche Erkennungsscenen” von äußerster Gegensätzlichkeit: “Ein kleiner Junge erblickte seinen todten Bruder, und blieb schweigend, wie angewurzelt stehen. Ein junges Mädchen fand dort ihren todten Geliebten und fiel schreyend in Ohnmacht” (DHA XII/i, 186f.).1 Heine mußte übrigens, wie sein Bericht in lebendiger Unmittelbarkeit ausführt, die Unglückliche, da es sich zufällig um eine Nachbarin handelte, nach Hause führen.
Seither hatte es ihm die Morgue als Begegnungort mit dem Tode mitten im Pariser Leben angetan, so daß er sie kurze Zeit darauf gar als Metapher, als ergreifendes und gleichzeitig erschreckendes Bild für die “Literaturgeschichte” benutzte. Diese sei, so heißt es im 1. Buch der Romantischen Schule, womit Heine gewissermaßen seine Beschreibung aus dem Korrespondenzartikel wieder aufnimmt, “die große Morgue wo jeder seine Todten aufsucht, die er liebt oder womit er verwandt ist” (DHA VIII/i, 135). Bei der Romantischen Schule von 1836 oder besser bei ihrer Vorform Zur Geschichte der neueren schönen Literatur in Deutschland von 1833 handelt es sich bekanntlich, was der ursprüngliche, zur Religions- und Philosophieschrift Heines passende Titel ja auch deutlich ausspricht, um eine Geschichte der deutschen Literatur, ursprünglich mit Blick auf französische Leser geschrieben. Darum auch sind Heines Favoriten oder Angehörige, denen er in der Morgue der Literaturhistorie seine Reverenz erweist, zwei deutsche Autoren, die allerdings dem höchsten Menschheitsanspruch Stand halten. Heine fährt nämlich in seiner Darstellung folgendermaßen fort: “Wenn ich da unter so vielen unbedeutenden Leichen den Lessing oder den Herder sehe mit ihren erhabenen Menschengesichtern, dann pocht mir das Herz. Wie dürfte ich vorübergehen, ohne Euch flüchtig die blassen Lippen zu küssen!” (DHA VIII/1, 135f.). Einer verehrten literarischen Tradition und ihren führenden Gestalten nicht in einer harmlos angenehmen Anthologie am Studiertisch, sondern wie in einem Leichenschauhaus voller Erstarrung und Kälte zu begegnen, das bedeutet hier durchaus keinen Abstieg in ein Totenreich aus Moder und Staub, aus Abneigung und Überwindung, sondern beinhaltet einen aus Pietät erwachsenen Totenkult des Respekts und der Anerkennung jener Ideen und Leistungen, denen sich der gegenwärtige Autor verpflichtet fühlt.
II
Heines phantasmagorischer Besuch in der poetischen Morgue geht darum mit Recht seiner Betrachtung über den Patriotismus voraus, der seiner Meinung nach dem Franzosen das Herz erwärmt und erweitert, während der “Patriotismus des Deutschen” darin bestehe, “daß sein Herz enger wird, daß es sich zusammenzieht, wie Leder in der Kälte, daß er das Fremdländische haßt, daß er nicht mehr Weltbürger, nicht mehr Europäer, sondern nur ein enger Teutscher seyn will”. Heine beklagt dann “die schäbige, plumpe, ungewaschene Opposizion gegen eine Gesinnung, die eben das Herrlichste und Heiligste ist, was Deutschland hervorgebracht hat, nemlich gegen jene Humanität, gegen jene allgemeine Menschen-Verbrüderung, gegen jenen Cosmopolitismus, dem unsere großen Geister, Lessing, Herder, Schiller, Goethe, Jean Paul, dem alle Gebildeten in Deutschland immer gehuldigt haben” (DHA VIII/1, 141). Das ist die Heinesche programmatische Linie. Sie zollt der ganzen Welt und Menschheit ihren Tribut und nicht nur einer engen, ja beengenden Deutschtümelei. Darum auch sind seine Lektüren und Leseerfahrungen, bei aller manchmal rührenden Rücksicht auf die deutsche wie jüdische Herkunft, die ihrerseits in seinem Fall unzweifelhaft einen höheren Grad der Ungebundenheit, des Interesses und der Offenheit mit sich brachte, von weltliterarischem Zuschnitt. “Weltpoesie” hatte Goethe als Wort für die von ihm initiierte Homer-Lektüre mit seiner Schwester Cornelia im 12. Buch des 3. Teils von Dichtung und Wahrheit verwendet.2 “Weltliteratur” war Goethes Bezeichnung für das Phänomen einer sich verständigenden allgemeinen Kultur auf literarischem Felde, die über alle Grenzen und Unterschiede hinweg Vorzüge und Nachteile mit sich brachte. Sie bildete die Folge “von dem Vorschreiten des Menschengeschlechtes, von den weiteren Aussichten der Welt- und Menschenverhältnisse”; “uns Deutschen” sei übrigens “eine ehrenvolle Rolle Vorbehalten” in dieser sich formierenden allgemeinen Weltliteratur, wie es im 1. Heft des 6. Bandes seiner Zeitschrift Über Kunst und Altertum aus dem Jahre 1827 formuliert wird. Im berühmten Gespräch mit Eckermann heißt es am 31. Januar desselben Jahres in den oft zitierten Worten: “Nationalliteratur will jetzt nicht viel sagen; die Epoche der Weltliteratur ist an der Zeit, und jeder muß jetzt dazu wirken, diese Epoche zu beschleunigen.” Dennoch blieb Goethe davon überzeugt, daß fruchtbare Unterschiede bestehen bleiben würden. Es könne nicht die Rede davon sein, daß die Nationen überein denken sollten, “sondern sie sollen nur einander gewahr werden, sich begreifen und, wenn sie sich wechselseitig nicht Heben mögen, sich einander wenigstens dulden lernen”, so ebenfalls im 6. Band von Über Kunst und Altertum, allerdings im 2. Heft von 1828.3
Heine selbst verknüpft dieses die Nationen verbindende und die Grenzen überwindende Element der Kunst vor allem mit der Musik. In einer im Zusammenhang des XXXIII. Artikels der Lutezia entstandenen, schließlich aber gestrichenen Passage über Giacomo Meyerbeer, die ihrerseits Eingriffe von Gustav Kolb, dem Redakteur der Augsburger Allgemeinen Zeitung, aufweist, heißt es über die sich steigernden “Offenbarungen” der Meyerbeerschen Opern von Robert le diable über die Hugenotten bis zum gerade mit “Herzklopfen” erwarteten Propheten, “wodurch die Einzelnen erquickt und die Nazionen vermittelt werden”:
In der That, durch ihre Universalsprache ist die Musik mehr als jede andre Kunst geeignet zu solcher Vermitdung, und Meyerbeer konnte sich daher ein Weltpublikum bilden, das, trotz aller nazionellen Verschiedenheiten und Absonderungen, sich versteht und begreift. Wir bemerken hier eine der wunderbarsten Iniziazionen, die der großen Völkerverbrüderung, der eigentlichen Aufgabe unseres Zeitalters, vorangehen muß. Dergleichen Iniziazionen waren von jeher der geheime Zweck aller Erdenthaten des Genius, namentlich des deutschen Genius, dessen kosmopolitische Richtung sich immer vorherrschend zeigte.
In dieser Beziehung zeige sich auch eine Wahlverwandtschaft zwischen Meyerbeer und Goethe, mit dem jener auch in seiner künsderischen Wirkung größte Ähnlichkeit besitze. Ein Franzose, so schreibt Heine weiter, habe ihm jüngst erklärt, durch die Meyerbeerschen Opern in die Goethesche Poesie eingeweiht worden zu sein, “jene hätten ihm die Pforten der Goetheschen Dichtung erschlossen”, und Heine folgert, daß der deutschen Musik in Frankreich “die Sendung beschieden seyn mag, als eine präludirende Ouvertüre das Verständniß unserer deutschen Literatur zu befördern” (DHA XIII/i, 338). Hier taucht denn auch endlich die Literatur auf. Für Kolb war Heines gerade zitierte Aussage offensichtlich zu politisch. Er kürzte die Stelle und entschärfte sie zugunsten der Rolle der Literatur, wodurch er Heines Sätze gewiß abschwächte, jedoch, was die Funktion von Musik und Literatur betraf, nicht mißverstand. Seine Fassung der Heineschen Zeilen für die Allgemeine Zeitung vom 20. April 1841, die uns allerdings trotz des Fremdeingriffs in diesem Zusammenhang durchaus sehr entgegenkommt, lautet nämlich: “Man lächle nicht, wenn ich behaupte, auch in der Musik — nicht bloß in der Litteratur — liege etwas, was die Nationen vermittelt. Durch ihre Universalsprache ist die Musik mehr als jede andere Kunst geeignet, sich ein Weltpublicum zu bilden” (DHA XIII/2, 1583). Durch diese, obgleich teilweise redaktionell überarbeitete, Betrachtungsweise, will mir scheinen, erhält der Goethesche Begriff der Weltliteratur seine auf Heine bezogene Variation und Vertiefung. Die Allgemeine Zeitung übrigens wurde von Heine als ein Organ begriffen, das “alle Fakta der Zeit nicht bloß zur schnellsten Kenntniß des Publikums zu bringen” hatte, sondern sie “auch vollständig gleichsam wie in einem Weltarchiv” registrieren sollte (Zur “Préface” der Lutèce, DHA XIII/1, 293). Damit ist bereits ein universales Dokumentationszentrum angesprochen, in dem die Weltliteratur selbst nur noch eine respektable Abteilung darstellt.
III
Wenn auch die Weltliteratur bei Goethe und Heine als eine sich bereits bildende und zukünftige Annäherung der literarischen Ausdrucksformen aller Länder und Nationen mit universal-moralischen Konsequenzen begriffen wird, also durchaus synchron zu sehen ist, hat sie, wie Goethes Begriff der Weltpoesie im Blick auf Homer schon andeutete, auch und gerade eine historische Dimension, ist als Qualitätsmerkmal einer gültigen überlieferten Literatur im diachronen Sinn zu verstehen, einer Literatur, die den humanen Anspruch von den Anfängen bis in die Gegenwart aus allen Sprachen und Völkern überliefert, diesem Anspruch allerdings eine Form verleiht, die der Literatur einzig und allein kraft des Wortes und seines Sinnes eigen ist. Auch Heine vertritt den Anspruch der Kunst und Qualität in der Literatur. Er legt jedoch stets ebenfalls Wert auf ihre wagemutige Besonderheit. Da ist wiederum Lessing das Beispiel und zwar im 2. Buch von Heines Schrift Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland, wo es heißt: “Verblüfft wurden die meisten ob seiner literarischen Kühnheit. Aber eben diese kam ihm hülfreich zu statten; denn Oser! ist das Geheimniß des Gelingens in der Literatur, eben so wie in der Revoluzion — und in der Liebe” (DHA VIII/i, 73). Mit dieser rhetorischen Wendung wird gleichzeitig die ihrem Charakter nach zum Geschichtsprozeß wie zum privaten Glück passende Literatur hervorgehoben, ja wird, was wegen jener bei Heine immer wieder zu beobachtenden Eigenart naheliegt, die zwischen Welthistorie und Privatleben vermittelnde Klammerund Deutungsfunktion der Literatur charakterisiert, die nur gewinnt und überlebt, wenn sie auch, wie Heine durch sein französisches Einsprengsel eigens unterstreicht, etwas gewagt hat.
Beide Dimensionen der Weltliteratur — ihre historische wie zeitgenössische Komponente — sind natürlich auch auf Heine zu beziehen. Dabei kann ein Blick auf Heines Einschätzung der Generationenfolge seinen weltliterarischen Totenkult als Akzeptanz einer fruchtbaren Überlieferung deutlich machen. Heines “Einleitende Bemerkung” zu seinem Tanzpoem Der Doktor Faust enthält in kurzen Zügen “die Genesis der Faustfabel, von dem Theophilus-Gedichte bis auf Goethe, der sie zu ihrer jetzigen Popularität erhoben hat”. Dann folgt jene für Heine typische Verquickung von Lesefrüchten, diesmal nach dem sprichwörtlich gewordenen Muster des 1. Buchs der Chronik im Alten Testament, mit eigenem Witz und Aussagewillen: “Abraham zeugte den Isaak, Isaak zeugte den Jakob, Jakob aber zeugte den Juda, in dessen Händen das Zepter ewig bleiben wird. In der Literatur wie im Leben hat jeder Sohn einen Vater, den er aber freylich nicht immer kennt, oder den er gar verläugnen möchte” (DHA IX, 81). Heine datiert seine Einleitung auf den 1. Oktober 1851. Ein Vierteljahrhundert war inzwischen vergangen seit seiner ersten autobiographischen Schrift in den Reisebildern, seinen Ideen. Das Buch Le Grand. Dort hatte er bei der Schilderung seiner Geburts...
Table of contents
- Cover
- Half Title
- Title
- Copyright
- CONTENTS
- Preface
- PART I: Heine’s Intertextual Muse
- PART II: Heine’s Jewishness
- PART III: Heine and After
- PART IV: Heine’s Modernity