
- 80 pages
- English
- ePUB (mobile friendly)
- Available on iOS & Android
eBook - ePub
Gebrauchsanweisung für Populisten
About this book
Wider den populistischen Extremismus – Für die Wehrhaftigkeit der liberalen Demokratie! Es ist an der Zeit, für einen demokratischen Populismus einzutreten, der nicht die niederen Instinkte bedient, sondern mit Vernunft und Leidenschaft begeistert.
Frequently asked questions
Yes, you can cancel anytime from the Subscription tab in your account settings on the Perlego website. Your subscription will stay active until the end of your current billing period. Learn how to cancel your subscription.
At the moment all of our mobile-responsive ePub books are available to download via the app. Most of our PDFs are also available to download and we're working on making the final remaining ones downloadable now. Learn more here.
Perlego offers two plans: Essential and Complete
- Essential is ideal for learners and professionals who enjoy exploring a wide range of subjects. Access the Essential Library with 800,000+ trusted titles and best-sellers across business, personal growth, and the humanities. Includes unlimited reading time and Standard Read Aloud voice.
- Complete: Perfect for advanced learners and researchers needing full, unrestricted access. Unlock 1.4M+ books across hundreds of subjects, including academic and specialized titles. The Complete Plan also includes advanced features like Premium Read Aloud and Research Assistant.
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Yes! You can use the Perlego app on both iOS or Android devices to read anytime, anywhere — even offline. Perfect for commutes or when you’re on the go.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Please note we cannot support devices running on iOS 13 and Android 7 or earlier. Learn more about using the app.
Yes, you can access Gebrauchsanweisung für Populisten by Heribert Prantl in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Politik & Internationale Beziehungen & Geschichte & Theorie der Politik. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.
Information
Leitfiguren und Unpersonen
Man sollte meinen, dass eine Partei, die in der Provinz Erfolg hat, ein populäres Gesicht haben muss, das Gesicht eines Orbáns oder eines Trumps, die sich als Retter gerieren. Bemerkenswert ist daher, dass in Deutschland die AfD ohne eine echte Spitzenfigur reüssiert. Warum? Man hat immer gewusst, dass es in der Bundesrepublik fremdenfeindliche Einstellungen bei bis zu zwanzig Prozent der Bevölkerung gibt – so wie in anderen EU-Ländern auch, in denen sich Rechtsaußen-Parteien längst etabliert haben. In Deutschland glaubte man aber lange, dass dieser sogenannte Bodensatz ohne charismatische Führungsfigur nicht aktiviert werden kann. Die Leitperson, Le Pen in Frankreich oder Orbán in Ungarn, wird in Deutschland durch den zur Unperson erklärten »Flüchtling« ersetzt. Diese Unperson ist die Leitfigur der AfD geworden; sie hat das Flüchtlingsthema zur Generalmobilisierung genutzt. Im Westen der Republik ist diese AfD sehr rechts- und nationalliberal, man findet dort auch die Federn vom abgebrochenen rechten Flügel der CDU; im Osten der Republik ist die AfD radikaler, ja extremistisch, ist sie völkisch und rassistisch; sie ist dort eine revitalisierte NPD und zeigt ausgeprägte Verachtung für demokratische Regeln und Umgangsformen. Die NPD saß vor fünfzig Jahren, in ihren erfolgreichsten Zeiten, in sieben Landtagen; die AfD hat sie da schon weit überflügelt. Bedrohlich für eine liberal-aufgeklärte Gesellschaft ist die AfD nicht nur wegen der Wahlerfolge, sondern weil mit ihr der gesellschaftliche und politische Diskurs nach scharf rechts verschoben wird.
Die AfD gilt als ein Sammelbecken für rechtskonservative, rechtsradikale und rechtsextreme Kräfte. Man findet in der AfD die Mixtur aus Ethnoregionalismus, Rechtskonservativismus und Rechtsradikalismus, wie sie alle sogenannten rechtspopulistischen Parteien in Europa zusammenrühren. In der AfD ist das Mischungsverhältnis noch nicht ganz klar, dafür ist die Partei zu jung, die Mixtur ändert sich. Was heute Rechtskonservativismus mit rechtsradikalen Anteilen ist, kann sich morgen in Rechtsextremismus mit konservativen Anteilen verwandeln. Beispiele dafür gibt es in Europa genug.
Die AfD besteht derzeit eigentlich aus zwei Parteien: Die eine Partei ist eine sehr konservative, nationalbürgerliche Kümmerer-Partei, in der auch Aufwallung, Zorn und kleinbürgerlicher Aufstand Platz finden; diese Partei wird zusehends schwächer. Die andere Partei – sie wird zusehends stärker – ist ein völkischer Kampfverband, explizit fremdenfeindlich, nahe beim französischen Front National. Frauke Petry wird der Partei eins, also einem eher neu definierten Konservativismus zugerechnet; die derzeitigen Vizevorsitzenden Alexander Gauland und Beatrix von Storch zusammen mit dem thüringischen Landeschef Björn Höcke werden zu einer völkischen AfD gezählt. Höcke gefällt sich in Auftritten, die auch NPD-Anhänger begeistern können, und redet ganz unverhohlen rassistisch-völkisch daher. Gauland bemäntelt seine eigene Radikalität mit soignierter Gediegenheit; er zeigt sich auch gern mit dem wirtschaftsliberalen Jörg Meuthen, dem Co-Vorsitzenden der AfD und Fraktionschef im Stuttgarter Landtag. Meuthen gilt als das freundlich-bürgerliche Gesicht der AfD, ähnlich dem des gegen den Grünen-Politiker Alexander van der Bellen gescheiterten FPÖ-Präsidentschaftskandidaten Norbert Hofer in Österreich. Frauke Petry gibt sich aber zusehends radikaler und völkischer – offenbar um dem Schicksal zu entgehen, das ihr Vorgänger Bernd Lucke gefunden hat.
Wenn Luckes Schicksal auch Petry träfe, wäre sie das Opfer der von ihr selbst gerufenen Geister: Anfang Juli 2015 auf dem Parteitag von Essen hatte sie den AfD-Mitbegründer Bernd Lucke vom Parteivorsitz verdrängt, weil der ihr nicht rechts genug war. Daraufhin verließen 2 000 Mitglieder die AfD, unter ihnen Lucke selbst – sowie in Hans-Olaf Henkel und Joachim Starbatty weitere Protagonisten des liberalen Flügels der Partei. Diese gründeten sodann eine neue, aber erfolglose Partei unter dem Namen Alfa, Allianz für Fortschritt und Aufbruch. Die AfD hingegen erzielte bei den Landtagswahlen 2016 zweistellige Erfolge. Die Partei, die mit Bernd Lucke als bürgerliche Anti-Euro-Partei angetreten war, hat sich unter Petry zur Anti-Flüchtlingspartei entwickelt – und ist dann durch scharf-antiislamische Töne aufgefallen. Offenbar will die AfD angesichts der stark zurückgegangenen Flüchtlingszahlen das Feindbild Flüchtlinge durch ein Feindbild Islam ergänzen. Die christlichen Kirchen sind der Verketzerung der islamischen Religion als grundgesetzfeindliche politische Ideologie scharf entgegengetreten. Der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erklärte: »Wer Ja zu Kirchtürmen sagt, der muss auch Ja zu Minaretten sagen.« Er warf der AfD vor, »eine der großen Weltreligionen in gehässiger Absicht an den Pranger« zu stellen. Die ökumenischen und interreligiösen Netzwerke der Kirchen sind älter und fester als die Spinnfäden zwischen den populistisch-patriotisch-extremistischen Bewegungen zur Verteidigung des Abendlandes. Die Ökumene und die Begegnungen zwischen Vertretern der Religionen sind mittlerweile mehr als Trampelpfade im Dschungel. Sie sind, auch wenn sie oft anstrengend sind, ausgebaute verlässliche Wege; die Religionen halten das Gespräch aufrecht. Die Kirchen sollten mit diesem Pfund, das sie haben, wuchern, und Orte der offenen Begegnung bleiben. In Zeiten, in denen viele Menschen mit religiöser Prägung in säkular gewordene europäische Gesellschaften einwandern, haben gerade die Kirchengemeinden vor Ort integrierende Kraft, die sie nutzen müssen. Islamfeindlichkeit hat in den christlichen Gemeinden kaum noch Platz. Das ist der Tatsache zu verdanken, dass Kirchengemeinden und Muslime ins Gespräch gekommen und im Gespräch geblieben sind – statt die Antagonismen zu pflegen. Die Angst vor dem Verlust der »christlichen Werte« ist ja hierzulande paradoxerweise gerade in jenen Milieus ausgeprägt, die von ebendiesen Werten sonst wenig wissen wollen – während viele praktizierende Christen den interreligiösen Dialog suchen und fördern.
Die von Thilo Sarrazin im Jahr 2010 freigesetzte Islamfeindlichkeit hat in der AfD ihre Partei gefunden: Thilo Sarrazin, Sozialdemokrat und damals noch Mitglied des Vorstands der Deutschen Bundesbank, hatte ein Buch veröffentlicht, das mehr Furore machte als die Memoiren der deutschen Kanzler zusammengenommen: Deutschland schafft sich ab: Wie wir unser Land aufs Spiel setzen. Es war und ist dies ein Buch, dessen Wirkungen für den rechtsextremen Populismus kaum überschätzt werden können. Es hat diesem den Boden bereitet. Sarrazin suggerierte darin, die Integration der Muslime sei nicht nur gescheitert, sondern, auch wegen deren angeblich genetisch bedingter Dummheit, gar nicht wünschenswert. Er befriedigte damit eine den Medien eigene Lust am Skandal, an Desaster und Katastrophe; er benutzte mit ein paar provozierenden Sätzen die Medien, und die Medien benutzten ihn; beide taten das zur Auflagensteigerung. Bild und Der Spiegel brachten das Buch im Vorabdruck.
Sarrazin hatte sein Manuskript mit vergiftetem Toner gedruckt. Und jede Talkshow leckte daran und prüfte, ob und wie das schmeckt: Prüfen wird man ja noch dürfen. Und dann hieß es: Nun ja, ganz so giftig sei das Buch ja nicht, da stünde ja auch Bedenkenswertes drin. Die Sarrazin-Debatte zeigte vor allem die Verführbarkeit der Medien, dazu die Furchtsamkeit der Politik und ein etwas klägliches Selbstbewusstsein der Integrationsgesellschaft. Sarrazin, der sich bei seinen Auftritten gern beklagte, in Deutschland könne man seine Meinung nicht mehr frei sagen, bekam rasenden Beifall, zumal von denen, die schon immer gegen Ausländer in Deutschland polemisiert haben – und dazu die Einladung, Ehrenvorstand der NPD zu werden (die AfD gab es damals noch nicht). Sarrazins Buch hat einer giftigen Debatte den Weg gebahnt, es hat das gesellschaftliche Klima verändert. Sarrazin hat soziale Abstiegsängste aktiviert und sie im Feindbild Muslime gebündelt und kanalisiert.
Gut zwei Monate vor dem Sarrazin-Buch war ein Buch erschienen, das vorab die Antwort auf Sarrazin gab. Es hatte nur 254 Seiten, war also um etliches dünner als Sarrazins Konvolut; es enthielt aber exakt die Informationen, die alle brauchten, die seither über Sarrazin redeten, schrieben und sendeten, diese Informationen aber kaum oder gar nicht zur Kenntnis nahmen. Es handelte sich um die Studie Einwanderungsgesellschaft 2010. Jahresgutachten 2010 mit Integrationsbarometer. Dieses Werk jammerte nicht, es jubelte nicht, es schaffte Deutschland nicht ab, es beschrieb das Land weder als Utopia noch als Havarie. Es nahm die Probleme der Integration Punkt für Punkt durch; es zählte auf, was funktioniert, und es benannte, was nicht funktioniert, und wie es vielleicht funktionieren könnte. Das Fazit des Werkes hätte die gefährliche Eigendynamik der Sarrazin-Debatte anhalten und den Rücksturz des Landes in die leicht entflammbaren Zeiten verhindern können. Dieses Fazit lautete: Die Integration ist besser als ihr Ruf; nach Jahrzehnten des Stillstands habe sich nämlich viel, sehr viel getan. Und dieses Fazit von 2010 wird nicht falsch durch die Probleme, die Deutschland mit der Aufnahme v...
Table of contents
- Cover
- Titel
- Impressum
- Inhaltsverzeichnis
- Einführung
- Ein Aufruf zur analogen und digitalen Erhebung
- Vom Populismus zum Extremismus
- Nie wieder. Schon wieder.
- Die Sehnsucht nach Alexander-Politik
- Die schwarze Null und die braune Kloake
- Die Verführung zur Selbstentwürdigung
- Überaufmerksamkeit verschafft Überbedeutung
- Die Entheimatung der Heimat
- Leitfiguren und Unpersonen
- Das System der Schicksalskorrektur
- Die Primitivierung des Abendlandes
- Wir schaffen das. Entängstigt euch!
- Die Bekämpfung des Wald- und Weltbrands
- Die Welt erlebt ein Entlarvungsabenteuer
- Ermunterung und Ermutigung