Der deutsche Philosoph Georg W. F. Hegel (1770–1831) lehrte, dass jeder Fortschritt über aufgelöste Gegensätze schließlich zur absoluten Weltvernunft führe. Eine Anekdote erzählt, dass ihn einer seiner Studenten einmal fragte, was wohl geschehe, wenn diese Theorie nicht mit überprüfbaren Tatsachen übereinstimme. Hegels lapidare Antwort: „Umso bedauerlicher für die Tatsachen.“
Es wäre gewiss vermessen, einen Zusammenhang zwischen Hegel und den doktrinären Dämonologen und Hexenjägern herzustellen. Allerdings brachten auch sie überprüfbare Tatsachen keineswegs von ihrer Sicht der Dinge ab. Und so kam es zu verblüffenden Vorfällen.
Wegen angeblicher Brandlegung am Hof ihrer Großeltern stand 1729 im Mühlviertel Sybilla Wenigweiserin vor Gericht. Sie gestand, dass es auf diesem Hof „geistert“, weil ihre Großmutter eine Hexe sei, mit Ratten und Mäusen zaubere, die Milchleistung ihrer Kühe durch das Verfüttern von Hostien steigere und aus einem Tuchzipfel Milch melke. Unter Folter bekannte sie Teufelssex, Teilnahme an Hexentänzen und dass sie ihre vier Kinder dem Teufel verschrieben habe. Also geriet auch ihre Tochter Maria in die Fänge der Justiz. Sie behauptete sogar, dass sie ein Teufel geschwängert habe, doch sei das „Ergebnis frühzeitig eingetroffen“. Den Fötus habe sie im Garten verscharrt.
Das Gericht ließ sich nun zu einer ungewöhnlichen Erhebung der Tatsachen herab und die genannte Stelle im Garten aufgraben. Man entdeckte eine verdächtig aussehende Kröte (ein teuflisches Tier!), die mit einem Stock aufgespießt worden war, angeblich verendete, nach drei Tagen wieder lebte und erst eine Woche später einging – also ein teuflischer Vorgang. Auch fand man etwas, das „wie ein geselchter Haring aussah“. Dass der Fötus fehlte, focht die beigezogenen Experten nicht an. Sie entschieden, dass die Fundstücke eben teuflischen Ursprungs seien und als Beweis genügten. Sybilla, Maria und ihre Geschwister endeten daher auf dem Scheiterhaufen.
Extremfälle dieser Art zwischen dämonologischen Theorien und eindeutigen Tatsachen tauchten auch andrenorts auf. Da gestanden in Franken fünf Frauen unter Folter, dass sie ein gerade beerdigtes Kind ausgegraben und zu Hexensalbe verkocht hätten. Der Ehemann einer dieser Frauen setzte einen Lokalaugenschein durch. Also wurde das Grab im Beisein des Pfarrers und einiger angesehener Bürger geöffnet – und der unversehrte Leichnam des Kindes entdeckt. Der Richter wertete aber diesen Fund als eine „teuflische Verblendung“ und entschied, dass das Geständnis der Frauen schwerer wiege als der Augenschein, und er verurteilte die Frauen zum Feuertod.
In Fulda gab eine Frau unter Folter zu, sie habe das tot geborene Kind einer Nachbarin zu Hexensalbe verarbeitet. Die Erhebung der Fakten förderte allerdings eine Groteske ans Licht: Die Nachbarin hatte nie eine Totgeburt erlitten. Die Gefolterte gestand zudem, dass sie mit der Hexensalbe aus der Totgeburt auch ihren Mann umgebracht habe. Ihn hatte allerdings Jahre vor der Zubereitung der Hexensalbe ein umstürzender Wagen erschlagen. Schließlich bekannte sie, dass sie die Hexensalbe in einem Döschen in ihrem Haus verwahre. Bei der Nachschau des Gerichts entpuppte sich das Döschen als Topf voll frischer Kirschenmarmelade. Trotzdem wurde die Frau zum Tod verurteilt.
Ein Schweizer Bauer gestand gar Sodomie mit Gämsen. Das Gericht erörterte erst gar nicht, wie denn der Mann eine Gämse habe fangen und für diesen Exzess ruhigstellen können. Er wurde exekutiert. Ebenso erging es einem Mann, dem das Gericht vorgeworfen hatte, „Hühner auf der Stange“ vergewaltigt zu haben. Der Angeklagte dagegen: „Ist nicht möglich, weil man da nicht hinaufkommt.“ Er wurde trotzdem wegen Hexerei hingerichtet.
Der Zauberer Jackl löst Panik aus
Im Jahr 1675 brach über Salzburg die Zauberer-Jackl-Hysterie herein, mit 139 Opfern binnen sechs Jahren die weitaus größte Hexenhatz im Gebiet des heutigen Österreichs. Diese Tragödie begann ziemlich harmlos. Die Mesner in den Kirchen zwischen Golling und Vigaun hatten nämlich gemeldet, dass die Opferstöcke im Vergleich zu den Vorjahren erheblich weniger Münzen enthielten. Sie entdeckten in den Opferstöcken Vogelleim und schlossen daraus richtig, dass Diebe dünne Gerten mit Vogelleim bestreichen und damit die Opferstöcke durch den Schlitz ausfischen. Für Diebstahl verlor der Täter damals eine Hand und in ärgeren Fällen sogar den Kopf.
Häscher erwischten 1675 auf so einem Fischzug die sichtlich verwahrloste, auffallend magere 50-jährige Bettlerin Barbara Kollerin und warfen sie in das Gefängnis auf Schloss Golling. In der Keuche öffnete sie auf unerklärliche Weise die Handschellen und das Türschloss. Als dann eine Magd die Beobachtung meldete, dass der Teufel die Kollerin in Gestalt eines Hasen oder Affen begleitet und sie sich abends völlig nackt zur Ruhe gelegt habe, wurde der Pfleger hellhörig und nahm die Frau ins Verhör. Mit in dieses verdächtige Bild passten auch die Angaben von Bauern, dass die Kollerin auf ihren aggressiven Betteltouren das Volk mit ihrem großen „gefrorenen“ (= unverwundbaren) Hund einschüchtere. Das Volk fürchtete, dass dieses angeblich überaus bissige Tier sein Frauerl gegen erzürnte Bauern oder bewaffnete Häscher erfolgreich verteidigen könnte.
Verdächtig machte die Kollerin allein schon ihre Herkunft: Tochter eines Abdeckers, Witwe eines Abdeckers und vergeblich auf der Suche nach dem Job eines Abdeckers. Weil somit ohne jede Chance auf sozialen Aufstieg, hielt sich die Kollerin mit angriffslustiger Bettelei über Wasser. Zeugen beschrieben sie als bösartig, diebisch und scharfzüngig.
Alsbald wurde sie zur peinlichen Befragung nach Salzburg überstellt. Unter Folter gestand sie Diebstähle aus Opferstöcken und dass sie mit ihrem Hund Schmiere gestanden sei, wenn ihr ungefähr 20-jähriger Sohn Jackl mit Komplizen Opferstöcke ausfischte. Auch gab sie zu, in die Gegend von Golling ein zweistündiges Gewitter gezaubert zu haben, das Korn, Kraut und Weizen großteils vernichtete. Der Pfleger bestätigte auf Anfrage, dass zum angegebenen Zeitpunkt tatsächlich ein schweres zweistündiges Gewitter an den Feldfrüchten schweren Schaden angerichtet habe. Sie gestand auch geradezu massenhaften Wetterzauber in Unterkärnten, im Raum Gurk und im Lungau. Durch Ausstreuen von Stupp (= Zauberpulver) habe sie im Tennengau Haustiere getötet und zehn Personen aus Rache dafür krank gezaubert, dass man ihr die Almosen Brot, Schmalz und Strümpfe verweigert hatte.
Zudem wurde sie von Zeugen schwer belastet: Weil ein Bauer der Kollerin ein Nachtlager verweigert hatte, kündigte sie ihm an, dass sie ihn „löz“ (= krank) machen werde. Tatsächlich erkrankte der Mann angeblich an verzaubertem Essen und Getränk und starb dreieinhalb Wochen später.
Schließlich gestand die Kollerin auch, dass sie vor zwölf Jahren Gott, allen Heiligen und dem christlichen Glauben abgeschworen, vom Teufel eine Taufe empfangen, Hostien geschändet, den Teufel angebetet und mit ihm sogar noch in der Keuche in Salzburg Unzucht getrieben habe.
Das reichte für ein Todesurteil: Erdrosseln und anschließendes Verbrennen, zuvor aber noch ein „Zwick“ mit einer glühenden Zange in die Brust. Zwei Zangenzwicke erließ ihr der Erzbischof gnadenhalber.
Alarmierend wirkte für die Obrigkeit, dass die Kollerin die Unterweisung ihres Sohnes Jackl in den Hexenkünsten zugegeben und ihre aggressive Bettelei mit jugendlichen Komplizen betrieben hatte. Als dann in Großarl ein halbwüchsiger Bettler aufgegriffen wurde und gestand, dass er eben erst mit dem Jackl zusammengetroffen sei, begann die Großfahndung nach diesem offenkundig sehr intelligenten, gerissenen Naturtalent in Psychologie und trickreichen Taschenspieler. Die Obrigkeit erklärte den „Zauberer- und Hexenmeister und Jugendverführer“ Jackl für vogelfrei, setzte ein Kopfgeld aus und ließ zu Trommelwirbel in jedem Dorf seine „Deskription“ sowie ein besonderes Detail bekannt machen: Er trage ein schwarzes Käppl, mit dem er sich unsichtbar macht. In die Netze der Justiz gingen allerdings nur verdächtige „Zauberbuben“ und schließlich ganze Familien.
Sie erzählten wahre Wunderdinge über den Jackl: Er könne einen großen Heuwagen samt Pferden verschlucken, sich mit einer Zaubersalbe unsichtbar machen oder in einen Baum verwandeln. Er sei imstande, Geld herbeizuzaubern, doch wenn er es verschenkt, verwandle es sich in Stroh oder Kuhmist. Einen Bettelbuben nahm der Jackl mit zu einer Luftfahrt auf einer Gabel, dabei machte er Wetter und traf in der Luft mit dem Teufel zusammen, mit dem er „ausländisch“ redete. Milch, Butter und Schmalz zaubere der Jackl herbei, indem er das Messer in die Wand stecke und den Teufel ausschicke, der in einem Fall aus einem Umkreis von 75 Kilometer binnen 24 Stunden 13 Kilogramm Butter herbeigeschafft haben soll. Der Jackl flog nach Salzburg, machte sich unsichtbar, spazierte durch die Ämter und sah den Beamten über die Schulter in Prozessdokumente, um zu erfahren, was man gegen ihn ausheckt.
Der Jackl ist nur von 11 bis 12 Uhr sichtbar
Wie tief sogar die dünne Bildungsschicht vom Hexenwahn durchtränkt war, dokumentieren die Folgen dieses Geständnisses: Von 11 bis 12 Uhr und während der Karwoche kann sich der Jackl nicht unsichtbar machen, weil zu dieser Zeit alle Teufel in der Hölle sein müssen. Daraufhin wies die Obrigkeit alle Pfleggerichte an, nach dem Jackl nur zwischen 11 und 12 Uhr zu fahnden. Diesem Beispiel folgte sogar die alarmierte Obrigkeit in Bayern und Oberösterreich.
Erfolterte Geständnisse fügten sich zum bedrohlichen Bild, dass der Jackl junge Bettler um sich schart, um die Bettelei wirkungsvoller zu organisieren. Jackls rasant anwachsender Ruf als Zauberer und „Verbrecherfürst“ übertraf daher schon bald die kriminelle Bedeutung seiner Gaunereien.
Von „Zauberbuben“ erfolterte Geständnisse brachten noch andere Untaten ans Licht wie Schändung von Hostien, Beschmieren von Kreuzen und Heiligenbildern mit Kot und Schmähungen der Madonna mit wüsten Schimpforgien. Sie beschrieben auch, wie sie der Jackl mit einem Messer „märkte“ und mit Blut aus dieser Wunde den Teufelspakt in einem dicken Buch unterzeichnete. Auch lehrte sie der Jackl das Wettermachen.
Den „Gemärkten“ genügte es bereits, auf dem blanken Boden mit den Händen herumzuwischen, und schon rollte der Donner. Das gleiche Ergebnis erzielte eine Frau, die mit einem Besen, den ihr der Teufel geschenkt hatte, den Boden kehrte. Ein Zauberbub zeichnete einen Kreis in den Boden, stellte sich mit dem linken Bein innen und dem rechten außen auf, hob die Hände und „wünschte“ ein Gewitter – prompt brach es los. Ein anderer besaß einen verteufelten Würfel, und wenn er ihn rollen ließ, blitzte es auch schon. Und ein dritter Zauberbub warf eine vom Teufel zugesteckte Kugel in die Luft, sagte tausendmal „Sakra“, und das Gewitter zog auf. Einer verriet sogar die Formel, mit der er Gewitter wieder abstellte: „Casera mossa, casera mossa, balaschi.“ Das klingt für das Landvolk eindrucksvoll, weil „ausländisch“. Casera ist altertümlich italienisch für Käserei oder Kaser (= bayerisch für Alm), mossa (von muovere) heißt bewegt oder angetrieben, und balaschi ist ein Fantasiewort aus dem Zaubervokabular.
Allerdings vermitteln die Protokolle auch eine Ahnung vom Elend des Bettlerdaseins. Sie nennen die Salinen in Hallein, die fürstlichen Hofstallungen (heute Festspielhaus) und eine Ziegelei in Salzburg-Maxglan als beliebten Treffpunkt der Zauberer im Winter, erklären aber nicht den Grund dafür: Dort konnten sich die armen Teufel notdürftig wärmen.
Der panischen Obrigkeit entwischte das Phantom Jackl immer wieder, obwohl sie schließlich die Kopfprämie um das Zwanzigfache auf den Wert von 200 Kühen steigerte. Aber das Volk wagte den Zauberer Jackl nicht zu verraten, die Angst vor seiner Rache durch Schadenzauber wog die verlockende Kopfprämie auf.
Die Zauberer-Jackl-Hysterie brachte von 1675 bis 1681 in Salzburg 198 Personen wegen Zauberei und Hexerei vor Gericht. 133 von ihnen verfielen dem Henker, fünf erlagen den Qualen der Folter und der Haft, einer wurde bei der Überstellung nach Salzburg zu Tode geschleift. 39 der Hingerichteten waren zwischen zehn und 14 Jahre alt, insgesamt 92 oder zwei Drittel im Alter unter 21 Jahren. Mit zwei Ausnahmen waren alle Exekutierten Bettler und gut zwei Drittel der Hingerichteten Männer.
Diese Zahlen unterstreichen, dass Fürsterzbischof Max Gandolf von Kuenburg (1668–1687) zwar die Landplage der aggressiven und kriminellen Bettelei ausrotten wollte. Noch wichtiger war ihm aber das Ziel, die Jugend zu schützen – wie unzureichend auch immer –, kreidete man doch dem Jackl besonders an, die Jugend vom Glauben abzubringen.
Die Hauptfigur dieser Prozessserie blieb allerdings ein Phantom: Der Zauberer Jackl verschwand spurlos, niemand weiß, wann und wo er starb. Gleichwohl verklären ihn Sagen bis heute.
Hexenjäger plündern ein Land aus
Das Fürstentum Liechtenstein wuchs erst 1712 aus den Grafschaften Vaduz und Schellenberg zusammen. Beide wurden von 1613 bis 1699 von den (Vorarlberger) Hohenemser Grafen regiert und stehen an Brutalität und Intensität der Hexenhatz einzigartig in der europäischen Geschichte: Von rund 3000 Einwohnern wurden zwischen 1648 und 1680 mindestens 200 hingerichtet, im Durchschnitt je zur Hälfte Frauen und Männer. Ebenso einzigartig ist die Tatsache, dass die krassen Rechtsverstöße und die Willkür der Obrigkeit schließlich sogar den Kaiser derart empörten, dass er zum Schutz der Untertanen einen Fürsten absetzte.
Das kleine Land schlitterte zu Beginn des 17. Jahrhunderts über eine Serie von Krisen in den Niedergang. Im Krieg zwischen den Habsburgern und Graubünden wurde es von beiden Parteien ausgeplündert, hinzu kamen Missernten, Pest und die Auswirkungen des Dreißigjährigen Krieges. Obendrein ritten die Hohenemser Grafen das Land mit ihrer Prunksucht und Verschwendung hoffnungslos in Schulden und leisteten der sozialen Verwilderung derart Vorschub, dass die Rechtssicherheit widerwärtiger Willkür wich und die Finanzkrise dieses kleinen Landes zu einer beispiellosen Herrschaftskrise eskalierte.
Die finanzielle Gier der Hohenemser und ihrer Beamten traf die Bevölkerung mit solch verheerender Wucht, dass die Obrigkeit die Wut über ihre Misswirtschaft 1648 auf einen Sündenbock ablenkte – auf die Hexen. Das Volk verlangte Schutz vor Hexen und Zauberern, und die Obrigkeit samt Richtern und Beamten versprach sich von der Hexenhatz beträchtlichen finanziellen Gewinn. Die große Mehrheit der Opfer dieser Hexenjagd waren nämlich keineswegs bettelnde Habenichtse. So überschwemmte eine Welle von Denunzierungen das Land – natürlich auch motiviert von Neid, Gehässigkeit und Rache für Gezänk zwischen Nachbarn. Beflügelt von der Angst, in die Fänge der Hexenjäger zu geraten, entstanden regelrechte Banden von Denunzianten, denn wer anderen zuvorkam, verschaffte sich zumindest eine Atempause.
Die Obrigkeit tat sich an hemmungslosen Konfiskationen gütlich und versilberte auf einem regelrechten Markt, was sie an Realbesitz von den Opfern der Hexenjagd und ihren Angehörigen nur zusammenraffen konnte. Beamte und Gerichtspersonal zogen Verfahren in die Länge, um mehr Taggelder und Gebühren zu kassieren. Das war allerdings noch harmlos im Vergleich zu den Konfiskationen in diesem Land mit lediglich 3000 Einwohnern. Beispielsweise brachte so ein Raubzug allein im Jahr 1648 den Gegenwert von 480 Pferden ein. Und ab 1662 scheffelten diese Blutsauger binnen 14 Jahren eine Summe, die dem Wert von 201 Kilogramm Gold entsprach.
Den Grad der Willkür dokumentieren auch krasse Verstöße gegen die Vorschrift des Reichsrechts, dass „durch Konfiskation der Güter von Hingerichteten die Frau und die Kinder nicht an den Bettelstab gebracht werden dürfen“. Trotzdem verloren die Witwe eines Hingerichteten und ihre acht Kinder das auf acht Jahresgehälter eines städtischen Schuldirektors taxierte Vermögen; man requirierte auf ihrem Hof sogar noch das Holz zum Verbrennen ihres Mannes und auch den Wein, mit dem die Beamten und Henker die gelungene Hinrichtung begossen. Oder: Ein Mann starb unter der Folter, seine Angehörigen mussten das Pferd für den Transport zum Grab stellen sowie eine Kuh und Geld im Wert von 135 Milchkälbern bezahlen.
Der Kaiser greift persönlich ein!
Das Ende der Hexenhatz des Hohenemser Landesfürsten Ferdinand bahnte sich an, als einer denunzierten Frau die abenteuerliche Flucht aus dem Gefängnis im Schloss Vaduz nach Feldkirch glückte, wo sie einen Notar über die Vorgänge in ihrer längst als „Hexenland“ verschrienen Heimat informierte. Noch wies Ferdinand empört das Begehren zurück, die Prozessakten von einer juridischen Fakultät prüfen zu lassen. Aber kurz darauf riskierte ein mutiger Pfarrer Kopf und Kragen, weil er sich vom „Hexenland“ aus über die Regierung in Innsbruck in einer Petition an den Kaiser Leopold I. wandte, darin die Rechtsbrüche der Hexenjäger darstellte und ihn darum ersuchte, doch einzugreifen: Eine kaiserliche Kommission solle Ordnung schaffen, die Hexenprozesse seien von einer Universität zu überprüfen, aller konfiszierte Besitz müsse zurückgegeben werden, und der Kaiser möge das Volk und die Geflüchteten nach ihrer Heimkehr beschützen.
Gleich diesem Pfarrer protestierte auch der zuständige Diözesanbischof von Chur beim Kaiser gegen anhaltende Konfiskationen. Sogar Graf Ferdinands jüngerer Bruder beschwerte sich beim Kaiser, dass der Landesherr ein „lästerliches und höchst ärgerliches Leben mit täg- und nächtlichem Schwärmen, Völlerei und Toben“ führe und die Untertanen aussauge. Das genügte.
Der Kaiser reagierte 1681. Er verbot dem Grafen Ferdinand jeden weiteren Prozess und ernannte den Fürstabt Bodmann von Kempten zum kaiserlichen Kommissar. Damit war Ferdinand de facto abgesetzt – ein beispielloser Vorgang in der Historie der europäischen Hexengeschichte. Bodmann erzwang in Vaduz die Herausgabe aller Prozessakten und beauftragte die juristische Fakultät in Salzburg mit einem Gutachten. In Vaduz begriff der Hexenrichter Prügler, der eben noch 20 Todesurteile gefällt hatte, den Ernst der Lage und flüchtete ohne Familie Hals über Kopf in die Schweiz.
Die Salzburger Juristen legten 1682 ihr erwartungsgemäß vernichtendes Rechtsgutachten vor: Sämtliche Prozesse sind rechtswidrig, alle Urteile daher ungültig; in den Protokollen fehlen Angaben über Folter, Urteilsfindung, Hinrichtungen und den Verbleib der konfiszierten Werte; Protokolle wurden nachträglich gefälscht; die Obrigkeit verfolgte nur ihre Interessen; Zeugen wurden als Gerichtsbeisitzer eingesetzt.
Das Gutachten st...