Die vielen Gesichter des AD(H)S
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Die vielen Gesichter des AD(H)S

Begleit- und Folgeerkrankungen richtig erkennen und behandeln

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Die vielen Gesichter des AD(H)S

Begleit- und Folgeerkrankungen richtig erkennen und behandeln

About this book

AD(H)S bedeutet weit mehr als nur eine Beeinträchtigung von Konzentration und Verhalten. Seine genetisch bedingte Stirnhirnunterfunktion mit Reizüberflutung und Botenstoffmangel hat eine dichtere Vernetzung von Nervenbahnen im Gehirn zur Folge. Diese Besonderheit verleiht den Betroffenen nicht nur Nachteile, sondern auch besondere Fähigkeiten, über die sie leider bei ausgeprägter AD(H)S-Problematik nicht immer verfügen können. Eine rechtzeitige multimodale Behandlung mit individueller und problemorientierter lern- und verhaltenstherapeutischer Begleitung sowie dem Praktizieren eines Selbstmanagements kann verhindern, dass Selbstwertgefühl und Sozialverhalten in eine Negativspirale geraten. Das erzeugt Dauerstress, der Ursache für viele psychische und psychosomatische Erkrankungen ist. Das vorliegende, in fünfter Auflage überarbeitete Buch zeigt Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen, was sie tun können, damit sie nicht unter ihrem AD(H)S leiden, sondern dessen Vorteile nutzen können.

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1 AD(H)S hat viele Gesichter

1.1 Viele fragen: »Woran erkenne ich ein AD(H)S vom Unaufmerksamen Typ?«

»AD(H)S ist eine Modekrankheit, AD(H)S hat heute jeder«, so Meinungen aus der Praxis, die häufig geäußert werden. Weder das eine noch das andere stimmt. Richtig ist, dass AD(H)S heute – im Vergleich zu früher – öfter diagnostiziert und mehr behandelt wird, doch längst noch nicht ausreichend, was die tägliche Arbeit der Ärzte beweist, die sich auf die Diagnostik und Behandlung von AD(H)S spezialisiert haben.
Das Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom (ADS) gibt es mit und ohne Hyperaktivität, deshalb wird es korrekterweise jetzt in der Fachliteratur AD(H)S genannt. Beide Formen des AD(H)S unterscheiden sich deutlich in ihrer Symptomatik, wobei die wesentlichen Diagnosekriterien immer vorhanden sein müssen. Die beiden Subtypen beschreibe ich mit ihren unterschiedlichen Symptomen und Verläufen in diesem Buch ausführlich. Das ADS vom Unaufmerksamen Typ, dass ich auch gern als hypoaktive Variante bezeichne, wurde viel später erst als solches wissenschaftlich anerkannt. Deshalb wird das ADS jetzt korrekterweise als AD(H)S bezeichnet, als Oberbegriff für ein ADS mit oder ohne Hyperaktivität. Manchmal liegt aber auch ein sog. Mischtyp vor.
Die Disposition, d. h. die Veranlagung zum AD(H)S mag häufig sein, aber behandlungsbedürftig werden Kinder, Jugendliche und Erwachsene erst dann, wenn ihre Entwicklung und Lebensqualität deutlich beeinträchtigt sind. Unerkannt und unbehandelt führt AD(H)S zur inneren Verunsicherung der Betroffenen mit psychischer Instabilität und schlechtem Selbstwertgefühl. Kinder, Jugendliche und Erwachsene werden dann schnell zum Außenseiter und fühlen sich von ihrer Umwelt unverstanden. Sie wissen, dass sie vieles können und durchschauen, aber sie sind nicht in der Lage, dies aufs Papier zu bringen und es ihren Angehörigen, Freunden und Kollegen verständlich zu machen.
Das ist aber nur die aktuelle Seite der AD(H)S-Problematik. Viel schwerwiegender ist die Gefahr der späteren psychischen Instabilität mit einer hohen Rate an sekundären seelischen und körperlichen Erkrankungen. Das Selbstwertgefühl entwickelt sich in der Kinder- und Schulzeit, etwa in der Zeit vom achten bis elften Lebensjahr, und es entscheidet mit darüber, wie das betroffene Kind sein weiteres Leben in den verschiedenen Bereichen meistern wird. Deshalb die große Bedeutung der Frühdiagnostik und Frühbehandlung des AD(H)S.
Die Symptomatik des AD(H)S ist sehr vielfältig und nicht anhand von Tabellen oder Skalen zu erfassen. Diese dienen mehr der Verlaufskontrolle und der Orientierung, wann an ein AD(H)S gedacht werden sollte. Die Kinder und Jugendlichen selbst merken nur, dass sie anders reagieren und dass sie trotz Anstrengung und fleißigem Lernen auch bei guter Intelligenz keinen für sie ausreichenden Erfolg in der Schule und im Beruf haben. Sie spüren ihre innere Unruhe und den Drang, sich immer bewegen zu müssen. Manche müssen alles anfassen, immerzu reden oder ständig jemanden provozieren. Sie lernen nicht aus Fehlern und hören schlecht zu. Was sie aber hören wollen, hören sie ganz genau. Sie können sich auch konzentrieren, wenn sie etwas interessiert, aber es gelingt ihnen nicht immer, selbst dann nicht, wenn sie es möchten.
In ihren Zeugnissen steht sehr oft sinngemäß der Satz: »Du kannst, wenn du willst, das hast du schon bewiesen.« Sie wollen ja, aber sie können die Daueraufmerksamkeit nicht halten, wenn Nebengeräusche oder andere Dinge sie ablenken. Sie beginnen voller Freude und Elan das erste Schuljahr und merken bald, dass sie den Anforderungen nicht gewachsen sind. Sie resignieren langsam und ziehen sich zurück oder sie werden zum Klassenclown, um sich so Bestätigung zu holen. Manche entwickeln psychosomatische Beschwerden. Je nachdem, ob das Kind hyper- oder hypoaktiv ist, neigt es zu Aggressionen oder Ängsten als Folge seiner inneren Verunsicherung.
Viel Leid könnte manchem Kind erspart bleiben, wenn das Krankheitsbild des AD(H)S Eltern, aber auch Lehrern, Psychologen und Ärzten besser bekannt wäre und hilfesuchende Eltern rasch fachkundige Unterstützung erhielten.
Das Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom (AD(H)S) wird definiert als eine neurobiologisch bedingte, spezifisch veränderte Steuerungsdynamik der Wahrnehmung, der kognitiven und emotionalen Verarbeitung und der sich daraus ergebenden Reaktions- und Verhaltensbildung. Aus epidemiologischen Untersuchungen1 ist bekannt, dass in Deutschland ca. eine Million Kinder und Jugendliche eine AD(H)S-Konstitution mit beratungs- bzw. behandlungsbedürftigen Entwicklungsbeeinträchtigungen haben. Im Erwachsenenbereich liegt die Zahl der Betroffenen bei etwa 1,5 Millionen. Diese leiden zudem häufig ebenso unter Depressionen, Suchterkrankungen und Angststörungen.

Liegt ein AD(H)S vor, ist die Reizverarbeitung beeinträchtigt

• Wahrnehmungen sind oberflächlich und »hüpfend«
• Wegen der Reizfilterschwäche wird das Arbeitsgedächtnis überlastet
• Äußere Reize können nicht ausreichend nach Wichtigkeit gefiltert werden
• Durch Reizüberflutung bilden sich zu viele Leitungsbahnen
• Es werden auch unwichtige Informationen abgespeichert
• Botenstoffmangel beeinträchtigt die Weitergabe von Informationen vom Arbeitsgedächtnis ins Langzeitgedächtnis
• Die Umstellung von einer Tätigkeit zur anderen kann beeinträchtigt sein
• Ein schneller Ver-/Abgleich mit »Erinnerungen« ist nicht möglich
• Gelerntes und Handlungsabläufe automatisieren sich sehr langsam
• Abgespeichertes Wissen kann nicht schnell genug abgerufen werden
Die Symptomatik des AD(H)S ist in jeder Altersgruppe etwas unterschiedlich. Sie wird im Wesentlichen dadurch bestimmt, ob eine Hypo- oder Hyperaktivität vorliegt.
Die Schwere der Symptomatik und damit auch das Ausmaß des Leidensdruckes hängen von vielen Faktoren ab. Eine gute Intelligenz, ein verständnisvolles soziales Umfeld und geringe Anforderungen bilden schützende Faktoren.

Symptome des AD(H)S

• Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörung
• Störung der Wahrnehmung und Informationsverarbeitung
• Störung der Merkfähigkeit
• Innere und motorische Unruhe
• Mangelhafte emotionale Steuerung
• Frustrationsintoleranz
• Impulssteuerungsschwäche
• Störung der Feinmotorik
• Teilleistungsstörungen

Symptome des AD(H)S im Säuglingsalter

Die Symptome des AD(H)S beginnen sich zumeist allmählich, vom ersten Lebensjahr an, zu entwickeln. Häufig fallen sie zunächst noch nicht merkbar auf, da sie je nach Ausmaß der Beeinträchtigungen, der Höhe der Anforderungen und der vorhandenen Ressourcen zuweilen noch über einen längeren Zeitraum kompensiert werden können. Die ersten Anzeichen einer AD(H)S-Problematik sind bereits im Säuglingsalter zu finden. Sie sind aber noch unspezifisch und lassen nur bei familiärer Veranlagung einen Verdacht zu. Die Kombination folgender Symptome – die von Eltern von AD(H)S-Kindern häufig beobachtet wurden – könnte im Säuglingsalter auf eine AD(H)S-Veranlagung hindeuten:

AD(H)S-Symptome im Säuglingsalter

• unstillbares Weinen (phasenhaft)
• oberflächlicher Schlaf, hellwach
• können Streicheln nicht genießen
• unruhig und unausgeglichen
• kein Krabbeln
• zeitiges Laufen
• kein ausdauerndes »Spielen«
• Trinkschwierigkeiten
• Hautallergie
Gibt es in einer Familie bereits AD(H)S-Betroffene, sollten die genannten Symptome Anlass für eine gezielte weitere Beobachtung sein. Eine frühe Diagnose ermöglicht es sodann, den betroffenen Kindern von Anfang an eine strukturierte Betreuung mit viel Verständnis und individueller Förderung zu geben.
Neben den Babys und Kleinkindern, bei denen Eltern die Symptome frühzeitig bemerken, gibt es ebenso völlig unauffällige Säuglinge, die ausgesprochen »pflegeleicht« sind. Sie entwickeln erst später eine meist hypoaktive oder eine zwischen den beiden Subtypen liegende AD(H)S-Form.
Trinkschwierigkeiten sind oft die Folge der manchmal vorhandenen unregelmäßigen Atmung und der gestörten Mundmotorik. Hautallergien und Neurodermitis haben besonders hyperaktive Säuglinge. Viele von ihnen leben gleich nach ihrer Geburt im Stress und verunsichern ihre Eltern durch ihre Unruhe. Möglicherweise leiden sie unter einem Noradrenalinüberschuss im Rahmen ihres angeborenen Ungleichgewichts (dysbalance) der Neurotransmitter (Botenstoffe). Dieser Dauerstress destabilisiert das Immunsystem der Kinder und macht ihren Körper für allergische Reaktionen anfällig. Nicht wenige Eltern berichten, wie anstrengend die Pflege ihres später hyperaktiven Kindes im Säuglingsalter war. Oft konnten sie sich aus diesem Grund zu keinem weiteren Kind entschließen.
Dass seelisches Wohlbefinden und Immunsystem miteinander verknüpft sind, zeigt die Tatsache, dass sich eine Allergie bei einem AD(H)S-Kind unter der Behandlung nicht selten deutlich bessert oder gar verschwindet.

Symptome des AD(H)S bei Kleinkindern

AD(H)S-Symptome beim Kleinkind (1.–3. Lebensjahr)

• hochgradige motorische Unruhe oder auffallend ruhig und brav
• spielt nur kurzzeitig, schnell wechselnd in der Beschäftigung, ohne sie zu beenden
• verzögerte Sprachentwicklung
• fein- und grobmotorisch ungeschickt
• lernt schwer, sich allein anzuziehen
• motzt schnell und unangemessen stark
• fällt »über die eigenen Beine« und weint leicht
• Auffälligkeiten in der Mundmotorik (offener Mund, sabbert lange)
• hat Umstellungs- oder Anpassungsprobleme
• überängstlich, klammert, sehr anhänglich
• kann nicht warten, bis es an der Reihe ist
• empfindlich oder extrem unempfindlich gegenüber Außenreizen
Das hyperaktive Kleinkind ist sehr unruhig, umtriebig und schwer lenkbar. Es ist dauernd in Bewegung, klettert überall hoch, macht alle Schränke auf und reagiert nicht auf Zuruf. Es wird schnell wütend und schlägt gleich zu. Solche Kinder sind für ihre Eltern eine große Herausforderung und für ihre Geschwister nicht selten eine Belastung. Ihr Kommentar lautet oft: Der oder die »nervt«…
Hyperaktive Kinder fallen frühzeitig durch die Hauptsymptome des AD(H)S
• motorische Unruhe,
• Impulssteuerungsschwäche mit Spontanhandlungen sowie
• verminderte Konzentration und Daueraufmerksamkeit
auf und grenzen sich durch die Intensität und Beständigkeit dieser Symptome von den lebhaften, temperamentvollen Kindern ab.
Weniger fallen dagegen die hypoaktiven Kinder auf.

Symptome des hypoaktiven Kindes im Vorschulalter (4.–6. Lebensjahr)

• verhält sich ängstlich un...

Table of contents

  1. Deckblatt
  2. Titelseite
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1 AD(H)S hat viele Gesichter
  7. 2 Wenn Üben allein nicht ausreicht
  8. 3 Häufige Begleiterkrankungen des AD(H)S
  9. 4 Folgeerkrankungen des AD(H)S
  10. 5 »Liebe allein genügt nicht!«
  11. 6 »Fahren mit angezogener Handbremse«
  12. 7 »Niemand versteht mich!«
  13. 8 Die Bedeutung der Frühdiagnostik und Frühbehandlung
  14. 9 AD(H)S erfolgreich behandeln – Erfahrungen aus der Praxis
  15. 10 Mit AD(H)S sein Leben gut meistern
  16. Empfohlene Ratgeber und Fachliteratur
  17. Hilfreiche Internet-Adressen
  18. Im Buch erwähnte Testverfahren
  19. Sachwortverzeichnis