Die große Pest in London. Mit einem Anhang: Tagebuch eines Geistlichen während der Cholerapest zu Saratow.
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Die große Pest in London. Mit einem Anhang: Tagebuch eines Geistlichen während der Cholerapest zu Saratow.

Theodor Roth

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  1. 76 pages
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Die große Pest in London. Mit einem Anhang: Tagebuch eines Geistlichen während der Cholerapest zu Saratow.

Theodor Roth

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In diesen zwei interessanten kurzen Texten wird zum einen zusammenfassend der Verlauf der großen Pest zu London 1665 unter Hinzuziehung von Daniel Defoes bekanntem Werk geschildert und zum anderen der veheerende Verlauf der der Choleraepidemie in der russischen Stadt Saratow im Sommer 1830. Der erschütternde Bericht stammt aus der Feder eines Pfarrers, der die dortige deutsche Gemeinde betreute.

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Information

Year
2020
ISBN
9783751910491
Edition
1

Die Pest auf dem Kulminationspunkt im
August und September 1665.

WÄHREND des Monates Juli hatte die Pest auf eine schrekkenerregende Weise zugenommen. Die Todesfälle in der Woche, welche mit dem 4. Juli endigte, betrugen, wie bereits erwähnt, 470; in der Woche aber, welche mit dem 1. August endigte, wurden sie auf 2.010 angegeben; gewöhnlich blieben jedoch diese Zahlen weit unter der Wirklichkeit.
„Ich hatte“, fährt Defoe fort, „den Rat meines Freundes, des Arztes, befolgt, mich und meine Familie eingeschlossen, mit dem Entschluß, lieber einige Monate ohne Fleischspeisen zu leben, als diese mit Gefahr unseres Lebens zu erkaufen.“
„Obwohl ich meine Familie absperrte, konnte ich doch meine unbefriedigte Neugierde nicht bezähmen und ganz zu Hause bleiben; obwohl ich gewöhnlich in Furcht und Schrecken nach Hause kam, konnte ich mich noch nicht bezwingen; nur ging ich nicht so häufig aus, wie im Anfang.“
„Auf diesen Gängen kamen mir viele unselige Auftritte vor Augen, besonders Leute, welche tot auf der Straße niederfielen, fürchterliches Schreien und Kreischen von Frauen, welche in der Todesangst die Fenster aufrissen und in jammernder Weise klagten. Unmöglich kann man die verschiedenen Arten beschreiben, in welcher sich die Leidenschaft der armen Leute ausdrückte.“
„Als ich durch Tokenhouse-Yard in Lothbury ging, wurde plötzlich ein Fenster schnell über mir geöffnet, eine Frau ließ drei fürchterliche Schreie hören und rief dann: O Tod, Tod, Tod! in einem unnachahmlichen Ton, der mich mit Schrecken erfüllte und mein Blut erstarren machte. In der ganzen Straße war niemand zu sehen, auch öffnete sich kein anderes Fenster, denn die Leute waren nicht mehr neugierig und konnten einander auch nicht helfen; so ging ich weiter nach Bell-Alley.“
„Gerade in Bell-Alley, auf der rechten Seite der Straße, ließ sich noch ein fürchterlicheres Schreien hören, als das oben geschilderte, nur kam dasselbe nicht gerade so aus dem Fenster; die ganze Familie war in gräßlichem Schrecken, ich konnte Frauen und Kinder wie toll durch die Zimmer rennen hören, als sich ein Dachstubenfenster öffnete und jemand aus einem Fenster auf der anderen Seite der Straße fragte: Was gibt es? Worauf aus dem ersteren Fenster die Antwort kam: Mein alter Herr hat sich gehängt!
„Es ist kaum glaublich, welch schreckliche Fälle sich mit jedem Tag in den einzelnen Familien ereigneten. Leute, welche durch die Heftigkeit der Krankheit oder infolge der in der Tat unerträglichen Schmerzen der Beulen ganz außer sich kamen, rasten wahnsinnig und legten oft gewaltsame Hand an sich, indem sie sich aus den Fenstern stürzten, sich erschossen usw. Mütter ermordeten in ihrem Wahnsinn ihre eigenen Kinder, manche starben aus Kummer, manche aus Furcht und Entsetzen ohne alle Ansteckung; andere beraubte der Schrecken des Verstandes und brachte sie in Raserei, Verzweiflung und Wahnsinn; andere machte derselbe geisteskrank aus Schwermut.“
„Der Schmerz der Beulen war bei einzelnen sehr heftig, bei manchen unerträglich; man kann sagen, daß die Ärzte und Wundärzte viele arme Geschöpfe selbst zu Tode quälten. Die Beulen verhärteten sich bei manchen, so daß man kräftige Zugpflaster oder Kräuterpflaster anwandte, um sie zu öffnen; erreichte man auf diese Art den Zweck nicht so schnitt und schröpfte man sie auf fürchterliche Weise. Bei manchen hatten sich diese Beulen verhärtet, teils infolge der heftigen Krankheit, teils dadurch, daß man sie zu gewaltsam aufgezogen; sie waren so hart, daß man sie mit keinem Instrument durchschneiden konnte; dann brannte man sie mit Höllenstein, so daß viele toll infolge der Schmerzen, viele während der Operation selbst starben. In dieser Not legten viele, da es an Hilfe fehlte, sie in den Betten zu halten oder zu beaufsichtigen, wie bereits er wähnt, selbst Hand an sich; manche brachen, vielleicht nackt, auf die Straßen aus, rannten nach dem Fluß, wenn sie nicht von den Wächtern oder anderen öffentlichen Beamten aufgehalten wurden, und stürzten sich in das Wasser, wo sie solches fanden.“
„Man erzählte sich zu dieser Zeit eine große Menge schrecklicher Geschichten von Wärterinnen und Wächtern, welche auf den Tod der Leute warteten, d. h. von gemieteten Wärterinnen, welche die angesteckten Personen bedienten, sie grausam behandelten, hungern ließen, erstickten oder durch andere verruchte Mittel ihr Ende beschleunigten, d. h. sie ermordeten. Wächter, welche aufgestellt waren, um abgeschlossene Häuser zu bewachen, wenn man nur eine Person in denselben zurückgelassen hatte und diese eine vielleicht krank lag, brachen in dieselben ein, ermordeten die Person und warfen alsbald die Leiche in den Totenwagen, so daß sie, kaum kalt, in das Grab kam.“
„Ich kann nur sagen, daß einige solche Ermordungen vorkamen, und so viel ich weiß, wurden zwei Menschen deshalb in das Gefängnis gebracht; sie starben jedoch, ehe man sie verurteilen konnte. Auch habe ich gehört, daß drei andere wegen Ermordungen dieser Art zu verschiedenen Zeiten hingerichtet wurden. Übrigens muß ich sagen, ich könne mir nicht denken, daß dieselben ein so gewöhnliches Verbrechen waren, wie manche glauben machen wollten.“
„Die Räubereien erstreckten sich hauptsächlich auf Kleidungsstücke, Leinwand und Ringe oder Geld, wozu sie kommen konnten, wenn die ihrer Obhut anvertraute Person starb, allein sie arteten nicht in eine allgemeine Plünderung der Häuser aus; auch kann ich ein Beispiel von einer dieser Wärterinnen an führen, welche mehrere Jahre später auf ihrem Sterbebett mit dem fürchterlichsten Abscheu die Räubereien bekannte, welche sie zu der Zeit, wo sie Krankenwärterin war, begangen, und wodurch sie sich in hohem Grade bereichert hatte; was jedoch die Ermordungen betrifft, so finde ich nirgends Beweise von Tatsachen, welche auf die angegebene Weise verübt worden sind, die obigen ausgenommen.“
„Einer meiner bekannten Nachbarn, welchem ein Krämer in Whitecross-Street, oder dort herum, einiges Geld schuldete, sandte seinen Lehrling, einen jungen Menschen von etwa 18 Jahren, dahin, damit er sich bemühe, das Geld zu erhalten. Er kam an die Tür und klopfte, da er sie geschlossen fand, ziemlich stark; er glaubte, es antworte jemand innerhalb, war jedoch seiner Sache nicht ganz gewiß und wartete somit; nach einiger Zeit klopfte er wieder, und dann ein drittes Mal, wo er sofort jemanden die Treppe herabkommen hörte. Endlich kam der Besitzer des Hauses an die Tür; er hatte seine Unterbeinkleider an, ferner ein Leibchen von gelbem Flanell, keine Strümpfe, ein Paar Pantoffeln, eine weiße Mütze auf dem Kopf und, wie der junge Mensch sagte, den Tod auf dem Gesicht. Als er die Tür geöffnet, sagte er: Weshalb stören Sie mich? Der Junge war zwar etwas überrascht, antwortete jedoch: Ich komme von dem und dem, und mein Herr sandte mich wegen des Geldes, wovon Sie, wie er sagt, wissen.Ganz gut, mein Sohn, versetzte der lebendige Geist, rufen Sie, wenn Sie bei der Cripplegate-Kirche vorübergehen, den Leuten zu und sagen Sie ihnen, daß sie die Glocke läuten; mit diesen Worten schloß er die Tür wieder, ging wieder hinauf und starb nach an demselben Tag, ja vielleicht noch in derselben Stunde.“
„Dies erinnert mich an John Hayward, welcher damals Unterküster in der St. Stephanskirche, Coleman-Street, war.4 Dieser Mann trug alle Toten nach den Gräbern oder half sie dahin tragen, welche in diesem großen Kirchspiel gestorben und förmlich begraben wurden, und nach dem diese Begräbniszeremonie aufgehört hatte, ging er mit dem Totenwagen und der Glocke herum, holte die Leichname an den Häusern ab, in welchen sie lagen, und trug viele sogar aus den Zimmern, denn vor allen anderen Kirchspielen Londons zeichnet sich dieses noch heute besonders durch eine große Anzahl von sehr langen Gäßchen und Durchgängen aus, in welche die Wagen nicht einfahren konnten; man mußte daher in dieselben hineingehen, die Leichen abholen, und einen ziemlich langen Weg tragen; die Gäßchen, welche noch heute hierfür zeugen, sind: Whites-Alley, Cross-Key-Court, Swan-Alley, Bell-Alley, Whitehorse-Alley und andere mehr. Dahin gingen sie mit einer Art Tragbahre, legten die Leichen auf dieselbe und trugen sie heraus nach dem Wagen; dieses Geschäft besorgte John Hayward, wurde dabei nie im Geringsten krank, lebte noch etwa 20 Jahre später und war zur Zeit seines Todes Küster des Kirchspieles. Seine Frau war zu derselben Zeit Wärterin bei den Angesteckten und pflegte viele, welche in dem Sprengel starben, wobei sie wegen ihrer Ehrlichkeit stets von den Beamten des Bezirkes empfohlen wurde; sie selbst wurde nie pestkrank. Er gebrauchte nie ein anderes Mittel gegen die Ansteckung, als daß er Knoblauch und Raute in den Mund nahm und Tabak rauchte; dies hörte ich auch aus seinem eigenen Mund; das Mittel seiner Frau bestand darin, daß sie ihren Kopf mit Essig wusch und ihre Hauptkleidungsstücke so mit Essig besprengte, daß sie stets feucht blieben; war der Geruch einer der Personen, welche sie wartete, außergewöhnlich stark, so schnupfte sie Essig in die Nase hinauf, besprengte ihre Kleider mit Essig und hielt ein mit Essig getränktes Tuch vor den Mund.“
„Unter der Geschäftsbesorgung dieses John Hayward und in seinem Bezirk ereignete sich die Geschichte mit dem Pfeifer, welcher die Leute zu erheitern pflegte, und er versicherte mich, daß dieselbe wahr sei. Es soll ein blinder Pfeifer gewesen sein; wie mir aber John sagte, war er nicht blind, sondern ein unwissender schwächlicher, armer Bursche, der gewöhnlich um 10 Uhr nachts seine Runde machte und pfeifend von Tür zu Tür ging; die Leute nahmen ihn oft in Wirtshäuser, wo man ihn kannte, und gaben ihm zu trinken und zu essen, bisweilen auch etwas Geld; er pfiff und sang dafür und redete einfältiges Zeug, woran sich die Leute ergötzten; und so lebte er. Für eine derartige Belustigung war bei dem geschilderten Zustand der Dinge die Zeit schlecht gewählt; dennoch ging der arme Bursche wie gewöhnlich herum, litt aber beinahe Hunger; und wenn ihn jemand fragte, wie es ihm gehe, so antwortete er, der Totenwagen habe ihn noch nicht mitgenommen, die Träger hätten ihm jedoch versprochen, ihn kommende Woche zu holen.“
„In einer Nacht ereignete es sich nun, daß sie dem armen Menschen zu viel zu trinken gegeben hatten; oder wie dies sein mochte; John Hayward sagte, in seinem Haus habe er nicht getrunken; etwas mehr Lebensmittel, als gewöhnlich, habe er aber in einem Wirtshaus in der Coleman-Street erhalten; und da der arme Bursche sich gewöhnlich, oder vielleicht seit lange, nicht sattgegessen hatte, so schlief er, nachdem man ihn der Länge nach auf eine Bude gelegt, vor einer Tür in der Straße bei London-Wall, gegen Cripplegate hin, fest ein, und zwar an eben der Bude, wo die Bewohner eines Eckhauses des Gäßchens, als sie die Glocke hörten, welche immer geläutet wurde, ehe der Wagen kam, eine Leiche, ein wirkliches Opfer der Pest, gerade neben ihn hinlegten, indem sie dachten, der arme Mensch sei gleichfalls eine Leiche, welche die Nachbarn dahin gelegt hätten.“
„Als nun John Hayward mit seiner Glocke und dem Karren daherkam und zwei Leichname auf der Bude fand, nahmen sie die Leute mit den Werkzeugen, deren sie sich gewöhnlich bedienten, und warfen sie in den Karren; und während dieser ganzen Zeit schlief der Pfeifer fest. Von hier fuhren sie weiter und nahmen andere Leichen ein, bis sie, wie mir der ehrliche John Hayward sagte, ihn beinahe lebendig in dem Wagen begruben; allein während dieser ganzen Zeit schlief er fest. Endlich langte der Karren bei der Stelle an, wo die Leichname in die Grube geworfen werden sollten, und es war dies, wie ich mich erinnere, bei Mountmill; der Karren hielt gewöhnlich einige Zeit an, ehe er seiner traurigen Last entledigt werden konnte; so erwachte der Bursche, als derselbe stehenblieb, strengte sich an, seinen Kopf unter den Leichnamen hervorzuwinden, richtete sich in dem Karren auf und rief: He, wo bin ich? Dies erschreckte den Menschen, welcher dort arbeitete; nach einigen Augenblicken faßte sich jedoch John Hayward und sagte: Gerechter Gott, es ist jemand in dem Karren nicht ganz tot! Es rief ihm dann ein anderer zu: Wer seid Ihr? Der Bursche antwortete: Ich bin der arme Pfeifer, wo bin ich?Wo Ihr seid! erwiderte Hayward. Nun Ihr seid in dem Totenkarren, und wir sind im Begriff, Euch zu begraben.Aber ich bin doch nicht tot, oder bin ich es? sagte der Pfeifer, worüber sie ein wenig lachten, obwohl nach Johns Aussage sie im Anfang sehr erschrocken waren. Sie halfen nun dem armen Burschen herab und er ging wieder seinem Geschäft nach.“
Die Zahl der wöchentlichen Todesfälle hatte während des Monates August auf eine schreckliche Weise zugenommen. In der nach dem 1. August endigenden Woche betrugen, wie bereits erwähnt, die Todesfälle infolge der Pest 2.010; in der folgenden Woche waren sie auf 2.817 gestiegen, in der nächsten betrugen sie 3.880, und in der mit dem 22. August endigenden Woche waren es deren 4.237; in der letzten Woche des August wurden sie auf nicht weniger als 6.102 angegeben, und alle diese Zahlen blieben bekanntlich noch hinter der Wirklichkeit zurück. Der Zustand der Stadt zu Ende August ist nicht zu beschreiben; die Türen und Fenster der Häuser waren versperrt, bei einigen, weil die Eigentümer die Stadt verlassen hatten, bei anderen, weil die Pest darin wütete – die letzteren waren alle sichtbar mit dem roten Kreuz gezeichnet; in den einst so bevölkerten Straßen wuchs das Gras, kein geschäftiges Drängen von Käufern und Verkäufern war bemerkbar, wie ehedem ; das Landvolk fürchtete sich, die Stadt zu betreten, und verkaufte die Produkte in den Vorstädten an obrigkeitliche Personen, die zu deren Empfangnahme aufgestellt waren. Alles war still, traurig und totenähnlich. Eine von uns noch nicht erwähnte Steigerung des allgemeinen Elendes war der durch den Stillstand der Industrie verursachte Jammer. Defoe verzeichnet die Klassen, welche am meisten in dieser Hinsi...

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