Ansichten eines Bürgers
eBook - ePub

Ansichten eines Bürgers

oder Warum wir das 'Polit-Navi' neu programmieren müssen

Hans J. Meyer

Share book
  1. 156 pages
  2. German
  3. ePUB (mobile friendly)
  4. Available on iOS & Android
eBook - ePub

Ansichten eines Bürgers

oder Warum wir das 'Polit-Navi' neu programmieren müssen

Hans J. Meyer

Book details
Book preview
Table of contents
Citations

About This Book

Wir leben in politischen Zeiten, die emotional geprägt sind und zugleich eine Menge neuer Fragen aufwerfen. Die bisherigen Regeln und Gesetze scheinen nur eine unzureichende Antwort zu geben auf die aktuellen Fragen, wie Flüchtlingskrise, EU-Krise, Ukraine-Krise oder EURO-Krise. Krisen in Europa wohin man schaut. Da ist es bekanntermaßen ratsam sich einmal kurz zurückzulehnen und losgelöst von tagespolitischen Herausforderungen nach Konzepte zu suchen. Dann wird schnell sichtbar, dass wir 25 Jahre nach dem Wegfall der Grenzen in Europa offensichtlich erneut an einem Scheideweg stehen. Sowohl in der EU-Politik, wie auch im Inland müssen die Koordinaten neu justiert werden. Einige dieser herausragenden Themen nimmt sich der Autor an und versieht sie mit Fragestellungen. Durch die Antworten eröffnet er die notwendige Diskussion über einen Weg zu neuen Zielvorgaben, politischen Navi-Zielen, wie er es nennt.

Frequently asked questions

How do I cancel my subscription?
Simply head over to the account section in settings and click on “Cancel Subscription” - it’s as simple as that. After you cancel, your membership will stay active for the remainder of the time you’ve paid for. Learn more here.
Can/how do I download books?
At the moment all of our mobile-responsive ePub books are available to download via the app. Most of our PDFs are also available to download and we're working on making the final remaining ones downloadable now. Learn more here.
What is the difference between the pricing plans?
Both plans give you full access to the library and all of Perlego’s features. The only differences are the price and subscription period: With the annual plan you’ll save around 30% compared to 12 months on the monthly plan.
What is Perlego?
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Do you support text-to-speech?
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Is Ansichten eines Bürgers an online PDF/ePUB?
Yes, you can access Ansichten eines Bürgers by Hans J. Meyer in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Politics & International Relations & Politics. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.

Information

EU und die Flüchtlingspolitik

Kein anderes aktuelles Thema wird in diesen Jahren so kontrovers und emotional diskutiert wie die Flüchtlingspolitik der EU und damit auch die von Deutschland. Das Mittelmeer wird von einer Seite als Grenze des europäischen Kontinents angesehen. Für andere ist es ein Hindernis zwischen zwei Kontinenten, das man mit Brücken und Schiffen überwinden und abschaffen muss. Insgesamt kann man den Eindruck gewinnen, dass diese Diskussion landauf und landab bei den politischen Mandatsträgern und in den Medien aller Art immer in einer dieser Positionen mündet, also liberal sein oder für Begrenzung.
Bei den Bürgern ist es letztlich nicht anders. Auch hier reduziert sich die Frage offen oder hinter verdeckter Hand letztlich immer auf eine Pro-oder-contra-Position in der Flüchtlingsfrage. Auch wenn der medial vermittelte Eindruck einen hohen Anteil für die Pro-Fraktion ausweist, denke ich, dass es schwer ist, die Mehrheitsverhältnisse in Europa und speziell auch in Deutschland klar zu definieren. Wohl auch deswegen wagt sich derzeit keiner diese Frage richtig prüfen zu lassen.
Das Thema steigt natürlich immer wieder emotional in die Höhe, wenn eine hohe Zahl an Ertrunkenen im Mittelmeer zu vermelden ist oder Einzelschicksale von Flüchtenden auf der Balkanroute dokumentiert werden. Diese emotionale Präsenz in den Medien ist es aber gleichzeitig, die es erschwert, sich rational dem Thema zu nähern, ohne als hartherzig, unbarmherzig, unsozial gebrandmarkt zu werden. Ich will an dieser Stelle klarstellen, dass ich mir natürlich bewusst bin, dass dies unendlich schwere Schicksale sind und jede Lebensgeschichte eines Flüchtenden die Geschichte von Not, Elend, Krieg oder Entbehrung ist. Auch ich empfinde großes Mitleid, wenn ich diese Geschichte höre. Nur alle Empathie entlässt uns nicht, die Frage zu beantworten, wie wir diese Krisensituation für uns in Europa und in Deutschland lösen wollen. Nur mit Empathie wird es auf Dauer, und darum geht es bei anhaltenden Flüchtlingsbewegungen, keine Lösung geben. Es geht eben nicht nur um einige wenige Einzelschicksale, sondern um eine Krise größten Ausmaßes. Das heißt in diesem Fall um Millionen Schicksale. Auch hier kann keiner eine verlässliche Zahl nennen. Also wir wissen gar nicht, von welchen Dimensionen von Flüchtlingen wir hier in Zukunft reden. Ich denke, es ist daher besser, wieder einmal einen Schritt zurückzutreten in dieser Diskussion und sich um eine nachhaltige Lösung zu bemühen.
Eins bringt uns in der Diskussion nicht weiter: Die unkritischen und pauschalen Einordnungen der Position der Mahner als rechte Gesinnung. Gerade hier in Deutschland lässt es viele Stimmen sicherlich verstummen, bevor sie ausgesprochen werden. Es kann ein Argument dafür sein, es kann wohlgemerkt sein, dass eine Reihe von Menschen auch deswegen mit Wahlboykott reagiert. In diesem Zusammenhang passt, dass ich berichten kann, dass ich in Gesprächen mit Menschen der Altersgruppen ab Mitte 30 Jahren hier in Berlin bei diesem Thema immer als Erstes den Satz höre: Ich bin nichts rechts, aber …
Den Menschen geht es dabei dann in dem folgenden Gespräch nicht darum, dass alles Ausländische aus Deutschland verbannt wird. Auch nicht darum, Menschen aus Kriegsgebieten nicht zu helfen. Es geht in der Quintessenz letztlich immer darum, dass das Maß der Zuwanderung selbst bestimmt wird, und darum, soziale Leistungen nicht von Beginn an allen Ankommenden zu gewähren. Das Bundesverfassungsgericht hat eine hohe Messlatte für ein würdiges Leben hier in Deutschland gelegt. Das ist hier der sogenannte Hartz-IV-Satz. Daraus folgert, dass jeder hier lebende Mensch Anspruch in Höhe dieser Leistungen besitzt. Nun muss meiner Ansicht nach überlegt werden, wie ein Unterschied zwischen denen gemacht wird, die hier seit Jahren leben und ins System mehr oder weniger eingezahlt haben, und denjenigen, die hier sich als Flüchtlinge oder Asylbewerber im Stadium der Klärung ihres Aufenthalts befinden. Hier muss eindeutig Sachleistung vor Geldleistung gehen.
Wenn man es zusammenfassen will: Wir sollten weiterhin bestimmen, was und wem wir etwas hier zukommen lassen. Hierzu folgen später in dem Bereich Soziales Deutschland noch weitere Anmerkungen. Klar wurde mir bei den Menschen, die ich getroffen habe, dass sie die Vielfalt in ihrem Umkreis lieben, in ihrer Stadt und eben auch in Deutschland. Ich glaube den Menschen, wenn sie sagen, dass sie nicht ›rechts‹ seien und mit den dumpfen Nazis nichts gemein haben. Nur, und das ist der eigentliche Punkt, viele wünschen sich Grenzen in der Frage der Zuwanderung. Sie wünschen sich Steuerungsmechanismen. Ja, auch das möchte ich hier einmal ausdrücken, einfach weil ich diese Formulierung öfters, speziell von älteren Menschen gehört habe, da hieß es, dass man sich nicht mehr wohl fühlt im eigenen Land. Ich finde es schade und es macht mich betroffen, wenn Menschen in einer Demokratie Positionen nur hinter vorgehaltener Hand äußern. Dies, weil der offensichtliche Mainstream in dieser Diskussion nur eine Richtung akzeptiert. Es ist dies die Position einer grenzenlosen Zuwanderung. Auffallend war, dass viele Menschen in Alltagsgesprächen nach ein paar Sätzen selbst dieses heikle Thema ansprachen. Offensichtlich wird die Zunge locker, wenn das Herz überquillt. Es ist natürlich erlaubt und auch erwünscht, hierzu eine Gegenposition zum Ausdruck zu bringen. Nur sollten beide Seiten versuchen, ihre Position als gleichwertig zu betrachten. Es bringt wenig, wenn man die Meinung für eine Beschränkung als unqualifiziert abtut. Nur weil diese Meinungen nicht einem gewünschten Bild entsprechen, kann man sie nicht einfach tilgen.
Es darf in der Auseinandersetzung bei diesem emotionalen Thema keine Gewalt toleriert werden. Die gewaltsamen Ausschreitungen gegenüber Flüchtlingen sind aufs Schärfste zu verurteilen. Es hilft aber auch nicht, wenn man diejenigen, die dann gewaltfrei protestieren, vor Flüchtlingsunterkünften verunglimpft und als ›Pack‹ (Sigmar Gabriel) oder ›Schande‹ (Angela Merkel) oder ›Dunkel-Deutschland‹ (Joachim Gauck) bezeichnet. Vielmehr dürfen wir den Nazi-Terroristen es nicht überlassen, für die besorgten Menschen mitzusprechen, nur weil wir ihnen aktuell keine demokratische politische Alternative anbieten. Es ist aber auch nicht nachvollziehbar, wieso Probleme in der Flüchtlings-, Asyl- und Einwanderungspolitik nicht benannt werden, nur weil man aktuell vielleicht Angst hat, hier missverstanden zu werden. Es war für mich nicht nachvollziehbar, wie die Bundeskanzlerin auf ihrer Sommerkonferenz in der Bundespressekonferenz Ende August den rechten Terror zu Recht verurteilt und kein Wort über bestehende Probleme in manchen Einwandervierteln spricht. Sie war kurz zuvor im berühmt gewordenen Stadtteil Duisburg-Marxlohe und hatte die Probleme bei der Integration vermittelt bekommen. Dieser Stadtteil steht aber nur exemplarisch für viele solcher Stadtteile in anderen Städten. Auch kann ich mich nicht erinnern, dass Herr Gabriel einmal diesen Stadtteil besucht hat, ebenso wie der Bundespräsident. Genau diese Einseitigkeit meine ich.
Die Menschen, die in solchen Vierteln leben, und nicht nur die, bekommen so doch den Eindruck, dass Probleme bei der Integration zu benennen nicht angesagt ist. Das widerspricht dann der tagtäglich erlebten Realität in diesen Vierteln, in denen die Polizei schon ›Land unter‹ meldet und das Gewaltmonopol an Clans verloren hat.
Mehr dazu gibt es auch in den Kapiteln über rechte Parteien und Zuwanderung.
Ich kann das Thema hier nicht klar trennen. Daher vermischen sich zuweilen die Sichtweisen der nationalen, der deutschen, Politik mit der der europäischen Politik. Denn die Flüchtlingspolitik in Deutschland kann natürlich nicht losgelöst von der europäischen Politik betrachtet werden. Aber insgesamt täte es der Diskussion bei uns gut, auf eine nachhaltige Diskussionsgrundlage gestellt zu werden. Gewiss, wir kommen immer wieder in den Argumentationskreis zurück, dass es sich hier um Menschen handelt, die aus Kriegsgebieten stammen oder in Armut leben. Aber trotzdem sind hier bestimmte Fragestellungen vonnöten, um dem ganzen Problem nachhaltig zu begegnen.
Was sind aber die richtigen Fragestellungen, die zu einer ehrlichen Diskussion führen?
Meiner Meinung nach sind es die folgenden:
  1. Brauchen wir eine Kontingentierung an Flüchtlingen in der EU und damit auch in Deutschland?
  2. Was sind die Maßnahmen gegen Schleuserkriminalität?
  3. Welche Maßnahmen helfen in den Herkunftsländern, um den Flüchtlingsstrom zu beenden?
Ich versuche einmal einige Antworten darauf zu finden:
a) Ich bin der Meinung, dass wir eine EU-weite Kontingentierung von Flüchtlingen brauchen. Wie groß dieses Kontingent ist, muss sicher diskutiert werden. Es sollte gelingen, mit einer solchen Obergrenze viele EU-Staaten zu überzeugen einer Aufnahme auch in ihren Ländern zuzustimmen. Bei den Staaten wie Ungarn, Polen, den baltischen Staaten oder auch Rumänien oder Bulgarien wird dies sicher nicht einfach werden, sie zu überzeugen. Doch hier zeigt sich auch schon wieder die Begrenztheit des europäischen Gedankens, den wir aber aktuell akzeptieren müssen. Die nationalen Regierungen fühlen sich ihrer Bevölkerung verpflichtet und wollen dort die nächsten Wahlen gewinnen. Da zerbröselt der europäische Gedanke ganz leicht an dem Fels des nationalen Interesses. Dennoch glaube ich, dass es gelingen kann auf der Grundlage unserer Wertegemeinschaft, eine Zuteilung von Flüchtlingen in den meisten Staaten der EU zu erreichen. Aber nur, wenn wir die Grenze benennen und nicht gleich daran gehen zu bemängeln, dass die sozialen Standards für die Flüchtlinge nicht überall gleich sind. Die sind erstens in den Herkunftsländern und ringsherum auch nicht gleich und zweitens, wenn ich vor dem Krieg flüchte, dann ist mein einziges Ziel zunächst der Frieden. Der herrscht glücklicherweise überall in Europa. Alles andere an Lebensqualitäten lässt sich danach regeln und selbst erarbeiten.
Alle Länder fernab der europäischen Mittelmeerländer müssen akzeptieren, dass es einen Ausdruck von Solidarität mit Italien, Griechenland, Malta, Zypern und Spanien und Portugal geben muss. Diese Länder können für ihre geografische Lage nichts. Wir nutzen ihre Lage ja auch gern aus, um dort unsere Urlaube zu verbringen. Diese Lage darf den Ländern nicht zum Verhängnis werden. Also muss das Dublin-II-Abkommen aufgeschnürt werden und neu gemäß eines Kontingents und einer Verteilung konzipiert werden. Man muss im Jahre 2015 anmerken, dass das Dublin II-Abkommen außer Kraft gesetzt ist. Wir akzeptieren somit, dass tagtägliche Verträge gebrochen werden, nur weil wir es nicht schaffen, eine neue Ordnung zu etablieren. Normal müssten alle Flüchtlinge sich dort registrieren lassen und einen Asylantrag stellen, wo sie zum ersten Mal europäischen Boden betreten haben. So weit klafften Realität und Theorie wohl selten auseinander in Europa! Letztlich aber auch mit fatalen Folgen für die europäische Idee. Macht sich überhaupt ein führender Politiker Gedanken darüber, wie es den EU-Bürgern vorkommen muss, wenn die in langen Sitzungen geschlossenen Verträge, wie eben Dublin I, bei einem Sturm kassiert werden. Die Segel werden eingeholt und wir steuern auf Sicht. Aber dafür schließe ich keine Verträge. Und wenn nicht jetzt, wann dann will man daran gehen und die Verträge sturmfest machen. So verliert Europa mit jedem Flüchtling, den man einfach von Griechenland, Ungarn und Österreich durchwinkt nach Deutschland, auch ein Stück Glaubwürdigkeit.
Es ist wichtig, dass die Standards für die Flüchtlinge gelten, die in diesen Aufnahmeländern aktuell vorgefunden werden. Auch hier kann jede Regierung eigene Gesetze erlassen, ohne dass Brüssel aufschreit und Politiker dies nutzen, um sich als besonders sozial darzustellen. Die Entscheidungen darüber, ob eine Geldleistung gewährt wird oder nur Sachleistungen angeboten werden, ob die Unterbringung in Wohnungen oder Zelten oder Containern erfolgt, sind alles Kriterien, die die EU-Länder selbst bestimmen müssen. So ließe sich ein möglicher Shitstorm in den sozialen Medien sicher nicht verhindern, doch die politische Gewinnmitnahme von politischen Gegnern in Europa und den einzelnen Staaten bliebe aus. Es geht letztlich im Kern um die Akzeptanz einer solchen Regelung in den jeweiligen Ländern. Es geht darum, dass Parteien sich dort zwangsläufig irgendwann wieder zur Wahl stellen. Wenn sich alle aber darauf einigen, dass über das Thema ›Ausgestaltung der Flüchtlingshilfe und Akzeptanz der Kontingente‹ keine weitreichende Debatten geführt werden, können wir zumindest im Ansatz verhindern, dass der ultranationalistische Rand in den EU-Ländern gestärkt wird. Klar ist auch: Das Aufkommen ultranationaler Kräfte bekäme der gesamten EU sehr schlecht.
Ich möchte an dieser Stelle kurz dann doch einmal anfügen, dass das große Einwanderungsland USA eine Flüchtlingsquote besitzt. Sie betrug 2014 gerade einmal 70.000 Flüchtlinge aus der ganzen Welt. Und angesichts der Flüchtlingsbilder in den Medien hat sich die USA bereit erklärt, noch einmal 70.000 syrische Kriegsflüchtlinge 2015 aufzunehmen. Die Roma gelten in den USA von vornherein als Wirtschaftsflüchtlinge. Aber diese Dimension der Aufnahme zeigt, wie ein über 300-Millionen-Einwandervolk mit solchen Problemen umgeht. Oberstes Gebot ist dort immer das nationale Interesse.
Auch die Methoden der australischen Regierung wurden hier bei uns kurz diskutiert. Das ebenfalls klassische Einwanderungsland Australien erlaubt keine Zuflucht von Bootsflüchtlingen. Es ist eine Abschreckungskampagne initiiert worden von Regierungsseite und Schiffe mit Bootsflüchtlingen werden aufgebracht. Die Insassen der Boote werden nach Kambodscha geschickt. Mit dem asiatischen Land hat Australien ein Abkommen über die Aufnahme dieser Flüchtlinge getroffen und bezahlt dafür den Kambodschanern. In der Wirtschaft kennen wir den Begriff des ›benchmarking‹, also frei übersetzt, schauen, was der Beste oder Erfahrendste auf dem Gebiet macht. Nun ich halte nur einmal fest, dass die USA und auch Australien klassische Einwanderungsländer sind und wir es uns nicht erlauben, einmal zu schauen, wie die es machen. Es wäre ein Anfang, hier einmal den Horizont zu erweitern, auch wenn wir nicht alles übernehmen müssen.
Ich kann mir vorstellen, dass wenn das europäische Kontingent der Aufnahme von Flüchtlingen ausgeschöpft ist für das jeweilige Jahr, dass dann die UN-Flüchtlingsorganisation auf den Plan tritt. Die Institution macht immer wieder auf die globale Bedeutung der Flüchtlingsbewegungen aufmerksam. So könnte auch hier dann, ausgestattet mit entsprechenden Vollmachten durch die UN, diese Organisation Verhandlungen mit Staaten wie Russland oder Island aufnehmen, um eine Aufnehme von Flüchtlingen zu erreichen. Auch kann ich nicht verstehen, wieso Staaten wie Qatar, Dubai oder Saudi-Arabien keine Flüchtlinge aufnehmen. Den Flüchtlingen aus den Kriegsgebieten geht es vornehmlich darum, in Frieden zu leben. Das können diese Staaten allemal garantieren. Also auch hier ist es entscheidend, Strukturen für eine unbegrenzt hohe Zahl von Flüchtlingsströmen zu haben. Diese müssen wir global organisieren.
b) Schleuser
Die EU hat im Mittelmeer schon viel probiert, um dem Problem der Schleuser Herr zu werden. ›Mare nostrum‹ war nur ein Beispiel. Wirkungsvoll, ehrlich gesagt, war bisher keine Methode so richtig. Es ist ein Problem, welches zweifelsohne nicht einfach zu lösen ist. Ob die eben genannte australische Methode der rigorosen Abwehr von Bootsflüchtlingen die richtige ist, vermag ich nicht zu sagen. Nur festzuhalten bleibt hier: Australien ist eine Demokratie und ein Ur-Einwanderungsland. Also nicht eine Nation, die sich einmal so aus dem Ärmel heraus für diese Aktion entscheidet. Ich warne davor, dies in einem argumentativen Schnellschuss als brutal und unmenschlich zu geißeln. Es ist ein letztlich eine Frage, wo man steht und wem man sich verpflichtet fühlt. Die australische Regierung fühlt sich sicher in Kenntnis ihrer Geschichte und der Struktur ihrer Bevölkerung gegenüber verpflichtet. Die Probleme, die die Bootsflüchtlinge auf die Reise und zur Abkehr von ihrem Staat getrieben haben, sind somit nicht per se die Probleme der Australier. Von daher ist zu empfehlen, sich mit der Haltung der Australier auseinanderzusetzen.
Auch lohnt in diesem Zusammenhang ein kurzer Blick zurück in die Vergangenheit. Wieder einmal zu dem klassischen Einwanderungsland, den USA. Man muss dazu nicht nach Ellis Island, der vorgelagerten Insel von New Yorks Manhattan, reisen. Ellis Island war Ende des 19. Jahrhunderts und Anfang des 20. Jahrhunderts das Ziel der damals Flüchtenden. Ich empfehle jedem, der einmal die Gelegenheit hat, das Auswandermuseum in Bremerhaven zu besuchen. Hier schlüpft man in die Identität einer Person, die tatsächlich einmal die Reise in die damals ›Neue Welt‹ gewagt hat. Am Ende der Reise wird der Besucher feststellen, dass die USA auf eben diesem Ellis Island, dem Ort, den alle durchliefen für die Einreise in die USA, alle Ankömmlinge prüfen ließen auf ihren Gesundheitsstatus. Wer schwächlich war oder etwa hüstelnd die Treppe hinaufstieg, wurde von einem Arzt schon vorher versteckt begutachtet und dann nach einer kurzen Untersuchung wieder mit dem nächsten Schiff zurückgeschickt. Dies war nur ein Punkt der Einreisebeschränkung von diesem klassischen Einwanderungsland. Es war also nicht so leicht, ins gelobte Land zu kommen. Daran sieht man, dass es immer und überall Beschränkungen bei der Einwanderung gegeben hat.
Um den Schleusern nunmehr das Handwerk zu legen, bedarf es nicht nur einer Maßnahme. Es ist sicherlich ein Bündel von Aktivitäten notwendig, da die Strukturen mittlerweile mafiöse Dimensionen angenommen haben. Die Ermittlungskompetenzen von EUROPOL oder sonstigen grenzübergreifenden polizeilichen Aktivitäten sind hier gefragt. Etwaige Hindernisse hinsichtlich der Kompetenzen sollten schleunigst beseitigt werden. Es muss gelingen, die Strukturen, die in den EU-Ländern von dieser Schleuser-Mafia aufgebaut wurden, zu ermitteln und zu zerschlagen. Es geht hier darum, dass der Druck auf dieses Geschäftsmodell permanent hoch gehalten wird, und zwar mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln eines Rechtsstaates. Damit helfen wir den Menschen, deren Lage durch die Kriminellen ausgenutzt wird, und wir helfen auch uns.
Wir können auch nicht umhin, kurz ein Szenario zu durchdenken, das uns vielleicht erschreckt. Denn keiner kann hundertprozentig garantieren, dass sich unter den Flüchtenden keine Terroristen, etwa in Form von IS-Kämpfern, befinden. Hier geht es mir nicht um Panikmache und Schüren von rechten Parolen. Es geht schlichtweg um die Erkenntnis, dass man die Möglichkeit ins Kalkül einbezieht. Einmal versucht, sich in das Gegenüber – sprich hier etwa den IS – hineinzudenken. Hineindenken dergestalt, dass man sich fragt: Wie kann ich meinem Feind am besten Schaden zufügen? Welche Mittel und Wege könnten sich da auftun? Bei diesen Überlegungen kommt man dann unweigerlich auf die Einschleusung von eigenen Kämpfern unter dem Deckmantel der Bootsflüchtlinge. Diese werden in der Regel nicht besonders kontrolliert und Papiere können auch nicht vorgezeigt werden. Es geht nicht darum, dass hinter jedem Kriegsflüchtling ein IS-Kämpfer steckt. Wohl aber wäre es blauäugig, diese Möglichkeit völlig auszuschließen. Wir können Herrn Obama und seiner Administra...

Table of contents