1 Prolog
Im Jahre 2018 hat die SPARDAT ihr 50-jĂ€hriges JubilĂ€um gefeiert, denn die GrĂŒndung dieses Unternehmens erfolgte mit der Unterzeichnung des Gesellschafts-Vertrages am 8. August 1968. Als Firmenziel wurde im Vertrag die Errichtung einer Buchungsgemeinschaft definiert, die allen österreichischen Sparkassen EDV-Dienstleistungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten anbieten sollte. Der Name SPARDAT ist heute nur mehr wenigen bekannt, denn durch in der Folge beschriebene UmstĂ€nde, wie zum Beispiel EigentĂŒmerwechsel, heiĂt die Nachfolgefirma s IT Solutions Austria. Diese fungiert als IT-Dienstleister der Erste Bank und Sparkassen und ist ein Tochterunternehmen der Erste Group. Der Name SPARDAT ist aber nach wie vor im Handelsregister eingetragen.
Einige ehemalige Mitarbeiter der SPARDAT, welche die AnfĂ€nge miterlebt haben, fassten einen Entschluss: Dieses Ereignis muss entsprechend gewĂŒrdigt und es soll in Form eines Druckwerkes darĂŒber berichtet werden. GemÀà SPARDAT-Gepflogenheiten wurde professionell vorgegangen, ein Projekt aufgesetzt und von der Gruppe Norbert Tischelmayer als Projektleiter bestimmt. Nach Erarbeitung eines Konzeptes mit erforderlicher Zielsetzung, AktivitĂ€ten und Terminen bzw. Zeitplan sowie auch den geschĂ€tzten Kosten wurde mit der Umsetzung begonnen.
Die Geschichte der SPARDAT ist untrennbar mit der Sparkassen-Automation dieser 50 Jahre verbunden und hat diese maĂgeblich beeinflusst. Die SPARDAT war â darĂŒber sind sich sehr viele ehemalige Mitarbeiter einig - ein auĂergewöhnliches Unternehmen, was in diesem Buch durch viele Fakten, Bilder und âGeschichtenâ untermauert wird. Ich selbst war in der SPARDAT 25 Jahre und in den RZ-Betriebs-Nachfolgefirmen SARZ und iT-AUSTRIA 10 Jahre tĂ€tig. In diesem langen Zeitraum gab es nur relativ wenige Tage, an denen ich nicht gerne in die Firma gegangen bin.
Die Zielgruppe fĂŒr dieses Buch sind die ehemaligen Mitarbeiter der SPARDAT und aller Nachfolgefirmen sowie ehemalige und aktive Mitarbeiter des Sparkassen-Sektors. Es wĂ€re schön, wenn darĂŒber hinaus auch Leser gewonnen werden können, die ein allgemeines Interesse an der Sparkassen-Automation und der Entwicklung der Computer-Technologie der letzten 50 Jahre haben. AuĂerdem kann man erfahren, wie ein kleines Unternehmen mit anfangs nur acht Mitarbeitern mit damals in Ăsterreich neuen, ungewöhnlichen bzw. revolutionĂ€ren GrundsĂ€tzen bezĂŒglich Unternehmenskultur, FĂŒhrungstechniken und Mitarbeiter-Motivation zu einem Unternehmen mit ĂŒber tausend Mitarbeitern gewachsen ist. Das Buch ist fĂŒr diese drei Bereiche ein Zeitdokument.
Es ist ein Gemeinschaftswerk vieler Autoren mit allen dadurch geprĂ€gten StĂ€rken bezĂŒglich Vielfalt, aber vielleicht auch SchwĂ€chen bezĂŒglich der âWahrheitâ und zum Teil auch inhaltlichen Ăberschneidungen. Jeder erzĂ€hlt âseine Geschichteâ nach seinen persönlichen Erinnerungen, die ja zum GroĂteil sehr lange zurĂŒckliegen. In diesem Zusammenhang ist folgender Umstand bemerkenswert: obwohl bei den meisten seit ihrem Ausscheiden aus der SPARDAT viele Jahre (Jahrzehnte) vergangen sind, haben sich insgesamt 25 Personen bereit erklĂ€rt, einen Beitrag zu leisten. Das ist bei weitem nicht selbstverstĂ€ndlich.
Die BeitrÀge der SPARDAT-Autoren sind von positiven Erlebnissen an diese Zeit geprÀgt. Um die notwendige ObjektivitÀt zu gewÀhrleisten, kommen deshalb auch Kunden und Externe zu Wort.
Alle Mitarbeiter haben zum Erfolg der SPARDAT-Buchungsgemeinschaft beigetragen. Wir möchten uns bei allen entschuldigen, die namentlich nicht genannt werden.
Norbert Franz-Josef Tischelmayer - Wien im Oktober 2020
PS: Inzwischen gab es zahlreiche zum ĂŒberwiegenden Teil positive RĂŒckmeldungen zu diesem Buch. Das waren u. a. Frau Patricia Neumann (Country General Manager IBM Austria) und Herr Helmut Vanek (SteiermĂ€rkische Sparkasse), deren Feedbacks in dieser 4. Auflage enthalten sind (siehe Kap. 11.4).
2 Das Unternehmen
Anfang der 1960er-Jahre wurden im österreichischen Kreditsektor die ersten damals noch nicht als Computer bezeichneten GerĂ€te eingesetzt, das waren die Zentralsparkasse, die Erste österreichische SparCasse, die Girozentrale und die Salzburger Sparkasse. Als rein lochkartenorientierte Anwendungen wurden bei diesen Instituten anfangs die Buchung von Giro- und Sparkonten entwickelt. Im Jahre 1967 wurde vom Hauptverband der Sparkassen der damals beim Computerhersteller Remington Rand-UNIVAC tĂ€tige Erwin Standl beauftragt, die flĂ€chendeckende Computerisierung im Sparkassensektor auf Basis der Erfahrungen der bisherigen Anwender und die GrĂŒndung einer Buchungsgemeinschaft vorzubereiten.
Aus diesem Grund wurde am 19. Mai 1967 sozusagen als VorgĂ€ngerfirma der SPARDAT die STUSA (Studiengesellschaft fĂŒr Sparkassen Automation) mit Beteiligung von Sparkassenverband, Girozentrale, Sparkassenverlag, der beiden Wiener Sparkassen sowie der Landeshauptstadt-Sparkassen gegrĂŒndet und Erwin Standl als GeschĂ€ftsfĂŒhrer bestellt. Der Praxistest der STUSA war die Automatisierung der KĂ€rntner Sparkasse von 1967 bis1968. Das positive Ergebnis fĂŒhrte dann 1968 zur EinfĂŒhrung der Datenverarbeitung in der Allgemeinen Sparkasse in Linz. Die STUSA war ab der ebenfalls in diesem Jahr erfolgten GrĂŒndung der SPARDAT ein inaktiver Teil davon. Sie wurde dann im Jahre 1970 unter der FĂŒhrung von Hans Ambros als eigenstĂ€ndige Firma reaktiviert und beschĂ€ftigte sich mit langfristig ausgerichteter Grundlagenarbeit.
Am 8. August 1968 wurde mit der Unterzeichnung des Gesellschafts-Vertrages die SPARDAT ins Leben gerufen. Die GrĂŒndungsmitglieder waren GeneralsekretĂ€r Dr. Walter Sadleder vom Sparkassen-Verband, Direktor Herbert Lugmayr von der Zentralsparkasse und Direktor Dr. Theoderich Mellich von der Girozentrale. Die Anteile hielten der Sparkassen-Verband mit 45%, die Girozentrale mit 45% und der SPV mit 10%. Am 23. September 1968 wurde die SPARDAT mit dem Eintrag in das Handelsregister als Ges.m.b.H. rechtswirksam; der erste GeschĂ€ftsfĂŒhrer war Erwin STANDL. Die SPARDAT bestand aus 8 Mitarbeitern.
Als Ziele werden u. a. definiert: Es wird eine Buchungsgemeinschaft errichtet, die allen österreichischen Sparkassen EDV-Dienstleistungen nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten anbieten soll. Die finanzielle Gestionierung ist so zu gestalten, dass die SPARDAT insgesamt kostendeckend arbeiten kann. Die SPARDAT verpflichtet sich, dass fĂŒr diese Dienstleistungen geeignete und stĂ€ndig auf dem letzten Wissensstand befindliche Mitarbeiter sowie die technischen Einrichtungen zur VerfĂŒgung stehen. Bis 1975 sollen sĂ€mtliche Sparkassen an leistungsfĂ€hige EDV-Anlagen angeschlossen sein. (ĂŒbrigens wurde dann bis zum Jahre 1975 dieses Ziel nahezu, mit Ausnahme von 7 Instituten, erreicht). Im Jahre 1968 gab es insgesamt 172 Sparkassen mit 506 GeschĂ€ftsstellen; nur 3 davon hatten eine eigene EDV, die damals noch lochkartenorientiert war (Zentralsparkasse, Erste Ăsterreichische SparCasse und Salzburger Sparkasse).
2.1 Die GeschÀftspolitik der SPARDAT
Im FrĂŒhjahr 1971 erschien die erste Nummer der BroschĂŒre âSPARDAT-Infoâ. FĂŒr die redaktionelle Gestaltung war Hans-Georg Schwarz verantwortlich. In zeitlichen AbstĂ€nden von ca. acht Wochen wurde Aktuelles ĂŒber die SPARDAT, allgemein ĂŒber die Computerbranche und vor allem ĂŒber alle fĂŒr die Sparkassen interessanten Neuerungen und Erweiterungen der SPARDAT-Dienstleistungen berichtet (siehe auch unter Kap. 9.9). Unter anderem war in der Nummer 1 die GeschĂ€ftspolitik der SPARDAT mit drei Prinzipien und fĂŒnf Zielen wie folgt formuliert:
2.2 Organisationsstruktur
Zu Beginn gab es in der SPARDAT eine flache Hierarchie mit anfangs drei Ebenen (GF, Abteilung, Referat) und spĂ€ter vier Ebenen (GF, Bereich, Abteilung, Team). Bei einer kleineren Mitarbeiteranzahl ist das zwangslĂ€ufig so (1970 rund 70). Nach einer Legende gab es beim Orden der Zisterzienser folgende Regel: Hatte ein Kloster eine Anzahl von etwa 60 bis 70 Mönchen erreicht, mussten die jĂŒngsten 12 das Kloster verlassen und an einer anderen Stelle ein neues Kloster grĂŒnden. Diese GröĂe entspricht auch in etwa einer Horde in der Steinzeit. Jeder kennt jeden, jeder weiĂ um StĂ€rken und SchwĂ€chen der anderen und niemand kann sich verstecken und schmarotzerhaft agieren, indem er sich nicht an den notwendigen Arbeiten in der Gruppe beteiligt. Das wĂŒrde sofort entsprechende MaĂregelungen nach sich ziehen.
Die gesamte SPARDAT-Zeit war geprĂ€gt von unzĂ€hligen StrukturĂ€nderungen. Trotz groĂer Bereitschaft der SPARDATâaner zu VerĂ€nderungen war das zum Teil zwar sehr belastend aber auch von Vorteil, weil sich besonders fĂŒr die karrierebewussten Kollegen stĂ€ndig neue Chancen ergaben. Siegfried âSigiâ Nowak hat sich die MĂŒhe gemacht und von 1970 bis Anfang 2000 alle StrukturĂ€nderungen gesammelt. In diesen 31 Jahren waren es unglaubliche 86 (sechsundachtzig). Das bedeutet im Durchschnitt rund drei Ănderungen jĂ€hrlich oder anders ausgedrĂŒckt gab es alle vier Monate eine strukturelle VerĂ€nderung. DarĂŒber gibt es auch eine der zahlreichen Anekdoten, wie sie dann im Kap. 8 erzĂ€hlt werden.
Wieder einmal wurde in einer Middle (groĂer Besprechungskreis aller FĂŒhrungskrĂ€fte) eine StrukturĂ€nderung vorgestellt. Wilhelm Markom meldete sich zu Wort und meinte, man möge in Hinkunft auf den neuen Organigrammen nicht nur das Datum, sondern auch die Uhrzeit vermerken. Vom GroĂteil der Runde wurde dies mit schallendem GelĂ€chter belohnt, aber es gab nach Ohrenzeugenberichten auch einen hochrangigen Nichtgenannten, dem dies nicht gefallen hat (ja â es gab auch humorlose Leute in der SPARDAT).
In der Folge werden einige Organigramme gezeigt, und zwar von jenen Jahren, in denen ein Wechsel in der GeschĂ€ftsfĂŒhrung stattgefunden hat. Das hat selbstverstĂ€ndlich auch immer einen mehr oder weniger groĂen Wandel bedeutet, weil selbstredend jeder neue GeschĂ€ftsfĂŒhrer seine Vorstellungen und Ideen einbrachte, die sich auch in recht verschiedenen FĂŒhrungsstilen Ă€uĂerten.
Runde der ehemaligen SPARDAT-GeschĂ€ftsfĂŒhrer 22. JĂ€nner 2004: Johannes Höbinger, Christian Gosch, Erwin Standl, Peter Bezold, Gerhard Schellander, Peter Benda und Walter Mangl.
2.3 Erwin Standl und Peter Benda - 1970 bis 1980
Im Zeitraum 1970 bis 1980 waren Erwin Standl und Peter Benda als GeschĂ€ftsfĂŒhrer verantwortlich. Diese zwei haben auf entscheidende und nachhaltige Art die SPARDAT-Kultur eingefĂŒhrt und geprĂ€gt. Peter Benda wechselte 1975 in die GIROZENTRALE als Bereichsleiter Organisation, war aber nach wie vor als zweiter GeschĂ€ftsfĂŒhrer in der SPARDAT tĂ€tig. Erwin Standl wechselte dann Mitte 1980 in die ERSTE BANK. Das Organschafts-VerhĂ€ltnis bzw. der bilanzmĂ€Ăige Gewinn- und Verlustabsaugungs-Vertrag mit der GZ wurde 1974 beendet; die SPARDAT war aber nach wie vor eine 100%-ige GZ-Tochter.
Das Organigramm zeigt die Struktur im Juni 1974. Die SPARDAT beschĂ€ftigte 117 Mitarbeiter, die Umsatzerlöse betrugen 91,4 Mio ATS. Das Ereignis dieses Jahres war der Einsatz des neu entwickelten Datenerfassungs-System EDESYS am 11. November in der Sparkasse Stockerau. Im GIROZENTRALEHaupthaus 1010 Wien Schubertring wurde im MĂ€rz dieses Jahres das SPARDAT-RZ-Wien 2 in Betrieb genommen. Es diente ausschlieĂlich fĂŒr die Beleglesungs-Arbeiten der GZ-Abteilung 252.
2.4 Peter Bezold, Peter Carniel, Friedrich Horak - 1980 bis 1983
Im Jahre 1973 wurde von der GIROZENTRALE die Tochtergesellschaft LOGICA als Programmentwicklungs-GmbH gegrĂŒndet. Rund 20 Leute verlieĂen die SPARDAT und bildeten den Grundstock (u. a. Herbert âAlfiâ Schmid, Johann Hack, Jörg Reidlinger und Siegfried Nowak). Die LOGICA bezog ein GebĂ€ude in 1020 Wien, Schreygasse und hatte die Aufgabe, speziell fĂŒr die GIROZENTRALE und die s Bausparkasse EDVAnwendungs-Systeme zu entwickeln. Im Gegensatz zur SPARDAT, die auf die Programmiersprache COBOL setzte, war in der LOGICA der ASSEMBLER Standard. Es gab auch verschiedene Meinungen bezĂŒglich FĂŒhrungstechniken. Die SPARDAT setzte auf âGRIDâ, die LOGICA auf âTransaktionsanalyseâ. Das VerhĂ€ltnis der beiden Firmen war nicht konfliktfrei, es wurde aber in Projekten professionell zusammengearbeitet.
Die LOGICA wurde dann Ende 1980 wieder aufgelöst und deren Agenden und der GroĂteil der Mitarbeiter in die SPARDAT rĂŒckgefĂŒhrt, was eine Ănderung in der GeschĂ€ftsfĂŒhrung und groĂe StrukturĂ€nderungen bewirkte. Die LOGICA brachte die fĂŒr die GIROZENTRALE entwickelten Anwendungspakete ein (AZV, Depot, WPA). Nun gab es das GeschĂ€ftsf...