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Verwaltungsprozessrecht (VwGO)
About this book
Systematisch, anspruchsvoll und wissenschaftlich wird in der Fallsammlung das gesamte examensrelevante Wissen zum Verwaltungsprozessrecht in enger VerknĂŒpfung mit dem Verfassungsrecht vermittelt.
Die FĂ€lle beinhalten u.a. Fragestellungen
-
- zur Anfechtungs- und Verpflichtungsklage,
- zur Fortsetzungsfeststellungsklage und Nichtigkeitsfeststellungsklage,
- zur allgemeinen Feststellungsklage und zur allgemeinen Leistungsklage,
- zur prinzipalen Normenkontrolle und
- den Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes.
-
Die aufeinander aufbauenden FĂ€lle ermöglichen eine gezielte Examensvorbereitung auf PrĂ€dikatsniveau. Die Formulierung der Falllösung ist dabei am Erwartungshorizont der PrĂŒfer orientiert. Bei stĂ€ndig wiederkehrenden PrĂŒfungsfolgen werden gleiche Formulierungen verwendet. Der Leser wird so fĂŒr bestimmte Ausdrucksweisen sensibilisiert.
Eine Ăbersicht zu Fallschwerpunkten und ein Stichwortverzeichnis erleichtern den Zugang zu den FĂ€llen und die problemorientierte Nutzung des Werkes.
Frequently asked questions
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Information
Fall 1: âZurĂŒck in die Schule (Landesrecht)â
Schwerpunkte: Zugang zu öffentlichen Einrichtungen (§ 5 Abs. 1 ParteiG), Verpflichtungsklage, Parteienprivileg, Zweistufigkeit, GmbH-Beherrschung
Hinweis: Diesem Fall sowie der Falllösung liegt exemplarisch das Landesrecht von NRW zugrunde. An die Rechtslage in Berlin, Hamburg und Niedersachsen angepasste Falllösungen sind online unter www.heinze-pruefungsanfechtung.de einsehbar.
Die N ist eine Partei mit Sitz in der Stadt M in Nordrhein-Westfalen (NRW), die extreme nationale Standpunkte vertritt. Seit lÀngerer Zeit steht sie im Verdacht, verfassungsfeindliches Gedankengut zu fördern und zu verbreiten. Ein vor einigen Jahren von der Bundesregierung betriebenes Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht blieb jedoch ohne Erfolg. Um bundesweit den Erfolg rechtsgerichteter Politik durch ein einheitliches Auftreten zu steigern, schloss sich die N im August dieses Jahres mit der D zusammen, die eine Àhnliche Politik betreibt und in den letzten Jahren stetigen Zulauf von jungen WÀhlern abseits der Bildungsschicht verzeichnen konnte.
Den Zusammenschluss möchte die daraus entstandene âND â Die Volksfusionâ â ein rechtsfĂ€higer Verein â entsprechend feiern. Dazu soll am 13.11. nĂ€chsten Jahres ein Festakt der ND abgehalten werden, den sie in der Aula eines stĂ€dtischen Gymnasiums der Gemeinde G in NRW â in dieser Gemeinde möchte sich die ND zukĂŒnftig verbreiten sowie niederlassen und in dieser Aula hatten auch bereits andere Parteien in der Vergangenheit Wahlkampfauftritte und Ă€hnliche Veranstaltungen abgehalten â zelebrieren möchte. Die ND soll bei der nĂ€chsten Bundestagswahl und auch auf Landesebene zur Wahl stehen, um ĂŒber Fraktionen in den Parlamenten das Volk zu vertreten. Zugang, Verwaltung und Vermietung der Aula werden ausschlieĂlich ĂŒber G abgewickelt, ohne dass eine Person des Privatrechts eingebunden ist. Andere Veranstaltungen sind am 13.11. des nĂ€chsten Jahres nicht geplant, und weitere Anfragen fĂŒr die Aula gibt es fĂŒr diesen Tag nicht. Auf den entsprechenden unter Beachtung aller eventuell erforderlichen Formvorschriften gestellten Antrag reagiert die Mehrheit im zustĂ€ndigen Gemeinderat allerdings mit Protest. Die G sei eine weltoffene und tolerante Gemeinde, in der rechtes Gedankengut keine Plattform finden dĂŒrfe. Durch einen mit Rechtsmittelbelehrungen versehenen Bescheid vom 18.10. dieses Jahres wird der Antrag der ND daher abgelehnt. Zur BegrĂŒndung verweist der BĂŒrgermeister als zustĂ€ndige allgemeine Ordnungsbehörde auf die verfassungsfeindliche Tendenz der ND. AuĂerdem fĂŒhrt er aus, dass die lediglich internen Feierlichkeiten des Zusammenschlusses zur ND nicht unter das Parteienprivileg fielen und die Gemeinde schon deshalb nicht verpflichtet sei, der ND Zugang zu gewĂ€hren.
Die ND meint, sie sei in ihren Rechten verletzt und klagt nach erfolglos durchgefĂŒhrtem Widerspruchsverfahren innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Ablehnungsbescheides und einer Woche nach Bekanntgabe des Widerspruchsbescheides vor dem örtlich zustĂ€ndigen Verwaltungsgericht auf eine verbindliche Zuteilung der Schulaula an dem gewĂŒnschten Tag. Mit Erfolg?
Abwandlung
Die ND möchte ihren nĂ€chsten Parteitag in einer Veranstaltungshalle in G â ebenfalls von anderen Parteien genutzt â abhalten, die von der E-GmbH betrieben wird. Hauptgesellschafterin ist die Gemeinde G, die nach dem Gesellschaftsvertrag berechtigt ist, ĂŒber Zulassung oder Ablehnung von Veranstaltungen sowie ĂŒber das Entgelt zu entscheiden. Mit der gleichen BegrĂŒndung wie in der Vergangenheit, jedoch ohne ablehnenden Bescheid, wird der ND die Zulassung zu dem gewĂŒnschten Termin verweigert. Wieder möchte die ND gegen die Gemeinde in gleicher Weise klagen, ist sich aber nicht sicher, ob dies sinnvoll ist. Sind die Sachurteilsvoraussetzungen der Klage erfĂŒllt, wenn nach DurchfĂŒhrung eines ordnungsgemĂ€Ăen Widerspruchsverfahrens die Klagefrist eingehalten wird?
Zusatzfrage
Aufgrund der Entscheidung des Gerichts wird der ND das Abhalten des Parteitages in der Veranstaltungshalle erlaubt. Als die Veranstaltung beginnen soll, stellen die GĂ€ste allerdings fest, dass keine der sanitĂ€ren Anlagen benutzbar und auĂerdem die gesamte Elektronik funktionslos ist. Gegen wen und vor welchem Gericht kann die ND welchen Schadensersatzanspruch geltend machen?
Vertiefung
OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 13. 1. 2011 â OVG 3 S 2.11.
Gliederung
- 1.
- Komplex: Klage der ND
- A.
- Sachurteilsvoraussetzungen
- I.
- Rechtsweg
- II.
- ZustÀndigkeit
- III.
- Beteiligte
- IV.
- Statthafte Klageart
- V.
- Besondere Sachurteilsvoraussetzungen
- 1.
- Besondere ProzessfĂŒhrungsbefugnis
- 2.
- Klagebefugnis
- 3.
- Vorverfahren
- 4.
- Klagefrist
- VI.
- Zwischenergebnis
- B.
- BegrĂŒndetheit
- I.
- Anspruchsgrundlage
- II.
- Anspruchsvoraussetzungen
- 1.
- Formelle Voraussetzungen
- 2.
- Materielle Voraussetzungen
- a)
- Positive Voraussetzungen
- b)
- Negative Voraussetzungen
- 3.
- Anspruchsinhalt
- C.
- Ergebnis
- 2.
- Komplex: Abwandlung
- A.
- Sachurteilsvoraussetzungen
- I.
- Rechtsweg
- II.
- ZustÀndigkeit
- III.
- Beteiligte
- IV.
- Statthafte Klageart
- V.
- Besondere Sachurteilsvoraussetzungen
- 1.
- Besondere ProzessfĂŒhrungsbefugnis
- 2.
- Klagebefugnis
- 3.
- Vorverfahren
- 4.
- Klagefrist
- B.
- Ergebnis
- 3.
- Komplex: Zusatzfrage
Lösungsvorschlag
Die folgende Lösung ist als Lösungsvorschlag zu verstehen und ausfĂŒhrlicher, als es in der Klausurbearbeitung verlangt werden kann. Aufgrund der wissenschaftlichen Freiheit können andere Lösungswege vertreten werden, soweit sie dogmatisch begrĂŒndbar sind. Die Nachweise aus Rechtsprechung und Literatur sowie die das VerstĂ€ndnis fördernden Randbemerkungen sind in der Examensklausur auszusparen. Die AbkĂŒrzung âAlt.â Steht fĂŒr Alternativfall, nicht fĂŒr Alternative.
Zur Verbesserung der Methodik bei der Anfertigung eines Gutachtens in der Klausur empfiehlt sich die LektĂŒre des Beitrags von Heinze/Starke JURA 2012, 175 ff.
1. Komplex: Klage der ND
Die Klage der ND hat jedenfalls Erfolg, soweit die Sachurteilsvoraussetzungen erfĂŒllt sind und die Klage begrĂŒndet ist.
A. Sachurteilsvoraussetzungen (+)
Hinweis: Andere Aufbauvarianten werden vertreten (z. B. dreistufig oder PrĂŒfung des Verwaltungsrechtsweges als Untergliederungspunkt der ZustĂ€ndigkeit des Gerichts). Derartige Aufbauvarianten sind aber mit § 17a Abs. 2 S. 1 GVG bzw. mit der Ăberschrift des 6. Abschnitts der VwGO sowie mit § 83 VwGO unvereinbar und daher bei exakter dogmatischer Zuordnung der PrĂŒfungspunkte nicht zu empfehlen. Die Ăberschrift âSachurteilsvoraussetzungenâ anstelle der Ăberschrift âZulĂ€ssigkeitâ ist sinnvoll, weil nach § 63 Nr. 3 VwGO auch der Beigeladene zu den Beteiligten gehört, das Fehlen einer notwendigen Beiladung i.S.d. § 65 Abs. 2 VwGO aber nur dazu fĂŒhrt, dass das Urteil keine materielle Rechtskraft entfaltet. Auch die objektive KlagehĂ€ufung i.S.d. § 44 VwGO ist z. B. keine ZulĂ€ssigkeitsvoraussetzung.
Die Sachurteilsvoraussetzungen können erfĂŒllt sein.
I. Rechtsweg (+)
Ein Rechtsweg muĂ eröffnet sein. Der Verwaltungsrechtsweg kann mangels aufdrĂ€ngender Sonderzuweisung gemÀà § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet sein. Im Ăbrigen kommt ein Verweisungsbeschluss i.S.d. § 17a Abs. 2 S. 1 GVG i.V.m. § 173 S. 1 VwGO in Betracht. Der Verwaltungsrechtsweg ist eröffnet, wenn die streitentscheidende öffentlich-rechtliche Norm einen HoheitstrĂ€ger einseitig berechtigt oder verpflichtet bzw. wenn aufgrund typisch hoheitlichen Handelns zwischen den mutmaĂlichen Beteiligten ein SubordinationsverhĂ€ltnis besteht.
Aus der Organisationsform der Gemeinde als Gebietskörperschaft öffentlichen Rechts ergibt sich nicht, dass die Streitigkeit öffentlich-rechtlich ist, da juristische Personen des öffentlichen Rechts â namentlich Körperschaften, Anstalten und Stiftungen â nicht nur hoheitlich, sondern auch privatrechtlich in Form des fiskalischen Handelns tĂ€tig werden können, wĂ€hrend juristische Personen des Privatrechts bei einer Beleihung i.S.d. Art. 33 Abs. 4 GG wiederum hoheitlich handeln können.
Aus der Handlungsform des RechtstrĂ€gers kann sich allerdings ergeben, dass ein SubordinationsverhĂ€ltnis und somit eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit besteht mit der Folge, dass der Verwaltungsrechtsweg eröffnet wĂ€re. Zwar ist die Versagung des Zuganges zur Aula durch einen Verwaltungsakt und somit durch ein typisch hoheitliches Handeln erfolgt, jedoch begehrt die ND den Zugang zur Aula, sodass der ablehnende Bescheid nur ein Indiz dafĂŒr darstellt, dass auch die Leistung als Kehrseite durch einen Verwaltungsakt als typisch hoheitliches Handeln erfolgen wird.
Allerdings kommen als streitentscheidende Norm nur § 5 Abs. 1 S. 1 ParteiG bzw. § 8 Abs. 2 GO als Normen des öffentlichen Rechts in Betracht. Somit besteht eine öffentlich-rechtliche Streitigkeit, die mangels doppelter Verfassungsunmittelbarkeit nicht verfassungsrechtlicher Art ist. Da eine abdrÀngende Sonderzuweisung nicht ersichtlich ist, ist der Verwaltungsrechtsweg gemÀà § 40 Abs. 1 S. 1 VwGO eröffnet.
II. ZustÀndigkeit (+)
Das Verwaltungsgericht ist gemÀà § 45 VwGO als Eingangsinstanz sachlich zustĂ€ndig, soweit die Voraussetzungen abweichender Regelungen wie z. B. die §§ 47, 50 VwGO bei besonderen Verfahren nicht erfĂŒllt sind. Das Verwaltungsgericht ist auch i.S.d. § 52 VwGO örtlich zustĂ€ndig, sodass kein Verweisungsbeschluss gemÀà § 17a Abs. 2 S. 1 GVG i.V.m. § 83 VwGO gefasst werden wird.
Die örtliche ZustÀndigkeit i...
Table of contents
- Title Page
- Copyright
- Contents
- Der Autor
- Fall 1: âZurĂŒck in die Schule (Landesrecht)â
- Fall 2: âKugel im FuĂâ
- Fall 3: âSauerkraut statt griechischem Olivenöl (Landesrecht)â
- Fall 4: âDer unbeugsame Journalist (Landesrecht)â
- Fall 5: âEin Fass ohne Bodenâ
- Fall 6: âVon der Zecke gebissenâ
- Fall 7: âDer gestörte Rentnerâ
- Fall 8: âDrum schau dir deine Mieter genau an ⊠(Landesrecht)â
- Fall 9: âDer Traumjobâ
- Fall 10: âThe American Dream (Landesrecht)â
- Fall 11: âMit Alkoholpegel fĂ€hrt er wohl besser âŠâ
- Fall 12: âSubventionen und Wein fĂŒr die Genossen!â
- Stichwortverzeichnis
- Onlinematerial