Spanisch in Berlin
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Spanisch in Berlin

Einstellungen zu einer globalen Sprache als lokale Fremdsprache

Philipp Krämer

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  1. 224 pages
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Spanisch in Berlin

Einstellungen zu einer globalen Sprache als lokale Fremdsprache

Philipp Krämer

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Die Beliebtheit des Spanischen als Fremdsprache nimmt in Deutschland seit Jahren zu. Aus welchen Gründen wird es gelernt? Das Buch nähert sich dieser Frage anhand von Befragungen verschiedener Gruppen von Lernenden in Berlin: Welche Motivationen stehen hinter dem Wunsch, Spanisch zu lernen? Welche Einstellungen verbinden sie mit der Sprache?
Im Mittelpunkt stehen Lernende an Hochschulen und Beschäftigte im Tourismus. Auf der Grundlage des Konzepts 'Language Making' wird gezeigt, wie sie dazu beitragen, eine bestimmte Vorstellung des Spanischen zu formen und die globale Sprache damit als lokale Fremdsprache zu verorten.
Selbst in stark ökonomisierten Kontexten zeigt sich, dass ein Bild des Spanischen vor allem aus einer affektiven Perspektive heraus entsteht. Die Befunde des Buches liefern damit auch Aufschlüsse für die künftige Förderung des Spanischen als Fremdsprache, die über die Betonung des wirtschaftlichen Wertes hinausgehen sollte.

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Information

Publisher
De Gruyter
Year
2020
ISBN
9783110708554

1Einleitung: Spanisch im mehrsprachigen Berlin

Wie die meisten großen Städte Deutschlands und Europas ist Berlin eine ausgeprägt mehrsprachige Stadt. Den Fokus auf das Spanische in Berlin als eine einzelne Sprache zu legen mag zunächst sehr einschränkend erscheinen. Ein Gesamtbild zu zeichnen ist jedoch logischerweise gar nicht das Ziel dieses Buches. Vielmehr geht es darum, die Stellung des Spanischen im mehrsprachigen Gefüge der Stadt besser einschätzen zu können. Interessant ist das Spanische unter anderem deshalb, weil es im Vergleich zu anderen bedeutsamen Sprachen eine Art Zwischenstellung hat: Es wird relativ häufig in der Schule gelernt, gilt aber bei zunehmendem Interesse noch immer als weniger kanonisch als beispielsweise Englisch oder auch Französisch (Ministerio de educación y ciencia 2005: 17, 25; Bär 2017; Hoffmann/Malecki 2018: 20–21).1 Es ist zudem durchaus verbunden mit Migration, gilt aber als weitaus weniger emblematisch ‚migrantisch‘ als etwa Türkisch oder Arabisch. Für das Fallbeispiel Hamburg etwa ordnet Redder (2013: 263–264) das Spanische gleichzeitig zwei unterschiedlichen Segmenten der städtischen Mehrsprachigkeit zu, nämlich der Kategorie „languages spoken by migrants from countries frequently visited for touristic purposes“ und der Kategorie „languages spoken by migrants that are also taught in schools“. Spanisch ist daher ein besonders faszinierender Mosaikstein im enorm diversen Sprachengefüge Berlins. Berlin ist dabei eher als exemplarisch zu sehen und nicht unbedingt als Sonderfall. Die meisten Befunde zur Bedeutung des Spanischen dürften sich zumindest auf andere größere Städte in Deutschland übertragen lassen, wenn sie nicht gar eine breitere Gültigkeit haben. So haben beispielsweise München und Hamburg vergleichbare Zahlen von Besuchenden und Einwohner*innen aus spanischsprachigen Ländern (Krämer 2019b: 248).2 Bei der Position von Spanisch als Fremdsprache in den Schulen zeigen sich in Deutschland insbesondere Ähnlichkeiten bei den Stadtstaaten (Hoffmann/Malecki 2018: 20–21).3
Welche Stellung das Spanische unter anderen Sprachen in Berlin einnimmt, soll mit diesem Buch genauer ausgelotet werden. Verschiedene Dimensionen stehen dabei im Mittelpunkt: Es soll gefragt werden, welche Rolle das Spanische im Bildungswesen in Berlin spielt, welche Einstellungen und Meinungen mit der Sprache verbunden sind, welche Motivationen und Erwartungen diejenigen haben, die es lernen. Dabei gerät auch die ökonomische Bedeutung des Spanischen ins Blickfeld, also die Frage, inwieweit es mit beruflichen bzw. materiellen Perspektiven in Verbindung gebracht wird und welches Gewicht diese Dimension gegenüber anderen Faktoren wie kommunikativer Reichweite, interkulturellem Interesse oder privaten Verbindungen einnimmt. Mit anderen Worten: Welche Erwartungen, Vorstellungen oder Hoffnungen werden an das Spanische geknüpft?
Der Fokus wird bei all diesen Fragen auf dem Spanischen als Fremdsprache liegen. Nicht nur in Deutschland, sondern in vielen Regionen der Welt ist Spanisch eine beliebte Sprache, die immer häufiger auch als Zweit- und Fremdsprache erworben wird (Klump/Willems 2012: 164; Pastor Cesteros 2016: 42). Die Beliebtheit des Spanischen dürfte dabei auch mit einem Schneeballeffekt zu erklären sein, wie Coulmas (1992: 80) ihn zeigt: „The more people learn a language, the more useful it becomes, and the more useful it is, the more people want to learn it.“
Kapitel 4 wirft einen kurzen Blick auf die Präsenz des Spanischen als Erstsprache in Berlin, weil dies selbstverständlich auch einen Einfluss auf die Einschätzung der Sprache durch L2-Sprecher*innen hat. Danach richtet sich die Aufmerksamkeit stärker auf diejenigen, die das Spanische erlernen und die damit bewusst in einen größeren Zusammenhang dessen eintreten, was als Global Spanish bezeichnet wird. Hier gilt es zu berücksichtigen, dass das Spanische – wie auch andere Fremdsprachen – von unterschiedlichen Gruppen aus unterschiedlichen Motiven und mit unterschiedlichen Zielen gelernt wird. Im Mittelpunkt stehen deshalb Befragungsstudien mit vier Gruppen: Studierende des Spanischen an der Freien Universität Berlin, Studierende anderer Fächer, die einen Spanischkurs an der Technischen Universität Berlin belegen, Teilnehmer*innen an Spanischkursen von Berliner Volkshochschulen und Beschäftigte im Berliner Gastgewerbe mit oder ohne Spanischkenntnisse.
Ob das Spanische beispielsweise tatsächlich an Nutzen gewinnt, wie die oben zitierte Passage von Coulmas nahelegen müsste,4 und welchen Nutzen das Spanische in den Augen der Lernenden hat, bleibt zu zeigen. Wird nach der Bedeutung einer Sprache gefragt, so muss man stets berücksichtigen, dass dies eine Frage der Perspektive ist: „‚Bedeutung haben‘ impliziert auch ein ‚für jemanden‘ oder ‚für etwas‘“ (Schnitzer 2012: 157). Dieses Buch soll daher einen Beitrag dazu liefern, die Motivationen und Spracheinstellungen der vier genannten Zielgruppen genauer zu beleuchten, für die das Spanische eine wichtige Bedeutung zu haben scheint. Welche das jeweils ist, kann mit Hilfe der Befragungsstudien genauer ausgelotet werden.

2 Globales Spanisch als Effekt von Language Making: Wirkungen von Spracheinstellungen und -ideologien

Was ist das Spanische? Jede Sprache ist in erster Linie eine „idea in the mind“, wie es Milroy (2001: 543) für Standardsprachen ausdrückt. Dies gilt nicht nur für die Repräsentation, die wir von festgelegten und weithin akzeptierten sprachlichen Normen einer Standardsprache haben, sondern es gilt auch für das Gesamtbild einer ‚Einzelsprache‘, selbst wenn diese nicht standardisiert oder kodifiziert ist. Was wir als eine Sprache wahrnehmen, basiert auf einer kollektiven Konstruktion dessen, was wir uns unter dieser Sprache vorstellen. Es ist die Oberfläche eines stets andauernden Prozesses von Language Making.5
Mit dem Konzept Language Making ist gemeint, dass bewusst oder unbewusst durch menschliches Handeln imaginierte bzw. konstruierte Einheiten entstehen, die wir als Einzelsprachen erfassen. Diese Sprachen werden als abgrenzbar konzeptualisiert, in der Regel erhalten sie Namen oder Labels und sie werden mit Normen belegt. Eine Rolle spielen dabei häufig strukturelle Normen wie Orthographie, eine präskriptive Grammatik oder ein kodifizierter Wortschatz, aber auch bei nicht formal kodifizierten Sprachen bestehen funktionale Normen wie bestimmte Gebrauchskonventionen oder -vorschriften, soziale Konnotationen des Sprachgebrauchs und weithin akzeptierte bzw. abgelehnte Verwendungsdomänen für Sprachformen, die als Teil der benannten Einheit ‚Einzelsprache‘ gesehen werden. Ausgeschlossen werden dabei Erscheinungsformen, die als nicht dem vermeintlich abgegrenzten Normsystem zugehörig angesehen werden. Makoni und Pennycook (2005) sprechen in diesem Zusammenhang von „disinventing“ und „(re)constitution“ von Sprachen. Language Making ist keineswegs gleichbedeutend mit Standardisierung oder gar Sprachplanung, denn Verwendungsnormen und -konventionen, Abgrenzungen und Labels können auch auf Sprachformen angewendet werden, die nicht strukturell standardisiert oder beispielsweise verschriftlicht sind.
Getragen wird das Language Making von Spracheinstellungen und sprachideologischen Grundlagen. Dragojevic (2017: 3) fasst den Begriff Spracheinstellung recht knapp als „evaluative reactions to different language varieties. “ Im vorliegenden Fall geht es also darum, wie Menschen das Spanische bewerten, insbesondere im Kontext ihrer eigenen Lernabsichten. Die wertenden Reaktionen lassen sich weiter aufgliedern, etwa als „sets of beliefs about language articulated by the users as a rationalization or justification of perceived language structure and use“ (Silverstein 1979: 193). Damit wird deutlicher, dass die Wertung an innersprachliche Eigenschaften geknüpft werden kann, etwa ästhetische Wahrnehmungen der Aussprache oder Konnotationen des Wortschatzes, aber auch an die Sprachnutzung an sich. Letzteres ist beispielsweise häufig der Fall, wenn die übermäßige Nutzung des Englischen in Domänen wie der Werbung oder der Wirtschaftskommunikation beklagt wird. Spracheinstellungen sind zunächst Haltungen der Einzelperson gegenüber einer sprachlichen Erscheinungsform:
Unter Spracheinstellungen verstehen wir zu Haltungen verfestigte Meinungen eines Individuums zu Sprache und Sprechern, die mit den jeweiligen individuellen sprachlichen und allgemeinen (tatsächlichen oder vermeintlichen, stabilen oder vagen) Wissensbeständen in Beziehung stehen; als psychische Dispositionen können sie entscheidungs- und handlungsleitend sein; sie können den Sprechern in weiten Teilen unbewusst sein; und sie sind individuell unterschiedlich scharf konturiert.
(Adler / Plewnia 2018: 63)
Die psychischen Dispositionen, die hier zunächst nur angedeutet werden, lassen sich nach Dragojevic (2017: 3) als eine „tripartite view of attitudes“ einteilen in kognitive, affektive und Verhaltenskomponenten.6 Die Einstellungen von einzelnen Personen fügen sich zusammen zu übergeordneten Ideologien, die von vielen Individuen geteilt werden. Man kann Sprachideologien deshalb als eine Art ‚shared subjectivity‘ sehen, als subjektive Blicke auf Sprache, die von vielen Individuen geteilt werden. Woolard (2007: 130) beschreibt die Wirkungsweise von Ideologien wie folgt: „La ideología no refleja sino que refracta las relaciones sociales que la generan y que a la vez son organizadas por ella.“ Die Existenz von Einzelsprachen wird demnach aus sozialen Verhältnissen generiert; sie ist damit in gewissem Sinne virtuell, aber dennoch in der Wahrnehmung der Sprachgemeinschaft und in ihrer Sprechpraxis sehr real. Auch Kroskrity (2004: 497, 505) hebt zu Recht hervor, dass man Spracheinstellungen und -ideologien nicht ohne Weiteres als bewusste Größen annehmen kann: Sie bleiben oft implizit und unhinterfragt. Ziel der Forschung ist es daher, sie an die Oberfläche zu holen. Da der Entscheidung für das Erlernen einer bestimmten Sprache zumeist ein Reflexionsprozess vorausgeht, kann man in diesem Zusammenhang davon ausgehen, dass die Spracheinstellungen relativ leicht zugänglich sind. Anders als in Situationen, in denen beispielsweise gesellschaftliche Tabus betroffen sind, dürfte im vorliegenden Fall also das Bewusstsein für die eigenen Haltungen zur Sprache und auch die Bereitschaft, darüber Auskunft zu geben, recht hoch sein.
Mit der Wahl des Spanischen als Fremdsprache schließen sich die Lernenden einer Gemeinschaft an, die mit ihren Praktiken, ihren Vorstellungen und Einstellungen das Spanische formt. Sie werden damit Teil einer Diskursgemeinschaft, die basierend auf ihren Sprachideologien mitentscheiden, was das Spanische ist und welche Bedeutung es für sie hat (Valle 2007a: 17, Paffey 2012: 80–103, Kroskrity 2004: 501). Während Irvine/Gal (2000: 77) in der Soziolinguistik einen „shift of attention from linguistic communities to linguistic boundaries“ beobachten, so hat das Konzept des Language Making das Potenzial, beides zusammenzuführen. Die in den späteren Kapiteln vorgestellten Befragungen testen kleine Diskurselemente, die auf Spracheinstellungen rückschließen lassen und damit ein Stück weit offenlegen, wie die Lernenden sich eine Vorstellung des Spanischen bilden.
Zentral für Language Making ist, dass der Prozess nie abgeschlossen ist, ebenso wie auch Spracheinstellungen und -ideologien wandelbar sind. Eine Sprache als Sprache wird stets wieder neu konstruiert bzw. ihr Status als Sprache bestätigt und gefestigt, und zwar durch das Sprechen bzw. Schreiben in der Sprache und über die Sprache, mit Bourdieu gesprochen: „[L]es ‚langues‘ n’existent qu’à l’état pratique, c’est-à-dire sous la forme d’habitus linguistiques au moins partiellement orchestrés et de productions orales de ces habitus“ (Bourdieu 2001 [1982]: 72). Auch wenn Bourdieu in erster Linie seinen linguistischen Markt innerhalb einer Sprachgemeinschaft ansiedelt und darin die Sanktionierung bzw. Legitimität bestimmter Formen in den Blick nimmt, lasse...

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