Die Bibel Martin Luthers
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Die Bibel Martin Luthers

Ein Buch und seine Geschichte

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Die Bibel Martin Luthers

Ein Buch und seine Geschichte

About this book

Die Bibelübersetzung Martin Luthers war ein Meilenstein in der Geschichte der Reformation. Zugleich hatte Luthers Sprachgewalt einen großen Einfluss auf die hochdeutsche Sprache, die sich damals erst entwickelte. Seine Wortschöpfungen wie "Feuereifer" oder "Lästermaul" sind bis heute in Gebrauch, die Weihnachtsgeschichte ist im Klang der Übersetzung Luthers zum allgemeinen Kulturgut geworden.Doch wie entstand diese Übersetzung? Gab es Vorläufer? Was sind ihre Besonderheiten? Warum muss die Lutherbibel immer wieder überarbeitet ("revidiert") werden? Diesen Fragen geht der Sammelband zu Luthers Bibel und ihrer Geschichte nach. Margot Käßmann und Martin Rösel haben namhafte Theologinnen und Theologen versammelt, die auf verständliche Weise mit reich bebilderten Texten das wichtigste Buch der deutschen Theologie- und Sprachgeschichte beleuchten.Mit Beiträgen von Albrecht Beutel, Corinna Dahlgrün, Franz Josef Holznagel, Christoph Kähler, Margot Käßmann, Ernst Lippold, Ute Mennecke, Stefan Michel, Martin Rösel, Gabriele Schmidt-Lauber, Volker Leppin und Christopher Spehr.[The Bible of Martin Luther. A Book and Its History]Martin Luther's Bible translation was a milestone in the history of the Reformation. At the same time Luther's powerful language had a lasting impact on the New High German which was beginning to develop at that time. His neologisms are still in use today and the Christmas Story in the sound of his translation has become a common cultural heritage.But how exactly his translation came into existence? Have there been any predecessors? What are the special features of this translation? Why is it necessary to revise it from time to time? These questions are treated in this anthology on Luther's Bible and its history, edited by Margot Käßmann and Martin Rösel. With richly illustrated texts and in a comprehensible manner renowned theologians shed a light on the most important book of the history of German theology and language.

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Information

LUTHER UND DIE DEUTSCHE SPRACHE

Franz-Josef Holznagel
Der fremd gewordene Text
Aus tieffer not schrey ich zu dyr,/Herr Gott erhor meyn ruffen. Mit diesen Worten beginnt Luthers Lied über Psalm 130, das berühmte »De profundis«. Entstanden ist es im Jahre 1523, wurde aber bereits kurze Zeit später grundlegend in Text und Melodie umgestaltet. In dieser überarbeiteten Variante gehören die ursprünglich als Begräbnislied konzipierten Strophen zu den bekanntesten musikalischen Schöpfungen der Reformation. Sie regten Komponisten von Johann Sebastian Bach bis hin zu Krzysztof Penderecki an und sind auch heute noch im allgemeinen Gedächtnis präsent. Ein Indiz dafür ist, dass das Lied sowohl im Evangelischen Gesangbuch vertreten ist (Nr. 299, in einer sprachlich dem Gegenwartsdeutschen angepassten Form) als auch im katholischen Gotteslob (Nr. 277, ebenfalls modernisiert sowie um eine Strophe gekürzt und im Text leicht verändert).
Psalm 130 in zwei Versionen: vertraut und fremd
Die oben zitierten Worte sind uns also heute sehr vertraut, und sie dürften, gerade weil sie so prominent geworden sind, kaum Verständnisschwierigkeiten verursachen. Man muss sich allerdings vergegenwärtigen, dass dieses Gefühl, sich bei der Sprache Luthers in einem Bereich des unmittelbar Eingängigen zu bewegen, nicht selbstverständlich ist. Es ist das Resultat gezielter traditionsstabilisierender Maßnahmen durch die Kirchen und von damit verbundenen permanenten sprachlichen Anpassungsprozessen. Wie schnell dieses Gefühl des Vertrauten ins Wanken geraten kann, zeigt bereits ein kurzer Blick auf eine frühere Beschäftigung Luthers mit Psalm 130. Sie geht auf das Jahr 1517 zurück und kann ohne eine Übertragung in das Deutsche des 21. Jahrhunderts kaum noch verstanden werden. Die Rede ist von Luthers Übersetzung der sogenannten Sieben Bußpsalmen, innerhalb derer er auch den Text von De profundis in die Sprache seiner Zeit überträgt:
Luthers Psalmlied »Aus tiefer Not« (Enchyridion, Wittenberg 1526)
Die Sieben puszpsalm mit deutscher auszlegung […]. Der Sechst
Die sieben Bußpsalmen mit deutscher Auslegung […]. Der sechste Bußpsalm
1O Gott tzu dyr hab ich geschryen von den tyffen
o got erhore mein geschrey
1O Gott, zu Dir habe ich aus der Tiefe heraus geschrien,
O Gott, erhör mein Geschrei!
2Ach das deine oren achtnehmen wolten auff das geschrey meines bittens.
2Ach, dass Deine Ohren das Geschrei meines Bittens wahrnehmen wollten!
3Szo du wilt achthaben auff die sunde O mein got
O Gott wer kan dan besteen
3Wenn Du auf meine Sünden achten willst, O mein Gott,
O Gott, wer kann dann vor Dir bestehen?
4Dan ist doch nur bey dir allein vorgebung
darumb bistu auch allein tzufurchten.
4Denn es gibt doch nur allein bei Dir Vergebung,
darum bist auch Du allein zu fürchten.
5Ich hab gottis gewartet /
vn mein seel
hat gewartet
und auff seyn wort hab ich gebeytet
5Ich habe nach Gott Ausschau gehalten und meine Seele hat nach ihm Ausschau gehalten
und auf sein Wort habe ich gewartet.
6Mein seel die ist tzu gott wartend
Von der morgen wache biß widder zu der morgen wache.
6Meine Seele hält wieder und immer wieder Ausschau nach Gott von der Morgenwache bis zu der Morgenwache.
7Israel der wartet zu gott / dann die barmhertzickeit
ist bey gott. manichfeltig ist bey yhm die
7Israel erwartet Gott, denn die Barmherzigkeit
ist bei Gott, und vielfältige Erlösung findet sich bei ihm,
8Und er wird erloßen Jsrael
auß allen seinen sunden.
8 und er wird Israel
von allen seinen Sünden befreien.
Der Sechst pußpsalm (Die Sieben puszpsalm, Wittenberg 1517)
Die Gründe, die das heutige Verstehen dieses Textes erschweren, sind vielfältig, und sie betreffen alle Ebenen der Sprache. Hier sollen nur die wichtigsten Erscheinungen kurz skizziert werden:
Irritierend für heute heutige Leser ist schon der Umstand, dass keine ausgearbeitete Interpunktion geboten wird. Es sind kaum Punkte gesetzt, und sie finden sich auch nicht nach jedem Satz, sondern zumeist erst am Ende eines jeden zweiten Psalmverses. Sie besitzen demnach eher eine textgliedernde als eine syntaktische Funktion. Andere moderne Satzzeichen fehlen gänzlich, allerdings zeigen zwei Schrägstriche (sog. Virgel) syntaktische Übergänge an, z. B. zwischen zwei Hauptsätzen. Auffallend ist auch die durchgängige Kleinschreibung: Großbuchstaben stehen hauptsächlich zu Beginn der Verse, und auch diese scheinen vornehmlich dazu zu dienen, Texteinheiten zu markieren.
ey oder ei – vorgebung oder Vergebung? Andere Sprachkonventionen
Die Schreibung ist aus heutiger Sicht sehr unregelmäßig. So fehlt eine konsequente Regelung von Zusammen- und Getrenntschreibung: Einerseits werden flektierte Formen des Verbums »sein« mit darauffolgenden Personalpronomina verschmolzen wie z. B. in bistu. Andererseits werden erstarrte attributive Genitive, die im Gegenwartsdeutschen zu einem Kompositum geworden sind (»Morgenwache«) auseinander geschrieben (der morgen wache). Des Weiteren finden sich bei den Vokalen eine Fülle von gleichwertigen Schreibungen für denselben Laut (<i>, <y> für /i/, <ei>, <ey> für /ei/, <u>, <v> für /u/), und manche Konsonanten zeigen ein Nebeneinander zwischen einfachen und doppelten Schreibungen (<ff>, <f>, <tt>, <t>), außerd...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. LUTHERS BIBEL
  6. DEUTSCHLAND AM VORABEND DER REFORMATION
  7. »WIE KRIEGE ICH EINEN GNÄDIGEN GOTT?« - ZUR ENTWICKLUNG DER REFORMATION IN DEUTSCHLAND
  8. THESEN UND TESTAMENT - BEGINN DER REFORMATION, ÄLTERE BIBEL-ÜBERSETZUNGEN UND SEPTEMBERTESTAMENT
  9. »DEM VOLK AUFS MAUL SCHAUEN« - LUTHER ALS DOLMETSCHER
  10. »EINE KLEINE BIBLIA« DIE BEIGABEN ZUR LUTHERBIBEL
  11. »LUTHERS SANHEDRIN« - HELFER UND MITARBEITER AN DER LUTHERBIBEL
  12. »NÜTZLICH UND GUT ZU LESEN« - DIE APOKRYPHEN DER LU THERBIBEL
  13. »EIN FESTE BURG« - LUTHER ALS SPRACHKÜNSTLER – PSALMEN UND LIEDER
  14. LUTHER UND DIE DEUTSCHE SPRACHE
  15. LUTHERGETREU ODER ZEITGEMÄSS? - DIE REVISIONEN DER LUTHERBIBEL
  16. LUTHER WAR DOCH GENAUER! - ERFAHRUNGEN BEI DER REVISION DER LUTHERBIBEL
  17. ANHANG
  18. DIE AUTORINNEN UND AUTOREN
  19. ABBILDUNGSNACHWEIS