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ErlÀuterungen
1. Meister Eckhart: Theologe, Mystiker, Philosoph
1.1 Bilder von Meister Eckhart
Meister Eckhart â wie wenige andere Denker des Mittelalters muss dieser dominikanische Prediger bis heute fĂŒr Projektionen herhalten. Als Mystiker, der die eigene SpiritualitĂ€t spiegeln soll auf der einen, als scharfsinniger Philosoph, der Grundgedanken des deutschen Idealismus vorweggenommen hat, auf der anderen Seite. Sein komplexes Werk machte ihn gegen Vereinnahmungen wehrlos, der Geschichte seines Vergessens bis ins 19. Jahrhundert folgte eine Geschichte der Aneignung. In ihr spiegelt sich die Schwierigkeit, mit den Eigenarten seiner Theologie umzugehen.
Diese Schwierigkeit spĂŒrten schon seine Zeitgenossen. Der postumen Verurteilung im Jahre 1329 gingen ein langer Streit und zĂ€he Auseinandersetzungen voraus, ein Prozess, der als Musterbeispiel an Akribie gelten könnte und doch zeigt, wie wenig seine Gegner tatsĂ€chlich von Eckhart verstanden, selbst die, die mit ihm in Avignon auf der Anklagebank saĂen: Wilhelm von Ockham (â 1347), der brillante franziskanische Gelehrte aus England, berichtete Jahre spĂ€ter, er habe dort, wĂ€hrend er auf seinen Prozess wartete, einen Deutschen namens Eckhart getroffen, dessen Ansichten vielleicht nicht unbedingt hĂ€retisch gewesen seien, sondern vor allem verrĂŒckt. So musste offenbar jemand erscheinen, der ĂŒber die Grenzen des Menschen und ĂŒber deren Ăberschreitung nachdachte.
Die Verurteilung zog jenes lange Vergessen nach sich: Auch wenn Eckhart nicht als Person Gegenstand des Prozesses war, sondern die pĂ€pstliche Kommission nur einzelne seiner SĂ€tze in unterschiedlichen Graden beanstandet hatte, war es in der Folgezeit nicht unproblematisch, seine Texte abzuschreiben. Ohnehin war es ĂŒblich, dass Predigten ohne Autornamen oder auch mit falschem Autorennamen tradiert wurden. Das geschah erst recht mit Eckharts Ansprachen. Vor allem unter dem Namen seines weniger anstöĂigen geistigen Erben Johannes Tauler (â 1361) fanden manche der Predigten Schutz, bis dahin, dass sie in die frĂŒhneuzeitlichen Druckausgaben Taulers einwanderten und so auch Martin Luther (1483â1546), ohne es zu wissen, Eckhart-Predigten in die HĂ€nde bekam.
Eckhart im Schatten Taulers â diese Konstellation bestimmte auch die folgenden Jahrhunderte, bis der Berliner Philosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel (1770â1831) ĂŒber den katholischen Gelehrten Franz von Baader (1765â1841) Kenntnis von Eckhart erhielt. Damit begann eine allmĂ€hliche Wiederentdeckung im Horizont der idealistischen Philosophie und Theologie. Die Aufnahme Hegels durch die sogenannte TĂŒbinger theologische Schule fĂŒhrte im 19. Jahrhundert auch dazu, dass Meister Eckhart ein wichtiger Platz in der Dogmengeschichte zugewiesen wurde, als eine Art VorlĂ€ufer Martin Luthers. Der MĂŒnchener evangelische Theologe Wilhelm Preger (1827â1896) schlieĂlich stellte in seiner groĂen Geschichte der Mystik Eckhart als denjenigen dar, der das Prinzip des Geistes als TrĂ€ger aller Dinge entdeckt und entwickelt habe â das System Hegels hatte so sein Vorbild in dem mittelalterlichen Denker.
Was hier als besondere StĂ€rke gesehen wurde, rief rasch katholische Kritik hervor: Der gleichfalls in MĂŒnchen ansĂ€ssige katholische Religionsphilosoph Joseph von Bach (1833â1901) versuchte in seiner Darstellung Meister Eckharts als âVater der deutschen Speculationâ die genuinen mittelalterlichen Wurzeln Eckharts herauszustreichen â und ihn gerade darin als adĂ€quaten GesprĂ€chspartner seiner Gegenwart zu entdecken. Solche Debatten fanden auf einer Ă€uĂerst schmalen Materialgrundlage statt: Franz Pfeiffer (1815â1868), der in der germanistischen Fachwelt eher am Rande stand, hatte 1857 in einer Sammlung von mystischen Texten auch eine Ausgabe der Werke Eckharts veröffentlicht, die zwar einerseits reichlich Texte bereitstellte, andererseits aber fĂŒr Lesartenvarianten und die entsprechende kritische Rekonstruktion keine ausreichende Basis bot. Ăberdies war das lateinische Werk Meister Eckharts noch gar nicht bekannt, ja, manche bestritten sogar, dass er je ein solches verfasst habe. So war es geradezu ein Triumph fĂŒr den Dominikaner Heinrich Suso Denifle (1844â1905), als er lateinische Werke Eckharts prĂ€sentieren und zugleich nachweisen konnte, dass Eckharts scholastische Leistungen weit hinter denen des Thomas von Aquin (â 1274) zurĂŒckstanden.
Philosophische wie konfessionelle BeschĂ€ftigung mit Meister Eckhart fand in einem Horizont statt, in welchem das PhĂ€nomen, hier einem deutschsprachigen Denker des Mittelalters zu begegnen, immer mehr zu nationalen Vereinnahmungen fĂŒhrte. Die Bezeichnung âDeutsche Mystikâ, die der Hegel-SchĂŒler Karl Rosenkranz (1805â1879) 1831 fĂŒr die Gruppe aus Eckhart, Tauler und Heinrich Seuse (â 1366) einfĂŒhrte, drĂŒckt eine erste völkertypologische AnnĂ€herung aus. Heute ist sie lĂ€ngst durch andere Begriffe ersetzt, unter denen der griffigste wohl die Rede von der âoberrheinischen Mystikâ ist. Seinerzeit aber prĂ€gten die nationalen Chiffren auch die neuhochdeutsche Ausgabe der Werke Meister Eckharts, die Hermann BĂŒttner 1903 herausbrachte. Ihm ging es dabei nicht um eine philologisch adĂ€quate Ăbersetzung der mittelhochdeutschen Texte, sondern um eine durch Kommentierungen und ZusĂ€tze angereicherte Wiedergabe, die der Gegenwart eine eigene Form vermeintlich germanisch gefĂ€rbter ReligiositĂ€t nahebringen sollte.
Diese Textausgabe bereitete die schlimmste Vereinnahmung Meister Eckharts vor: Alfred Rosenberg (1893â1946) knĂŒpfte an BĂŒttner an und trieb ihn ins GrundsĂ€tzliche weiter, um Meister Eckhart in seinem âMythus des zwanzigsten Jahrhundertsâ 1930 zu einem KĂŒnder der nationalsozialistischen Ideologie zu machen, als deren Propagator Rosenberg selbst auftrat. Der dominikanische Prediger sollte so eine nachchristliche nationalistische ReligiositĂ€t unterstĂŒtzen. Diese ideologische Inanspruchnahme hatte weitreichende Folgen bis in die Wissenschaftspolitik des Dritten Reiches hinein: Raymond Klibansky (1905â2005), der mit Aufgaben einer wissenschaftlichen Eckhart-Ausgabe betraut war, wurde 1933 als Jude aus Deutschland vertrieben und konnte seine TĂ€tigkeit nur von England aus fortsetzen. Nach und nach wurde seine Edition aber von der groĂen Werkausgabe beiseite gedrĂ€ngt, die von einer durch die Notgemeinschaft deutscher Wissenschaft konstituierten Kommission unter Leitung des deutschchristlich orientierten Theologen Erich Seeberg (1888â1945) konzipiert wurde. Auch sonst suchten deutschchristliche Theologen ĂŒber Meister Eckhart als BrĂŒcke eine Verbindung mit der nationalsozialistischen Ideologie und diskreditierten so dessen Person wie die Thematik der Mystik insgesamt auf lange Zeit fĂŒr den Protestantismus nach dem Zweiten Weltkrieg.
Die Eckhart-Philologie allerdings schritt fort. Josef Quint und Josef Koch leisteten wichtige BeitrĂ€ge fĂŒr die ErschlieĂung seiner Werke. Dabei wirkte die schwierige Ăberlieferungslage des Mittelalters nach, die bis heute die Eckhartforschung beschĂ€ftigt: Seine Predigten mĂŒssen erst als solche identifiziert werden, wobei eine Zuweisung an Eckhart vielfach von Hypothesen abhĂ€ngig bleibt und eine Datierung allenfalls ungefĂ€hr möglich ist. Den ersten Anhaltspunkt fĂŒr eine Zuweisung an Eckhart bildeten fĂŒr die wissenschaftliche Edition die gegen ihn vorgebrachten Anklagen. Wo man ein Zitat aus der Anklage in einer Predigt identifizieren konnte, galt diese als authentisch. Die AuthentizitĂ€t weiterer Predigten wurde danach beurteilt, ob sie dieser als sicher festgestellten Gruppe entsprachen. Das gab in der Tat Sicherheit, prĂ€gte allerdings auch das Bild Eckharts fĂŒr die Gegenwart: Sind MaĂstab fĂŒr originalen Eckhart-Ton zunĂ€chst die in seiner Zeit als hĂ€retisch geltenden Predigten, so tritt sein Bild als Neuerer, vielleicht sogar als Kritiker christlicher Dogmatik in den Vordergrund.
Das inspirierte und bestĂ€tigte Wahrnehmungen Eckharts unter Philosophiehistorikern, die â neben den Germanisten â die Eckhart-Forschung der letzten Jahrzehnte bestimmt haben. Insbesondere Kurt Flasch entdeckte die Einbindung Eckharts in intellekt-theoretische Debatten seiner Zeit und stellte diese so sehr in den Mittelpunkt, dass die Rolle Meister Eckharts als Mystiker und Theologe weitgehend in den Hintergrund trat. Letztlich wird man aber seiner Stellung in seiner Zeit wohl nur gerecht, wenn man auch diese Aspekte umfassend in den Blick nimmt, denn seine Biographie zeigt eben dies: die tiefe Einbindung in die religiöse Welt des 14. Jahrhunderts.
1.2Spuren eines Lebens zwischen Erfurt, StraĂburg und Paris
Lange war nicht ganz klar, aus welchem Ort Meister Eckhart stammte â zeitgenössisch wurde er als âde Hochheimâ bezeichnet, was wohl darauf verweist, dass er auf dem Familiensitz von Hochheim in Tambach, dem heutigen Tambach-Dietharz nahe Gotha, geboren wurde. Wie meist bei mittelalterlichen Personen, kennt man sein Geburtsjahr nicht, sondern muss es aus den weiteren Stationen seiner Biographie erschlieĂen: Ostern 1294 ist Eckhart in Paris als lector sententiarum bezeugt. Das heiĂt, er hielt seine Vorlesung ĂŒber die Sentenzen des Petrus Lombardus (â 1160). Dieses Werk war das wichtigste Lehrbuch der mittelalterlichen Theologie. Der Lombarde hatte darin, gegliedert nach vier BĂŒchern, AussprĂŒche â Sentenzen â der KirchenvĂ€ter gesammelt, um deren systematische Behandlung zu ermöglichen. Seit dem Aufkommen der UniversitĂ€ten, fĂŒr die Theologie besonders wichtig in Paris, war es ĂŒblich geworden, dass junge Theologen in der Auslegung dieser Sammlung ihre ersten eigenstĂ€ndigen wissenschaftlichen Schritte taten. In Paris galt hierfĂŒr ein Mindestalter von 33 Jahren. Da die Vorlesung spĂ€testens im Herbst des Vorjahres begonnen hatte, dĂŒrfte Meister Eckhart 1260 oder etwas frĂŒher geboren sein.
Er trat wohl als Jugendlicher in das Dominikanerkloster Erfurt ein. Hier muss er den Bau der Kirche seines Ordens miterlebt haben, der etwa 1270 begonnen worden war und bis 1370 andauerte. 12 73 war der Ostchor schon ĂŒberdacht worden, so dass Eckhart den Gottesdienst in einem weit entwickelten Provisorium erlebte. Hier, in Erfurt, dĂŒrfte er seine erste grundlegende Ausbildung erfahren haben, die ihn auch befĂ€higte, in Paris, an der angesehensten UniversitĂ€t Europas, seine Studien fortzusetzen. Der erste Weg fĂŒhrte ihn allerdings möglicherweise nicht dorthin, sondern nach Köln. Das wĂ€re jedenfalls die ĂŒbliche Stufe fĂŒr junge begabte An gehörige der dominikanischen Ordensprovinz Teutonia gewesen. Nur wenige AusgewĂ€hlte durften unmittelbar fĂŒr ihr artes-Studium, also die Grundausbildung in Philosophie, nach Paris gehen. Dass Eckhart von dieser Möglichkeit profitierte, ist nicht auszuschlieĂen, aber wenig wahrscheinlich. Sicher ist nur die erwĂ€hnte Sentenzenvorlesung, die eine entscheidende Etappe seiner Theologieausbildung in Paris markierte. Nach Vorlesungsende am Fest Petri und Pauli, dem 29. Juni 1294, kehrte er in seinen Konvent in Erfurt heim. Die Reise dĂŒrfte etwa vier bis sechs Wochen gedauert haben, so dass er im Hochsommer dort ankam. Hier nun verfasste er die âReden der Unterweisungâ â sie sind nicht sein erstes deutschsprachiges Werk, aber doch eines seiner frĂŒhesten. Dass er hier â allerdings in einer, in ihrer Herkunft nicht ganz gesicherten Vorbemerkung â als âVikar von ThĂŒringen und Prior des Dominikanerkonvents in Erfurtâ eingefĂŒhrt wird (s. o. S. 11), verweist darauf, dass er einerseits unmittelbar dem Konvent vorstand, andererseits auch schon eine ĂŒberregionale Aufgabe fĂŒr den Orden wahrnahm, nĂ€mlich die Leitung des Ordensdistrikts ThĂŒringen (natio Thuringia) in Stellvertretung des Provinzials. Zu dieser Zeit war das Dietrich von Freiberg (â nach 1310), selbst einer der gröĂten Gelehrten seiner Zeit und nach einigen Deutern von groĂem intellektuellen Einfluss auf Eckhart. Vermutlich hat sich Eckhart ab 1298 innerhalb des Ordens ganz auf die TĂ€tigkeit als Vikar konzentriert, da ein neuer Beschluss die Kombination beider Ămter verbot.
Man kann es als Ausdruck der vielfĂ€ltigen Begabungen Eckharts oder der dĂŒnnen Personaldecke der Dominikaner sehen, dass der vielbeschĂ€ftigte Ordensorganisator 1302 fĂŒr akademische Aufgaben nach Paris geschickt wurde: Ein Jahr lang sollte er als magister actu regens, also Inhaber eines Lehrstuhls, in Paris lehren â die Position, die er innehatte, war die fĂŒr nichtfranzösische Dominikaner vorgesehene Professur; von seiner Rolle als magister rĂŒhrt ĂŒbrigens, eindeutschend, die Bezeichnung Eckharts als âMeisterâ her. Seine âPariser Quaestionesâ aus dieser Zeit legen Zeugnis von der dichten Verflechtung in die Debatten an der UniversitĂ€t und Eckharts BemĂŒhen, neue Wege zu beschreiten, ab.
Die RĂŒckkehr aus Paris fĂŒhrte nicht etwa in ein beschauliches klösterliches Dasein â an Pfingsten 1303 wurde die Teutonia geteilt und eine neue Ordensprovinz, die Saxonia, gegrĂŒndet. Deren Provinzial wurde Eckhart nun und bewĂ€hrte sich so sehr, dass ihm 1310 die Ă€ltere und bedeutendere Provinz, die Teutonia, ihr Provinzialat antrug. Wiederum ahnt man etwas von den MĂŒhen der Dominikaner, FĂŒhrungspersonal zu finden, denn ein solches Abwerben des Leiters der Nachbarprovinz war mehr als ungewöhnlich â entsprechend hat das Generalkapitel des Ordens im folgenden Jahr diese Entscheidung nicht umgesetzt.
Die hieraus resultierende schwierige rechtliche Lage wurde dadurch gelöst, dass Eckhart vorerst wieder aus den OrdenszusammenhĂ€ngen herausgenommen wurde. Dies geschah, indem ihm eine auĂerordentliche Ehre zuteil wurde: Ein zweites Mal wies der Orden ihm den erwĂ€hnten Pariser Lehrstuhl zu. Das hatte es bislang nur bei Thomas von Aquin gegeben, dem gröĂten Gelehrten, den der Dominikanerorden im Mittelalter, vielleicht ĂŒberhaupt, hervorgebracht hat. Eckhart war zwischenzeitlich akademisch nicht untĂ€tig gewesen: In Erfurt hatte er an seinem Opus tripartitum, dem âdreigeteilten Werkâ, gearbeitet, das offenbar eine geniale Neufassung der Aufgabe, die Gesamtheit der Theologie zu erklĂ€ren, darstellte: Auf einen ersten Teil mit Thesen sollte ein zweiter mit Fragen und schlieĂlich ein dritter mit Bibelauslegungen folgen. Eckhart hat es nie vollendet, denn auch das zweite Magistrat in Paris, das von 1311 bis 1313 wĂ€hrte, gab dem mittlerweile Anfang FĂŒnfzigjĂ€hrigen nicht die Ruhe dazu. Der Germanist Kurt Ruh hat aber darauf hingewiesen, dass hier noch eine andere prĂ€gende Erfahrung stattgefunden haben dĂŒrfte: Im Dominikanerkonvent in Paris befand sich zu dieser Zeit auch der Inquisitor Wilhelm von Paris (â 1314), der kurz zuvor den HĂ€resieprozess gegen die Begine Marguerite Poirete (â 1310) geleitet hatte. Es gibt gute GrĂŒnde anzunehmen, dass Eckhart hierdurch mit den ebenso gelehrten wie radikalen Thesen Marguerites bekannt wurde.
Mit Frauenmystik sollte Eckhart bald noch viel intensiver zu tun bekommen: Nach Ende seines Pariser Magistrats ĂŒbertrug ihm der Generalminister des Ordens die Aufgabe der cura monialium in der Provinz Teutonia, das heiĂt, er war von nun an fĂŒr die geistliche Begleitung von 65 Frauenklöstern zustĂ€ndig, die dem Dominikanerorden zugeordnet waren. Wiederum erahnt man einerseits, wie wichtig der Orden diese Aufgabe nahm, und andererseits, wie wenige fĂŒhrende Ordensmitglieder zur VerfĂŒgung standen, um eine solche TĂ€tigkeit zu ĂŒbernehmen. Vielfach waren die Klöster aus Beginengemeinschaften hervorgegangen: aus freien ZusammenschlĂŒssen von religiös bewegten Frauen jenseits von Ordensstrukturen. Nach und nach waren diese in den Dominikanerorden integriert worden. Von vielfachen VerdĂ€chtigungen â theologischen ebenso wie moralischen â begleitet, sollten sie durch gelehrte BrĂŒder angeleitet und in ihrem geistlichen Leben gefördert werden. Das SpannungsgefĂŒge, das hier entstand, war enorm. Und gerade Eckharts Umgang mit den Nonnen zeigt, dass vereinfachende Muster, die den Frauen emotionale Erfahrungsmystik zuschreiben und ihren mĂ€nnlichen Begleitern rationale Theologie, nicht verfangen. Gewiss war das geistliche Leben der Nonnen, wie es sich auch in den Berichten mancher SchwesternbĂŒcher niederschlĂ€gt, von zum Teil herausragenden emotionalen, auch körperlichen Erfahrungen geprĂ€gt: Visionen, Trancen oder auch der sogenannte Jubilus: ein lauter, ekstatischer Schrei. Dahinter stand aber eine eigene Form kontemplativer Theologie, in der Maria Magdalena eine besondere Rolle spielte: eine Figur, in welcher unterschiedliche biblische Traditionen und auch spĂ€tere Legenden zusammenflossen. Sie galt als Vorbild tiefster Kontemplation. Sachte nahm Eckhart dieses Thema auf und versuchte die damit verbundene Frömmigkeit in den Gesamtrahmen des Ordens zu integrieren und, wie Dietmar Mieth gezeigt hat, zu einer ethisch gestalteten Lebensform zu kanalisieren.
Vieles an geistlicher Begleitung dĂŒrfte sich in der Beichte vollzogen haben, allerdings: Wissen kann man ĂŒber ein Geschehen, das sich definitionsgemÀà im Geheimen vollzieht, kaum etwas. Nur wenige Reflexe hierauf finden sich in SchwesternbĂŒchern â einer, natĂŒrlich auf eine frĂŒhere Situation bezogen, auch in den âReden der Unterweisungâ selbst, wo Eckhart offenkundig auf eine solche anspielt: âIch sprach neulich von einem Menschen, einer Frau, die sehr gerne etwas von unserem Herrn haben wollte. Da sagte ich, sie sei nicht r...