Religiöse Identität und Erneuerung im 21. Jahrhundert

Jüdische, christliche und muslimische Perspektiven

Simone Sinn, Michael Reid Trice

• Publisher: Evangelische Verlagsanstalt
• Year: 2016
• eBook ISBN: 9783374046959
• Edition: 1
• Topic: Theology & Religion
• Subtopic: Christianity

Religionen haben klare Vorstellungen von Erneuerung und damit das Potential, in allen Sphären menschlichen Lebens Veränderungen einzuleiten. Religionen haben schon immer zu gesellschaftlichen Veränderungen beigetragen und Erneuerungsprozesse durch kontroverse theologische Debatten ausgelöst. Die Erneuerung religiösen Identität ist abhängig davon, wie religiöse Gemeinschaften ihre Traditionen und ihre gegenwärtigen und zukünftigen Herausforderungen für sich selbst, die Gesellschaft, in der sie leben, und die Welt als Ganzes interpretieren. Wo sehen religiöse Gemeinschaften ihre eigenen Ressourcen und welches sind die Kriterien für Erneuerungsprozesse im 21. Jahrhundert?In dieser Publikation analysieren reflektieren jüdische, christliche und muslimische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Bedeutung und Dynamiken religiöser Erneuerung und untersuchen die Bedeutung religiöser Erneuerung in den verschiedenen religiösen Traditionen.[Religious Identity and Renewal in the Twenty-first Century. Jewish, Christian and Muslim Explorations]Religions carry strong visions of renewal and thereby have the potential to trigger dynamics of change in all spheres of human life. Religions have contributed to societal transformation and processes of renewal spark intensive theological debates. The renewal of religious identity is informed by how religious communities interpret their traditions and past, present, and future challenges to themselves, society and the world at large. How do religious communities understand their own resources and criteria for renewal in the twenty-first century? In this publication, Jewish, Christian and Muslim scholars analyze and reflect on the meaning and dynamics of religious renewal and explore the meaning of religious renewal across religious traditions.

FUSSNOTEN

Einleitung

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www.lutheranworld.org/​sites/​default/​files/​Statement_ReligiousIdentity%2BRenewal_SeattleAug2014.pdf.

Die Zukunft der religiösen Identität: ein Geist der Großzügigkeit

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Ende 2013 veröffentlichte der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (United Nations High Commissioner for Refugees, UNHCR) seinen jährlichen Bericht, nach dem es zu diesem Zeitpunkt mehr als 51 Millionen zwangsweise Vertriebene gab, die größte Zahl seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. 2015 war die Anzahl auf 60 Millionen angestiegen; 2013 war die Hälfte der Flüchtlinge weltweit Kinder. Der Bericht stellt fest: „Wenn die vertriebenen Menschen ihren eigenen Staat hätten, würde dieser unter den bevölkerungsreichsten Ländern dieser Erde an 24. Stelle stehen.“ Die Global Reports der UNHCR können unter www.unhcr.org/​pages/​49c3646c278.html abgerufen werden.

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Gott ist von „großer chesed und Treue“ (Ex 34,6). In diesem Zusammenhang verweist das Wort „Treue“ auf die Beständigkeit, ohne die Güte nur ein transitorischer Charakterzug wäre.

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Martin Buber, I and Thou, transl. Ronald Gregor Smith (New York: Charles Scribner’s Sons, 1958), 112. Das deutschsprachiges Original, Ich und Du, erschien 1923. Siehe Martin Buber, Ich und Du (Heidelberg: Lambert Schneider, 91977), 94 f. Bubers einflussreiche Abhandlung über die Ich-Du-Beziehung knüpft an die Intentionen vieler großer Theologen seit Augustin an, d. h. die triadische Beziehung zwischen Gott, dem Nächsten und der Welt. Wenn erst einmal Großzügigkeit unsere Beziehungen bestimme, so Buber, dann könne man sagen, „alles andre lebt in seinem Licht“. Ich denke hier auch an Emmanuel Levinas, Entre Nous: Thinking-of-the-Other, transl. Michael B. Smith and Barbara Harshav (New York: Columbia University Press, 1998), 201–207 (Original: Entre nous. Essais sur le penser-à-l’autre, Paris 1991. Dt. Übersetzung Zwischen uns. Versuche über das Denken an den Anderen, München 2008, 257–264, Kap. „Dialog über das Denken an den Anderen“).

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Ihrem Wesen nach ist Großzügigkeit etwas, was dem Handeln vorausgeht, so wie es in Klagelieder 3,22 heißt: „Die Güte (chesed) des Herrn ist’s, dass wir nicht gar aus sind, seine Barmherzigkeit (racham) hat noch kein Ende.“

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Beispiele dafür gibt es nicht nur in unseren religiösen Grundtexten. Von einer Haltung echter Gastfreundschaft berichtet etwa die Geschichte von Reb Aryeh Levins Schwur. Dieser war von einem in sein Haus eingeladenen Gast ausgeraubt worden und schwor daraufhin seiner Frau, auch in Zukunft in seiner Großzügigkeit nicht nachzulassen: „Lass uns einander versprechen und im Herzen bewahren, dass dieser unglückliche und schmerzliche Zwischenfall uns nicht als Vorwand diene, um uns abzuhalten, bedürftige Gäste willkommen zu heißen.“

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Paul Tillich, The Essential Tillich: An Anthology of the Writings of Paul Tillich, ed. F. Forrester Church (Chicago: University of Chicago Press, 1987), 165–67. „Der Zustand der Existenz ist der Zustand der Entfremdung. Der Mensch ist entfremdet vom Grund des Seins, von den anderen Wesen und von sich selbst.“ (Hier zitiert nach Paul Tillich, Systematische Theologie, Band II, Stuttgart/Frankfurt am Main, 71981, 52.) Siehe auch G. W. F. Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Religion, Abschnitt „Die absolute Religion“ (Frankfurt am Main: Suhrkamp, 1986), 263: „Der Mensch hat dies Bewußtsein in sich, daß er im Innersten dieser Widerspruch ist; so ist das der unendliche Schmerz über sich selbst.“

7

Aristotle, Nicomachean Ethics, ed. Paul Negri (New York: Dover Publications, Inc., 1998), I1097b-II, II59b27-30 und II6IaIo-II; siehe auch R. G. Mulgan, Aristotle’s Polit...

Table of contents

• Cover
• Titel
• Impressum
• Inhalt
• Vorwort
• Einleitung
• I. Gott, Großzügigkeit und die Theodizee
• II. Die Stimme der Religion, Dialog und Erneuerung
• III. Gedächtnis, Tradition und Offenbarung
• IV. Fallstudien: Gemeinschaftsbildung im 21. Jahrhundert
• V. Schnittpunkt der Identitäten
• Fußnoten