Theologie der Milieus

Fritz Lienhard

• Publisher: Evangelische Verlagsanstalt
• Year: 2019
• eBook ISBN: 9783374059720
• Edition: 1
• Topic: Teologia e religione
• Subtopic: Teologia cristiana

Für Kirchen und Theologie haben die Untersuchungen zu den "Milieus" eine besondere Relevanz, da diese dazu beitragen, Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen besser zu verstehen und ihnen zu begegnen. Aktuell ist zudem eine Theologie der Milieus als Deutung der christlichen Botschaft anhand der Fragestellung der Milieus auszuarbeiten. Entsprechend referiert das vorliegende Buch zunächst die Milieustudien unter Berücksichtigung der Triebfedern der Entstehung der Milieus. Anschließend werden Texte des Apostels Paulus herangezogen, dabei werden "Juden" und "Griechen" je als Milieus verstanden. Sodann wird darauf eingegangen, dass alle Milieus sich für Kasualien an die Kirchen wenden. Den Abschluss bilden praktische Schlüsse in Bezug auf kirchliche Kommunikation und entsprechende Strukturen.[Theology of the Milieus]For churches and theology, the studies on the "milieus" have a special relevance, since these contribute to better understanding and meeting people in different situations in life. In addition, a theology of milieus as an interpretation of the Christian message on the basis of the question of milieus is currently to be worked out. Accordingly, the present book first reports on milieu studies, taking into account the driving forces behind the emergence of milieus. Subsequently, texts of the apostle Paul are used, whereby "Jews" and "Greeks" are each understood as milieus. Then it is mentioned that all milieus turn to the churches for casual occasions. It concludes with practical conclusions regarding ecclesial communication and corresponding structures.

SCHLUSSBETRACHTUNG

Fassen wir nun die Ergebnisse unserer Überlegungen zusammen.

Wir nahmen unseren Ausgangspunkt bei der kulturellen Differenzierung unserer Gesellschaft, die sich in durch ihre jeweiligen Lebensstile geprägte Milieus aufteilt. Jenseits der Beschreibung der besonderen Milieus haben wir die tiefere Triebfeder dieser Aufteilung erarbeitet: Die Milieus versammeln sich, grenzen sich aber auch von anderen Milieus nach ethischen Entscheidungen und ästhetischen Vorlieben ab. Es handelt sich dabei um ausgrenzenden Identitäten.

Anschließend haben wir gesehen, wie die Kirchen versuchen, den verschiedenen Milieus mit ihrem Wort zu begegnen und sie z.B. im Mahl zu versammeln. Um die Reflexionen zu ihrer Praxis zu vertiefen, haben wir uns den paulinischen Briefen zugewandt. Hier haben wir entdeckt, dass die Frage nach den Milieus schon in diesen Texten zu finden ist, und zwar im Umfeld der jüdischen und griechischen Kulturen und der sozialen Differenzierung in Korinth. Zudem ist diese Problematik der Kontext der zwei Hauptthemen von Paulus’ Theologie, der Rechtfertigung aus Glauben und des Wortes vom Kreuz. Seine zentrale Botschaft in ihrer Relevanz für die Frage nach den Milieus kann heute so gedeutet werden: Die Dynamik des jüdischen Legalismus und der griechischen Weisheit wird offengelegt und denunziert. Denn es wird deutlich, dass sie beide der Selbstbehauptung vor Gott und vor der menschlichen Gesellschaft dienen, indem man sich durch die Abgrenzung vom Anderen und dessen Ausgrenzung eine positive Identität gibt. So werden zunächst die verschiedenen Kulturen als Idolatrien denunziert.

Diese Abweisung der Kulturen ist wichtig. Die Erwartungen, die sich an die Kirchen richten, schreiben sich immer in einen allgemeinen Diskurs ein, der mit einem besonderen Lebensstil verbunden ist. Die Kritik an den Kulturen betrifft also auch deren religiöse Erwartungen. Sie können der Ausdruck einer ›Idolatrie‹ sein, eines Willens, sich im Verweis auf die eigene Gruppe oder auf eine höhergestellte Gruppe zu erheben. Diese Erhebung kann bis zu dem Versuch gehen, sich selbst zu ›vergöttern‹. Dabei kann es jedenfalls um eine Distinktion gehen, die sich auf Kosten anderer zur Geltung bringt. In dieser Dynamik führt der Verweis auf Gott dazu, seine eigenen Entscheidungen und Orientierungen zu verabsolutieren, sodass die trennenden Mauern bis zum Himmel reichen. Deswegen sind Erwartungen nicht immer wörtlich zu nehmen und können auch nicht unmittelbar normativ für die Praxis der Kirchen werden.²⁵³

Aber Paulus begnügt sich nicht mit dieser Kritik an den Kulturen. Er bietet eine alternative Identität an, die durch das Kreuz Christi geprägt ist. Einerseits besteht diese Identität für das menschliche Subjekt darin, seine eigene Sterblichkeit, seine Schwäche, sein Sündersein in das eigene Selbstverständnis zu integrieren. Diese Identität besteht damit nicht in einer Selbstidealisierung, sondern in der Annahme des Menschseins durch einen fruchtbaren Verzicht auf diese. Andererseits ist diese Identität nicht exklusiv, sondern inklusiv. Sie integriert die repräsentativen Kennzeichen der verschiedenen Kulturen, die mit dem Gesetz verbundene Gerechtigkeit und die Weisheit. Wir haben gesehen, dass diese Identität in Christus die Gemeinschaft der Glaubenden ermöglicht – j...

Table of contents

• COVER
• TITEL
• IMPRESSUM
• INHALT
• EINLEITUNG
• I. EINE KULTURELLE DIFFERENZIERUNG DER GESELLSCHAFT
• II. WEICHENSTELLUNGEN FÜR EINE THEOLOGIE DER MILIEUS
• III. ELEMENTE EINER GEMEINSAMEN MENSCHHEIT
• IV. PRAKTISCHE VORSCHLÄGE
• SCHLUSSBETRACHTUNG
• LITERATURVERZEICHNIS
• ABBILDUNGSVERZEICHNIS
• PERSONENREGISTER
• BIBELSTELLENREGISTER