"Hier stehe ich und kann nicht anders!"
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"Hier stehe ich und kann nicht anders!"

Martin Luther, Martin Luther King und die Musik

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"Hier stehe ich und kann nicht anders!"

Martin Luther, Martin Luther King und die Musik

About this book

Martin Luther King, Jr. hat sich in seinem Engagement für die schwarze Bürgerrechtsbewegung in den USA und in seinem gewaltfreien Widerstand gegen Unterdrückung und Ungerechtigkeit ausdrücklich auf seinen Namenspaten bezogen. Er folgte seinem Gewissen so, wie es Martin Luther vor dem Reichstag in Worms getan hatte. Der Einsatz für Freiheit und Gerechtigkeit ist als wichtige Traditionslinie der Reformation über Jahrhunderte lebendig geblieben und spiegelt sich nicht zuletzt im Medium Musik wider. Das Buch spannt einen Bogen vom gesellschaftlich-emanzipatorischen Potenzial der Reformation über die revolutionäre Wirkung der Musik Johann Sebastian Bachs bis hin zur schwarzen Protestbewegung, die Jazz als bedeutenden Teil ihrer politischen Gegenbewegung begriff.

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Information

III. GEWISSEN UND ZIVILER UNGEHORSAM

VON MONTGOMERY NACH GORLEBEN

Deutscher Protestantismus und ziviler Ungehorsam am Beispiel der Anti-AKW-Bewegung1

Luise Schramm

»Seit 22 Uhr demonstriert die Gruppe ›Fuldatalsperre‹ gegen den 13. Castortransport nach Gorleben in Höhe Marbach bei Fulda. Vier Aktivist_innen hängen in Bäumen, deren Äste teilweise bis über die Bahnanlage ragen. Mit der Aktion verleiht die Gruppe der Forderung nach sofortiger Stilllegung aller Atomanlagen weltweit Nachdruck.«2
Beteiligt an der Aktion am 26. November 2011 ist auch die französische Kletteraktivistin Cécile Lecomte, genannt das Eichhörnchen. Sie schreibt dazu: »Wir haben mit Transparenten in den Bäumen rechts und links von der Castorstrecke demonstriert. […] [Die Polizei] veranlasste eine Teilsperrung der Strecke. Einige Züge kamen zum Stehen […] … der Castor fuhr schließlich – mit erhöhtem Tempo – gegen 3 Uhr an uns vorbei.«3
Diese und weitere Aktionen, wie zum Beispiel die Sitzblockaden der Aktionen x-tausendmal quer gegen die Castortransporte nach Gorleben, zeigen:Ziviler Ungehorsam ist selbstverständlicher Teil der Anti-AKW-Bewegung. Doch wie kam es dazu, dass die Aktionsmethode in der Anti-AKW-Bewegung so erfolgreich wurde?Und welche Rolle spielte dabei der deutsche Protestantismus?
Um diese Fragen zu beantworten, soll der Weg nachgezeichnet werden, wie der zivile Ungehorsam, der in der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung mit ihrem bekanntesten Protagonisten M. L. King, Jr. so erfolgreich angewandt worden war, zur Aktionsmethode der deutschen Anti-AKW-Bewegung wurde. Es wird der Frage nachgegangen, warum protestantische Akteure dabei eine besondere Rolle eingenommen haben.
VON MONTGOMERY
DER ZIVILE UNGEHORSAM IN DER AFROAMERIKANISCHEN BÜRGERRECHTSBEWEGUNG
Die afroamerikanische Bürgerrechtsbewegung wandte sich gegen die institutionelle Segregationspolitik in den Südstaaten der USA in den späten 1950er und 1960er Jahren. Eine besondere Rolle spielte der Busboykott von Montgomery 1955/56, bei dem erfolgreich die Methode der »Nonviolent Direct Action« angewandt wurde. Die afroamerikanische Näherin Rosa Parks löste den Busboykott aus, als sie sich weigerte, ihren Sitzplatz im Bus für einen weißen Mann aufzugeben und damit gegen die Rassentrennungsgesetze Alabamas verstieß. Eine Woche nach Beginn des Busboykotts im Dezember 1955 verglich die weiße Bibliothekarin Juliette Hampton Morgan diesen mit der Bewegung Gandhis in Indien und erwähnte dabei den Einfluss Thoreaus auf Gandhi. Martin Luther King, Jr. und durch ihn die Bürgerrechtsbewegung insgesamt griffen daraufhin diesen Vergleich auf.
Denn inspiriert war die Bürgerrechtsbewegung zum einen zwar vor allem von der Idee der christlichen (Feindes‐)Liebe in der Bergpredigt Jesu, zum anderen aber durchaus auch von der Methode des gewaltlosen Widerstandes Mohandas Karamchand Gandhis. Gandhi hatte laut King vor Augen geführt, dass Jesu Ethik nicht nur für das persönliche Verhältnis zwischen Menschen gelte, sondern auch ein Instrument sei für eine soziale Umwälzung.4 So erläuterte King in seiner Schilderung des Busboykottes von Montgomery 1955/56 den Charakter des gewaltlosen Widerstandes in enger Anlehnung an Gandhis Satyagraha-Konzept.5
King war darüber hinaus vom Aufsatz »Civil Disobedience« von Henry David Thoreau beeinflusst. Er hatte als Student Thoreau gelesen und übernahm aus seinem Essay den Gedanken der Non-Cooperation: »dass man sich weigern solle, mit einem bösen System zusammenzuarbeiten«.6
Für das Verständnis der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung ist es hilfreich, sich diese geistigen Wurzeln genauer vor Augen zu führen.
DER BEGRIFF DES ZIVILEN UNGEHORSAMS BEI HENRY DAVID THOREAU
Der Begriff des zivilen Ungehorsams wird allgemein zurückgeführt auf den Schriftsteller und Philosophen Henry David Thoreau. Als er sich 1849 aufgrund eines Steuerboykottes für eine Nacht im Gefängnis aufhielt, verfasste er die Schrift»Resistance to Civil Government«. Sie wurde später unter dem Titel »Civil Disobedience« mehrmals neu aufgelegt. Thoreau übte zivilen Ungehorsam, indem er mit der Verweigerung, Kopfsteuer zu zahlen, bestehende Gesetze brach. Er wollte nicht mit einem Staat kooperieren, der Sklaverei duldet, Indianer unterdrückt und Krieg gegen Mexiko führt. Thoreau entwickelte in seiner Schrift jedoch kein klares Konzept des zivilen Ungehorsams, geschweige denn eine ausgearbeitete Begründung. Seine Vorstellung des zivilen Ungehorsams begründete er mit dem natürlichen Recht der freien Gewissensentscheidung. Der Bürger dürfe sein Gewissen nicht dem Gesetz überlassen und solle den Respekt vor der Gerechtigkeit und nicht vor dem Gesetz pflegen. Er war der Ansicht, dass »unter einer Regierung, die zu Unrecht ins Gefängnis wirft, […] der Ort, an den ein gerechter Mensch gehört, auch das Gefängnis« sei.7 Teilweise können seine Äußerungen dem Anarchismus zugeordnet werden, da seine Überlegungen zum Staat anarchistischer Staatskritik entsprachen: »Die beste Regierung ist die, welche gar nicht regiert.«8 Thoreau schloss auch gewaltsame Widerstandsformen nicht aus, wie seine Bewunderung für den Sklavenbefreier John Brown zeigt.
DIE METHODE DES ZIVILEN UNGEHORSAMS BEI MOHANDAS KARAMCHAND GANDHI
Mohandas Karamchand Gandhi entwickelte seine Methode des zivilen Ungehorsams im Widerstand gegen die Diskriminierung der Inder in Südafrika, den er seit 1906 in einer ersten Kampagne gegen die Registrierpflicht des »Black Act« übte, und im Kampf für die Unabhängigkeit Indiens von der britischen Kolonialherrschaft. Um die Art seines Widerstandes seinen englischsprachigen Lesern verständlich zu machen, griff er den Begriff civil disobedience auf, der ihm 1908 bei der Lektüre der Schrift Thoreaus begegnet war. Dieser Ausdruck vermittelte für ihn jedoch nicht die ganze Bedeutung seines Kampfes, weswegen er alternativ den Begriff »ziviler Widerstand« verwandte. Das Schlüsselwort für seine Methode ist jedoch Satyagraha (Sanskrit). Satyagraha bedeutet Festhalten an der Kraft der Wahrheit, der Liebe oder der Seele.9 In jüngster Zeit hat Martin Arnold als Übersetzung den Begriff der »Gütekraft« vorgeschlagen. Satyagraha beinhaltet die Fähigkeit, Böses mit Gutem zu vergelten, um es zu überwinden. Derjenige, der Satyagraha übt, ist bereit, die Gewalt des Gegners ohne Gegengewalt zu erleiden und unterbricht so die Gewaltspirale. Er spricht dadurch die Vernunft und das Gewissen des Gegners an und will den Gegner überzeugen, nicht besiegen. Satyagraha ist für Gandhi der Weg zur Verbesserung der gesellschaftlichen Situation, da er einen engen Zusammenhang – vergleichbar dem Zusammenhang zwischen Samen und Baum – zwischen Weg und Ziel bzw. Mittel und Zweck sah, in dem Sinn, dass das Ziel immer schon im Weg bzw. der Zweck immer schon im Mittel enthalten sein müsse.10 Bei der Entwicklung des Satyagraha-Konzepts war Gandhi sehr stark von der Bergpredigt des Matthäusevangeliums beeinflusst. Viele, aber nicht alle von Gandhi unter dem Satyagraha-Konzept initiierte Protestaktionen waren gewaltlose Aktionen zivilen Ungehorsams, wie z. B. der Salzmarsch von 1930, bei dem Gesetze, die das britische Salzmonopol sicherstellten, missachtet wurden.11 Laut Gandhi sollte der zivile Ungehorsam bzw. Widerstand gegen ungerechte Gesetze – nach dem misslungenen Versuch, den Gesetzgeber durch Petitionen oder ähnliches vom Unrecht des Gesetzes zu überzeugen – offen und unter Inkaufnahme der Strafe für das Vergehen vorgenommen werden. Auch anderen Gesetzen kann der Gehorsam verweigert werden, um dem Staat seine Kooperation zu entziehen.12 Allerdings sollte der zivil Ungehorsame außerhalb seines Protestes »den Gesetzen des Staates willig und achtungsvoll gehorcht haben.«13 Aktionen zivilen Ungehorsams sollten außerdem immer von einem »constructive programme« begleitet werden. Zu einer solchen konstruktiven Aktion zählte unter anderem Gandhis Förderung der einheimischen Tuchproduktion.14
CHARAKTER UND BEGRÜNDUNG DES ZIVILEN UNGEHORSAMS IN DER AFROAMERIKANISCHEN BÜRGERRECHTSBEWEGUNG
Die von Thoreau und Gandhi inspirierten »Nonviolent Direct Actions« der afroamerikanischen Bürgerrechtsbewegung sind nach Martin Luther King, Jr. der dritte Weg neben Gewalt zum einen und Hinnahme des Unrechts zum anderen.15 Direkt sind die Aktionen, weil die Betroffenen unmittelbar zur Durchsetzung ihrer Forderungen tätig werden, im Unterschied zu gewöhnlichen institutionellen Verfahren, wie z. B. Petitionen, Verhandlungen oder Wahlen, bei denen als Mittler Parlamentariern oder Gerichten die Umsetzung der Forderungen anheimgestellt wird. Die Wirkweise von Nonviolent Direct Actions besteht für King darin, die Probleme so zu dramatisieren, eine Krise herbeizuführen und eine schöpferische Spannung zu erzeugen, dass der Gegner und die Öffentlichkeit gezwungen würden, sich mit den Problemen auseinandersetzen.16 Mit Hilfe der öffentlichen Berichterstattung über Direct Actions werden rechtliche Forderungen mehrheitsfähig gemacht, so dass ihre ideale Ergänzung nun wiederum der reguläre – allerdings zuvor gescheiterte – Weg über Institutionen und Gerichte ist.
»Nonviolent Direct Actions« der Bürgerrechtsbewegung waren u. a. Protestmärsche, Sitzstreiks, Boykotte von Bussen in Montgomery und Geschäften in Birmingham. Indem Menschen bei diesen Aktionen auch bestehende Gesetze oder Verfügungen brachen, wurde ziviler Ungehorsam geübt. Oft waren dies Gesetze der Südstaaten, die die schwarze Bevölkerung diskriminierten. Im Zuge der Bürgerrechtsbewegung und ihrer Aktionen des zivilen Ungehorsams wurden diese Gesetze oftmals vom Obersten Gerichtshof der USA für unrechtmäßig erklärt und mit dem Bürgerrechtsgesetz von 1964 abgeschafft.
King bestimmte – in Anlehnung an Gandhi – den zivilen Ungehorsam folgendermaßen näher: Er muss offen und in brüderlicher Liebe sowie in Bereitschaft geschehen, die Strafe, z. B. einen Gefängnisaufenthalt, auf sich zu nehmen. Der zivilen Ungehorsam Übende bricht ein Gesetz, das ihm von seinem Gewissen her als Unrecht erscheint, und nimmt die Strafe in Kauf, um das Gewissen seiner Mitbürger wachzurütteln und ihnen die A...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Grußwort
  7. I. MARTIN LUTHER UND MARTIN LUTHER KING, JR. UND DEREN BEDEUTUNG FÜR HEUTE
  8. II. MUSIK UND PROTEST(ANTISMUS)
  9. III. GEWISSEN UND ZIVILER UNGEHORSAM
  10. Autorenverzeichnis