Geschichte als Argumentationsfeld für die Gegenwart
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Geschichte als Argumentationsfeld für die Gegenwart

Arbeiten zur Luther- und Müntzerrezeption

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Geschichte als Argumentationsfeld für die Gegenwart

Arbeiten zur Luther- und Müntzerrezeption

About this book

Die theologischen Grundkonzepte Martin Luthers und Thomas Müntzers wurden von kirchlichen und gesellschaftlichen Strömungen oft für eigene Interessen instrumentalisiert, so dass die historischen Personen nur noch eine untergeordnete Rolle spielen. Ihre Wirkung verblasst im Verhältnis zur Intention des Rezipienten, für seine Gegenwart Impulse zu setzen. Damit wird der Rezipient zum handelnden Subjekt. Dieser Perspektivwechsel führt dazu, zunehmend von Rezeptionsgeschichte und wenigervon Wirkungsgeschichte zu schreiben. Daraus entwickelt sich auch eine differenzierte Bewertung, die sowohl nach einer angemessenen Beurteilung historischer Gegebenheiten als auch nach einer sinnvollen Würdigung von gegenwärtigen Diskussionszusammenhängen des Rezipienten fragt.[Historical Scholarship as a Platform for Present-Day Debate: Works on the Reception History of Luther and Müntzer]Church and state movements used Luther and Müntzer's theological concepts to serve their own interests. For them, the historical figures Luther and Müntzer played a subordinate role. Consequently the influence of the historical figures was fading in relation to the recipient's intention to find suitable answers for his own time. Thereby the recipient became an active part of the reception process whichled to the increasing preference of the term reception history over the term "Wirkungsgeschichte" (history of effects). This analytical shift allows for a balanced evaluation, incorporating historical reality as well as an analysis of the recipient's contemporary context.

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Die Lutherbiographie Gerhard Ritters im Wandel der Zeiten1

Die Lutherbiographie von Gerhard Ritter erweckte mein Interesse, als ich bei meiner Promotion über Thomas-Müntzer-Rezeption2 feststellte, diese Biographie lässt sich nicht in das gängige Klischee über konservative Geschichtsschreibung einordnen. Dieses Klischee spricht der konservativen Geschichtsschreibung im Grundsätzlichen eine kritische Haltung zur staatlichen Macht ab. Es war erstaunlich zu erleben, wie sich bei einem konservativen Denker in der Auseinandersetzung mit seiner Zeit ein lutherisches Widerstandsrecht entwickelte. Diesen Prozess zwischen historischer Wahrheitsfindung und gegenwartspolitischen Engagement soll anhand von Ritters Lutherverständnis aufgezeigt werden.

I Ritters Interessen als Historiker und lutherischer Christ

Der Berliner Historiker Hermann Oncken war für Ritter nicht nur formal der Doktorvater, sondern auch der geistige Vater für dessen geschichtliches Wertesystem. Dieser vermittelte Ritter ein Interesse am nationalen Schicksal. Dieses Interesse bedeutete sowohl einen historischen Blick in die Vergangenheit als auch die Aufmerksamkeit für das aktuelle Zeitgeschehen. Die wissenschaftliche Arbeit war auf das engste mit einem patriotisch-politischen Engagement in der Gegenwart verbunden. Das Thema »Lebendige Vergangenheit« wurde bei der Ritter-Festschrift 19583 – ein Sammelband von Schriften Ritters – als Titel gewählt. Demgegenüber war Ritter ein bekenntnisloser Positivismus verhasst.4
Ritter stammte aus einer lutherischen Pfarrersfamilie und wurde nach 1933 Mitglied der Bekennenden Kirche. Diese elterliche Herkunft ließ ihn auch als Historiker religiöse Phänomene in der Geschichte eine besondere Wertschätzung zuteil werden. In den Weltkriegserlebnissen sah Ritter seine lutherische Anschauung von der Sündhaftigkeit der menschlichen Natur bestätigt.5
Politisches und Religiöses brachte er in der Gesamtbeurteilung der deutschen Geschichte nach dem Exilhistoriker Andreas Dorpalen folgendermaßen zusammen: Die Ursache für den tragischen Verlauf der deutschen Geschichte fand Ritter »[…] im Vorwiegen des Religiösen im deutschen geistigen Leben, dieses habe den Durchbruch des Rationalismus verzögert, dem deutschen Geist seine charakteristische Innerlichkeit verliehen und ihn zu metaphysischen Höhenflügen inspiriert, in praktisch-politischen Dingen jedoch hilflos gelassen.«6
Die Themen von Ritters breitem Spektrum an Veröffentlichungen reichen vom Spätmittelalter bis zur jüngsten Zeitgeschichte.7

II Ausgaben der Lutherbiographie

Die Lutherbiographie Gerhard Ritters8 erschien zuerst als Teil des Sammelwerkes »Kämpfer: großes Menschentum aller Zeiten« im Jahre 1923, das der Jurist und Referent bei evangelischen Kirchenbehörden Hans von Arnim9 herausgegeben hatte. Dieses Sammelwerk erlebte 1927 einen Nachdruck, der weitere historische Persönlichkeiten aufnahm, aber den Artikel zu Luther mit demselben Satzspiegel abdruckte.10 Im Vorwort stellte der Herausgeber besonders den Kampf als neue Geistesrichtung der behandelten Helden heraus.11 Ritters Beitrag ist eigentlich keine historische Biographie im engeren Sinne, sondern ein Lutheressay, der das Leben Luthers für die Gegenwart bewerten will. Ritter erlebte zu dieser Zeit den Ruhrkampf 1923 mit. Diese aktuelle politische Atmosphäre sowie seine Erfahrungen als Teilnehmer des 1. Weltkriegs veranlassten ihn, in seinem Lutheressay um eine grundsätzliche Deutung der deutschen Geschichte zu ringen.12 Auch andere damalige Zeitgenossen aus den verschiedensten politischen Lagern griffen geschichtliche Themen auf, um die aktuelle Lage in Deutschland zu analysieren.13
Im Jahre 1925 erschien der Lutheressay als selbstständige Veröffentlichung in erster Auflage.14 Ritter fügte ihm noch eine Einführung bei.15 Drei Jahre später gab Ritter die zweite Auflage heraus, die er deutlich erweiterte und umarbeitete.16 Die ungekürzten Ausgaben von 1933 und 1935 erhielten den Titel »Luther der Deutsche«.17 In einem Teil der Auflage von 1933 aktualisierte Ritter die Einführung, die er so bis 1943 beibehielt.18
Die Ausgabe von 1943 erfuhr wieder eine stärkere Bearbeitung. Der Verlag Bruckmann in München zählte sie als dritte Auflage.19 Seit der dritten Auflage blieb der Hauptteil so gut wie unverändert. Der Untertitel lautete seitdem nicht mehr »Gestalt und Symbol«, sondern »Gestalt und Tat«. In der vierten Auflage (1947)20 erhielt der erste Teil der Einführung ein neues Gesicht. Die fünfte Auflage (1949)21 beinhaltete nur geringfügige formale Veränderungen. Die vierte und fünfte Auflage wurde als Konfirmationsgeschenk benutzt.22 Zehn Jahre später verschob Ritter den Akzent seiner nationalen Lutherinterpretation im Schlusswort.23 Die Lizenzausgabe bei Mohn in Gütersloh von 196224 nahm in der Einführung eine veränderte gesellschaftliche Situation auf. Die siebente Auflage zum Lutherjubiläum 1983 war ein Abdruck der sechsten Auflage.25 Der Verlag versäumte bei dieser Ausgabe, durch ein eigenes Nachwort auf die Geschichte dieser Lutherbiographie als ein Kapitel deutscher Geschichtsschreibung aufmerksam zu machen. Im Jahre 1985 erschien Ritters Lutherbiographie als Fischer-Taschenbuch.26 Damit dürften insgesamt etwa 75 000 Exemplare auf den deutschen Buchmarkt gelangt sein, obwohl der Verkauf mitunter auch schleppend verlief.27 Die...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. Wirkungsgeschichte und/oder Rezeptionsgeschichte
  7. Die Lutherrezeption Johann Gottfried Herders
  8. Die Theologie Herders in seiner Katechismusarbeit
  9. Die Lutherbiographie Gerhard Ritters im Wandel der Zeiten
  10. Die deutschsprachige protestantische Katechismusliteratur 1750-1850
  11. Die deutschsprachigen Katechismusausgaben von Herder Eine Bibliographie
  12. Aufstieg und Niedergang des kommunistischen Müntzerbildes
  13. Das Müntzerbild in den Geschichtslehrbüchern des »Dritten Reiches« im Vergleich mit denen der ausgehenden Weimarer Republik
  14. Die Müntzerrezeption in den Geschichtslehrbüchern der DDR
  15. Register
  16. Abkürzungsverzeichnis