Von des christlichen Standes Besserung – 500 Jahre Reformation
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Von des christlichen Standes Besserung – 500 Jahre Reformation

About this book

Reformation bedeutet Veränderung. Sich an den Beginn der Reformation vor 500 Jahren zu erinnern, bedeutet, sich auf Prozesse der Veränderung einzulassen, auf Spuren aus der Vergangenheit, die bis in die Gegenwart und über sie hinaus erreichen. Theologie, die sich auf die evangelischen Ursprünge des Christentums besinnt, bewirkt Veränderungen, eine Reform der Christenheit. Programmatisch lautet der Titel von Luthers Reformaufruf von 1520: "An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung". Die damit angestoßenen Veränderungsprozesse brachten Religion und Reform in eine Beziehung, die über die Kontexte des 16. Jahrhunderts bis in die kirchliche und gesellschaftliche Gegenwart hinausführt und dabei auch kirchliche Binnenperspektiven, die Grenzen konfessioneller Institutionen und sogar die der christlichen Religion sprengt.Auf dem Bogen der reformatorischen Impulse setzen die Beiträge des Bandes Akzente aus unterschiedlichen Perspektiven, von der Kirchengeschichte bis zur Religionswissenschaft, von biblischer Exegese zur Praktischen Theologie und Wirtschaftswissenschaft, von Luther bis zu den Freikirchen.Die Beiträge entstammen einer Ringvorlesung, die als akademischer Beitrag zum Reformationsjubiläum im Rheinland gemeinsam von der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Bonn und der Kirchlichen Hochschule Wuppertal/Bethel durchgeführt wurde.[Concerning the Reform of the Christian Estate]Reformation means change. To remember the beginning of the Reformation 500 years ago means to engage in processes of change, to take up traces of the past which reach into the present and beyond. A theology which reflects the Evangelical origins of Christianity induces changes, a reform of Christianity. Luther's call to reform from 1520 has the programmatic title: "Open Letter to the Christian Nobility of the German Nation. Concerning the Reform of the Christian Estate". The reform processes associated religion with reform which leads beyond the context of 16th century up to the present, breaking up internal ecclesial perspectives, the boundaries of confessional institutions and even of Christian religion itself.The contributions of this volume derive from a joint lecture series of the Faculty of Protestant Theology of the University of Bonn and the Ecclesiastical University Wuppertal/Bethel.

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EIN MEILENSTEIN IN DER GESCHICHTE DER BIBEL

Luthers Übersetzung der Heiligen Schrift
Martin Karrer
Die Anfänge der volkssprachlichen Bibel reichen weit vor Luther zurück; man denke nur an die Sammlung und Bearbeitung der mittelenglischen Übersetzungen durch John Wyclif († 1384)1 oder die mittelhochdeutschen Bibelnachdichtungen.2 Das Interesse wuchs mit dem Buchdruck; von 1466 bis zum Jahr von Luthers Septembertestament 1522 erschienen nicht weniger als achtzehn Bibeln in deutscher Sprache, darunter vier niederdeutsche.3 Luthers epochale Neuerung lag also nicht im Unterfangen einer Bibelübersetzung als solcher.
Aber alle Übersetzungen vor Luther übertrugen nicht den hebräischen und griechischen Bibeltext, sondern deren lateinische Tochterübersetzung, die Vulgata. Luther dagegen band die Übersetzung an die Ausgangssprachen der Bibel, das Hebräische (bei einzelnen Kapiteln Aramäische) und Griechische, und beschränkte die Benützung des Lateinischen auf unterstützende Aspekte. Er realisierte das humanistische Anliegen, den Ruf »ad fontes«,4 im Schritt zu den alten, in unserem Fall vorlateinischen Quellen.5 In der heutigen Diskussion, die das Erbe des Mittelalters bei Luther ebenso herausstellt wie seine Innovationen, gehört der Bibelübersetzer Luther daher auf die Seite des Umbruchs in die Neuzeit. Vergegenwärtigen wir im Folgenden zentrale Aspekte seiner Neuerungen.

1. RÜCKBLICK: DIE VULGATA UND IHRE ÜBERTRAGUNG VOR LUTHER

Die Vulgata besaß eine lange Vorgeschichte. Im späten 2. Jahrhundert n. Chr. hatte die altlateinische Übertragung biblischer Schriften begonnen (die sogenannte Vetus Latina). Das Wirken des Hieronymus (samt seiner Neuübersetzung der hebräischen Schriften) am Ende des 4. Jahrhunderts veranlasste eine Standardisierung, verdrängte aber die alten Texte nicht ganz. Das Wissen um hebräische und griechische Ausgangstexte blieb bewahrt, auch wenn man sie im Westen nicht mehr benützte. Altlateinische Fassungen wurden örtlich weiterhin benützt, und der lateinische Haupttext, der den Namen Vulgata erhielt, blieb variantenreich, so dass die von Luther benützte Vulgata nicht ganz mit dem heutigen Vulgatatext übereinstimmt.6
Aufgrund des Wissens um mögliche Alternativen mussten die lateinischen Codices und die frühen Vulgatadrucke (z. B. Gutenberg 1452/54, Froben ab 1491, Lyon 1519) begründen, worin der Wert der Vulgata-Fassung lag. Sie taten das durch die Rückführung des gesamten lateinischen Textes auf Hieronymus. Die Bibel begann vor Luther zum Ausdruck dessen mit einem Brief des Hieronymus und enthielt beim größten innerbiblischen Einschnitt vor dem Matthäusevangelium gleichfalls einen Hieronymusbrief.
Abb. 1: Der Übergang zum Neuen Testament in Johannes Frobens Druck der Vulgata 1514; Abb. des Exemplars der Bayerischen Staatsbibliothek, München, nach: http://daten.digitale-sammlungen.de/~db/bsb00001920/images/index.html?id=00001920&nativeno=278 [27.4.2017].
Diese Briefe genügten als Beginn der Bibelteile, so dass es keines zusätzlichen Vorblattes vor ihnen bedurfte, und das, obwohl die neutestamentlichen Schriften in der Regel Strängen der Vetus Latina (keiner Hieronymus-Übersetzung) folgten.7 Es war daher schon ein großer Einschnitt, als Johann Froben († 1527) in seinem Basler Vulgatadruck 1514 eine kleine einzeilige Notiz »Incipit Novum Testamentum«, »Es beginnt das Neue Testament«, vor den Brief des Hieronymus stellte, der als Prolog zu den Evangelien diente (Abb. 1). Davor gab es, soweit ich prüfen konnte, nicht einmal eine solch kleine Zeile.
Was den Aufbau der Bibel angeht, entfiel in der Vulgata die Unterscheidung zwischen hebräischen und griechischen Schriften Israels (Tob, Weish usw.). Letztere wurden einfach zwischen die hebräischen Schriften gestellt. Die frühchristlichen Schriften wurden nach Teilsammlungen geordnet und bekamen gleichfalls einen offenen Rand. Etliche Handschriften und der frühe Humanismus integrierten den lateinisch überlieferten sogenannten Laodizenerbrief und die angebliche Korrespondenz zwischen Paulus und Seneca in die Paulusedition.8 Da sich die Apg spätantik mit den Katholischen Briefen verbunden hatte (Sammlung des sogenannten Praxapostolos), stand die Apg zudem in der Regel nicht wie heute vor, sondern hinter den Paulusbriefen (genauerhin dem Hebr, den man zu den Paulinen zählte).9
Diese vielschichtige mittelalterliche Bibel bildete die Grundlage für alle volkssprachlichen Bibeln vor Luther. Die spätmittelhochdeutsche Mentelin-Bibel (1466) etwa, die international älteste volkssprachliche Druckbibel, enthielt folgerichtig kein Zwischenblatt Neues Testament. Sie schrieb 2Makk (in der damaligen Vulgata Schluss der jüdischen Schriften), einen Brief des Hieronymus und Mt 1 unmittelbar hintereinander,10 stellte die Apg hinter den Hebr als letzten der Paulusbriefe und überschrieb die Johannesbriefe mit »Apostel«11 (ohne den Namen Johannes),12 wohl weil der Drucker allein diese spröde Angabe in seinen Vorlagen fand.13 Ein altmodisches Deutsch kommt hinzu; die Apg etwa heißt »Das Wirken der Zwölfboten«14 usw. Selbst wenn wir alle hebräisch-lateinischen und griechisch-lateinischen Unterschiede innerhalb der biblischen Bücher übergehen, sähe die neuzeitliche Bibel erheblich anders aus, stünde sie noch in dieser Tradition.

2. DIE BASIS FÜR LUTHERS UMBRUCH: DER HEBRÄISCHE UND GRIECHISCHE BIBELDRUCK

Damit Luther zum hebräischen und griechischen Text der Bibel zurückkehren konnte, brauchte es Textausgaben in diesen Sprachen. Sie schuf der frühe Buchdruck:

2.1. Der Druck der hebräischen Bibel

Abb. 2: Gen 1 (Bereschit = Am Anfang) aus der Soncino-Bibel von 1494 in der Staatsbibliothek Berlin, die Luther nachweislich benützte; Abb. nach: http://digital.staatsbibliothek-berlin.de/werkansicht?PPN=PPN720865522&PHYSID=PHYS_0013&DMDID= [27.4. 2017].
Der erste hebräische Psalter erschien schon gut zwei Jahrzehnte nach Gutenberg in Italien (1477),15 ein Zeugnis für die damalige Kraft des mitteleuropäischen Judentums. Ab 1483 publizierte die Offizin Soncino Schriften in höchster Qualität. Luther benutzte die Soncino-Bibel von 1494 (Abb. 2) sowie die ab 1517/18 in Venedig gedruckte sogenannte Rabbinerbibel. Diese Drucke stützten sich auf den gut überlieferten masoretischen Text, der bis heute die Basis der Biblia Hebraica bildet.
Die Wissenschaft vom Hebräischen war allerdings noch jung.16 Das führte notgedrungen dazu, dass man zum lexikalischen und sachlichen Verständnis die antiken Übersetzungen – die im Judentum entstandene griechische Fassung der heiligen Schriften, die von der griechischen Kirche rezipierte Septuaginta, und die christliche Vulgata – zu Rate zog.17 Luther suchte diese Einschränkung und die Grenzen seiner eigenen Hebräischkenntnisse durch einen Beraterkreis auszugleichen, als er sich nach dem Neuen Testament den alttestamentlichen Schriften zuwandte. Das Alte Testament der Lutherbibel entstand insofern in Teamarbeit unter seiner Leitung.18 Trotzdem ließen sich Septuagintismen und Vulgatismen aufgrund des damaligen Stands der Wissenschaft nicht vermeiden. Die Revisionsarbeit an der Lutherbibel konnte das in den Ausgaben von 1912 bis zur Jubiläumsbibel 2016/17 aufgrund der Fortschritte in der Hebraistik korrigieren.19
Bedeutsam sind für uns vor allen Details zwei Aspekte der Gesamtanlage:
Die hebräische Wiedergabe der heiligen Schriften schloss eo ipso die Schriften Israels, die nicht auf Hebräisch erhalten geblieben waren, aus. Der jüdische Buchdruck zerbrach daher den lateinisch-mittelalterlichen Aufbau d...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. Hinweis zu den Abkürzungen
  7. Manfred Rekowski: Reformatorisch Kirche sein - Überlegungen aus kirchenleitender Perspektive – zum Geleit
  8. Hellmut Zschoch: 31. Oktober 1517: Wie die Reformation beginnt
  9. Ute Mennecke: Wie eine evangelische Kirche entsteht
  10. Udo Rüterswörden: Das »Gesetz« bei Martin Luther
  11. Martin Karrer: Ein Meilenstein in der Geschichte der Bibel - Luthers Übersetzung der Heiligen Schrift
  12. Johannes von Lüpke: »Über und in allen Ständen« - Christliches Leben in weltlichen Strukturen
  13. Michael Meyer-Blanck: Vom Altar zum Herzen -Luthers Gottesdienstreform als Quelle moderner Subjektivität
  14. Matthias Benad: Diakonie als Reform des Gemeinwesens - Vom Umgang mit Armut und Andersheit seit der Reformation
  15. Hartmut Kreß: Gewissens- und Religionsfreiheit – eine Folge der Reformation?
  16. Cornelia Richter: »Die Zeit des Schweigens ist vergangen« (Luther 1520) – damals wie heute - Noch einmal: Christliches Ethos angesichts politischer Irritationen
  17. Reinhard Schmidt-Rost: Frei werden durch Leistung? - Luthers Provokation für die Leistungsgesellschaft
  18. Martin Büscher: Von des christlichen Standes Rückzug - Eine wirtschaftsethische Zuordnung von Religion und Wirtschaft
  19. Henning Wrogemann: Reformation oder Erneuerung? - Über die Frage, ob es Sinn ergibt, im Blick auf den zeitgenössischen Islam von einer »Reformation« zu sprechen
  20. Autorinnen und Autoren
  21. Weitere Informationen