Johannes Block

Der pommersche Reformator und seine Bibliothek

Jürgen Geiß-Wunderlich, Volker Gummelt

• Publisher: Evangelische Verlagsanstalt
• Year: 2018
• Print ISBN: 9783374051540
• eBook ISBN: 9783374051564
• Edition: 1
• Topic: Theology & Religion
• Subtopic: History of Christianity

Der Barther Reformator Johannes Block ist einer der wichtigsten Köpfe der Frühreformation in Nordosteuropa. Von ihm sind keine eigenen Schriften überliefert, so dass sein Leben und Wirken weitestgehend unbekannt sind. Aus seiner Büchersammlung, die Block der Barther Marienkirche vermacht hat, lässt sich jedoch ein von geistigen Aufbrüchen und Schicksalsschlägen gezeichnetes Lebensbild herauslesen. Für den Humanisten und Wanderprediger führte der Weg um 1510 aus Hinterpommern über Livland und Finnland zurück in seine pommersche Heimat, wo er 1534 Teil von Bugenhagens Fürstenreformation wurde.Die Publikation beleuchtet die historisch-kulturellen Hintergründe von Blocks Wirken, die 2015 auch auf einer internationalen Fachtagung am Barther Bibelzentrum diskutiert wurden. Zusätzlich erschließt ein wissenschaftlicher Katalog erstmals Blocks Predigerbibliothek, wodurch ein einzigartiger Schatz der ersten Reformatorengeneration greifbar wird.[Johannes Block. The Pomeranian Reformer and his Library]Johannes Block, reformer of Barth, Pomerania, has to be counted among the most important figures of the early Reformation in north-eastern Europe. Since he left no writings of his own, little is known of his life and impact. But we can trace Block's biography by means of his private library donated by him to the Church Library of St. Mary's at Barth. With regard to this collection we are able to identify a singular life characterized by spiritual recommencements on the one hand and several strokes of fate on the other. As a humanist and itinerant preacher, Block left his native country, Lower Pomerania, about the year 1510, and worked in Livonia and Finland. On his return to Pomerania he took part in the Prince's Reformation organized by the Wittenberg Lutheran Bugenhagen (1534).This publication gives insight into the socio-historical roots of Block's activities, compiling papers discussed by an international group of scholars at the Barth Bible Centre in 2015. Furthermore, Block's itinerant preacher's library is made accessible by a scholarly catalogue for the first time. Thus, Block's book collection can be rediscovered as a unique treasure of the first generation of reformists.

II

Analyse und Rekonstruktion der
historischen Gelehrtenbibliothek

Pommern, Livland, Finnland – und zurück

Der Wanderprediger und Reformator Johannes Block im Spiegel seiner Büchersammlung

Von Jürgen Geiß-Wunderlich

I Humanist und Reformkleriker aus Pommern (um 1490/1500-1513/14)

Zeit seines Lebens gehörten Bücher für den pommerschen Humanisten, Wanderprediger und späteren Reformator von Barth zu seinem täglichen Arbeiten hinzu. Gleichzeitig bildeten sie auch ein wesentliches Mittel seiner Identitätsfindung und gesellschaftlichen Reputation. Der Kleriker und Gelehrte verwendete nicht nur viel Mühe darauf, Bücher zu erwerben, sondern diese in seiner Büchersammlung auch les- und benutzbar zu machen, wobei er sie zumeist sorgsam als seinen Besitz kennzeichnete. Diese Kauf- und Besitzvermerke sind als biographische Quelle bei der Frage nach der Herkunft und der Lebensstationen Blocks elementar. Die Selbstbezeichnung als »Johannes Block Stolpensis« berechtigt uns dazu anzunehmen, dass er aus Stolp (Słupsk/Polen) stammte und dort wohl auch geboren wurde. Stolp war im Spätmittelalter eine der größeren Hansestädte in Hinterpommern auf halbem Weg zwischen den Handelsmetropolen Stettin und Danzig.¹ Von Blocks dortiger Kinder- und Jugendzeit gibt es praktisch keine Quellenzeugnisse mehr. Ausgenommen hiervon ist nur seine späte Schulzeit. Wir wissen von dieser Phase seines Lebens nur, weil Block eine Reihe einschlägiger Drucke – durchwegs schmale Schulhefte aus der Zeit um 1490 – aufbewahrt und später in einem Band systematisch gesammelt hat.² Die Druckorte und -datierungen sowie die Inhalte dieser Schulbücher bezeugen einen starken Einfluss der Lateinschule von Deventer, einer ostniederländischen Kaufmannstadt im Gebiet der oberen IJssel. Hier befand sich in den Jahrzehnten um 1500 eine der geistigen und religiösen »Boomregionen« nördlich der Alpen.³ Die Schule von Deventer war in den frühen 1480er Jahren von ihrem Rektor Alexander Hegius in humanistischem Sinne zu einer elitären Bildungseinrichtung umstrukturiert worden.⁴ Schnell fand sie Nachfolger in der Region, etwa in der nahen Handelsstadt Zwolle oder im westfälischen Münster.⁵ Aus der Grenzregion zwischen den Ostniederlanden, Westfalen und dem Niederrhein strahlte dieses humanistische Reformprogramm dann auf den gesamten mittel- und nordeuropäischen Kulturraum aus, auch auf das riesige Einzugsgebiet der deutschen Hansestädte.⁶ Auch in Pommern formte der humanistisch inspirierte Schulrektor und spätere Wittenberger Reformator Johannes Bugenhagen zwischen 1504 und 1512 die Stadtschule in Treptow an der Rega nach dem Vorbild des niederländischen Schulhumanismus um und öffnete damit die Schulen der Region für die neue Bildungsbewegung.⁷ Ob Block, der bereits in den frühen 1490er Jahren eine Lateinschule Deventerer Prägung besucht haben muss, für den Schulbesuch tatsächlich in den Niederlande reiste, ist fraglich. Denn die gedruckten Schulbücher, die sich aus seinem Besitz erhalten haben, boten ihm die Möglichkeit, diese an jedem beliebigen Ort zu studieren. Das könnte in Pommern, sogar in seiner Heimatstadt Stolp, gewesen sein, wo seit dem 14. Jahrhundert eine Lateinschule an der Marienkirche nachgewiesen ist.⁸ Unabhängig davon, wo Blocks Schule nun zu lokalisieren ist, gehörte er zweifellos zu den frühesten Intellektuellen Pommerns, die sich dem Reformhumanismus niederländischer Prägung öffneten – und dies wahrscheinlich schon einige Jahre vor Bugenhagens Neuanfang in Treptow.

Abb. 1: Titelblatt mit Lehrer-Schüler-Holzsschnitt in einem Deventerer Druck mit einer Sammlung humanistischer Schulautoren (1489), oben handschriftlicher Besitzvermerk Blocks als Kleriker der Diözese Kammin
(Barth, K, 4° J 3 (1), 1r)

Für diese pädagogische Neuorientierung ist Blocks oben genannter Sammelband mit Schuldrucken das wichtigste – wenn auch das einzige – Zeugnis. Bemerkenswert ist, dass er als Lateinschüler vor allem mit zentralen Schriften der römischen Philosophen Marcus Tullius Cicero und Lucius Annaeus Seneca arbeitete. Diese Schriften sind durchmischt mit Briefmustern und Dichtungen von Francesco Petrarca und Leonardo Bruni Aretino, zwei der führenden Autoren des italienischen Renaissancehumanismus. Leitend für das Deventerer Curriculum war, dass die solide philosophisch-moralische Grunderziehung am antiken Vorbild auf eine exzellente Sprachbeherrschung des Lateinischen abgestimmt war. Dieses pädagogische Modell hatte man in Deventer aus Italien übernommen. Doch nicht nur das Lateinische wurde im Lehrplan als Mustersprache wieder belebt, sondern auch das Griechische. Dieser pädagogische Neuansatz, beide klassischen Sprachen zu unterrichten, findet sich bei Block in einer griechisch-lateinischen Schulgrammatik w...

Table of contents

• Cover
• Titel
• Impressum
• Inhalt
• Vorwort
• I Beiträge der Internationalen Fachtagung »Wanderprediger und Leuchtturm des neuen Glaubens: Bücher, Leben und Wirken des Barther Reformators Johannes Block« im Niederdeutschen Bibelzentrum Barth/Vorpommern vom 24. bis 26. September 2015
• II Analyse und Rekonstruktion der historischen Gelehrtenbibliothek
• Personenregister
• Abkürzungsverzeichnis
• Weitere Bücher