Erwachsenentaufe im Zeitalter von Konfessionslosigkeit
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Erwachsenentaufe im Zeitalter von Konfessionslosigkeit

Eine qualitativ-empirische Untersuchung zu ihrem lebensgeschichtlichen Zustandekommen und ihrer Bedeutung

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Erwachsenentaufe im Zeitalter von Konfessionslosigkeit

Eine qualitativ-empirische Untersuchung zu ihrem lebensgeschichtlichen Zustandekommen und ihrer Bedeutung

About this book

Sich in Ostdeutschland als Erwachsener taufen zu lassen, ist recht unkonventionell. Warum es dazu kommt, erläutert dieses Buch. Es beleuchtet bei ›vormals Konfessionslosen‹ lebensgeschichtliche Hintergründe, die ihr Interesse an Religion anbahnten und die letztlich zur Taufe führten. Mittels biographischer Interviews, gesprächslinguistischer und soziologisch-rekonstruktiver Methodik werden Gegenstandsbereiche untersucht, in denen entsprechende Entwicklungen stattfanden. Aus einzelnen Bedeutungsstrukturen und größeren Strukturkomplexen sind mögliche Entwicklungsschritte hin zur Taufe sowie Gründe für sie dargelegt: Konfessionslose Erwachsene lassen sich nicht ohne religiöse Vorerfahrungen taufen. Gegenstand dieser Erfahrungen ist das Zurechtkommen in ungünstigen Lebensumständen. Die Taufe resultiert daher aus einem Ordnungsdenken, mit dem Distanz dazu bewerkstelligt werden soll.[Adult Baptism in Eastern Germany. A Qualitative-Empirical Study on its Biographical Contexts and its Meaning]To be baptized as adult in Eastern Germany is rather unconventional. The way leading to baptism is described in this book. It sheds a light on the biographical backgrounds of formerly "non-denominational" individuals that initiated their interest in religion and eventually lead to their baptism. Fields in which these developments took place get analyzed by means of biographical interviews and conversational linguistic and sociological reconstructive methods. Individual structures of meaning and larger structural complexes help to understand the development steps and the motivations to get baptized: non-denominational adults don't let themselves be baptized without former religious experiences. These experiences include the overcoming of unfavorable living conditions. Baptism is therefore also the result of a structuring thinking which tries to create distance.

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TEIL II:

LEBENSGESCHICHTLICHE BEZUGSPUNKTE DES ZUSTANDEKOMMENS VON ERWACHSENENTAUFEN

A DESINTEGRATIVE ERFAHRUNGEN BEZÜGLICH DES SÄKULAREN SOZIALISATIONSHINTERGRUNDES

Die Strukturkomplexe und Bedeutungsstrukturen dieses ersten Bereiches beziehen sich auf lebensgeschichtliche Erfahrungszusammenhänge, die von der Erwachsenentaufe zwar noch weit entfernt sind, die aber von entsprechenden Personen damit in Verbindung gebracht werden. Sie lassen sich allesamt unter dem Aspekt der Desintegration miteinander in Beziehung setzen, weil sie verschiedene Formen desintegrativer Erfahrungen bezüglich eines als säkular wahrgenommenen familial-sozialisatorischen Orientierungsrahmens kennzeichnen. Bezüglich des kumulativen Prozessmodells ist hierbei zu konstatieren, dass solche Erfahrungen beim Zustandekommen von Erwachsenentaufen auftreten können und zwar vor allem dann, wenn nicht vom Vorhandensein religiöser Vorstellungen auszugehen ist. Jedoch sind desintegrative Erfahrungen nicht als sine qua non des Zustandekommens von Erwachsenentaufe zu begreifen und betreffen daher nicht alle im Erwachsenenalter getauften Menschen. Es wird damit nur ein Erfahrungsbereich beschrieben, der beim Zustandekommen von Erwachsenentaufen eine wichtige Rolle spielen kann. Dabei spielen nicht nur weltanschaulich-desintegrative Erfahrungen bezüglich des als säkular angesehen weltanschaulichen Orientierungsrahmens eine Rolle, sondern auch emotional-desintegrative Erfahrungen. Bezüglich des Theorieschemas bewegt sich die Darstellung also innerhalb folgender Strukturkomplexe:
A.I
Emotional-desintegrative Erfahrungen: Emotionale Missachtung im Rahmen der Familie als Anbahnung der Möglichkeit zur Erwachsenentaufe
A.II
Weltanschaulich-desintegrative Erfahrungen:
Degradierungen säkularer Sozialisationsmuster als Anbahnung der Möglichkeit zur Erwachsenentaufe
Um Missverständnisse zu vermeiden, werden drei Bedingungen für die erste These dargelegt, dass desintegrative Erfahrungen hinsichtlich familialer Beziehungen und familial-weltanschaulicher Orientierungen mit dem Zustandekommen einer Taufe im Erwachsenenalter in Verbindung stehen können. Die These beinhaltet, dass eine Erwachsenentaufe mit Wahrscheinlichkeit nicht stattgefunden hätte, wenn die Integration in familial-säkulare Orientierungsmuster nicht marode geworden wäre. Dabei könnten insbesondere familia- le Interaktionsmuster desintegrative Erfahrungen bedingt haben. Diese Beobachtung wird durch Untersuchungen zu familialen Kommunikationsabläufen gestützt, die Wohlrab-Sahr et al. im Blick auf die Beschreibung des ostdeutschen Säkularisierungsprozesses explizieren.162 Die Autoren heben hervor, dass bestimmte Modi familialer Kommunikation mit der Kontinuität bzw. Diskontinuität weltanschaulicher Orientierungen in Verbindung stehen. Auch wenn in diesem Rahmen keine Familienkommunikationen untersucht wurden, offenbaren die biographischen Berichte Bezüge auf familiale Konfliktlagen. Vor allem zwei Kommunikationstypen von Wohlrab-Sahr et al. sind dafür erhellend: So referiert der Typus »Diskontinuitäten und Konflikte – Problematisierung von Differenzen«163 auf Phänomene, bei denen familiale bzw. generationale Differenzen aufbrechen und zum Versiegen kontinuierlicher Normentransmissionen führen, weil diese Differenzen nicht ausgeglichen werden. Wie sich folgend zeigt, lassen sich auch in Bezug auf die Getauften nicht reparable Familiendifferenzen ausmachen.164
Während die Autoren den Begriff der Differenz verwenden, wird hier dem Begriff der Desintegration zentrale Stellung eingeräumt, weil die Erwachsenentaufe u. a. ein ›funktionales Resultat‹ von unauflösbar differierenden familialen Beziehungen ist. Demnach ist ein Begriff zu wählen, der solche Ausbürgerungsprozesse aus familialer Herkunft adäquat beschreibt. Ferner trat in den biographischen Berichten der Getauften ein Phänomen auf, dass Wohlrab-Sahr et al. als »Familienkommunikation als Repräsentation familialer Geschlossenheit«165 bezeichnen. Kontinuierliche Tradierung von Orientierungsmustern geschehe hier über die Errichtung eines familialen Selbstbildes hinreichend harmonischer Geschlossenheit, die über den Rekurs auf Tradition, traditionelle Berufsorientierung und traditionell-hierarchische Rollenkonstellationen organisiert werde. Wenn sich dieser Typus in den Berichten der Getauften zu erkennen gibt, dann vor allem in restriktiver Wendung, d. h., dass wichtige Möglichkeiten zur Selbstverwirklichung auf Seiten der Getauften derart eingeschränkt wurden, dass desintegrative Prozesse bezüglich der familialen Herkunft ihren Lauf nahmen.
Demnach ist zu klären, auf welche ›familialen Beziehungen‹ sich diese Sachverhalte genauer beziehen. So gilt für die hier zugrunde liegenden Interviewgespräche, dass bei dafür typischen Szenarien die Mitglieder der Großelterngeneration der Interviewten konfessionell gebunden waren und im Zuge der politischen Entwicklungen im Rahmen der DDR – oder schon eher – ihre Konfessionszugehörigkeit ablegten oder so vernachlässigten, dass die einstige kirchliche Bindung mehr oder weniger unmerklich für die nachfolgenden Generationen blieb. Dabei ist auch möglich, dass Mitglieder der Großelterngeneration noch Sedimente religiöser Vorstellungen oder religiöser Kleinstpraktiken innerhalb der Familienkommunikation offenbaren (z. B. ein Gebet am Weihnachtsabend zu sprechen), die in den subjektiven Rekonstruktionen der Akteure Modellcharakter haben können.
Um genauer sagen zu können, wie desintegrative Erfahrungen im Zusammenhang mit der Erwachsenentaufe stehen können, wird nun ein Begriff von Desintegration mit Blick auf familiale Beziehungen umrissen. ›Desintegration‹ steht in komplementärem Verhältnis zum Begriff der Integration. Dementsprechend bietet es sich an, Erstes ausgehend von Zweitem näher zu bestimmen. Der Ausdruck ›Integration‹ referiert in den Sozialwissenschaften auf Überlegungen, die sich mit der Art und Weise des Zusammenhalts von Gesellschaften auseinandersetzen. In der Debatte darum haben in der Vergangenheit vor allem zwei konkurrierende Konzepte Aufmerksamkeit erregt. Aufbauend auf Jürgen Habermas’ ›Theorie des kommunikativen Handelns‹166 ist dasjenige der Sozialintegration von demjenigen der Systemintegration, vorrangig entwickelt von Niklas Luhmann,167 abzuheben. Es gibt es allerdings Entwürfe, die beide Ansätze miteinander vereinen. So bestimmt z. B. Richard Münch den Ausdruck Integration in seiner allgemeinsten Form als soziale Integration:
»Soziale Integration ist ein Zustand der Gesellschaft, in dem alle ihre Teile fest miteinander verbunden sind und eine nach außen abgegrenzte Einheit bilden. Zu ihren Teilen gehören die einzelnen Individuen als Mitglieder der Gesellschaft, die Familien, die Stände, Gruppen, Klassen, Schichten, Verbände, Vereinigun...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. Einleitung
  7. Teil I: Vorbereitende Schritte auf dem Weg zu Bausteinen einer religionssoziologischen Erklärung des Zustandekommens von Erwachsenentaufen
  8. Teil II: Lebensgeschichtliche Bezugspunkte des Zustandekommens von Erwachsenentaufen
  9. Teil III: Zusammenfassung und abschließende Betrachtung
  10. Literaturverzeichnis
  11. Anmerkungen