Christoph Blumhardt
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Christoph Blumhardt

Prediger, Politiker, Pazifist. Eine Biografie

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Christoph Blumhardt

Prediger, Politiker, Pazifist. Eine Biografie

About this book

Der württembergische Theologe Christoph Blumhardt (1842–1919) war ein inspirierender Prediger, Pazifist und Politiker. Als Kurhausbesitzer in Bad Boll predigte er die Reich-Gottes-Botschaft; als einer der ersten deutschen Theologen trat er der sozialdemokratischen Partei bei und wurde württembergischer Landtagsabgeordneter. Während seines gesamten Lebens bezeichnete er den Krieg als Sünde, besonders auch während des Ersten Weltkriegs. Sein Engagement für eine andere Form der Mission, die Freiheitsbewegungen seiner Zeit und die Stärkung der internationalen Beziehungen ist ebenso wie seine Spiritualität nach wie vor aktuell. Zum ersten Mal wird sein Lebenswerk mit einer umfassenden Biografie gewürdigt. Bisher nicht zugängliche Dokumente aus dem Familienarchiv bilden dafür die Grundlage.[Christoph Blumhardt: Preacher, Politician, Pacifist. A Biography]The Württembergian theologian Cristoph Blumhardt (1842-1919) has been an inspiring preacher, pacifist and politician to this day. As owner of the health resort of Bad Boll he preached the message about God's Kingdom; he was one of the first German theologians to join the Social-Democratic Party and became Württembergian Member of the Parliament. Throughout his entire life he referred to war as a sin, especially during the First World War. His spirituality as well as his engagement for the liberation movements in his day, for another way of mission and also for strengthening the international relations are still relevant until today. For the first time his lifework will be honored by a comprehensive biography. The basis of this biography are documents from the family archive that had been inaccessible until now.

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KAPITEL 1

Die Welt überwinden!

(1842 bis 1888)

Biographische Stationen

Jesus ist Sieger! Geburt in kämpferischen Zeiten
Christoph Blumhardt wurde am 1. Juni 1842 in Möttlingen geboren, einer kleinen Gemeinde im Nordschwarzwald. Sein Vater Johann Christoph Blumhardt war in Möttlingen Gemeindepfarrer – aber kein gewöhnlicher Gemeindepfarrer, sondern ein Pfarrer mit umfassender historischer, literarischer, politischer und theologischer Bildung. Durch seine Beziehungen zur Basler Mission verfügte er über reiche internationale Kontakte. Zugleich gehörte er kirchensoziologisch betrachtet zur pietistischen Tradition Württembergs. Die Rolle des Vaters für den Werdegang Christoph Blumhardts ist kaum zu überschätzen – in Fortführung wie auch später in bewusster Abgrenzung vom Vater.
Noch etwas ist in Bezug auf die Rolle seines Vaters hinsichtlich seines Geburtsjahrs entscheidend: Seine Geburt fiel 1842 in ein Jahr, in dem sich im Pfarrhaus in Möttlingen etwas ereignen sollte, was für die Familie Blumhardt, aber auch für den württembergischen Pietismus als Narrativ von größter Bedeutung werden sollte: »Jesus ist Sieger!«
Was war geschehen? Der Vater Johann Christoph Blumhardt hatte Ende des Jahres 1843, als Christoph Blumhardt gerade einmal 18 Monate alt war, die psychisch schwer erkrankte junge Frau Gottliebin Dittus, die aus einem ärmlichen Haushalt stammte, endlich geheilt. Nach einem zwei Jahre dauernden Kampf, den Johann Christoph Blumhardt in Gebet und Fürbitte intensiv geführt und begleitet hatte, wurde die Frau vom »Geist der Besessenheit« befreit. Diese Heilung führte Johann Christoph Blumhardt zu der Überzeugung »Jesus ist Sieger!«. Um dieses Heilungsereignis in Möttlingen, das kirchengeschichtlich von größter Bedeutung ist, rankte sich bald eine Vielzahl von Legenden, Fragen, Untersuchungen und Berichten. Verbunden mit dem Leitspruch »Jesus ist Sieger« wurde es zu einem gewaltigen Narrativ in der württembergischen Kirchengeschichte – und darüber hinaus.
Von Möttlingen ging nach diesem Heilungswunder eine Erweckungsbewegung aus, die Tausende in den Bann zog, die Gemeinde Möttlingen bis an den Rand ihrer Möglichkeiten brachte und auch für die Familie zu einer echten Herausforderung wurde. Die gesamte Familie wurde in die Organisation der Gottesdienste, der unzähligen Besuche, der Seelsorge und der Heilungsversuche intensiv eingebunden. Dies betrifft auch den jungen Christoph Blumhardt. Das Heilungswunder sollte Christoph Blumhardt gerade in der ersten Phase seines Wirkens stetig begleiten: Die Jahre wurden in dieser Zeit von ihm so gezählt, dass sie den Abstand vom Möttlinger Heilungswunder angaben. Die Erweckung der Gemeinde in Möttlingen sowie die Hoffnung auf die Ausgießung des Heiligen Geistes verstand Christoph Blumhardt als das Aufscheinen einer neuen Zeit. Nach 1888 gab Christoph Blumhardt die Zählung der Jahre mit dem Verweis auf das Heilungswunder auf.
Interessant und bedeutsam zugleich ist es nun, wie Christoph Blumhardt 1887 – und damit noch in der gleichen Phase seines Wirkens vor dem entscheidenden Umschwung seines Denkens und seiner Orientierung im Jahr 1888 – dieses Heilungswunder beschreibt und zusammenfasst:
»In den Weihnachtstagen des Jahres 1843 nun kam es zu den letzten entscheidenden Vorgängen mit der Schwester Gottliebin, mit welchen ein Abschluss wenigstens vorläufig geschehen sollte. Mehrere Tage währte das Ringen fort, und unser seliger Vater hatte den Befehl Gottes empfunden, nicht mehr zu ruhen, bis die Gottliebin ganz frei sei. So hielt er denn auch Tag und Nacht aus, in aller Stille darauf bestehend, dass auch das Letzte weichen müsse und namentlich die leiblichen Verzerrungen und Besitzungen aufhören müssen. Es folgte Sieg auf Sieg; aber es schien, als ob es kein Ende nehmen wollte. Mehrere Personen, Männer des Ortes, waren anwesend, zuletzt aber meist nur noch außer unserem seligen Vater der Bruder Hans-Jörg sowie Katharina, die Schwester. Letztere wurde ganz am Schluss in Mitleidenschaft gezogen, indem die Hauptmacht der Finsternis auf sie zu wirken begann, während sie die Gottliebin verließ. Katharina wurde einige Stunden wie rasend, doch bei vollem Bewusstsein. Nochmals kostete es einen heißen Kampf und viel Geduld und Glauben, bis auch sie frei wurde von dieser Macht unter dem weithin dringenden Schrei ›Jesus ist Sieger!‹. Damit war ein fast zweijähriger Kampf beendet, und es erfolgte jene Erweckung der Gemeinde Möttlingen, in welcher Alt und Jung, Männer und Weiber von einem alle Sünden offenbarenden Bußgeist ergriffen wurden und durch Vergebung der Sünden zu einem neuen Wandel sich berufen sahen.«1
An der Darstellung des Möttlinger Heilungsnarrativs aus der Sicht des Sohnes ist Zweifaches interessant und bedeutsam:
Anders als im Narrativ seines Vaters wird der Blick nicht nur auf die junge Gottliebin fixiert, sondern werden auch ihre beiden Geschwister Hans-Jörg und Katharina in die Betrachtung mit einbezogen. Zusammen mit den drei jungen Leuten wuchs Christoph Blumhardt in Möttlingen und dann auch in Bad Boll auf, da Gottliebin, Hans-Jörg und Katharina Dittus nach dem Heilungswunder Teil des Pfarrhauses wurden und alltägliche Dienste in der Pflege von Kranken oder in der Bewirtschaftung übernahmen. Dass Jesus Sieger ist, es zur endzeitlichen Ausgießung des Heiligen Geistes kommt und damit das Reich Gottes in die Gemeinschaften der Welt einbricht, band Christoph Blumhardt an diese drei Dittus-Geschwister und ihr Schicksal. Das macht erklärlich, warum nicht nur der Tod der Gottliebin im Januar 1872, sondern schon intensiver auch der Tod ihrer Schwester Katharina im Januar 1887 und dann in größter Tiefe der Tod des Bruders Hans-Jörg im März 1888 Christoph Blumhardt aus der Bahn warfen – deutlich mehr als der seines Vaters und dann auch später seiner Mutter. Der Tod von Hans-Jörg Dittus im März 1888 sollte also bei Christoph Blumhardt sehr grundsätzliche Fragen auslösen: Was behindert das Kommen des Reiches Gottes? Der Tod des Bruders Hans-Jörg im März 1888 markiert den entscheidenden Einschnitt in Christoph Blumhardts Biographie.
1 Ältere Aufnahme des Kurhauses Bad Boll
Zweitens zeigt dieser Rückblick aus dem Jahr 1887, dass Christoph Blumhardt nicht auf den Akt der Heilung der Gottliebin schaut, sondern insbesondere den befreiten Zustand nach der Heilung in den Blick nahm. Er lernte im freien Zusammenleben mit den drei Geschwistern, diesen Zustand als Inbegriff einer neuen Lebens-Zeit zu verstehen. Das freie Leben, das wahrhaftige Leben, das irdisch erfüllende Leben wurde für Christoph Blumhardt zum Inbegriff einer neuen Zeit und einer neuen Gesellschaft.
Diese Variation des Möttlinger Heilungsnarrativs sollte später zum Nukleus werden, aus dem heraus sich eine gegenüber dem Vater andere, politisch gefärbte Reich-Gottes-Hoffnung entwickelte. Nicht die Seelsorge steht mehr im Zentrum seiner Theologie, sondern die neue Zeit inmitten der Gemeinschaft, der Inbegriff des Lebens und schließlich auch der Kampf gegen Missstände, die das Kommen des Reiches Gottes behindern sollten.­
Anstrengender Schulunterricht (1859 bis 1862)
1852 kaufte der Vater Johann Christoph Blumhardt das Kurhaus in Bad Boll, um diesen Ort zu einem Seelsorgezentrum auszubauen und über die Grenzen Deutschlands hinaus bekannt zu machen. Der 10-jährige Christoph Blumhardt wuchs in Bad Boll auf und wurde zunächst von Hauslehrern unterrichtet, dann jedoch von seinem Vater zusammen mit seinem Bruder Theophil zum Besuch der Schule in Stuttgart und anschließend zum Seminar in Bad Urach (1861 und 1862) geschickt.
Aus dieser Zeit liegen nur sehr wenige Dokumente vor. Die in geringer Zahl vorhandenen Briefe an seine Eltern lassen jedoch erahnen, dass sowohl Christoph Blumhardt als auch seine Lehrer mit den Schulleistungen nur selten zufrieden waren. Der Schulunterricht wurde von Christoph Blumhardt als freudlos und furchtbar anstrengend empfunden. Hinzu kam vor allem, dass Christoph sich fortwährend mit seinen eifrigen und umtriebigen Eltern verglich: »Beim Lesen Eurer Zeilen musste ich unwillkürlich weinen, da ich fühlte, wie wenig ich euch entspreche.«2
2 Von links nach rechts: Theophil, Christoph und Carl Blumhardt, 1856
Insbesondere das Erlernen des Lateinischen und Griechischen bereitete dem jungen Christoph Blumhardt ziemlich viel Mühe, so dass er in den Briefen an seine Eltern darauf immer wieder zurückkam. Mit seinem Lehrer im Seminar war vereinbart worden, dass er ihm immer wieder Übungsaufgaben stellen sollte, die dann sogleich korrigiert wurden. Auch der Vater sandte ihm solche Aufgaben zu, um Christoph Blumhardt und seine Fähigkeiten zu verbessern.
Mit der Hilfe seiner Lehrer im Seminar Bad Urach sowie nach intensiven Studien gelang es ihm schließlich zusammen mit seinem Bruder Theophil, die Schulzeit erfolgreich im Sommer 1862 abzuschließen. Eine außerordentlich anstrengende und wenig erfüllende Schulzeit ging damit zu Ende. Dass sie auf Christoph Blumhardt und seinen Werdegang maßgeblichen Einfluss ausgeübt habe, kann stark bezweifelt werden. Allenfalls das intensive Studium der griechischen Sprache führte dazu, dass Christoph Blumhardt später immer wieder auf den Urtext der griechischen Bibel zurückgriff und die Luther-Übersetzung in Frage stellte.
Mühsames Theologiestudium (1862 bis 1866)
Nach dem Besuch des Seminars in Bad Urach wäre eigentlich der Weg ins Tübinger Stift vorgezeichnet gewesen, jedoch kam Christoph Blumhardt zusammen mit seinem Bruder Theophil im Herbst 1862 als »Stadtstudent« nach Tübingen, um dort das Theologiestudium aufzunehmen. Beide Brüder traten gegen den Willen seines Vaters in die Studentenverbindung »Normannia« ein.
Christoph Blumhardt hat offensichtlich das Studium als wenig ergiebig erfahren, wobei zwei Gesichtspunkte eine Rolle spielten: Auf der einen Seite setzte sich das fort, was schon auch für die Schulzeit galt: Er verglich sich fortwährend mit seinem Vater und meinte, dass er ihm gegenüber nur »klein« dastehe. »Manchmal sind es trübe Gedanken, die mich überfallen, wenn ich mir euch im Geist vergegenwärtige, wie ihr fort wirket und schaffet. Der Kontrast zwischen mir und euch tritt mir da so vor die Seele, dass mir allemal bange wird um meine Zukunft.«3 Auf der anderen Seite fand er keine Freude an der theologisch-reflexiven Auseinandersetzung mit dem Stoff der Theologie, mit Büchern, Ansichten und dogmatischen Lehren. »Ich möchte oft alles über den Haufen werfen und durchgehen in ein schöneres Land, wo ich glücklich leben könnte. Wenn ich nur eins wüsste auf dieser Welt, ich glaube, ich würde es tun. Aber es muss eben jeder seine Plage haben, und ich habe auch mein Teil zu tragen und ergebe mich eben drein.«4 Auch im späteren Rückblick auf seine Auseinandersetzung mit der wissenschaftlich aufgestellten Theologie erinnert sich Christoph Blumhardt überhaupt nicht positiv an sein Studium. Und dennoch darf der Einfluss von zwei Lehrern auf Christoph Blumhardt nicht unterschätzt werden, da sich deren Auswirkungen auch im späteren Leben stetig bemerkbar machen:
Der liberale Theologe Carl Heinrich Weizsäcker (1822 bis 1899), der im Wesentlichen Neues Testament lehrte und die historisch-kritische Erforschung der Bibel in Tübingen etablieren half, scheint die beiden Brüder erheblich beeinflusst zu haben: Zeit seines Lebens verwendet Christoph Blumhardt außergewöhnliche Bibelübersetzungen, die sich erheblich von der Lutherübersetzung unterscheiden und sich dadurch erklären lassen, dass er die Bibelübersetzung von Weizsäckers zurate zog, die ab 1899 auch in der sogenannten »Textbibel« aufging.
Neben Carl Heinrich von Weizsäcker lässt sich besonders ein Einfluss des Lehrers Johann Tobias...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Über den Autor
  4. Impressum
  5. Widmung
  6. Vorworte
  7. Inhalt
  8. Einleitung
  9. Kapitel 1: Die Welt überwinden! (1842 bis 1888)
  10. Kapitel 2: Weltchristentum und »Evangelium des Lebens« (Frühjahr 1888 bis 1893)
  11. Kapitel 3: »Werde ein wahrer Mensch« (1894 bis Juni 1898)
  12. Kapitel 4: Menschheitsliebe ist das Losungswort! (Juli 1898 bis September 1903)
  13. Kapitel 5: Vorwärts zum Zukunftsstaat! (September 1903 bis März 1913)
  14. Kapitel 6: Die Welt des Krieges überwinden! (März 1913 bis August 1919)
  15. Epilog
  16. Nachwort (Jürgen Kampmann)
  17. Anhang