Legendäre Spionagefälle
eBook - ePub

Legendäre Spionagefälle

Operationen, Enthüllungen, Mythen: 25 spektakuläre Geheimdienst-Affären

Johannes Seiffert

Share book
  1. 320 pages
  2. German
  3. ePUB (mobile friendly)
  4. Available on iOS & Android
eBook - ePub

Legendäre Spionagefälle

Operationen, Enthüllungen, Mythen: 25 spektakuläre Geheimdienst-Affären

Johannes Seiffert

Book details
Book preview
Table of contents
Citations

About This Book

Johannes Seiffert entführt seine Leser in die geheimnisumwobene Welt der Spione und Agenten. Anhand von 25 spektakulären, aber auch bislang unbekannten Spionagefällen des 20. und 21. Jahrhunderts entschlüsselt der Autor Mythen und Mythologien um das "zweitälteste Gewerbe der Welt" und seiner Protagonisten. Dabei spannt er einen weiten Bogen: von Oberst Redl bis Edward Snowden, von Mata Hari bis Katrina Leung, von Richard Sorge bis Julian Assange. Einen besonderen Fokus legt er auf die deutsch-deutsche Spionagegeschichte, wofür die Namen Reinhard Gehlen, Otto John und Heinz Felfe, aber auch Gabriele Gast, Günter Guillaume und Werner Stiller stehen. Auch US-amerikanische "Maulwürfe" nimmt er in Augenschein, wie die Doppelagenten Aldrich Ames und Robert Hanssen. Dass der einstige Regierungschef Schwedens, Olof Palme, vermutlich ein CIA-Agent war, thematisiert er ebenso wie die Affäre Boursicot um einen liebeskranken Angestellten der französischen Botschaft in Peking. Und er erzählt die Geschichte zweier veritabler Ost-James-Bonds, die weithin unbekannten Fälle von Horst Hesse und Hans Wax. Zudem präsentiert er neue Erkenntnisse zu Ruth Werner alias "Sonja", die angeblich Stalins wichtigste Agentin im Zweiten Weltkrieg war. Über all das und vieles mehr bringt der Autor Unwahrheiten, Halbwahrheiten und Täuschungen zum Vorschein und analysiert, wie es wirklich gewesen ist. Ein populär aufbereiteter zeitgeschichtlicher Band um Lügen, Intrigen und Verrat.

Frequently asked questions

How do I cancel my subscription?
Simply head over to the account section in settings and click on “Cancel Subscription” - it’s as simple as that. After you cancel, your membership will stay active for the remainder of the time you’ve paid for. Learn more here.
Can/how do I download books?
At the moment all of our mobile-responsive ePub books are available to download via the app. Most of our PDFs are also available to download and we're working on making the final remaining ones downloadable now. Learn more here.
What is the difference between the pricing plans?
Both plans give you full access to the library and all of Perlego’s features. The only differences are the price and subscription period: With the annual plan you’ll save around 30% compared to 12 months on the monthly plan.
What is Perlego?
We are an online textbook subscription service, where you can get access to an entire online library for less than the price of a single book per month. With over 1 million books across 1000+ topics, we’ve got you covered! Learn more here.
Do you support text-to-speech?
Look out for the read-aloud symbol on your next book to see if you can listen to it. The read-aloud tool reads text aloud for you, highlighting the text as it is being read. You can pause it, speed it up and slow it down. Learn more here.
Is Legendäre Spionagefälle an online PDF/ePUB?
Yes, you can access Legendäre Spionagefälle by Johannes Seiffert in PDF and/or ePUB format, as well as other popular books in Politics & International Relations & Political History & Theory. We have over one million books available in our catalogue for you to explore.
Johannes Seiffert
Legendäre Spionagefälle
Operationen, Enthüllungen, Mythen:
25 spektakuläre Geheimdienst-Affären
edition berolina
eISBN 978-3-95841-567-6
1. Auflage
© ٢٠٢٠ by BEBUG mbH / edition berolina, Berlin
Umschlaggestaltung: BEBUG mbH, Berlin
Umschlagabbildung: picture alliance / AP Photo | Edwin Reichert
Alexanderstraße 1
10178 Berlin
Tel. 030 / 206 109 – 0
www.buchredaktion.de
Vorwort
Liebe Leserin, lieber Leser,
Markus »Mischa« Wolf, über Jahrzehnte Chef der DDR-Auslandsspionage, pflegte im privaten Gespräch und später auch in seiner Autobiographie gern die Geschichte wiederzugeben, wie in der Bibel die Anfänge nachrichtendienstlicher Aktivitäten geschildert werden, speziell im Hinblick auf die Verbindung des ältesten (Prostitution) mit dem zweitältesten Gewerbe (Spionage). Im vierten Buch Mose findet sich tatsächlich die Geschichte, wie Mose – im Auftrag des Herrn (!) – zwölf Männer zu Kundschaftern bestimmt. Einem der Männer, Hosea, verleiht er den Decknamen »Joshua«. Als Nachfolger von Moses sendet Joshua später selbst weitere Kundschafter aus, darunter zwei, die in Jericho Kontakt zur Prostituierten Rahab aufnehmen sollen. Als die Polizei sich wenig später dem Bordell Rahabs nähert, versteckt sie die beiden israelischen Agenten auf dem Dach des Hauses und bewahrt sie so vor der Verhaftung. Später revanchieren sich die beiden Kundschafter und retten Rahab das Leben.
Ist somit die Spionage als Profession bereits mehrere Jahrtausende alt, so soll es im vorliegenden Buch um herausragende Spionagefälle der beiden vergangenen Jahrhunderte gehen, die reich an ebensolchen waren, und um Persönlichkeiten, welche die Geschichte der Spionage geprägt haben, erfolgreich oder erfolglos, aber in jedem Falle speziell bis spektakulär. Wenn Sie sich nun fragen, was hat das alles mit heute zu tun, mit dem Hier und Jetzt, dann genügt ein Blick auf die aktuelle Medienberichterstattung zu Vorgängen rund um den Globus, die illustrieren, welche Folgen die Tätigkeit einzelner Spione beziehungsweise einzelner Spionageorganisationen haben kann. Es ist kein Zufall, dass in Hongkong gerade dann 2019 die Unruhen aufflammten, als die Volksrepublik (VR) China vom amerikanischen Präsidenten Trump in einen Handelskrieg mit den USA gezerrt wurde. Seitdem kam Hongkong monatelang nicht zur Ruhe, wurde die VR China an ihrem »weichen Bauch« (wie seinerzeit die So-wjetunion in den islamisch geprägten Landesteilen an ihrer Südgrenze) unter Druck gesetzt, durch gezielt inszenierte Tumulte in Schwierigkeiten gebracht. In Hongkong sind traditionell die britischen, aber eben auch die mit ihnen per UKUSA-Abkommen eng verbündeten amerikanischen Geheimdienste sehr präsent und in der Lage, quasi auf Knopfdruck solche Unruhen auszulösen (oder abzustellen).
Eine weitere solche »Schwachstelle« stellt in Chinas fernem Westen die Uiguren-Provinz Xinjiang dar, die immer wieder von »Unruhen« heimgesucht wird. Hier mischt auch der Bundesnachrichtendienst (BND) mit, der bekanntlich in München eine große Uiguren-Exilgemeinde finanziert und steuert. Und auch in den USA wird dieses »Argument« gern genommen, um die Menschenrechtskeule gegen die VR China zu schwingen – zuletzt sogar unterstützt durch einen einstündigen »Beitrag« des Comedians John Oliver zu bester Sendezeit in den USA. Und kaum waren die Unruhen auf den Straßen Hongkongs abgeklungen, kam mit dem Coronavirus die nächste Plage übers Land. Ein Schelm, wer dabei Böses denkt. Mittlerweile wird in chinesischen Medien – zur Belustigung der sich wie immer ahnungslos gebenden Westblockpresse – offen darüber spekuliert, dass genau vier Wochen vor dem Ausbruch des Virus in Wuhan eine große US-Militärdelegation bei den Militärsport-Weltmeisterschaften in Wuhan angetreten war. Nimmt man nun noch hinzu, dass die USA die Nation ist, die am meisten Geld in die Erforschung von ABC-Waffen, also atomaren, biologischen und chemischen Waffen, steckt, muss man auch hier nur eins und eins zusammenzählen, um zu einem beunruhigenden Befund zu kommen.
Ende des Jahres 2019 bekam das staunende Publikum eine weitere Bilderbuchvorstellung über die Wirkungsweise von Spionagetätigkeit gegen ein Land beziehungsweise gegen eine Partei oder eine einzelne Person. In Bolivien wurde der gewählte Präsident Evo Morales zur Flucht außer Landes genötigt, nachdem der bolivianische Heeres- und der Polizeichef ihn zum Rücktritt aufgefordert und »Aufständische« dem Präsidenten und seiner Familie mit dem Tod gedroht hatten. Wie zu vernehmen war, halfen siebenstellige US-Belohnungsangebote per Telefon dabei, die beiden Funktionäre zum Umdenken beziehungsweise zum Seitenwechsel zu bringen. Jeder Mensch hat seinen Preis, eine der ältesten Grundregeln des Spionagegeschäfts. Und wenn es nicht das Geld ist, dann sind es kompromittierende Dinge aus seinem Privatleben, entweder echt oder täuschend echt nachgemacht oder per raffiniert gestellter Falle gezielt produziert, die ausreichenden Druck auszuüben in der Lage sind.
Interessant sind auch die seit der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten 2016 nicht verstummenden Gerüchte beziehungsweise Behauptungen, Russland habe massiv und manipulativ in die US-Präsidentenwahl eingegriffen und so erst die Wahl Trumps ermöglicht. Stichhaltige, überprüfbare Beweise hierfür wurden zu keinem Zeitpunkt vorgelegt. Dennoch werden diese Behauptungen mantraartig wiederholt und von den US-Medien und ihrer internationalen Gefolgschaft wiedergekäut. Dass die Kriegstreiberin Hillary Clinton wegen massiver Fehler in der Wahlkampfführung trotz aussichtsreicher Position im Rennen 2016 nicht siegte, muss aus Friedenssicht als großer Glücksfall gelten. Zwar wurde stattdessen mit Trump ein korrupter Clown gewählt, der jedoch zumindest außenpolitisch den Säbel weitgehend aus der Hand gelegt und bislang keinen größeren neuen Krieg vom Zaun gebrochen hat (im Gegensatz zu dem, was Frau Clinton schon im Wahlkampf ankündigte), sondern im Gegenteil den Rückzug der US-Truppen aus Syrien und zuletzt sogar – aus persönlicher Kränkung heraus – den teilweisen US-Truppenabzug aus der BRD befahl. Da nach wie vor und ganz bewusst sowohl eine Sicherungstruppe rund um die Ölquellen im kurdischen Stammesgebiet auf syrischem Boden belassen wird als auch noch über 20.000 US-Soldaten auf dem Gebiet der BRD die größte Ansammlung von US-Truppen außerhalb der USA darstellen, wurde damit die eigentliche Interessenlage der USA einmal mehr offenbar gemacht. Nachdem selbst die offiziellen, gerichtlichen und sonstigen Untersuchungen in den USA keine stichhaltigen, gerichtsverwertbaren Beweise für eine ausländische Manipulation der US-Wahlen erbrachte (sondern einmal mehr die Erkenntnis, dass es dem Populisten Trump 2016 gelungen war, die Stimmung im US-Volke besser zu erfassen und für sich zu nutzen als seiner demokratischen Widersacherin), wurde Trump seit Ende 2019 erneut durch den Kakao gezogen und sogar mit einem am Ende erfolglosen Amtsenthebungsverfahren (Impeachment) bedacht. Grund: Er soll den ukrainischen Präsidenten Selenskyj im Juli 2019 während eines Telefonats um kompromittierendes Material gegen Joe Biden gebeten haben und als Druckmittel dafür 400 Millionen US-Dollar Militärhilfe der USA für die Ukraine (ein neutrales, mit der USA vertraglich nicht verbündetes Land) zurückgehalten haben. Worum geht es, und wer ist dieser Joe Biden? Biden war US-Vizepräsident unter Barack Obama und hat sich gerade in der Ukraine in zweifelhafter Weise betätigt. Zum einen war er 2014 zentral am vom Westen gesteuerten Umsturz, am Putsch gegen den gewählten Präsidenten Janukowitsch beteiligt, der auf illegale Weise zur Flucht gezwungen wurde. Seinerzeit hatten die vom Westblock finanzierten, monatelang in Kiew auf dem Maidan randalierenden Hooligans aus Lwiw (Lemberg) sehr glaubwürdige Todesdrohungen gegen ihn ausgesprochen. Zum anderen erhielt Bidens Sohn Hunter zur Belohnung (hony soit qui mal y pense) direkt nach dem Umsturz ein mit monatlich 50.000 US-Dollar dotiertes Aufsichtsratsmandat der ukrainischen Gasholding Burisma, das dieser erst 2019 aufgab, um seinen Vater im Wahlkampf 2020 von diesem Amtsmissbrauchsvorwurf zu entlasten.
Natürlich ging auch diese angebliche Affäre Trumps wie das Hornberger Schießen aus. Dennoch wird in den US-Medien behauptet, eine solche Manipulation des Wahlkampfs, wie sie Trump vorgehabt habe, sei beispiellos. Dabei muss man nur einige Jahrzehnte in der US-Geschichte zurückgehen (aber so weit reicht das Kurzzeitgedächtnis der Westblockmedien bekanntlich nur, wenn es den eigenen Interessen dient, nicht, wenn es um die Wahrheit geht), um auf einen deutlich massiveren Fall illegaler Absprachen im Rahmen einer US-Präsidentenwahl zu stoßen. 1980 führte Schauspieler Ronald Reagan für die Republikaner einen erbitterten Wahlkampf gegen den Demokraten Jimmy Carter, der zum Ende seiner ersten Wahlperiode vor der in der US-Geschichte eigentlich meist unproblematischen Wiederwahl für die zweite Amtsperiode stand, qua Amtsbonus als Wahlkampfvorteil. Doch die den etwas dümmlichen Reagan steuernden Republikaner konnten dennoch einen überraschenden Sieg erringen. Und zwar dank einer heimlichen Absprache mit den islamischen Revolutionären im Iran, die 1977 den Schah gestürzt und 1979 einige Dutzend Mitarbeiter der US-Botschaft in Teheran als Geiseln genommen hatten.
Carter hatte eine militärische Befreiungsaktion für die US-Geiseln genehmigt, die auf spektakuläre Weise – und möglicherweise absichtlich – scheiterte. Anschließend hielten die Islamisten in Absprache mit dem Wahlkampfteam Reagans für die Dauer des US-Präsidentenwahlkampfs die Geiseln weiter in Haft. Die misslungene Befreiungsaktion Eagle Claw (»Adlerklaue«) und die Tatsache, dass Carter nicht in der Lage war, die Geiseln auf anderem Weg zu befreien, sorgten für den beabsichtigten Stimmungsumschwung im Wahlvolk und sicherten Staatsschauspieler Reagan den Sieg. Die iranischen Islamisten ließen nach seinem Wahlsieg umgehend ihre Geiseln frei. Diese illegale Wahlkampfmanipulation legte im Folgenden die Grundlage für eine weit größere Spionageaffäre, auf die an anderer Stelle ausführlich eingegangen werden soll: die sogenannte Iran-Contra-Affäre. In diesem Zusammenhang wird von Historikern meist die Vorgeschichte übersehen beziehungsweise bewusst ausgeblendet, nämlich dass der vertraute Umgang Reagans mit den Islamisten seit der Geiselnahme und ihrer gezielten Beendigung nach der Wahlniederlage Carters erst das Geschäft Waffen gegen Geiseln möglich machte, das einige Jahre später aufflog und einen weiteren der vielen Schatten auf die Präsidentschaft Reagans warf. Carter wurde so der zehnte US-Präsident, der nach nur einer Wahlperiode sein Amt wieder verlor. Bush senior, George H. W. Bush, war dann der elfte, als er nach zwei Reagan-Amtszeiten und einer ersten eigenen Wahlperiode gegen Teflon-Boy Bill Clinton verlor. Was Bush Senior so wurmte, dass er im Jahr 2000 seinen Sohn in den Wahlkampf schickte, den dieser, George W. Bush, dann 2001 auch gewann.
Möglicherweise haben aber auch Sie sich gewundert, dass Anfang 2020 in der Medizinischen Hochschule Hannover (Universitätsklinik) knapp drei Wochen lang ein Mafiaboss aus Montenegro, dessen Name als Igor K. angegeben wurde, ob seiner bei heimatlichen Auseinandersetzungen erlittenen Schusswunden behandelt und das Krankenhaus während dieser Zeit mit einem massiven Polizeiaufgebot abgeriegelt wurde. Verweigerte die Polizei zunächst jegliche Auskunft über den Einsatz rund um das Krankenhaus, so sickerte anschließend durch, der Mafiaboss samt Ehefrau sei mit einem Privatflugzeug und in Begleitung von Beamten des Spezialeinsatzkommandos (SEK) nach Hannover gebracht worden. Flug- und Behandlungskosten in Höhe von über 100.000 Euro trug der reiche Mafioso angeblich selbst. Dabei wurde ihm auch ein künstliches Kniegelenk eingesetzt. Die Kosten für das Polizeiaufgebot in Höhe von rund einer Million Euro trug, so die letzte Auskunft, der deutsche Steuerzahler. Alle diese Informationen machen nur Sinn, wenn hier der BND seine Hand im Spiel hatte und somit der Mafiaboss, in welcher Form auch immer, zum lokalen Agentennetzwerk des BRD-Geheimdienstes zählte, was die Sonderbehandlung samt aufwendigster Schutzabschirmung erklären würde. Zwischenzeitlich sollte Igor K. in ein deutsches Gefängnis-Krankenhaus verlegt werden, was aber interessierte BRD-Regierungskreise zu verhindern wussten. Das niedersächsische Innenministerium verfügte Ende Februar 2020 zum großen Ärger des BND, der Mafioso habe die BRD nach erfolgter Behandlung umgehend zu verlassen, sonst werde er abgeschoben. Die Schusswunden soll der Mafioso übrigens im Zuge von Auseinandersetzungen der beiden im örtlichen Drogenhandel konkurrierenden Skaljari- und Kavac-Clans erlitten haben. In Montenegro, einem der Nachfolge-Staaten des vom Westblock erfolgreich desintegrierten Jugoslawiens, sind die westlichen Geheimdienste sehr präsent, um die noch schwankende Bevölkerung von den Vorteilen einer EU- und NATO-Mitgliedschaft und damit der Abkehr von Russland zu »überzeugen«. Und Drogenhandel zählt bekanntlich zu den beliebtesten Neben-Einnahmequellen von Geheimdiensten.
Es gäbe hier noch viel anzuführen, doch belassen wir es bei Obigem und wenden wir uns nun den 25 sehr unterschiedlichen Persönlichkeiten oder Personengruppen zu, die ich wegen ihrer herausragenden, auf spektakuläre Weise erfolgreichen oder erfolglosen Spionagetätigkeit für dieses Buch ausgewählt habe, um Ihnen einen repräsentativen Eindruck der mit nahezu endlosen Facetten ausgestatteten Spionageprofession zu vermitteln.
Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei der Lektüre!
Schöneck/Vogtland, im Sommer 2020
Johannes Seiffert
1. Alfred Redl Ein »Jahrhundertverräter«?
Überdurchschnittlich intelligent, schneidig, Absolvent der kaiserlichen Kadettenschule, Karriereoffizier, dreisprachig, homosexuell: Alfred Redl (1864–1913) war das, was man im Wien der Jahrhundertwende einen »Feschak« nannte. Ein hübscher Bursche, dem die Herzen zuflogen, der das Leben in vollen Zügen genoss, sein Schwulsein aber wegen der rigiden Gesetze nur illegal im Rotlichtmilieu ausleben konnte. Das alles wäre noch kein Grund, ihn in die Annalen der legendären Spionagefälle aufzunehmen, wäre da nicht seine langjährige Tätigkeit für den Armeegeheimdienst Österreichs und das unrühmliche Ende seiner Karriere. Als hoher Offizier in der Russland-Abteilung des Evidenzbüros stellte Redl mitsamt seinen »menschlichen Schwächen« eine ideale Zielperson für die Anwerber des zaristisch-russischen Geheimdienstes Ochrana in Wien dar. Beschäftigt war Redl mit dem Sammeln und Auswerten von Informationen über den »Feind im Osten«, aber auch mit verdeckten Aktionen Richtung Russland. Die russischen Werber waren bereit, für valide Informationen reichlich Geld zu bezahlen. Und Redl benötigte viel davon für seinen aufwendigen Lebensstil. Die Falle schnappte nur allzu bald zu.
Doch zunächst zur Vorgeschichte. Redl stammte aus Lemberg, der Hauptstadt des österreichischen Kronlands Galizien (Lwiw in der heutigen Ukraine), und war der Sohn eines Berufsoffiziers der k. u. k. Armee. Vater Redl erzog seine Kinder konsequent dreisprachig − polnisch, ukrainisch und deutsch. Redl lernte später noch Tschechisch und Französisch. Mit 17 Jahren trat er in eine kaiserliche Kadettenschule ein. Nach zwei Jahren Ausbildung verließ der 19-jährige Redl die Schule 1883 als Kadett-Offi-ziersstellvertreter mit sehr guten Noten. Im heimatlichen Lemberg avancierte er in den nächsten vier Jahren zum Leutnant. 1887 bewarb er sich 23-jährig in der »Reichshauptstadt« Wien um die Zulassung zur k. u. k. »Kriegsschule« in der Lehárgasse 4 im 6. Gemeindebezirk. Hier wurden Offiziere für den Generalstabsdienst, die Spitze der militärischen Karriereleiter, ausgebildet. Als einer von fünfundzwanzig Offizieren des gesamten k. u. k. Reichs wurde Redl 1894 zum Generalstab versetzt. Zwischendurch musste sich der Lebemann wegen einer syphilitischen Erkrankung ärztlich behandeln lassen. Redl wurde nun zum Eisenbahnbüro des Generalstabs abkommandiert, wo man gegnerische Transport- und Aufmarschplanungen auskundschaftete beziehungsweise aufklärte. Dies war hinsichtlich Russlands von besonderer Bedeutung, unterlagen Landkarten im Zarenreich doch strikter Geheimhaltung, so dass man den Verlauf von Bahnstrecken vielfach nur durch persönliches Bereisen feststellen konnte. 1899 wurde der 35-jährige Redl zu einem »Sprachkurs« nach Russland geschickt. Üblicherweise waren solche Aufenthalte auch mit Aufklärungs- beziehungsweise Spionageaufträgen verbunden. Im ostrussischen Kasan konnte sich Redl während des einjährigen Aufenthalts (Mai 1899 bis Mai 1900) auf diese Weise ...

Table of contents