PLĂDOYER FĂR WALDKINDERGĂRTEN ALS KOMMUNALE INFRASTRUKTUR
Die WaldkindergĂ€rten sind entstanden, weil es engagierte Menschen gab, die fĂŒr ihre Kinder ein alternatives Betreuungskonzept haben wollten. Manche Eltern verstanden das auch als Kritik an dem bestehenden System, andere Eltern wiederum waren und sind in erster Linie der Ăberzeugung, dass Kinder in der Natur aufwachsen sollten. In der Kinderliteratur, die von vielen sehr geschĂ€tzt wird, finden sich hier Vorbilder. Man denke beispielsweise an das Buch Die Kinder aus BullerbĂŒ von Astrid Lindgren, in dem ein unbeschwertes Aufwachsen im engen Kontakt mit der Natur beschrieben wird. Diese Beschreibungen verbinden wir natĂŒrlich mit WaldkindergĂ€rten.
Der Kindergarten ist inzwischen in Deutschland mit einer weiteren Funktion versehen worden, nĂ€mlich, dass Eltern arbeiten gehen können in der Gewissheit, dass ihre Kinder in der Zeit gut betreut werden. Damit steigen auch die Anforderungen an einen Kindergarten. Dies hat damit zu tun, dass die Gesellschaft von staatlichen Institutionen erwartet, dass diese ihnen einen möglichst hohen Schutz bieten. Kindheit bedeutet aber auch, Risiken einzugehen und etwas auszuprobieren. Dies ist natĂŒrlich im Waldkindergarten ein interessanter Widerspruch. Auf der einen Seite sind zunehmend steigende Sicherheitsauflagen festzustellen und auf der anderen Seite sind in dieser Einrichtungsform die âGefahrenâ per se deutlich höher.
FĂŒr eine Elterninitiative ist es gar nicht mehr so leicht, einen Kindergarten am Leben zu erhalten oder gar zu grĂŒnden. Aufgrund der BerufstĂ€tigkeit der Eltern fehlt ihnen vielfach die Zeit, die TrĂ€gerarbeiten zu ĂŒbernehmen. Hinzu kommt die Aufgabe, sich in den ganzen Vorschriften auszukennen, was oft nicht mehr geleistet werden kann. Denn Vorschriften gibt es auch im Waldkindergarten viele. Diese sind wiederum von Bauamt zu Bauamt unterschiedlich. In Land- oder Stadtkreisen, die viele WaldkindergĂ€rten haben, hat sich natĂŒrlich Erfahrungswissen gebildet. Man kommt immer mehr zu einer Normierung. Das Landesgesundheitsamt Baden-WĂŒrttemberg hat eigene Hygiene-Richtlinien fĂŒr solche Einrichtungen erlassen. Auch die ForstĂ€mter beschĂ€ftigen sich zunehmend damit. Ich möchte an dieser Stelle nicht so sehr ins Detail gehen, aber jede KindertagesstĂ€tte braucht eine Betriebserlaubnis. DafĂŒr gibt es in jedem Bundesland unterschiedliche Anforderungen. Aber immer ist eine Baugenehmigung notwendig, weil eine Unterkunft benötigt wird. Und damit sind wir schon in den Wirren der Gesetze und Verordnungen. Diese sollen ĂŒberhaupt nicht in Frage gestellt werden, wenngleich man sich manchmal ĂŒber die ein oder andere Vorschrift wundert. Die Logik des jeweiligen Fachamtes, wenn man sich mit den zustĂ€ndigen Sachbearbeiter*innen unterhĂ€lt, kann meist durchaus nachvollzogen werden. Doch mitunter gibt es auch einen Interessenkonflikt zwischen einer guten Entwicklung der Kinder und den SicherheitsbedĂŒrfnissen der Verwaltungen.
Auch eine Ganztagsbetreuung ist möglich, hier werden aber RuheplÀtze dringend gebraucht. Der Tag im Wald ist anstrengend. Fotos: Archiv Postillion e. V.
Wer also einen guten Waldkindergarten möchte, benötigt verlĂ€ssliche TrĂ€gerstrukturen, mit einer entsprechenden finanziellen Ausstattung, um die PersonalkontinuitĂ€t zu gewĂ€hrleisten. Die FachkrĂ€fte sollten nach Tarif bezahlt werden, möglichst nicht nach einem Haustarifvertrag, sondern nach dem Tarifvertrag des Ăffentlichen Dienstes, um Abwanderungen von Mitarbeiter*innen zu verhindern. Eine KontinuitĂ€t der Mitarbeiter*innen ist wichtig.
Jedes Kind hat einen Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz. So ist es im Kinder- und Jugendhilfegesetz als Bundesgesetz formuliert. Die LĂ€nder haben entsprechende Möglichkeiten, dies auszugestalten. Daher macht es Sinn, WaldkindergĂ€rten finanziell ĂŒber die Kommune auszustatten, dass sie als ebenbĂŒrtige Einrichtungsform neben den HauskindergĂ€rten existieren können. Dennoch wird es natĂŒrlich ein Nischenprodukt bleiben. Wir werden gerade im stĂ€dtischen Raum kaum so viele FlĂ€chen bekommen, dass wir alle Kinder in die WĂ€lder stecken können. Hinzu kommt, dass das natĂŒrlich auch fĂŒr die WĂ€lder und die Tierwelt eine Einengung des verbleibenden Lebensraums bedeuten wĂŒrde. Denn ein Waldkindergarten kann sich bemĂŒhen, im Einklang mit der Natur zu leben, gleichzeitig wird er aber immer auch ein Störenfried in einem Wald sein.
Dennoch können fĂŒr Kommunen die WaldkindergĂ€rten eine hervorragende Perspektive bilden. Der Neubau eines Kindergartens kostet zusĂ€tzlich Geld und bedeutet FlĂ€chenverbrauch. Das fĂ€llt bei einem Waldkindergarten weg. Die Einrichtung eines Waldkindergartens wird immer dann interessant sein, wenn zusĂ€tzliche PlĂ€tze benötigt werden.
Bei einem Waldkindergarten ist neben dem GelĂ€nde und den PĂ€dagog*innen auch der jeweilige KindergartentrĂ€ger von Bedeutung. Es gibt kommunale TrĂ€gerschaften, das heiĂt, in diesem Fall ist die jeweilige Kommune direkt verantwortlich und die Mitarbeiter*innen sind auch bei der Kommune angestellt. Es gibt darĂŒber hinaus aber auch viele kirchliche KindergĂ€rten und andere freie TrĂ€ger. Inzwischen haben einige Kirchengemeinden oder kirchliche WohlfahrtsverbĂ€nde den Waldkindergarten fĂŒr sich entdeckt, in Niedersachsen gibt es auch einen Waldkindergarten des Bundes fĂŒr Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND).
Der TrĂ€ger hat die Aufgabe, die nötigen Ressourcen zur VerfĂŒgung zu stellen. Dazu gehören: Personal, Geld und Verwaltung. Der TrĂ€ger muss aber auch dafĂŒr Sorge tragen, dass das Team arbeitsfĂ€hig bleibt, gerade dann, wenn es mal Schwierigkeiten gibt, wie zum Beispiel Konflikte mit Eltern, Ăberforderung mit einzelnen Kindern, Schwierigkeiten in Gruppenkontexten oder Konflikte innerhalb eines Teams. Das ist nicht unbedingt zu vermeiden, denn in der Erziehung gibt es kein klares richtig und falsch wie bei einem LokfĂŒhrer, der extrem wenig Spielraum hat, wie er seinen Zug von Bahnhof zu Bahnhof fĂ€hrt. In der Erziehung gibt es viele Wege. Es wird von unserer Herkunft geprĂ€gt, was wir in der Erziehung fĂŒr wichtig und weniger wichtig halten. Daher kann man sich gut vorstellen, dass es immer ein Aushandlungsprozess ist, wie Erziehung in einem Kindergarten stattfindet. Zugegeben: Dies ist kein Spezifikum des Waldkindergartens.
Durch die Zunahme der WaldkindergĂ€rten mĂŒssen wir uns aber auch die Frage stellen, ob diese Form der Kindertagesbetreuung auf Kosten der Natur geht: die Verdichtung des Bodens im Bereich der Kernzone des Kindergartens, die Bedrohung, Zerstörung von Tieren und Pflanzen ⊠Im Waldkindergarten âlernen die Kinder einen verantwortungsbewussten Umgang mit der Naturâ, betont dagegen Anne Lier. âDurch die empfohlene Zusammenarbeit mit dem Förster sind die Regeln und VorsichtsmaĂnahmen im Wald zum Schutz der dortigen Tiere und Pflanzen den Kindern und Erzieher*innen bewusst. Auch hinterlĂ€sst der Natur- und Waldkindergarten keinen MĂŒll, da so...