Interkulturelle Kompetenz bei der Feuerwehr
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Interkulturelle Kompetenz bei der Feuerwehr

Herausforderungen und Perspektiven

Alexander Scheitza

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Interkulturelle Kompetenz bei der Feuerwehr

Herausforderungen und Perspektiven

Alexander Scheitza

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In einer kulturell immer vielfältigeren Gesellschaft ist Interkulturelle Kompetenz auch für die Feuerwehr eine Schlüsselqualifikation. Sie ist Voraussetzung für erfolgreiches Handeln in vielen Einsatzsituationen und hilft, Mitglieder aus anderen Bevölkerungsgruppen zu gewinnen und zu integrieren. Das Buch untersucht die interkulturellen Herausforderungen der Feuerwehr. Es zeigt auf, wie sich die Feuerwehr interkulturell weiter öffnen kann und wie die interkulturellen Kompetenzen von Angehörigen der Feuerwehr weiter entwickelt werden können.

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Information

Year
2021
ISBN
9783170359055

[14]1 Eine kurze Kulturgeschichte der deutschen Feuerwehr

Rolf Schamberger

1.1 Interkulturelle Wurzeln

Der 1818 in Heidelberg geborene Carl Metz gilt zu Recht als der führende Pionier in der Entwicklung des von Südwestdeutschland ausgehenden freiwilligen Feuerwehrwesens in Deutschland. Der in Mannheim ausgebildete Mechaniker kehrt nach Wanderjahren im französischen Elsass 1840 zurück in seine Heimat und beginnt seine berufliche Laufbahn als Werkführer in der seit 1838 bestehenden Betriebswerkstätte der Badischen Staatsbahn in Heidelberg (vgl. Feuerwehrverband BW (Hrsg.), 2018). Bereits zwei Jahre später gründet Metz in der Stadtmitte Heidelbergs seine eigene Fabrik, in der er bald auch kleinere Löschgeräte produziert. Die Spezialisierung auf Löschgeräte geschieht vermutlich aufgrund des Hamburger Brandes vom 5. bis zum 8. Mai 1842, einer Katastrophe, wie sie sich in deutschen Städten in diesem Umfang seit dem Dreißigjährigen Krieg nicht mehr ereignet hat. Der, ungeachtet einer vorhandenen Löschmannschaft, auswärtiger Hilfe und Sprengversuchen unter Artillerieeinsatz über Tage hinweg nicht eindämmbare Brand führt vor Augen, wie hoch und dringend der Reformbedarf hin zu einer effektiven Methodik der aktiven Brandbekämpfung ist. Heinrich Heine bringt es 1844 rückblickend in seinem Gedicht »Deutschland ein Wintermärchen« auf den Punkt:
»Baut eure Häuser wieder auf, Und trocknet eure Pfützen, Und schafft euch bessere Gesetze an, Und bessere Feuerspritzen!«
Der Weg von den städtischen Löschmannschaften, Rettungs- und Löschgesellschaften, oder wie sie sich auch immer nennen, hin zu einer effektiven Feuerwehr, die als Ausbildungs-, Ausrüstungs- und Organisationssystem in der Lage ist, dem überfallartig auftretenden Brand ebenso überfallartig entgegenzutreten, basiert in den deutschen Landen auf einem interkulturellen Transfer. Am 1. Juli 1810 endet der Ball anlässlich der Hochzeit des französischen Kaisers Napoleon Bonaparte mit der österreichischen Prinzessin Marie-Louise mit einem verheerenden Brand, dem über 20 Menschen zum Opfer fallen (manche Quellen sprechen von bis zu 90!). Dies schockiert Bonaparte derart, dass er das Pariser Pompier-Corps straff unter energi[15]scher Kommandoführung als vollständig militärische Formation reorganisiert. Carl Metz kopiert später nicht nur die technische Ausrüstung der Franzosen, sondern ebenso die Organisation der Brandbekämpfung. Gemeinsam mit dem Stadtbaumeister Christian Hengst aus Durlach formt er 1846 die älteste Feuerwehr Deutschlands: das Durlacher Pompier-Corps. Der französische Name Pompier-Corps weist augenscheinlich auf den Ideen- bzw. Impulsgeber hin (vgl. Schunck, 1996).
Der heute gebräuchliche Name »Feuerwehr« ist erstmals in der Karlsruher Zeitung No. 318 vom 19. November 1847 nachweisbar. Was ist geschehen? Am 28. Februar 1847 ist im Hoftheater in Karlsruhe ein verheerender Brand ausgebrochen, der die städtischen Löschanstalten völlig überfordert. In überörtlicher Hilfeleistung rückt nur 36 Minuten später das zitierte Pompier-Corps aus dem benachbarten Durlach an und löscht mit seinem eingeübten Personal den Brand fachmännisch (vgl. Strumpf, o. J.). Der grundlegende Unterschied zur Herangehensweise der üblichen städtischen Löschanstalten liegt augenscheinlich im direkten (Lösch-)Angriff des eigentlichen Brandherdes und nicht in der (Lösch-)Verteidigung der umliegenden Gebäude. Diese, aus dem militärischen Sprachgebrauch entnommene Ausdrucksweise, schlägt sich auch in der, an den Begriff »Bürgerwehr« erinnernden, neuen Namensgebung Feuerwehr nieder.

1.2 Revolutionärer Geist

Während sich das Durlacher Pompier-Corps noch nicht aus vorwiegend Freiwilligen rekrutiert, so wird hingegen noch 1847 in Karlsruhe die erste tatsächlich »Freiwillige Feuerwehr« gegründet. Vom südwestdeutschen Raum ausgehend setzt sich in den kommenden Jahrzehnten das auf Vereinsbasis organisierte Freiwillige Feuerwehrwesen nun sukzessive in den anderen deutschen Ländern durch, sofern die dortige Obrigkeit dieses aus Angst vor dem revolutionären Gedankengut, welches vielen frühen Feuerwehren innewohnt, nicht explizit verhindert. Ursache hierfür ist das Engagement vieler (meist temporär verbotener) Turnvereine, die sich in den Befreiungskriegen gegen Napoleon gebildet hatten, in dieser neuen Form des auf örtlicher Ebene organisierten aktiven Brandschutzes (vgl. Internationale Arbeitsgemeinschaft für Feuerwehr- und Brandschutzgeschichte im CTIF (Hrsg.), 2011). Heutzutage würde man von einer basisdemokratischen Bürgerbewegung sprechen. Der Geist dieser frühen Jahre wird in Bild 1 in der Lässigkeit der Selbstdarstellung erkennbar. Das revolutionäre Potenzial der frühen (südwest-)deutschen Feuerwehren ist im Rahmen der durch die preußische Armee vorgenommenen Beschießung von Stützpunkten der republikanischen Truppen in Folge der bürgerlichen Revolution doku[16]mentiert, denn es will dort einfach nicht brennen! »Erst nach deren Besetzung löst sich das Rätsel: die überall eingeführten Freiwilligen Feuerwehren haben dem Artilleriebeschuss entgegengewirkt. Beeindruckt lässt sich Kronprinz Wilhelm (später Kaiser Wilhelm I.) vom Fabrikanten Metz informieren […].« (Strumpf, o. J., S. 18).
Bild 1: Die Feuerwehr Lemgo 1889 (Quelle: Archiv Freiwillige Feuerwehr/Alte Hansestadt Lemgo)
Bild 1: Die Feuerwehr Lemgo 1889 (Quelle: Archiv Freiwillige Feuerwehr/Alte Hansestadt Lemgo) [zurück]
Das Misstrauen gegenüber den mit der liberalen bürgerlich-demokratischen Unabhängigkeitserhebung von 1848/49 sympathisierenden Freiwilligen führt letztendlich in der preußischen Residenzstadt Berlin 1851 zur Gründung der ersten bezahlten Berufsfeuerwehr unter Aufsicht des Generalpolizeidirektors Karl Ludwig Friedrich von Hinkeldey (*1805), der in seiner Funktion auch jeglichen demokratisch-revolutionären Kräften entschieden entgegentreten muss. Der 1811 geborene Ludwig Carl Scabell wird zum Königlichen Branddirektor ernannt und als solcher mit der Umsetzung dieser Aufgabe betraut.
Währenddessen nimmt der Heidelberger Fabrikbesitzer Carl Metz häufig die Gelegenheit wahr, im Rahmen von Turnfesten einem überregionalen Publikum seine »High-Tech-Produkte« der Brandbekämpfung vorzuführen. Dabei informiert er auch mit Hilfe von Flugblättern über die zweckmäßige Ausrüstung, die militärische [17]Ausbildung an den Geräten und die rechtlich-normative Organisation Freiwilliger Feuerwehren. Dieses Engagement trägt einerseits Carl Metz den berechtigten Beinamen »Vater der deutschen Feuerwehren« ein und fördert andererseits auch den Umsatz seiner Fabrik.

1.3 Ausbreitung und Vielfalt

Mitte des 19. Jh. entspricht die territoriale Gliederung der deutschen Lande noch immer einem Flickenteppich von zum Teil Klein- und Kleinststaaten mit unterschiedlichen Verwaltungsgrundlagen. Selbst innerhalb eines mit knapp 20.000 km2 eher kleinen Königreichs wie Württemberg wird es 1853 für Conrad Dietrich Magirus (erster Turnwart im Ulmer Turnerbund, Kommandant der von ihm gegründeten Steigerkompagnie und später Kommandant der FF Ulm, späterer Feuerwehrfabrikant und Fachbuchautor) ein nicht unerheblicher Aufwand sein, die Kommandanten von zehn Feuerwehren zu einem ersten Gedankenaustausch nach Plochingen ins Gasthaus zum Waldhorn einzuladen. Diese Tagesveranstaltung endet u. a. bereits mit einer gemeinsamen Eingabe an gesetzgeberische Staatsorgane und einer Absichtserklärung der Ausdehnung über die Landesgrenzen hinaus (vgl. Schamberger, 2003).
Der Leitartikel der Erstausgabe der ersten deutschen Feuerwehrfachzeitschrift befasst sich mit dem 4. Deutschen Feuerwehrtag im großherzoglich-hessischen Mainz, dem ersten Feuerwehrtag außerhalb des Großherzogtums Baden und des Königreichs Württemberg. Dort treten Unterschiede zwischen den Anwesenden (vertreten sind 45 Feuerwehren) offen zu Tage. Da ist zum einen die Diskrepanz zwischen einem liberal-konstitutionellen Bürgertum und den im radikaldemokratischen Gedankengut der Revolution von 1848/49 verhafteten Pompiers aus den Reihen der Arbeiter. Zum anderen spielen Ängste von Feuerwehrvertretern aus vermögenden Bürgerschichten eine Rolle, die den Fortbestand ihrer Institution einer Freiwilligen Feuerwehr durch wie auch immer – und sei es nur zum Teil besoldete – Pompier-Corps gefährdet sehen.
Die Bildung von Landes- und Kreisverbänden ist bereits 1862 beim 5. Deutschen Feuerwehrtag in Augsburg beschlossen und in der Folge auch zügig umgesetzt worden; anwesend sind bereits Vertreter von 135 Feuerwehren. Die Gründung des wilhelminischen Kaiserreichs mit der Proklamation des preußischen Königs Wilhelm zum deutschen Kaiser am 18. Januar 1871 zieht auch eine Gründungswelle Freiwilliger Feuerwehren nach sich, die jedoch in den einzelnen Ländern unterschiedlich stark ausfällt. Das Engagement der jeweiligen Regierung ist hier sehr ausschlaggebend, was besonders im Königreich Bayern ablesbar ist. Hierzu hebt C. D. Magirus [18]hervor: »Nachdem in Bayern die K. Bezirksämter wiederholt angewiesen worden waren, die Gründung von Feuerwehren zu fördern, entwickelten dieselben eine äußerst wirksame und erfolgreiche Tätigkeit.« (Magirus, 1877, S. 65).
Wie vorsichtig man bei pauschalisierenden Betrachtungen sein muss, zeigt dagegen eine nur wenige Zeilen später festgehaltene Beobachtung: »So lange der Reiz der Neuheit mitwirkte, stand der freiwilligen Feuerwehr alles zur Verfügung. Im Laufe der Jahre aber hat die anfängliche Opferwilligkeit da und dort, besonders in kleinen Orten, so abgenommen, dass man wieder zu Pflichtfeuerwehren greifen musste.«
Auf den Mangel von Einsatzkräften ist auch die Gründung einer der ältesten deutschen Jugendfeuerwehren zurückzuführen, nämlich 1882 in Oevenum auf der Nordseeinsel Föhr. Letztere stellt jedoch keine Organisation der Jugendpflege dar, sondern eine Einsatzabteilung, auf die zurückgegriffen werden muss, wenn die erwachsenen Männer auf See sind (vgl. Ladwig, 1986).

1.4 Die Kaiserzeit: Militarisierung und Corpsgeist

Zu dem mit der Reichsgründung 1871 einsetzenden gesellschaftlichen Wandel konstatiert C. D. Magirus, quasi als prominenter Zeitzeuge aus den Reihen der Feuerwehren, wenig später: »Gegen den Uniformrock mit blanken Knöpfen herrschte damals [d. h. um 1850] eine allgemeine Abneigung […]. Der Bürgerstand hatte eine ausgesprochene Antipathie gegen alles Militärwesen, er wollte keinen Soldatenrock tragen. In diesen Anschauungen hat sich inzwischen ein solcher Umschwung vollzogen, dass mancher jüngere Leser zu obiger Behauptung vielleicht den Kopf schütteln wird.« (Magirus, 1877, S. 59 ff.)
Empfindet der biedermeierliche Bürger das Militär zurecht als ein Unterdrückungsinstrument einer autoritären Obrigkeit, von deren Kriegen er – mit Ausnahme der wirtschaftlich profitierenden Kriegsgewinnler – ohne persönlichen Nutzen die Lasten zu tragen hat, so wandelt sich der Stellenwert des Militärs innerhalb einer Generation grundlegend. Tobias Engelsing beschreibt diesen Prozess einer sozialen Militarisierung: »Die Hochschätzung militärischer Umgangsformen, die Bedeutung militärischer Ränge (›Reserve-Offizier‹-Titel), der Ehrenkodex der Armee und andere Charakteristika des seit dem Deutsch-Französischen Krieg mit einem beispiellosen Ansehen ausgestatteten Militärs prägten das Bewusstsein auch der bürgerlichen Schichten.« (Engelsing, 1999, S. 60).
So erstaunt es nicht, dass sich die Feuerwehren nach dem derzeitigen Kenntnisstand der allgemeinen Militarisierung der Gesellschaft nicht entziehen, sondern, [19]dem Zeitgeist entsprechend, dieser Strömung öffnen. Dementsprechend tritt vielerorts sukzessive ein Corpsgeist in den Vordergrund, der die demokratischen Wurzeln eher in den Hintergrund treten lässt. Auch in der Selbstinszenierung der Feuerwehr tritt das deutlich zu Tage (siehe Bild 2).
Bild 2: Die Feuerwehr Lemgo 1925 (Quelle: Archiv Freiwillige Feuerwehr/Alte Hansestadt Lemgo)
Bild 2: Die Feuerwehr Lemgo 1925 (Quelle: Archiv Freiwillige Feuerwehr/Alte Hansestadt Lemgo) [zurück]
Hatte man Christian Hengst in Durlach noch 1846 bei seinen Übungen mit spöttischem Unterton »Soldatenspielerei« zum Vorwurf gemacht, so wird jetzt das im Rahmen der Ausbildung und im E...

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