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VORWORT
Oft sind sie immer noch eine Quelle des Staunens für die heutigen westlichen Zivilisationen, die technischen Fähigkeiten längst vergangener Kulturen, ihre Architektur, ihre Transportsysteme und ihre Astronomie. Dabei wird dieses Wissen seit einigen Jahren auch durch Fernsehsendungen etwa des History Channel oder Discovery Channel zumindest teilweise allgemein verbreitet, und es werden dem modernen Menschen archäologische Entdeckungen nahegebracht, die ein neues Verständnis antiker Geschichte bewirken, ob nun in Bezug auf die ägyptischen Pyramiden und den Mayakalender oder hinsichtlich der Funde von Dokumenten und Aufzeichnungen überall auf der Welt – darunter nicht zuletzt die sumerischen Keilschrifttafeln. Dennoch dringt dieses verlorene Wissen nur langsam in das allgemeine Bewusstsein ein. Eine unverzichtbare Hilfe ist die Arbeit unabhängiger Archäologen und ihre ständige Suche nach Artefakten, die uns beim Entziffern der alten Sprachen der mesopotamischen Region helfen können.
Gerade in jüngster Zeit ist aufgedeckt worden, dass viele schriftlich dokumentierte historische Tatsachen in der kanonischen Bibel entweder falsch interpretiert oder überhaupt nicht erwähnt wurden. Der Vergleich von neu entdeckten Schriften wie dem Buch Henoch, den Evangelien von Nag Hammadi, dem Buch der Jubiläen und anderen historischen Texten mit bekannten Dokumenten rüttelt uns auf, und wir sehen uns gezwungen, die allgemeinen Glaubenssätze unserer modernen westlichen Kultur zu überdenken.
Uralte Schriften, die nichts mit der kanonischen Bibel zu tun haben, beispielsweise Schriftrollen, die in abgelegenen Höhlen versteckt wurden, oder Keilschrifttafeln, die unvorstellbar lange Zeit vom Wüstensand vergraben waren, erweitern unser Wissen über die wahre Geschichte des Nahen Ostens. Genauso wie in Vergessenheit geratene Tempel, die perfekt nach dem Lauf der Sonne, den Sonnwenden und Tagundnachtgleichen ausgerichtet waren, auf den verlassenen Ebenen Mesopotamiens darauf warteten, von uns wiederentdeckt zu werden. Viele der genannten Schriften sind Jahrtausende älter als die kanonische Bibel und werfen ein ganz neues Licht auf die Ursprünge der in der Bibel erzählten Geschichten, die einen so großen Einfluss auf das westliche Denken ausgeübt haben.
Würde es die Leser zum Beispiel überraschen zu erfahren, dass Noah, der Held der Sintflut, ein sumerischer König und Herrscher der Stadt Schuruppak war? Er war ziemlich gebildet und schrieb selbst einen Bericht über die Zeit, in der er lebte. Das Gilgamesch-Epos, eine der längsten Geschichten über Gilgamesch, den König der sumerischen Stadt Uruk, berichtet, dass Gilgamesch seinen Amtskollegen Noah besuchte und mit ihm ein langes Gespräch über ihre gemeinsamen Anliegen führte. Auch der biblische Stammvater Abraham kam aus dem Land der Sumerer, und zwar aus dem südlichsten Teil Mesopotamiens, dem Gebiet zwischen den Flüssen Euphrat und Tigris. Abraham hieß ursprünglich Abram und benannte sich in Abraham um, nachdem er mit Gott einen Pakt geschlossen hatte. Erinnern Sie sich noch daran, wie Gott in der Genesis, dem 1. Buch Mose, zu Abram spricht?
Genesis 12:1-4 (Deutsche Einheitsübersetzung)
»Zieh weg aus deinem Land, von deiner Verwandtschaft und aus deinem Vaterhaus in das Land, das ich dir zeigen werde. Ich werde dich zu einem großen Volk machen, dich segnen und deinen Namen groß machen. Ein Segen sollst du sein. Ich will segnen, die dich segnen; wer dich verwünscht, die werde ich verfluchen. Durch dich sollen alle Geschlechter der Erde Segen erlangen.«
Abram befand sich in der sumerischen Stadt Haran, als er Gottes Ruf empfing, in das Land Kanaan zu gehen. Er wurde etwa 1433 v. Chr. in der sumerischen Stadt Ur geboren. Sein Vater Terah war Kunsthandwerker und Priester im örtlichen Tempel. Abrams Brüder Nabor und Haran wohnten ebenfalls in Ur [40]. Wir begegnen Abraham in der Stadt Haran, wo er sich darauf vorbereitet, nach Kanaan aufzubrechen, wie in Genesis 15:7 beschrieben wird.
Genesis 15:7 (Deutsche Einheitsübersetzung)
»Ich bin der Herr, der dich aus Ur in Chaldäa herausgeführt hat, um dir dieses Land zu eigen zu geben.«
War der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs nicht der Gott der Israeliten aus dem Alten Testament? Das war er durchaus, doch abgesehen von seinen biblischen Namen wie Jehova, Jahwe oder El Schaddai hatte der Gott Abrahams in Sumer noch einen weiteren Namen, nämlich denjenigen, unter dem er in der Stadt Ur in seinem Tempel bekannt war.
Laut den Keilschrifttafeln aus Ur und vielen anderen vor- und nachsintflutlichen Städten an den Ufern von Euphrat und Tigris, wie Sippar und Ninive, hatte dieser Gott Geschwister, die in Mesopotamien und den umliegenden Regionen ebenfalls als Götter angebetet wurden. Der Name von Abrahams Gott wird in anderen wichtigen Dokumenten aus demselben Gebiet und derselben Zeit ebenfalls erwähnt – im Atrahasis, im Enuma Elisch und im Gilgamesch-Epos. Abraham und Noah pflegten auch mit den anderen Gottheiten engen Kontakt. Wer aber waren sie, und wie können wir herausbekommen, ob sie wirklich existiert haben? Und wie sollen wir die Tatsache verstehen, dass der Gott Abrahams offenbar eine Vorgeschichte als sumerische Gottheit hatte und dass ihm in der chaldäischen Stadt Ur ein Tempel geweiht war?
Dahinter verbirgt sich ein Geheimnis unserer jüngeren Kirchengeschichte. Im Jahr 343 n. Chr. legte das Konzil von Nizäa nicht nur die endgültige Form der kanonischen Bibel fest, sondern unterzeichnete außerdem einen Erlass, demzufolge die Finanzierung archäologischer Forschungen einer strengen Kontrolle durch die damaligen Kirchenführer unterlag, besonders jener der römisch-katholischen Kirche. Sie verfolgten die Politik, nur solche archäologischen Expeditionen zu finanzieren, die die Geschichten in der soeben besiegelten Bibel vermutlich bestätigen würden. Dennoch entrissen unabhängige, neugierige Wahrheitssucher im Laufe der Zeit vielen versteckten Büchern, heimlich gehüteten Artefakten, Kodizes, Rollzylindern und sumerischen Keilschrifttafeln ihr verborgenes Wissen.
In diesem Zusammenhang sei ein wahrhaft heroischer Mann erwähnt: Sir Henry Rawlinson. Er entdeckte im Jahr 1835 in Behistun im heutigen Iran, etwa 520 Meter über dem Wüstenboden, einen in ein Felsmassiv eingemeißelten Bericht, der als »Markersäule von Behistun« bekannt wurde. Der persische Großkönig Darius I., der von 522-486 v. Chr. lebte, hatte ihn einst in Auftrag gegeben. In drei Sprachen berichtet der Text von der Unterwerfung diverser Rivalen, die versucht hatten, seinen Thron zu usurpieren. Sir Rawlinson kopierte die merkwürdigen, in die steile Felswand eingemeißelten Keilschriften und stiftete sie, nachdem er sie in langwieriger Arbeit entziffert hatte, dem Britischen Museum. Dank seiner Bemühungen war es fortan möglich, Altpersisch, Elamitisch und Akkadisch zu übersetzen. Und diese Kenntnisse führten schließlich zur Wiederentdeckung der unter dem Wüstensand verborgenen mesopotamischen Städte im heutigen Irak.
Eine neuerliche Analyse von Originalschriften und anderen Hinterlassenschaften der Ägypter, Sumerer und frühchristlichen Kirchenväter zeigt nun viele historische Wahrheiten in einem ganz anderen Licht, und die Fakten wirken manchmal befremdlicher als die wildeste Fantasie. Auch Entdeckungen in den antiken mesopotamischen Städten, von Ninive bis zur südlichsten Stadt Eridu, haben unzählige Geheimnisse gelüftet, von denen viele im vorliegenden Buch erörtert werden.
Der Vergangenheit konnten die verschiedensten Hinweise entrissen und für jeden offen dargelegt werden – dank des Einsatzes, der Mühe und des Schweißes früher Pioniere der Forschung. Jetzt ist es an uns heutigen Menschen, einen neuen Blick auf die geschichtlichen Aufzeichnungen der Historiker und Schriftgelehrten der Vergangenheit zu werfen – eine große Verantwortung, denn immerhin wurde auf der Grundlage dieser Schriften einst das Buch Genesis abgefasst, das bisherige Fundament unserer westlichen Zivilisation.
Aber wie wir wissen, wurden historische Texte immer im Sinne der Sieger abgefasst, wobei der Wahrheit nur allzu oft zu Gunsten der herrschenden Macht eine Nebenrolle zugewiesen wurde. Dazu kamen würdelose Handlungen, wie zum Beispiel das Wegmeißeln von hieroglyphischen, im Stein festgehaltenen Hinweisen oder die pauschale Zusammenfassung von Namen und Rängen rivalisierender Gottheiten bis hin zur Verwendung von Decknamen. All dies trug dazu bei, die Wahrheit zu verschleiern.
Aufgrund der Unzuverlässigkeit aller scheinbaren historischen Genauigkeit delegierte man die Verantwortung für die Bewahrung der Wahrheit an höhergestellte Autoritäten, insbesondere an Schriftgelehrte und Priester. Da die Mehrheit der Bevölkerung früher des Lesens ohnehin nicht kundig war, war dies mühelos möglich. Meist waren Schriftgelehrte und Priester die einzigen, die in den linguistischen Künsten ausgebildet waren, und so gestalteten sie die ganze Weltgeschichte hindurch das Rohmaterial der Wahrheit. Schriften wie das Buch Henoch, das die Wahrheit aus erster Hand berichtet, wurden den Menschen jahrtausendelang vorenthalten und sind erst heute weit verbreitet.
Seit dem 19. Jahrhundert entdeckten und entzifferten Archäologen mit Keilschrift bedeckte Tontafeln. Sie hatten unter dem Sand und Lehm der Ufer von Euphrat und Tigris gelegen und sind eine Fundgrube alten Wissens, wobei einige der ältesten sumerischen Aufzeichnungen Jahrtausende älter als die Bücher der kanonischen Bibel sind. Mittlerweile hat man einige Zehntausend solcher gebrannten Tontafeln mit Inschriften gefunden – dermaßen viele, dass eigens ein Computerdigitalisierungsprogramm entwickelt wurde, um die Katalogisierung ihrer Geheimnisse zu beschleunigen [63]. Eine große Anzahl von ihnen ist in bedeutenden Museen in London, Paris, Berlin und anderen Städten ausgestellt.
Sumerische Dokumente aus Städten wie Uruk (dem biblischen Erech) hielten sowohl Alltägliches wie Eheschließungen und Handelsverträge fest als auch Ereignisse wie Geburten und Todesfälle, die genauestens über das damalige Leben Auskunft gaben. Wenn wir diese unzensierten Aufzeichnungen aus erster Hand mit denjenigen Versionen vergleichen, die aus dem Blickpunkt der damals herrschenden Machthaber geschrieben wurden, erhalten wir zumindest eine akzeptable Annäherung an die historische Wahrheit.
Ein Beispiel: Im Buch Henoch [36] findet sich eine sehr detaillierte Schilderung der geheimnisvollen, fast außerirdisch anmutenden Geburt Noahs. Noahs Vater ist Lamech, wie in Genesis 5:28 erzählt wird. In der altbabylonischen Version der Sintfluterzählung war sein Vater jedoch nicht Lamech, sondern einer der mesopotamischen Götter, der ihn schließlich auch vor der Sintflut rettete [37]. Darin spricht jener Gott zu einer Hütte, in der Ziusudra (Noah) wohnt, und rät ihm, sich auf eine Flut vorzubereiten, die bald die mesopotamischen Ebenen überschwemmen wird. In der Bibel wird zwar die gleiche Geschichte erzählt, aber sie enthält nicht die erhellenden Einzelheiten der sumerischen Version.
Die Analyse der diversen Geburtsregister, genealogischen Tabellen und Listen der verschiedenen in den mesopotamischen Tempeln verehrten Götter führt zu einer interessanten Erkenntnis – um nicht zu sagen, zu einer profunden Erleuchtung! Sie deckt eine kulturelle Lüge auf, deren Auswirkungen so weitreichend sind, dass sie alle bisherigen Glaubensrichtungen in die Vergessenheit katapultieren könnten – gesetzt den Fall, man hat aus unserem heutigen Wissensstand nicht ohnehin bereits ähnliche Schlüsse gezogen.
Es geht um die Frage: Wer war Jahwe? Stellt man diese Frage einem Abendländer, wartet er höchstwahrscheinlich mit einer Liste diverser Gottesnamen auf, einschließlich Jehova, und kommt schließlich zu der Antwort, die Gott selbst laut der kanonischen Bibel im Alten Testament gegeben hat: »Ich bin, der ich bin.« (Exodus 3:14) Durch die aufgefundenen Tontafeln wissen wir aber nun, dass einer der Götter des Alten Testaments, nämlich Jahwe, niemand anderer ist als Enlil, der lokale Gott der sumerischen Stadt Ur.
Und so kommt die Wahrheit ans Licht, denn Enlil erscheint in ungezählten Texten, die sowohl aus Sumer als auch aus anderen Gebieten Mesopotamiens stammen. Enlil und seine Verwandten wurden in zahlreichen Tempeln als Götter verehrt, etwa in Ninive, Assur und Ur, um nur einige zu nennen. Ähnlich verhielt es sich mit Enki, dem Bruder Enlils, und Enlils Kindern Nannar und Inanna, denen ebenfalls Tempel in bedeutenden Kultur- und Handelszentren der Gegend geweiht waren. Noch wichtiger ist die Tatsache, dass Enlil nicht allein wirkte, sondern zusammen mit anderen, die im Atrahasis »Anunnaki« und in der Genesis »Nephilim« oder »Elohim« genannt werden.
In Genesis 1:26 lesen wir den folgenden, etwas eigenartigen Satz:
Genesis 1:26 (Deutsche Einheitsübersetzung)
Dann sprach Gott: »Lasst uns Menschen machen als unser Abbild, uns ähnlich …«
Der Grund für die verwirrende Verwendung der Mehrzahlformen »unser« ...