Das allerletzte Gefecht
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Das allerletzte Gefecht

Über den universellen Kapitalismus, den Kommunismus als Episode und die Menschheit als Amöbe

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Das allerletzte Gefecht

Über den universellen Kapitalismus, den Kommunismus als Episode und die Menschheit als Amöbe

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Hinter der Protestbewegung haben Atomkraft und Raketentriebwerke gesteckt, nicht die Liebe zum Sozialismus. Marx war Darwinist und das Kommunistische Manifest übler Kitsch. Der Kommunismus ist abgelaufen wie altes Badewasser, als der Stöpsel gezogen wurde. Der Mensch als Einzelner ist ein bösartiges Tier und die Menschheit als Ganzes eine wild wuchernde Amöbe. Linksradikale schöpfen aus dem Kapitalismus Lebenssinn und Seelentrost. Die Geschichte ist keine Schatzkammer, sondern eine Leichenhalle, und aus der Vergangenheit kann man nur lernen, dass man sie vergessen soll. Das ist die Wahrheit, aber nicht die ganze, sondern wahr ist auch das Gegenteil. Wie er es damit hält, muss jeder selbst für sich entscheiden. Vorbeter gehören in die Kirche oder ins Politbüro.

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Information

Die Vertreibung aus dem Paradies
Von Adam & Eva bis heute
Geschichte entsteht im Augenblick, wo Menschen sich den Kopf darüber zerbrechen, wie sie wurden, was sie sind. Sie soll die Gegenwart erklären.
Und wenn sie das nicht mehr kann, weil die Zeiten sich geändert haben, muss man eine andere Geschichte erfinden. Also noch mal zurück auf Null, wir beginnen bei Adam und Eva. Ich war dabei und berichte:
Die lange Vorgeschichte ganz kurz
Gott hatte uns aus dem Paradies durch seinen Erzengel Gabriel vertreiben lassen, wir haben es zurückerobern und Gott stürzen wollen. Anfangs kam die Offensive flott voran, aber inzwischen steckt sie fest. Das ist die Lage, mit der wir uns befassen müssen.
Die Pfaffen hatten uns hereingelegt, das Geschäftsmodell der Kirche war der Leerverkauf. Für hochspekulative Wetten auf eine Zukunft im Himmelreich hatte sie uns teures Geld abgeknöpft, mit einem Trick, der heute noch funktioniert: Beziehungen nach ganz oben. Man muss nur glaubhaft machen, dass man den Minister persönlich kennt, mit Gott funktioniert es noch besser.
Als wir die Drückerkolonnen im Talar enttarnt hatten, ging freilich der Ärger erst richtig los. Die schönen Geschichten vom Paradies und dem für uns reservierten Plätzchen darin entpuppten sich als der größte Immobilienschwindel aller Zeiten. Es gab nämlich gar kein Paradies. Dabei hätten wir doch so gern eins bekommen, die Idee an sich gefiel uns wirklich gut.
Der nächste Flop war die Nation. Als Paradiesersatz wurde uns ein Grab auf dem Heldenfriedhof versprochen. Irgendwas muss es im Leben schließlich geben, wofür zu sterben sich lohnt. Gelegenheit dazu bot sich dann auch reichlich.
»Liberté, Égalité, Fraternité« hieß die Parole damals. Wir hätten gewarnt sein müssen: Freiheit kommt von Freiherr, Brüderlichkeit kommt von Kain & Abel. Und Gleichheit kannten wir doch schon, bei den Pfaffen war es die Gleichheit der Gotteskinder vor Gott gewesen. Davon wird man im Leben nicht satt, Gleichheit bei Tisch, und zwar dem des Herzogs, hätte uns mehr genützt. Wieder waren wir irgendwelchen Schönschwätzern auf den Leim gegangen.
Von denen hatten wir die Nase gestrichen voll. Aber der Frust über die Pleiten mit Religion und Nation war kaum verdaut, da stand schon der nächste Klinkenputzer vor der Tür, wieder so ein wortgewandter Überredungskünstler mit Visionen. Er hieß Marx und wollte uns den Sozialismus als Ersatzparadies verkaufen.
Den haben wir aber abblitzen lassen. Inzwischen hatten wir sie durchschaut, diese oberschlauen Burschen mit den Engelszungen. Trau keinem, der viel predigt und ein dickes Buch schwenkt. Das hatten wir aus der Geschichte gelernt.
Mit dem Verbleib im irdischen Jammertal hatten wir uns fast schon abgefunden. Besser dort als auf dem Friedhof. Aber dann geschah in schwärzester Nacht das Wunder: Immer, wenn man denkt, es geht nicht mehr, kommt von irgendwo ein Lichtlein her.
Verbraucherparadies und Atompilz
Diesmal waren es die Neonröhren in den Reklametafeln, die alle Sterne am Firmament überstrahlten und den Mond verblassen ließen. Wie Weihnachten, wie der Stern von Bethlehem, nur viel schöner.
Die Abendländer mochten den Abend nicht sondern Licht. Schon lange hatte es sie weg gezogen vom finsteren Mittelalter und hin zu Enlightenment, zu Les Lumières, zu Éclaircissement , Aufklärung hieß das deutsche Wort. Doch die Lampe blieb Metapher, erst im 20. Jahrhundert ging sie wirklich an. Es werde Licht, hatten die Abendländer gebetet, jetzt ward es Licht, und die Erleuchteten sahen die Welt mit anderen Augen. Sie entdeckten eine neue, das Verbraucherparadies.
Eigenartigerweise verdankten wir es den Kommunisten. Solange der Ostblock bestand, verhalf dessen Ideologie dem Westen zu der seinen. Die Kommunisten versprachen den Menschen materiellen Überfluss für alle, die Kapitalisten erfüllten das Versprechen. Damit schien bewiesen, dass das Paradies machbar ist. Gesundheit, Glück und langes Leben waren eine Kostenfrage, und die Antwort darauf ein stetig wachsendes Bruttoinlandsprodukt. Der Osten lieferte also den Glauben, der Westen das Know-how. Die Menschheit hatte endlich wieder ein Ziel vor Augen, nämlich das nächste Kaufhaus.
Nur durch Arbeitsprodukte werden Menschheitsträume wahr, das glaubten die Ostblockkommunisten von Marx gelernt zu haben. Allerdings wussten sie mit der Lehre nichts anzufangen. Erst der Kapitalismus machte daraus eine Religion, mit der sich Herz und Seele erobern ließen.
Diese Religion brauchte weder Kirchen noch Priester, darin lag ihre Überzeugungskraft. Es war der Kühlschrank im Schaufenster selbst, der zu den in stiller Andacht vor ihm Verweilenden sprach: »Ich bin heilig. Kauf mich, und du wirst selig.« Nun wollten die Leute nicht mehr in den Himmel kommen, sie wollten ein neues Auto, und statt der Bibel studierten sie Versandhauskataloge.
Doch Kühlschrank und Auto im Schaufenster waren nur Reliquien, nicht Gott selbst. Der Allmächtige erschien anderswo, er donnerte damals in den 50er Jahren herab von den Titelseiten der Illustrierten, er grollte und quoll durch die Wochenschauen.
Wie später die in Zeitlupe zusammensackenden Twin Towers in New York oder ganze Ansiedlungen gemächlich überschwappende Tsunami-Fluten in Thailand und Japan war der Atompilz, der bei Wasserstoffbombentests in der Wüste von Nevada nach Blitz und Detonation gen Himmel stieg, ein Hingucker gewesen, an dem man sich nicht sattsehen konnte, vielleicht, weil solche Bilder ein ebenso Furcht einflößender Anblick sind, wie sie zugleich eine große, majestätische Ruhe verströmen und sogar ein Gefühl von Geborgenheit geben. Sie besitzen eine Aura, man spürt die Nähe einer fernen Macht, wenn Autos und Häuser wie Spielzeug durch die Luft gewirbelt oder weggeschwemmt werden
Sie zeigen eine Situation, wo man selbst ganz klein und alle Abstrampelei unnütz wird. Man kann nur gaffen, machen kann man nichts, der Kampf ums Dasein hat Pause und ich auch. Ich muss nicht rackern, sondern kann die Hände falten, denn mein Schicksal liegt nicht mehr in meiner, sondern in Gottes Hand. Gewaltige Katas­trophen sind immer alles zugleich –Verhängnis, Andacht, Offenbarung und Wunder.
Doch diesmal hatten die Menschen selbst das Wunder vollbracht. Der Atompilz kündete von menschlicher Zauberkraft, die alles überstieg, was man bislang für möglich gehalten hatte. Man war überwältigt und erschüttert, also genau in der richtigen Verfassung dafür, einen Glauben zu entwickeln. Es wurde der Glaube an künftig grenzenlos und unbeschränkt zur Verfügung stehende Warenmengen. Und damit war der Klassenkampf obsolet geworden, bei dem es nach landläufigem Verständnis um die Verteilung knapper Güter ging.
Zu Beginn der 60er Jahre bereits wurden die Fusionsreaktoren projektiert, die heute immer noch nicht funktionieren. Sie würden sich, dachte man damals, mit Meerwasser speisen lassen, nur einem winzigen Teil desselben freilich, aber der war immer noch groß genug, um für alle Zeiten auszureichen.
Das bedeutete Strom in uner­schöpflicher Menge. Und mit Strom in uner­schöpflicher Menge kann man alles machen, auf Grönland Südfrüchte züchten oder Fußbodenheizung für Autobahnen. Das Land, wo Milch und Honig fließen, lag direkt vor der Haustür.
Endlich daheim, wieder zurück im Paradies, aus dem Gott, der Herr, uns verscheucht hatte mit den an Adam gerichteten Worten:
»Im Schweiße deines Angesichts sollst du dein Brot essen, bis dass du wieder zu Erde werdest, davon du genommen bist. Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden.«
Von wegen! Schwitzen würden fortan die Reaktoren, für die Menschen gab es Klimaanlagen und eisgekühlte Drinks am Pool, noch nicht für alle freilich, aber das würde sich bald ändern. Keiner brauchte den Gedanken bedichten und erklären, weil er selbstverständlich war.
In schöne Worte gefasst wurde dieses Lebensgefühl erst viele Jahre später, als seine Endphase angebrochen war, das Auswickeln zum Einsargen. Was die Menschen verloren haben, davon reden sie. Solange sie es besitzen, reden sie davon nicht. Im Pariser Mai 1968 wurden die verblichenen Hoffnungen aus der Anfangszeit des Atomzeitaltern noch einmal ins Bewusstsein geholt, um sie anständig beerdigen zu können. Die Revolution war ein Trauerzug, das revolutionäre Paris war ein Friedhof, und die Häuserwände waren Grabsteine, auf denen hin gekritzelt die Namen der Verstorbenen standen. Es waren Parolen wie Sous les pavés, la plage, L’imagination prend le pouvoir!, Soyez réalistes, demandez l’impossible.
Aktuelle Beispiele wären der Refrain von Obamas erster Wahlkampagne, Yes we can. So singt man, wenn man nicht mehr kann. Wer kann, singt nicht, sondern macht. Desgleichen Buchtitel wie »Der kommende Aufstand« oder »Empört euch!«. Sie sind ein Abschiedsgruß, ein Winke-Winke und kein Signal zum Aufbruch. Die Zeit für solche Dinge ist vorbei – so der Klartext der Botschaft –, sie sind Kulturmüll geworden. Dann rücken Fernsehen und Feuilleton an und entsorgen die Überreste umweltfreundlich durch Recycling.
Aber der Reihe nach, wir stehen noch nicht an der Bahre, sondern an der Wiege. Wir fühlen uns wie neu geboren, denn die Sache mit dem eigenen Schweiß, der uns das Brot versalzen sollte, ist ausgestanden und erledigt. Der alte Mann da oben, der uns schwitzen lassen wollte, hatte wieder mal den Mund zu voll genommen und Adams Cleverness nicht bedacht.
Doch dann war da noch die Sache mit der Erde: »Denn du bist Erde und sollst zu Erde werden«, hatte der Herr gesagt. Dem ließ sich schwer widersprechen, dieser Teils des Fluches behielt seine Gültigkeit. Also saß der Typ da oben doch wieder am Drücker. Die Machtfrage ist nicht die Frage, wer stärker ist, sondern wer wen abschalten kann, ich den Motor oder er mich.
Im Paradies waren Adam und Eva als Personen unsterblich gewesen, draußen nur ihre Gene, und für die gilt, was Woody Allen über andere Hinterlassenschaften sagte: »Ich möchte nicht durch meine Werke unsterblich werden, sondern indem ich nicht sterbe.«
Man war ja immer noch in des Allmächtigen Hand. Der Allmächtige hatte sich sogar verdoppelt, jetzt waren es gleich zwei von seiner Sorte geworden, und jeder der beiden hat unter berufsbedingter Schizophrenie gelitten, was bedeutete, dass wir gleichzeitig vier verschiedenen Herren dienen mussten.
Der Herr ist der Herrscher über Leben und Tod, und unsterblich war man durch die Atomenergie nicht geworden, ganz im Gegenteil. Sterben ist etwas, das jeder muss und keiner will. Folglich blieb man einem fremden Willen unterworfen. Der Einzelfall verblieb im Zuständigkeitsbereich des alten Gottes, also waren wir ihn nicht losgeworden. Aber der kollektive Atomkatastrophentod im nuklearen Krieg, der alles Leben auf der Erde auslöschen würde, war ein neuer Geschäftsbereich mit eigenem Direktor. War er das? Oder war nur der alte Gott durch die Kernenergie noch mächtiger geworden? War er geblieben, was er schon immer war? Eine Frage an die Theologen.
Im Alltag behalf man sich damit, alle Varianten bunt durcheinander zu mischen. Wenn damals das Wetter die Menschen überraschte, was es eigentlich immer tut, dann tuschelten sie einander zu, das sei die Strafe Gottes oder die Rache der Natur dafür, dass die Russen und die Amerikaner mit ihren Atombombentests die ganze Atmosphäre durcheinander brächten. Die CO2-Version der Klimageschichte kannten sie noch nicht.
Sicher ist nur, dass Persönlichkeitsspaltung die unheilbare Erbkrankheit jeder Allmacht ist – kein Gott ohne Teufel, kein Himmel ohne Hölle. Die Fähigkeit, Menschen und Welt zu erschaffen, beinhaltet die weitere, sie nach Belieben zu zerstören wie ein spielendes Kind seine Sandburg am Strand. Macht über eine Sache zu besitzen heißt also, sie vernichten zu können. Geld gehört mir, wenn ich die Scheine auch in den Ofen stecken kann.
Ohnmacht heißt, einer solchen Macht ausgeliefert zu sein. Deshalb ist Gott in den Religionen ein Typ, der schon einmal die Welt zerstörte und es wieder tun wird. Da die Menschen früher statt unserer linearen Zeit die zyklische kannten, waren Weltuntergänge Ereignisse wie Sommer und Winter, nur in kosmischer Dimension. Die Schöpfungsgeschichte beginnt mit einem Weltuntergang und endet mit dem nächsten, worauf hin sich der Zyklus wiederholt. Um als Allmächtiger anerkannt zu werden, muss Gott also den Nachweis führen, dass er die Welt vernichten kann. Er liegt vor in der Überlieferung, dass alles mit einem Weltenende begonnen habe, und an diese Reihenfolge hielt sich auch die Atomenergie.
Der Glaube an die Machbarkeit einer Welt, deren sämtliche Probleme diese Technologie lösen würde, gründete sich auf die nachgewiesene Machbarkeit des genau entgegengesetzten Vorhabens, nämlich des Manhattan-Projekts, der Entwicklung der Atombombe von 1942 bis 1945. Manpower von zeitweilig mehr als 100.000 Personen und Kapitaleinsatz von 23 Milliarden Dollar nach heutiger Kaufkraft hatten das Unmögliche möglich gemacht, den Atomblitz, »heller als tausend Sonnen«, wie am Projekt beteiligte Atomwissenschaftler ihn beschrieben, die sogar in indischer Mythologie bewandert waren. So gebildet sind wir heute nicht mehr, dafür haben wir Wikipedia und lesen:
»Der Ausdruck heller als tausend Sonnen stammt aus der hinduistischen Religion. Die Allgöttin Devi wird als schöne Frau beschrieben, deren Antlitz heller als tausend Sonnen scheint. Es heißt, wenn sie blinzelt, erschafft sie dadurch das Universum neu (zyklisches Weltbild). – Der Ausdruck wurde beim ersten Atombombentest...

Table of contents

  1. Über dieses Buch
  2. Vorbemerkung
  3. Die Vertreibung aus dem Paradies
  4. Gebremster Schaum
  5. Unheilbare Krankheiten
  6. Die Menschheit als Amöbe
  7. Sie kriegt ihn!
  8. Über den Autor
  9. Über Fuego
  10. Impressum