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Fasching - Fastnacht - Karneval
Neue Erkenntnisse unserer ForschungspreistrÀgerinnen und TrÀger
- 78 pages
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Fasching - Fastnacht - Karneval
Neue Erkenntnisse unserer ForschungspreistrÀgerinnen und TrÀger
About this book
Die Publikation ist im Rahmen des Forschungspreises "Fasching - Fastnacht - Karneval" entstanden. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt des Fastnacht-Verband Franken e. V., dem Deutschen FastnachtmMuseum und dem Bund Deutscher Karneval e. V. Diese Institutionen haben sich zum Ziel gesetzt junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu fördern. Die Aufgabenstellung ist: Den Brauch der Fastnacht und seine kulturellen Ausdrucksformen in Politik und Gesellschaft, in der Gegenwart und Vergangenheit zu erforschen.
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Information
Edition
1Subtopic
Political FreedomâNĂ€rrinnen und Narrhallesenâ â Zur Konstruktion und
Darstellung von Geschlecht in der Fastnacht1
Jonathan Armas, B.A.2
1. EINLEITUNG
Oft wird von der Fastnacht als der Zeit des Jahres gesprochen, in der die VerhĂ€ltnisse auf den Kopf gestellt werden, in der alles anders ist und die NĂ€rr*innen das Zepter ĂŒbernehmen (bspw. Niekrenz 2014). Gleichzeitig jedoch scheint kaum ein anderes Fest so offensichtlich von traditionellen Geschlechterdarstellungen und zum Teil auch politischen Debatten ĂŒber den Umgang mit sexistischen Praktiken bestimmt zu sein: KostĂŒme (Referat fĂŒr Antirassismus und Referat fĂŒr Gleichstellung und Lebensweisenpolitik April 2016), RedebeitrĂ€ge (Stuttgarter Zeitung 23.02.2019), die Besetzung von ElferrĂ€ten und ZunftvorstĂ€nden und nicht zuletzt Lieder wie âDicke Titten, Kartoffelsalatâ (HĂŒftgold 2016) oder âZeig doch mal die Möpseâ (Krause 2000) werden dabei immer wieder zum Anlass öffentlicher Kritik. Nicht umsonst drĂŒckt es der Kasseler Politologe Aram Ziai in einem Gedankenexperiment ĂŒber ein vermeintlich unterentwickeltes Deutschland wie folgt aus:
âWahrscheinlich wĂŒrden unsere traditionellen kulturellen Praktiken, wie z.B. junge MĂ€dchen wĂ€hrend der Karnevalssaison im Rahmen der FestivitĂ€ten zur Austreibung des Winters als Tanzmariechen in knappen, ihre UnterwĂ€sche preisgebenden KostĂŒmen auftreten zu lassen, als barbarisch und frauenverachtend, mindestens aber als lĂ€cherlich und rĂŒckstĂ€ndig gelten. In einigen Gegenden wĂ€ren sie gesetzlich verbotenâ (Ziai 18.04.2017: 2f).
Umso mehr stellt sich der Geschlechtersoziologie die Frage, welche Bedeutung Geschlecht in der Fastnacht fĂŒr die Teilnehmenden hat und wie sie mit dem Thema umgehen.
Der vorliegende Aufsatz liefert beruhend auf qualitativen Einzelinterviews (Kruse 2015; Przyborski und Wohlrab-Sahr 2014) mit dem Ziel eines sinnverstehenden Zugangs (Kardorff 1995: 4) einen ersten Beitrag3 zu dieser Frage4. ErgĂ€nzt wird die vorliegende Arbeit auĂerdem um die Analyse des Schlagers âDie Krankenschwesterâ (Klaus & Klaus 2001). Im Folgenden werde ich jedoch zunĂ€chst Sedimentierungen von Geschlecht in fastnĂ€chtlichen Symbolen und BrĂ€uchen veranschaulichen, um so die Relevanz des Forschungsthemas aufzuzeigen (2). Im Anschluss daran wird zunĂ€chst kurz auf das methodische Vorgehen eingegangen werden (3), um anschlieĂend anhand des Interviewmaterials in zwei Schritten die Analyse zu theoretisieren und zunĂ€chst auf Inszenierungen als das Sein und Darstellen von Geschlecht (4) und zuletzt auf die Stimmung als Legitimationsstrategie (5) einzugehen, bevor ich abschlieĂend die Ergebnisse resĂŒmiere und Schlussfolgerungen fĂŒr Forschung und Praxis ziehe (6).
2. DAS GESCHLECHT IM BRAUCH â
SEDIMENTIERUNGEN VON GESCHLECHT IN DER
FASTNĂCHTLICHEN PRAXIS
Historisch gewachsene kulturelle Symboliken, BrĂ€uche und beispielsweise Narrenfiguren sind soziologisch vor dem Hintergrund ihrer reprĂ€sentativen Funktion zu betrachten. Das heiĂt, dass sie ĂŒber sich hinaus auf Sinnhorizonte und Bedeutungsdimensionen verweisen, derer wir uns immer wieder bedienen und die wir durch die Anwendung dieser kulturellen Formate auch immer wieder hervorbringen. Kultur als historischkontingente (und daher im Ăbrigen auch regional spezifische) Sedimentierung von Sinn zu begreifen, ermöglicht es, die KontinuitĂ€ten humandifferenzierten Denkens in den Blick zu nehmen und auf der longue durĂ©e zu verfolgen (Hirschauer 2014: 188, 2020). âTraditionenâ bilden dann nicht nur Geschlechterbilder ab, die aus der Zeit ihrer Entstehung entstammen, sondern reproduzieren ihre Sinnwelt in der Gegenwart. Ich wende mich daher an dieser Stelle einigen Beispielen zu und skizziere einen Ăberblick ĂŒber die geschlechtliche Beschaffenheit der Symbole und BrĂ€uche.5
Hervorzuheben ist zunĂ€chst, dass der Carnival, das Fest des Fleisches, von Anbeginn durch den Kontrast seiner ausschweifenden Efferveszenz6 mit der frommen ZurĂŒckhaltung der Fastenzeit gekennzeichnet war. Das Fest des Fleisches im doppelten Wortsinne, nĂ€mlich des Verzehrs von Fleisch und der sexuellen GelĂŒste, begrĂŒndet darin auch seine geschlechtliche Bedeutung, war es immerhin die letzte Gelegenheit zur Heirat und zum legitimen Geschlechtsverkehr vor Beginn der österlichen BuĂzeit (Mezger 2001: 9). Im frĂŒhen Brauchtum und den Ăberlieferungen, die bis heute fortwirken, lĂ€sst sich dieses Motiv nach wie vor erkennen, wenn beispielsweise der Elzacher Taganrufer vor der sexuellen FreizĂŒgigkeit der Narren warnt (KĂŒnzig 1989: 27). Subtiler verfĂ€hrt die Geschlechterlogik in anderen BrĂ€uchen. Mancherorts werden so die neuverheirateten MĂ€nner auf Holzböcken durch die Orte getragen und von Frauen in der Hoffnung attackiert, sie zum Fall zu bringen (Mezger 2001: 102f). Doch nicht nur MĂ€nner werden in BrĂ€uchen fĂŒr ihre LebensfĂŒhrung zur Rechenschaft gezogen, sondern auch Frauen, deren Behandlung â schonend gesagt â nicht weniger mild ausfĂ€llt. Ăberlieferungen belegen so FastnachtsbrĂ€uche aus dem spĂ€ten 15. Jahrhundert, bei denen die ledigen Frauen teilweise unter Gewaltanwendung aus ihren HĂ€usern gefĂŒhrt wurden, um sie vor einen Pflug zu spannen und unter PeitschenschlĂ€gen durch die Ortschaft zu treiben, wĂ€hrend der SĂ€mann, den âNarrensamenâ ausbringt (Mezger 2001: 103 ff). Damit wurden diejenigen Frauen bestraft, die die sexuelle FreizĂŒgigkeit der Fastnacht nicht zur Ehe genutzt hatten und âdie Geschlechtsorgane und erogenen Zonen ihres Körpersâ (Mezger 2001: 103 ff) ungenutzt lieĂen. Unter dem Vorzeichen dieser fleischlichen Reproduktionslogik lĂ€sst sich in dieser Reihe nicht zuletzt auch das Beispiel des Munderkinger Brunnenspringers anfĂŒhren, der mit seinem galanten Sprung in den Brunnen das Anrecht gewinnt, eine jede Frau zu kĂŒssen, nach der es ihm beliebt (Mezger 2001: 108). Eine andere Form des Blicks auf die GeschlechterverhĂ€ltnisse offenbaren die âmĂ€nnertragenden Frauenâ, die es beispielsweise in Ehingen oder Wellendingen anzutreffen gilt. MĂ€nner fĂŒhren dabei eine Hexen- oder Frauenpuppe vor sich her, die die Illusion erzeugt, sie sĂ€Ăen in einem Korb auf deren RĂŒcken. WĂ€hrend die vermeintliche Frau so die schweren Herren zu tragen scheint, gebaren sich diese freudig in ihrem Korb (Mezger 2001: 56f).
Eine weitere Beobachtungsmöglichkeit der symbolischen ReprĂ€sentation von GeschlechterverhĂ€ltnissen bietet sich in der materiellen Kultur, also in Objekten und GegenstĂ€nden. Die sogenannte Narrenwurst, eine Wurstimitation aus Leder und SĂ€gespĂ€nen, verweist nicht umsonst auf die Form des phallischen, mĂ€nnlichen Gliedes (Mezger 2001: 70). Hahnenfedern, die die Narrenkleider, welche auch oft frivole Malereien enthielten (Mezger 2001: 65), schmĂŒcken, gelten symbolisch als weiterer Ausdruck sexueller Begierde (Mezger 2001: 69). Wie Mezger (2001: 70) hier ebenfalls anmerkt, schwingt in den Materialisationen dieser Symbole ihre eigentliche Intention mit. Obwohl wir sie heute nicht mehr leichtfertig als solche identifizieren können, schaffen die Objekte symbolische Sinnwelten und verweisen auf Sinndimensionen, die wir auch weiterhin sozial implizit verstehen, ohne sie jedoch zu explizieren (Hahn 2014; Woodward 2014).
Ein letzter Punkt sei an dieser Stelle der oft systematische und âtraditionsverpflichteteâ Ausschluss von Frauen*7 aus dem fastnĂ€chtlichen Leben. Gerade in âtraditionsbewusstenâ ZĂŒnften ist das Mitgliedschaftsrecht nur MĂ€nnern vorbehalten und wird auch ĂŒber Satzungen legitimiert (bspw. HĂ€nselezunft Ăberlingen 22.11.2013: §4). NarrenmĂŒtter werden in diesem Zuge gar von MĂ€nnern verkörpert (Mezger 2001: 122). Um Frauen schlieĂlich die Teilnahme am fastnĂ€chtlichen Treiben ĂŒberhaupt zu ermöglichen, wurde jedoch nicht das Primat der MĂ€nnlichkeit aufgelöst, sondern vielmehr wurde so stark an diesem festgehalten, dass eigene âFrauenfigurenâ geschaffen wurden:
âUm mehr Frauen Gelegenheit zu bieten, am fastnachtlichen Geschehen aktiv mitzuwirken, wurde eine weitere Fastnachtsfigur geschaffen, die von Karl Wacker 1956 angeregt wurde. Es war das Hansele, das mit seinem buntgemusterten SpĂ€ttlehĂ€s das Bild der Hexenzunft farblich beleben sollte und heute den weiblichen aktiven Mitgliedern der Zunft vorbehalten istâ (Offenburger Hexenzunft e.V.: o. A.).
Interessant wirkt die Charakterisierung mancher dieser Funktionen, die das Frauenbild ihrer Zeit verkörpern. So wird beispielsweise die âAltvillingerinâ mit Aufgaben der HaushaltsfĂŒhrung betreut, wie den Narrensamen zu betreuen oder den mĂ€nnlichen Narro zu begleiten (Historische Narrozunft Villingen 1584 e.V.: o. A.).
Geschlechtlichkeit blickt also in der Fastnacht auf eine lange Tradition und Geschichte zurĂŒck, die sich zum Teil in BrĂ€uchen, zum Teil in Objekten festgesetzt hat. Wenngleich man auf der langen Strecke der Zeit vielleicht einen Bedeutungsverlust der Expliziertheit attestieren kann, stellt sich jedoch weiterhin die Frage nach der Bedeutung der Geschlechtlichkeit in der gegenwĂ€rtigen Fastnachtslandschaft. Eine Bestandsaufnahme scheint also nicht nur auf der Ebene der TraditionalitĂ€t notwendig, sondern auch im fastnĂ€chtlichen Alltag.
3. METHODISCHES VORGEHEN
Wie eingangs erwĂ€hnt, beruht der vorliegende Aufsatz auf den Methoden der qualitativen Sozialforschung.8 Diese zeichnen sich durch offene, iterativ-zyklische Forschungsprozesse aus, die nicht von Konzepten zu Befunden kommen, sondern umgekehrt auf Grundlage des Datenmaterials Erkenntnisse und Theorien generieren (Kruse 2015: 46). Dies erscheint im Zusammenhang mit dem vorliegenden Forschungsthema aus mehreren GrĂŒnden angemessen: Erstens erschwert ein hypothesenprĂŒfendes Herangehen neue Erkenntnisse im Hinblick auf ZusammenhĂ€nge und Sinnstrukturen. Gerade wenn es darum geht, zu begrĂŒnden, warum erklĂ€rungsbedĂŒrftige Unterschiede zur allgemeinen Theorie auftreten, wĂŒrde quantitative Forschung so an ihre Grenzen treten, wo der eigentliche Erkenntnisgewinn meines Erachtens erst zu erbringen wĂ€re. Zweitens hat sich die qualitative Forschungsstrategie fĂŒr die Erforschung des Vollzugs von Geschlechterlogik und -handeln als besonders gewinnbringend erwiesen, da sie den Blick auf die Prozesshaftigkeit und Konstruktionsarbeit von Geschlecht öffnet und zu einem tieferen VerstĂ€ndnis der Akteur*innenperspektive fĂŒhrt (Becker und Kortendiek 2010). Eine zweite methodische Entscheidung betrifft die Interviewforschung9. Ich hatte mich dazu entschieden, den Blick darauf zu richten, was die Teilnehmenden zu meinem Thema von sich aus zu sagen haben, um anschlieĂend ihre Perspektive nachzuzeichnen und vertieft analysieren zu können. Dieses Prinzip der Offenheit (Kruse 2015: 40ff) konkurriert mit dem Strukturierungsgrad von InterviewleitfĂ€den, die die Gefahr bergen, das Interview auf die Relevanzstrukturen der interviewenden Personen zu reduzieren (Kruse 2015: 204). Ein Leitfaden darf daher nicht als Anleinung gehandhabt werden, sondern muss offen und dynamisch genutzt werden, um der Möglichkeit ...
Table of contents
- Hinweise
- Inhaltsverzeichnis
- GruĂwort Marco Anderlik: PrĂ€sident Fastnacht-Verband Franken e. V.
- GruĂwort Bernhard Schlereth: Stiftungsvorsitzender âStiftung Kulturzentrum Fasching-Fastnacht-Karnevalâ
- GruĂwort Klaus-Ludwig Fess: PrĂ€sident Bund Deutscher Karneval e.V.
- 1. ForschungspreistrĂ€ger Jonathan Armas: âNĂ€rrinnen und Narrhallesenâ â Zur Konstruktion und Darstellung von Geschlecht in der Fastnacht
- 2. ForschungspreistrĂ€gerin Julya Berzen: Aus âmatschigerâ Pampe werden kunstvolle Gesichter â Heimarbeit bei der Herstellung von Gazemasken
- Abbildungsverzeichnis
- Impressum