2020
Es geht ums Ganze!
Die guten Wünsche und Vorsätze verklingen und wir stehen vor der Realität eines neuen Jahres. Vielen ist inzwischen klar: Alleine werden wir mit den gigantischen Herausforderungen, die an uns herangetragen werden, nicht fertig. Es geht nur gemeinsam. Nur Mut! Im Sinne ihres zu Weihnachten erschienenen Buches setzt sich die Aufwind-Redaktion auch in diesem Jahr das Ziel, das Spaltende in jeder Hinsicht zu überwinden.
2020 — ein neues Jahrzehnt! Zwei Mal die Zwanzig. Als ob eine nicht genug wäre, wird die Zahl wiederholt. Eine Zwei verstärkt von einer Null: Wie werden wir uns entscheiden? Werden die beiden, die sich gegenüberstehen, in der Dualität verhaftet bleiben, oder werden sie sich zum Paar zusammenfinden? Kampf oder Gemeinschaft? Konfrontation oder Kooperation? Wie geht es weiter mit uns?
Im Tarot bedeutet die zweite Karte Reinigung, Befreiung von dem, was in der Vergangenheit zu schwer geworden ist, Loslösen also vom Krankmachenden, von fixen Ideen, verkrusteten Glaubensvorstellungen und alten Denkmodellen. Das Tarot de Marseille, dessen im 16. Jahrhundert entstandene Motive auf den ersten Blick seltsam ungelenk scheinen, können demjenigen, der darüber nicht die Nase rümpft, einiges über sein Leben offenbaren.
Doch ich will zu Beginn des neuen Jahrzehnts nicht anfangen zu orakeln oder wahrzusagen. Ich will dort anknüpfen, wo wir in der Aufwind-Redaktion im letzten Jahr aufgehört haben: bei uns selbst. Ich will weiter dorthin sehen, wo alles beginnt und wo der Ursprung jeder Handlung liegt: im Denken und Fühlen jedes einzelnen von uns. Denn hier wird die Entscheidung geboren: Freundschaft oder Feindschaft? Ausschluss oder Zusammenarbeit? Krieg oder Frieden?
Wer sich heute für den Frieden und das Wohl aller einsetzt, dem pfeift ein harter Wind um die Ohren. Immer wieder werden Friedensaktivisten und Umweltschützer verleumdet, bedroht und ermordet. Nur Mut! lautet entsprechend der Titel unseres ersten Buches, das kurz vor Weihnachten erschien. So lassen wir uns auch in diesem Jahr nicht entmutigen von den Stimmen, die versuchen, uns als „Verschwörungstheoretiker“ und „Rechtsesoteriker“ zu diskreditieren und in eine Ecke zu drängen, die nicht unserer Gesinnung entspricht.
Wir sehen die Angst hinter den Manövern der Kräfte, die Konfusion säen und die Spaltung unter den Menschen weiter vorantreiben. Wenn wir unter dem Vorwand von mehr Sicherheit zunehmend überwacht und gleichzeitig von dem, was wir essen, berühren und einatmen vergiftet werden, wenn Homöopathie und Heilkräuter ins Abseits gedrängt und Zwangsimpfungen eingeführt werden, wenn Vereinen die Gemeinnützigkeit aberkannt und Enthüllungsjournalisten verfolgt und eingesperrt werden, dann werten wir das als Zeichen, dass den Erdzerstörern die Felle wegschwimmen.
Die Ungeheuerlichkeit der antidemokratischen und lebensverachtenden Maßnahmen ist das Barometer der Kraft einer Bewegung, die nicht mehr aufzuhalten ist. Einer nach dem anderen erkennen die Menschen das Potential, das in ihnen steckt. Immer mehr machen sich auf den Weg. Überall auf der Welt kommen Männer, Frauen und Kinder zusammen und engagieren sich für ein harmonisches Zusammenleben und den Respekt des Lebendigen.
Dieser globalen Bewegung schließen wir uns an. Wir schreiben nicht gegen Unrecht, Zerstörung und Krieg an. Wir entziehen dem Zerstörerischen die Energie, indem wir das Heilende, Einigende, Verbindende nähren. Wir kämpfen nicht gegen, sondern engagieren uns für etwas. Das geht nur gemeinsam. Nur zusammen können wir das Spaltende überwinden. Und so gibt es auch 2020 bei uns nicht auf der einen Seite die, die Recht haben und auf der anderen die, auf die geschossen wird, ob in Gedanken, in Wort oder Tat. Wir haben uns dafür entschieden, das Spaltende in jeder Hinsicht zu überwinden. Es geht ums Ganze, um das Gesamte, um uns alle als Menschheit.
Jahrtausende lang haben wir die Welt in ihre Gegensätze zersplittert. Rechtgläubige haben gegen Häretiker gekämpft, Weiße gegen Schwarze, Reiche gegen Arme, Männer gegen Frauen, Umweltschützer gegen Umweltleugner. Das Resultat haben wir heute vor Augen. Wir kommen auf keinen grünen Zweig, wenn wir nicht gemeinsam voranschreiten. Alle zusammen. Wirklich alle. Mit dem Nachbarn, der die Tauben füttert, und dem mit dem SUV vor der Tür. Wir haben nichts begriffen, wenn wir weiterhin ausschließen, zurückweisen und Fronten bilden. Spaltung kann nicht durch noch mehr Spaltung überwunden werden, Gewalt nicht durch noch mehr Gewalt. Auch wenn es uns in unserer heutigen Welt immer wieder eingetrichtert wird: Krieg sichert keinen Frieden.
Um aus der teuflischen Spirale herauszukommen, dürfen wir nicht weiter Gleiches mit Gleichem vergelten. Wir müssen dem Zerstörerischen etwas entgegensetzen, das nicht in sein Repertoire gehört und womit es nicht rechnet: unseren Frieden. Es ist hiermit nicht Passivität gemeint, es ist kein Aufruf, das Unakzeptable zu akzeptieren. Es geht darum, sich aufzurichten: Ich mache hier nicht mehr mit. Ich kaufe hier nicht mehr ein. Ich mache diese menschenverachtende Arbeit nicht mehr weiter. Ich fahre hier nicht mehr hin. Ich unterstütze das nicht mehr. Ich lasse mich nicht mehr aufhetzen. Ich höre auf, gegen die Dinge anzukämpfen und beginne, mich für das zu engagieren, was für mich Sinn macht.
So können wir aus dem mörderischen System aussteigen und etwas aufbauen, das dem Lebendigen als Ganzem dient. Nicht nur der eigenen Familie, dem eigenen Clan, dem eigenen Volk, sondern allen Menschen und allem, was lebt. Es geht nicht darum, nur die eigene Haut zu retten. In unserer langen Geschichte haben die Sklaven sich erhoben und die Frauen sich vom Joch der Männer befreit. Wir haben uns für die Rechte und die Würde aller eingesetzt. Tragen wir dieses Erbe weiter. Lassen wir es nicht zerschlagen von ein paar kranken, von sich selbst entfremdeten Menschen, die ihre Seele verkauft haben und zu Maschinen geworden sind. Machen wir es nicht wie sie. Besinnen wir uns auf unsere Seele, die Energie in uns, die nicht an Zeit und Raum gebunden ist. Nehmen wir Kontakt auf mit dem Höchsten, Wahrsten und Schönsten in uns, mit dem, was wir in unserem Innersten wirklich sind. Lassen wir uns nicht einreden, dass es nicht existiert. Schalten wir die Maschinen aus, die die Welt vernichten. Drehen wir ihnen den Saft ab, indem wir nicht mehr konsumieren, was sie uns anzudrehen versuchen.
Machen wir alle mit. Halten wir zusammen. Weisen wir einander nicht mehr zurück. Erheben wir gemeinsam unsere Stimmen und handeln wir danach, wonach unsere Seele ruft. Hören wir genau hin. Öffnen wir uns für die feinen Schwingungen. Wagen wir es, Licht ins Dunkel zu tragen und das aufzulösen, was uns krank macht. Dafür engagiert sich die Aufwind-Redaktion auch in diesem Jahr. Bedingungslos. Das soll uns mal einer nachmachen. Besser noch: möglichst viele.
Frieden beginnt im Gespräch
Gewalt beginnt im Kopf. Sie äußert sich nicht nur in Taten, sondern auch in Worten. Im letzten Jahrhundert entwickelte der Psychologe Marshall Rosenberg ein Konzept, nach dem wir lernen können, friedlich miteinander umzugehen: die „Gewaltfreie Kommunikation“. Das ist nicht nur etwas für verzweifelte Eltern und zerstrittene Freunde, Partner, die sich nicht mehr verstehen und Kollegen, die nicht mehr zusammen arbeiten können. Gewaltfreies Kommunizieren ist etwas, womit der Frieden in der Welt wiederhergestellt werden kann. Es braucht dafür nur vier Schritte.
Am Anfang war das Wort. Nicht nur Bibelkenner wissen, dass das Wort schöpferische Kraft besitzt und Realitäten gestaltet. Ein Ja oder ein Nein kann Leben retten oder ganze Kontinente verwüsten. Obwohl wir die Macht des Wortes kennen, gehen wir meistens recht unbedarft damit um. Wir twittern und whatsappen uns um die Welt und lassen Wut und Frust hemmungslos in sozialen Netzwerken raus. Anstatt zu argumentieren, werden Beleidigungen und Urteile rausgehauen. Anstatt zu versuchen, eigene Gedanken zu formulieren, wird geliked und gefollowed.
Was in der virtuellen Welt üblich ist, sieht in der realen Welt nicht viel besser aus. Wir kennen unsere Nachbarn kaum, in vielen Familien gibt es keine gemeinsamen Mahlzeiten mehr und wer die Fensterscheibe seines Autos runterdreht, tut dies meistens, um jemanden zu beschimpfen. Der andere ist sowieso potenziell schuld. Er achtet die Regeln nicht, er verhält sich falsch und will einfach nicht verstehen, dass ich Recht habe, obwohl ich ihm das schon tausend Mal gesagt habe. Und da der andere das genauso sieht, nur andersrum, haben wir die besten Voraussetzungen für Krieg geschaffen — im Kleinen wie im Großen.
Der Irrende, Verkehrte, Angreifende ist der andere. Ich verteidige mich nur oder führe aus. Ich tue, was andere für mich beschlossen haben, und verstecke mich hinter etwas, was einst Menschen wie Adolf Eichmann ermöglicht hat, Millionen Menschen in den Tod zu schicken, ohne mit der Wimper zu zucken: der Amtssprache. Auch heute gibt es einen Ausdruck, hinter dem sich die schlimmsten Menschheitsverbrechen verbergen: Von irgendwas muss man ja leben.
In unserer Zeit bedeutet Kommunikation oft Manipulation: Wie bringe ich jemanden dazu, ein Produkt zu kaufen, das er nicht braucht? Wie schaffe ich es, dass der andere sich so verhält, wie es mir dienlich ist? Offene, respektvolle Gespräche untereinander und authentische Beziehungen verkümmern. Wir tragen schwer an den Urteilen, die wir einander auferlegen, und missbilligen uns gegenseitig oft schon, bevor wir den Mund auftun: Von dem kann ja nichts Gutes kommen. Ich hab’s ja gleich gesagt. Immer hat er, nie macht er ... Wir haben nicht gelernt, wie wir unvoreingenommen aufeinander zugehen und respektvoll miteinander kommunizieren können. Wir haben sprechen gelernt, doch nicht die Dimension von Sprache erfasst. Wir haben gelernt, uns an den anderen zu messen, doch nicht, friedlich mit ihnen auszukommen. Sonst hätten wir jetzt eine andere Welt.
Seit Mitte des letzten Jahrhunderts hat sich ein Mann Gedanken darüber gemacht, wie es zwischen uns besser laufen kann. Der Psychologe Marshall Rosenberg erfand die Gewaltfreie Kommunikation. Um mit dem Konzept etwas anfangen zu können, muss man sich nicht nur darüber bewusst sein, dass Worte gewaltvoll sein können, sondern dass wir selbst von dieser Gewalt betroffen sind. Ein kurzer Rückblick in die Kindheit verschafft meistens Klärung: Äußerungen wie „Wenn du das nochmal tust, habe ich dich nicht mehr lieb“ oder „Du hast versagt“ haben bei vielen von uns tiefere Wunden gerissen als eine Tracht Prügel.
Wenn Eltern dazu in der Lage sind, ihre eigenen Kinder zu verletzten und auf das Schwerste zu traumatisieren, dann fällt es nicht schwer, sich auszumalen, was wir mit „Fremden“ oder „Feinden“ anzustellen in der Lage sind. Für Marshall Rosenberg sind wir deshalb jedoch nicht schlecht. Er ist kein Vertreter der Vorstellung des Homo Hominis Lupus, die in der Antike angelegt, von den frühen Aufklärern aufgenommen und weitergesponnen wurde und heute jede Form von Gewalt, Manipulation und Unterdrückung rechtfertigt. Denn erst die menschenverachtende Idee von unserer eigenen Schlechtigkeit macht es möglich, einander zu manipulieren, zu unterdrücken und zu zerstören.
Um uns einander annähern zu können und Vertrauen zueinander zu fassen, brauchen wir die Vorstellung, im Grunde gut zu sein. Und so steht hinter Rosenbergs Konzept die tiefe Überzeugung, dass wir uns von Natur aus nicht die Köpfe einschlagen, sondern einander wohlgesonnen sind. Wir sind Wesen, die die Verbindung, die Gemeinschaft und die Kooperation zum Leben brauchen wie die Luft zum Atmen.
Ohne friedliches Miteinander hätten wir uns überhaupt nicht entwickeln können. Das vergessen wir leider gern. Es wird uns ja auch anders gelehrt. Von frühester Kindheit an werden uns Messlatten angelegt. Wir lernen, von unseren Schultern und Ellbogen Gebrauch zu machen und uns nichts gefallen zu lassen. Wir glauben an das Recht des Stärkeren und das Gesetz des Dschungels. Und schließlich merken wir nicht einmal mehr, wie sehr wir von Anfang an auf Krawall gebürstet wurden.
Damit sich das ändert, müssen wir uns an etwas annähern, was in unserer verstandesgelenkten Welt gerne belächelt und sogar für gefährlich erklärt wird: unseren Gefühlen. Wie der große Humanist Carl Rogers, dessen Schüler er war, glaubte Rosenberg, dass wir einander nur im Herzen wahrhaftig begegnen können. Beide gehen davon aus, dass wir, wenn das entsprechende Vertrauen geschaffen ist, nicht nur unsere Beziehungskultur verbessern, sondern auch in jeder Hinsicht unsere Selbstentfaltung begünstigen. Jeder Mensch trägt das Potenzial in sich, das er braucht, um sich seinem Wesen entsprechend zu entwickeln und Lösungen für seine Probleme zu finden. Aufgabe der Eltern, Lehrer, Therapeuten und anleitenden Personen ist es daher, den Zugang zu diesen ursprünglichen Fähigkeiten zu ebnen.
Nicht erziehen also, sondern begleiten, nicht bevormunden, sondern vertrauen, nicht manipulieren, sondern sich frei entwickeln lassen. Das jedoch geht nicht in einem System, das Knechte, Kanonenfutter und Konsumenten braucht. Hier wird den Menschen erzählt, sie bräuchten Autoritäten, die sie zurechtbiegen und auf den rechten Pfad bringen. An dem Maße, wie wir heute die Lösungen für unsere Probleme einkaufen, lässt sich erkennen, wie weit wir davon entfernt sind, in unsere Fähigkeiten zu vertrauen. Daran, wie wir anderen begegnen, lässt sich ablesen, wie sehr wir einem System dienen, das den gesamten Planeten in Schutt und Asche zu legen droht.
Eigentlich ist es ganz einfach, es künftig anders zu machen und einander friedlich zu begegnen. Wir müssten nur unser übliches „du hast aber ...“ in ein „ich fühle ...“ umwandeln. Davon ablassen also, den anderen verändern zu wollen und uns unseren eigenen Gefühlen und Bedürfnissen zuwenden. Es ist nur eine kleine Drehung — ein Halbkreis sozusagen —, die wir vollziehen müssen. Von dieser Bewegung hängt nicht nur die Qualität des Zusammenlebens mit unseren Partnern, Kindern, Verwandten, Freunden, Nachbarn und Kollegen ab, sondern auch der Weltfrieden. Das ist einen Versuch wert. Der erste Schritt in der gewaltfreien Kommunikation ist es also, seinen Gefühlen zu begegnen. Anstatt den anderen zu beschuldigen und sich selbst zu rechtfertigen geht es darum, möglichst passende Worte für das zu finden, was gerade in einem abgeht. Welche Gefühle lösen eine Situation, eine Begegnung, ein Streit in mir aus? Nicht „Ich fühle, dass du im Unrecht bist“ oder „Ich fühle, dass es hier zu viele Ausländer gibt“, sondern: „Ich fühle mich unsicher, zerbrechlich, einsam, peinlich berührt, nervös, betrübt, ...“
Die Liste unserer Gefühle ist lang und sollte an jedem Kühlschrank hängen. Wichtig ist, keine Interpretationen oder Werturteile mit dem eigenen Gefühl zu vermischen. „Ich fühle mich missachtet / betrogen / zurückgewiesen“ machen den anderen zum Täter und einen selbst zum Opfer. Doch genau dieses Spiel soll überwunden werden. Gewaltfreie Kommunikation befähigt dazu, sich nicht abhängig vom Verhalten des anderen zu machen, sondern die Verantwortung für seine Gefühle selbst in die Hand zu nehmen, sich darüber klar zu werden, welches Bedürfnis nicht erfüllt worden ist und ein Angebot für eine Verbesserung zu machen.
Die gewaltfreie Kommunikation vollzieht sich in insgesamt vier Schritten. Sie beginnt mit einer Beobachtung: Was ist tatsächlich geschehen? Eine Beobachtung ist grundsätzlich wertfrei — und nach Jiddu Krishnamurti die höchste Form der menschlichen Intelligenz. Die Beobachtung interpretiert und beschuldigt nicht und sie verzichtet auf Worte wie „immer“, „nie“, „zu wenig“, „zu viel“, „Egoist“ und „Idiot“. Ist die erste Hürde genommen, kommt die zweite: die Äußerung des eigenen Gefühls. Danach wird ein Bedürfnis formuliert, keine Strategie oder gar Erpressung nach dem Motto „Wenn du das machst, dann bin ich dir wieder gut“. Die Bedürfnisse sind bei uns allen in etwa gleich. Jeder braucht ein Dach über dem Kopf, Kleidung und zu essen, Sicherheit und Wertschätzung, Zuneigung und die Möglichkeit, sich zu entwickeln. Wenn ich also mein Bedürfnis formuliere, dann kann ich davon ausgehen, dass der andere es versteht. Das verbindet. Hier stehen sich nicht mehr Feinde gegenüber, sondern Menschen, die aus demselben Stoff gemacht sind. Daraus ergibt sich ein Friedensangebot in Form einer Bitte — nicht einer Forderung. Forderungen stoßen ab und werden nur widerwillig, unter Zwang oder aus Angst erfüllt. In keinem Fall bringen sie Menschen zusammen.
Das Resultat sieht dann in etwa so aus: „Wenn ich sehe/höre/..., dass/wie ..., dann fühle ich mich ... Denn ich habe das Bedürfnis, ... Bist du einverstanden, dass ...?“ Bei der letzten Formulierung sollte nicht so etwas herauskommen wie „dass du mir meine Wünsche von den Lippen abliest und immer mit mir einer Meinung bist.“ So funktioniert Zusammenleben nicht. Wenn wir auch alle etwa die gleichen Bedürfnisse haben und ähnliche Gefühle kennen, so sind wir doch grundverschieden. Und das ist gut so. Was wäre das Leben langweilig, wenn wir uns alle immer nur bestätigend zunicken würden! Das Schlimmste aber wäre, dass wir uns selbst nicht erkennen würden. Denn nur in der Konfrontation mit dem anderen lernen wir uns selbst kennen, nicht nur unsere Gefühle und Bedürfnisse, sondern auch unsere Grenzen. Mit der gewaltfreien Kommunikation lernen wir, darauf keine Mauern und Festungen zu errichten, sondern uns gegenseitig einzuladen und gemeinsam zu üben.
Jenseits der Schatten
Wir alle vereinen in uns Stärken und Schwächen. Uns selbst und der Welt jedoch wollen wir vor allem unsere Schokoladenseite präsentieren. Anstatt uns in unser inneres Dunkel hineinzuwagen, verlieren wir uns in Rechtfertigungen und Anklagen. So wirken Scham und Angst unbewusst in uns und bestimmen unser Handeln. Um aus der Spirale der (Selbst-) Zerstörung herauszukommen, brauchen wir Hilfe. Wir bekommen sie, wenn wir nicht weiter unter Verschluss halten, was uns bewegt.
Klug, interessant, großzügig, mutig, tolerant, humorvoll, kultiviert, attraktiv — so wollen wir sein. So soll man uns sehen. Wer von uns will schon als langweiliger, knauseriger Egoist dastehen? Wir alle möchten schließlich gemocht werden, geschätzt, bewundert, geliebt. Anerkennung ist der Motor unseres Lebens. Entsprechend bemühen wir uns, der Welt unsere Schokoladenseite zu präsentieren. Schicht um Schicht haben wir uns eine Persona geschaffen, jene Maske, mit der wir die gesellschaftliche Bühne betreten.
Auf der spielen nicht nur Prinzen und Feen. Da wimmelt es von Tyrannen und Hexen, von Geizhälsen, Schlafmützen, Klugscheißern, Dummköpfen, Prahlhänsen, Neidhammeln, Jammerlappen, Heulsusen und Angsthasen. Wo kommen die alle her? Wer verbirgt sich dahinter? Macht uns jemand darauf aufmerksam, wie wir uns verhalten, zum Beispiel in einem...