1
Kleine Ursache, große Wirkung
Adam, Eva und der Apfel
(1.Mose 3)
Johann Carl Loth, Adam und Eva
Der Anlass scheint so klein: Es geht lediglich um einen Apfel. Doch dass Adam und Eva sich über Gottes Verbot, den Apfel zu essen, hinwegsetzen, hat riesige Auswirkungen auf die Menschheit.
Das paradiesische Glück der ersten Menschen ist nur von kurzer Dauer. Wenn man die ersten Seiten der Bibel liest, dann hat man jedenfalls diesen Eindruck. Gerade erst hat die Geschichte der Menschheit begonnen – schon bekommt das Glück einen Knacks. Wo Vertrauen war, herrscht jetzt Misstrauen, wo die Menschen unbekümmert waren, herrscht jetzt Angst. Die Unschuld ist dahin.
Nicht nur die Beziehung zu Gott bekommt durch die Geschichte mit dem Apfel einen Knacks; auch die Beziehung der Menschen untereinander. Sie schieben sich nun gegenseitig die Schuld in die Schuhe. Adam redet sich damit heraus, dass Eva ihm von dem Apfel gegeben habe. Und die schiebt den schwarzen Peter weiter an die Schlange. Von nun an herrscht Feindschaft zwischen dem Menschen und der Schlange. Der Mensch wird der Schlange den Kopf zertreten und die Schlange wird ihn in die Ferse beißen. (1.Mose 3,15) Auch die Beziehung zwischen Mensch und Natur ist also betroffen.
War das eigentlich nötig? Warum hat Gott denn diese eine Frucht überhaupt verboten? Warum hat er nicht alles, was wächst, freigegeben?
Diese Frage lässt sich noch einigermaßen leicht beantworten: Nicht alles, was wächst, ist gut für den Menschen. Der Fliegenpilz etwa ist zwar schön anzusehen, aber man sollte doch lieber die Finger davon lassen.
Na gut. Aber warum hat Gott den Menschen dann die Möglichkeit gegeben, seinem Verbot zum Trotz von der verbotenen Frucht zu naschen? Hätte er nicht einen großen Zaun um den Baum errichten können? Oder, noch besser, dafür sorgen können, dass der Mensch gar nicht erst das Verlangen nach dieser Frucht verspürt? Mit anderen Worten: Wenn Gott allmächtig ist, warum lässt er dann zu, dass böse Dinge geschehen? Hätte er es nicht so einrichten können, dass es gar nicht erst zu den Black Stories dieser Welt kommt? Dann gäbe es zwar nicht das gleichnamige Ratespiel, dafür aber lebten wir in einer Welt des Friedens und der Harmonie.
Aber eben auch in einer Welt der Unfreiheit. Es wäre nur um den Preis der Willensfreiheit möglich gewesen, den Menschen komplett vor dem Bösen zu bewahren. Wir wären Marionetten, unfähig, eigene Wege zu gehen, eigene Entscheidungen zu treffen. Wir könnten uns weder für das Böse entscheiden – noch für das Gute. Gut und Böse wären Wörter ohne Sinn.
Das Gute gibt es nur um den Preis des Bösen.
Die Bibel bringt mit dieser ersten aller Black Stories zum Ausdruck: Gott wollte keine Marionetten. Er wollte Wesen nach seinem Ebenbild, und das heißt: freie, souveräne Wesen. Wesen, die zum Bösen fähig sind, aber eben auch zum Guten; zum Hass, aber eben auch zur Liebe.
Das hat zur Folge, dass die Welt, in der wir leben, nicht perfekt ist – weiß Gott nicht! Aber es ist doch eine Welt, in der auch das Gute seinen Platz hat. Es ist eine Weit, in der es neben unzähligen Black Stories auch so etwas wie White oder besser „Light Stories“ gibt: Geschichten des Lichts und der Hoffnung, der Bewahrung und der Heilung.
Ich jedenfalls möchte in keiner anderen Welt leben.
2
Das Drama
Kain, Abel und die Dezimierung der Menschheit
(1.Mose 4,1-16)
Kain erschlägt Abel
Tizian, Kain und Abel
Kaum ist das Böse in der Welt, greift es um sich – und wird bald so mächtig, dass ein Bruder den anderen erschlägt. Da es bisher nach biblischer Zählung erst vier Menschen gibt, ist damit quasi ein Viertel der Menschheit ausgelöscht. Abel muss sterben. Sein Name deutet das bereits an, denn „Abel“ bedeutet so viel wie Hauch oder Vergänglichkeit.
Und warum das alles? Aus bloßem Neid! Das Problem ist so alt wie die Menschheit. Dem anderen geht es besser als mir. Er hat mehr Erfolg oder findet mehr Anerkennung. Er sieht besser aus oder hat mehr Glück. Sein Leben scheint einfach besser zu gelingen als meines.
Kain hat das – wie viele Menschen in der Bibel – auf Gott zurückgeführt. An Gottes Segen ist alles gelegen – das war der Grundsatz. Wenn es rund lief, dann lag das daran, dass Gott seinen Segen gegeben hatte – wenn nicht, dann lag es wohl daran, dass dieser göttliche Segen fehlte.
Warum schenkt Gott dem einen seinen Segen, während er ihn dem anderen verwehrt? Kain hatte doch eigentlich alles richtig gemacht. Er, der Landwirt, hatte Gott einen Teil seiner Ernte geopfert – genau wie sein Bruder, der Schäfer, einen Teil seiner Herde geopfert hatte. Doch während die Rauchsäule über Abels Altar senkrecht aufstieg, war das bei Kains Opfer nicht der Fall – so jedenfalls ist die gängige Erklärung für das Urteil, das dann gefällt wird: „Der Herr schaute wohlwollend auf Abel und sein Opfer. Doch Kain und sein Opferschaute er nicht wohlwollend an.“ (1. Mose 4,4b-5)
Die Bibel erklärt nicht, wie es dazu kam. Sie fällt kein Urteil darüber, ob es an Kain selbst lag oder nicht, ob sein Opfer vielleicht halbherziger war als das des Bruders. Es ist einfach so. Wie im richtigen Leben. Da gibt es auch nicht für alles eine Erklärung. Manchmal läuft es gut – ein anderes Mal nicht. Dem einen scheint alles zuzufallen – der andere tut sich schwer.
Man kann das ungerecht finden, doch das hilft nicht weiter. Erst recht hilft es nicht, dem anderen dafür böse zu sein. Er kann in der Regel nichts dafür. Genau das passiert hier: Kain ist seinem Bruder böse. Er kann es nicht ertragen, dass sein Bruder besser wegkommt als er.
Gott bleibt das nicht verborgen. Er warnt ihn noch – und er mutet ihm zu, dem Neid zu widerstehen. Die Sünde „lauert... an der Tür. Sie lockt dich, aber du darfst ihr nicht nachgeben!“ (1. Mose 4,7b) Der Mensch ist dem Bösen nicht ausgeliefert. Er kann seine Triebe beherrschen. Das unterscheidet ihn vom Tier.
Doch Kain findet nicht die Kraft dazu. Er lässt es zu, dass der Hass in ihm übermächtig wird. Das hat fatale Folgen...
Übrigens nicht nur für Abel, dem ersten Mordopfer der Bibel. Sondern auch für Kain selbst. Für seine Tat wird er verflucht. Die Erde, die er mit dem Blut des Bruders getränkt hat, verschließt sich ihm von nun an und verweigert ihm, dem Landwirt, den Ertrag. Kain ist zum rastlosen Leben im Land Nod, dem Land der Heimatlosen verdammt. (Das Wort Nod leitet sich vermutlich vom hebräischen Wort nad ab, das „ruhelos“ bzw. „umherwandern“ bedeutet.)
Immerhin: Auch dort steht er unter Gottes Schutz. Gott versieht ihn mit dem „Kainsmal“, das allen, die Hand an Kain legen wollen, siebenfache Rache androht. So geht das Leben für ihn weiter – trotz der schweren Schuld, die er auf sich geladen hat. Eine Black Story mit Hoffnungsperspektive!
3
Zu spät
Noahs Prognose und das Zögern der Zeitgenossen
(1.Mose 6-7)
Noahs Zeitgenossen realisieren, dass es zu spät ist.
Karl Schorn, Die Sintflut
Das Tragische an der Sintflut ist, dass es eine Katastrophe mit Ansage ist. „Gott sah auf die Erde: Sie war durch und durch verdorben." (1. Mose 6,12) – und er beschließt ihre Vernichtung. Unaufhaltsam treiben die Menschen nun auf die Katastrophe zu – alle
bis auf Noah und seine Familie. Noah ist der einzige, der vor Gottes Augen bestehen kann und der deshalb eingeweiht wird in den tödlichen Plan. Auf Gottes Befehl hin baut er die Arche (= Kasten, von lat. arca) mitten auf das Land – zur Belustigung seiner Zeitgenossen, wie zu vermuten ist. Die Bibel schweigt darüber, wie die Menschen auf Noahs Bauprojekt reagieren. Doch man kann sich kaum vorstellen, dass sie sich diese Steilvorlage zum Spott entgehen lassen haben. Die Bibel berichtet auch nichts davon, dass Noah die Menschen gewarnt hätte. Es scheint, als arbeite er still vor sich hin und kümmere sich nicht um das Geschwätz um ihn herum.
Hätte die Geschichte einen anderen Ausgang genommen, wenn Noah die Menschen gewarnt hätte?
Das lässt sich natürlich nicht mehr klären. Doch es spricht manches dafür, dass wir uns inzwischen wieder in einer ähnlichen Lage befinden. Der Klimawandel lässt den Meeresspiegel steigen. Schon jetzt wissen manche Inselstaaten, dass sie untergehen werden. Schon jetzt fallen ganze Landstriche gigantischen Wirbelstürmen oder Überschwemmungen zum Opfer. Und das ist erst der Anfang.
Und, zieht die Menschheit Konsequenzen aus diesem Szenario? Klima-Experten meinen: Wir reagieren viel zu halbherzig! Noch viel mehr könnte – und müsste – getan werden, um Emissionen zu reduzieren und den Temperaturanstieg abzubremsen!
Steuern wir also – wie Noahs Zeitgenossen – auf das Ende zu?
Und wenn ja, werden auch wir die Chance zum Neuanfang bekommen?
Denn das ist ja das Schöne an der Geschichte von der Sintflut: dass am Ende der Regenbogen aufleuchtet, als Zeichen der Versöhnung und des Neuanfangs. „Solange die Erde besteht, werden nicht aufhören Saat und Ernte, Frost und Hitze, Sommer und Winter, Tag und Nacht.“ (1. Mose 8,22)
Die Bibel redet hier sehr menschlich von Gott: Bereits zum zweiten Mal ändert sich hier sein Sinn. Erst bereut er, den Menschen geschaffen zu haben, weil er dessen Hang zum Bösen unterschätzt hat. Nun scheint er zu akzeptieren, dass es einfach so ist und dass sich das Böse nicht ausrotten lässt – jedenfalls nicht so, wie er es versucht hatte. Und trotzdem geht Gottes Geschichte mit der Menschheit weiter.
Es wird also zu weiteren Black Stories kommen. Doch die spannende Frage ist: Was wird Gott sich jetzt einfallen lassen, um das Böse zu bekämpfen? Eine Frage, die sich durch die Bibel zieht wie ein roter Faden.
4
Störfall mit Spätfolgen
Der Turmbau zu Babel und die Verwirrung der Sprachen
(1.Mose 11,1-9)
Es sind große Pläne, die die Menschen schmieden: Sie wollen einen Turm bauen, der bis in den Himmel reicht.
Doch was eigentlich ist so schlimm daran? Warum will Gott das verhindern?
Die Antwort steckt in Vers 6: „Das ist erst der Anfang! In Zukunft wird man sie nicht mehr aufhalten können. Sie werden tun, was sie wollen.“ Gott fürchtet offenbar, dass nicht nur die Bauwerke der Menschen bis in den Himmel wachsen, sondern auch ihre Bosheit. Wer Wolkenkratzer baut, baut dann vermutlich auch andere Waffe...