Onboarding im neuen Job in 10 Schritten: Vom Konflikt zum Teamgeist [+Checklisten]
// Von Helga BrĂŒggemann
Was tun, wenn beim Onboarding die Spannungen trotz guter Vorbereitung steigen? Welche Schritte sind zu ergreifen? Ein Ăberblick!
Onboarding-Sekundenkleber verwenden â 10 Andocktechniken fĂŒr neue Mitarbeiter
Damit ein Onboarding-Prozess Ă€hnlich sicher verlĂ€uft, wie der weit ĂŒberwiegende Anteil störungsfreier FlĂŒge, mĂŒssen interaktionelle QualitĂ€tsstandards eingehalten werden. Im Idealfall werden die QualitĂ€tsstandards allen Beteiligten vor dem Onboarding in Erinnerung gerufen, egal wie erfahren sie mit Kontextwechseln sind. Folgende Sicherheitsvorkehrungen fĂŒr die Onboarding-Reise sollten getroffen werden.
Auch wenn viele FĂŒhrungskrĂ€fte die Beziehungsdynamik intuitiv förderlich beeinflussen, kann es hilfreich sein, sich die bewĂ€hrten Techniken immer wieder bewusst zu machen. Insbesondere gilt dies, wenn der Druck steigt und mit ihm die Wahrscheinlichkeit, reflexhaft zu reagieren. Zehn Andocktechniken haben sich in Integrationsphasen besonders bewĂ€hrt:
1. Auf eine WellenlÀnge einschwingen
Im Improvisationstheater gibt es eine AufwĂ€rmĂŒbung mit verblĂŒffender Wirkung. Es werden Paare gebildet. Sie einigen sich auf ein GesprĂ€chsthema, beispielsweise, ob man nach der Arbeit noch gemeinsam etwas unternimmt. Die Ăbung erfolgt in zwei Etappen. In der ersten Etappe gibt es die Instruktion, die VorschlĂ€ge des GesprĂ€chspartners konsequent abzulehnen. Es ist leicht, sich auszumalen, wie stockend das GesprĂ€ch verlĂ€uft. Derjenige, der unermĂŒdlich VorschlĂ€ge einbringt, strengt sich an. Der GesprĂ€chspartner, der die VorschlĂ€ge ablehnt, fĂŒhlt sich im Laufe des GesprĂ€chs bedrĂ€ngt. Es entsteht bei beiden das GefĂŒhl, aneinander vorbei zu reden. Die WellenlĂ€nge scheint nicht zu stimmen.
In der zweiten Runde werden die GesprĂ€chspartner aufgefordert, auf alle VorschlĂ€ge einzugehen. Damit ist nicht gemeint, zu allem ja zu sagen. Wenn eine Person beispielsweise vorschlĂ€gt, nach der Arbeit noch in einen Biergarten zu gehen, könnte das Darauf-Eingehen so aussehen, dass die andere Person sagt: »Oh ja, gemeinsam den Tag zu reflektieren finde ich eine gute Idee. Heute Abend bin ich leider schon vergeben. Was hĂ€ltst du davon, wenn wir Morgen gemeinsam Mittag essen gehen?« Wird nach dieser Andockregel kommuniziert, entsteht eine Beziehungsdynamik, die das GefĂŒhl stĂ€rkt, eine WellenlĂ€nge zu haben und einander zu verstehen. Gerade wenn in der Onboarding-Phase unterschiedliche Erwartungen aufeinandertreffen, kann diese einfache Andocktechnik die Zusammenarbeit von Anfang an erleichtern. Andocktechnik
2. Meine Welt â deine Welt
In der Schule, Berufsausbildung und an UniversitĂ€ten haben wir gelernt, klar unsere Meinung zu vertreten. Logisch aufgebaute Argumentationsketten wurden mit guten Noten belohnt. Ein Sowohl-als-auch wurde leicht als schwammig ausgelegt. In der Berufswelt treffen dann die unterschiedlich ausgebildeten Experten aufeinander. Ein Naturwissenschaftler wird anders argumentieren als ein Geisteswissenschaftler. Architekten haben andere Aspekte im Blick, wenn es beispielsweise um die Gestaltung von Arbeitsumgebungen geht, als Psychologen. Schnell entsteht eine GesprĂ€chsatmosphĂ€re, in der unterschiedliche Interaktionspartner versuchen, sich gegenseitig von ihrer Sichtweise zu ĂŒberzeugen.
Zu erkennen ist dieses Kommunikationsmuster an der wiederholten Verwendung der Formulierung ja, aber ⊠Folgt man der konstruktivistischen Wirklichkeitsauffassung, nach der es keine Falschnehmung, sondern nur eine Wahrnehmung gibt (zitiert nach einer Aussage von Haja Molter), existieren viele Wirklichkeitsauffassungen gleichberechtigt nebeneinander. Keine ist richtig oder falsch, alle ergeben Sinn aus der Perspektive des jeweiligen Betrachters. Auch hier hat sich eine einfache Andocktechnik bewĂ€hrt. Immer wenn man bemerkt, dass sich die beiden Wörter ja, aber ⊠hĂ€ufen, ersetzt man das Wort aber durch und. Auch in diesem Fall ist die Wirkung verblĂŒffend. Unterschiedliche Beschreibungen können durch diese kleine Ănderung unkommenImmer tiert nebeneinander stehen bleiben. Der Wunsch, Recht zu haben, nimmt ab. Es steigt die Wahrscheinlichkeit, eine fĂŒr beide gute und konstruktive Lösung zu finden.
3. Die Kunst der Unterlassung
Die Unterlassung ist eine Königsdisziplin der systemischen Methoden. Mit Unterlassung ist gemeint, nicht reflexhaft zu reagieren, wenn ein Kommunikationsangebot gemacht wird. Diese Technik setzt ein hohes MaĂ an Selbststeuerungsvermögen voraus. Da zwischen Reiz und Reaktion ein Möglichkeitsraum liegt, hat die FĂŒhrungskraft die Wahl, wie sie reagiert (Frankl, 1985, S. 52 ff.). Wer eine Pause zwischen Auslöser und Reaktion einlegen will, muss sich selbst wie ein neutraler Beobachter von auĂen in der Situation wahrnehmen können. Erst diese distanzierte Position macht es möglich, bewusst zu entscheiden. Beispielsweise kann man sich gleich melden, wenn ein Kollege um Hilfe bittet.
Man kann aber auch kurz innehalten, um zu prĂŒfen, was machbar und sinnvoll ist zu dem gegebenen Zeitpunkt und unter diesen UmstĂ€nden. Es kann durchaus sein, dass man sich wieder entscheidet einzuspringen und aushilft, weil es jetzt passt und stimmig ist. Der entscheidende Punkt ist, dass man die Wahl hat. Die Reaktion wird bewusst getroffen und erfolgt nicht reflexhaft. Sandra Janoff und Marwin Weisbord, die BegrĂŒnder der »Zukunftskonferenzen«, zeigen in ihrem Buch »Donât just do something, stand there«, welche Kraft in der Kunst der Unterlassung steckt (Weisbord u. Janoff, 2007, S. 31â48). Gerade in Phasen von Kontextwechseln hilft es, wenn die Beteiligten einen Anker haben, der wertvolle Pausen immer wieder ins GedĂ€chtnis ruft.
Er erinnert die neuen FĂŒhrungskrĂ€fte daran, innezuhalten und immer wieder bewusst Pausen einzulegen. Manche stellen sich vor, innerlich auf den Balkon zu gehen, andere imaginieren den Blick eines Adlers von oben auf die GesprĂ€chssituation. Wieder andere nutzen einen Gegenstand im Raum, wie einen kleinen Globus auf dem Schreibtisch oder ein Kunstwerk an der Wand. Wer die Kunst der Unterlassung beherrscht, hat sein systemisches HandgepĂ€ck mit einer wertvollen Technik ausgestattet, die im Integrationsprozess hĂ€ufig von Nutzen sein wird.
4. Dynamisches Menschenbild
In der Onboarding-Phase lernt man sich gegenseitig nach und nach immer besser kennen. Beide Seiten bilden sich im Laufe der Probezeit ein Urteil voneinander. Bei hoher Leistungsverdichtung ist es verstĂ€ndlich, dass man versucht, KomplexitĂ€t nach Möglichkeit zu reduzieren. Auf zwischenmenschlicher Ebene ist kategorisches Denken eine Möglichkeit, die KomplexitĂ€t zu bewĂ€ltigen. Das Einordnen von GesprĂ€chspartnern erleichtert es, ihn einzuschĂ€tzen. Erfahrungen helfen dabei, eine Person einzuordnen. Verdichtetes Erfahrungswissen kann zu einer guten Menschenkenntnis fĂŒhren. Diese ist hilfreich, um sich schnell auf jemanden einstellen zu können. Es wird zur Falle, wenn die EinschĂ€tzung kategorisch erfolgt und die einmal gewĂ€hlte Schublade nicht wieder aufgezogen wird. Hilfreich im Onboarding-Prozess ist es, wenn in der Kennenlernphase die Menschenkenntnis mit einem dynamischen Menschenbild einhergeht. Mit einem starren Menschbild wĂŒrde eine FĂŒhrungskraft denken oder sagen: »Der Kollege ist entscheidungsschwach.«
Diese Formulierung ist eine Zuschreibung. Der Kollege wird so wahrgenommen, als sei er so. Unausgesprochen wird damit die Botschaft vermittelt, dass diese Art zu sein in Stein gemeiĂelt ist und er so bleiben wird. Dieses Menschenbild ist starr und gibt dem Kollegen keine Chance fĂŒr eine positive Entwicklung. Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn die EinschĂ€tzung eines Kollegen mit einem dynamischen Menschenbild erfolgt. Die Formulierung wĂŒrde lauten: »Mein Kollege hat bei der letzten Mitarbeiterbesprechung vermieden, eine Entscheidung zu treffen.« Mit dieser Formulierung wird ein situativ gezeigtes Verhalten beschrieben. In einer anderen Situation könnte sich der Kollege anders verhalten. Das dynamische Menschenbild lĂ€sst Raum fĂŒr eine positive Entwicklung. In einer Integrationsphase sind beide Seiten gut beraten, vorschnelle Zuschreibungen zu vermeiden. Wenn in RĂŒckmeldegesprĂ€chen konkrete Verhaltensweisen beschrieben werden, auch wenn sie von dem Feedback-Geber als irritierend oder dysfunktional empfunden werden, bleibt eine positive Entwicklung möglich und alle Beteiligten können an der Integration wachsen.
5. Trennen, was nicht zusammengehört
In entspannten GesprĂ€chssituationen ist es leicht, konstruktiv miteinander umzugehen. Es gibt keine Meinungsverschiedenheiten. Die EinschĂ€tzung der Situation scheint Ă€hnlich zu sein. Wirklichkeitsauffassungen und -beschreibungen weichen nur minimal voneinander ab. Wie zwei gute Freunde oder ein eingespieltes Ehepaar scheinen sich die GesprĂ€chspartner auf eine Weltsicht geeinigt zu haben. In dieser AtmosphĂ€re ist es leicht, an die Argumente der GesprĂ€chspartnerin anzuknĂŒpfen. Ideen sprudeln und LösungsvorschlĂ€ge ergĂ€nzen sich. Ganz anders stellt sich die Situation dar, wenn unterschiedliche Wirklichkeitsauffassungen aufeinandertreffen. Gerade in der Onboarding-Phase, wenn Partner sich erst finden mĂŒssen, ist es wahrscheinlich, dass unterschiedliche Erfahrungen und Interessen mitgebracht werden. Wenn die GesprĂ€chspartner nicht aufpassen, kann sich in dieser Konstellation eine ungewĂŒnschte Dynamik entwickeln. Was zunĂ€chst als sachliche Auseinandersetzung begann, wird immer persönlicher. Emotionen, die mit den Interessen verbunden sind, wirken auf die Art der Kommunikation. Es wird hitziger.
Die fachliche Ebene wird immer mehr verlassen, je mehr das BedĂŒrfnis der GesprĂ€chspartner laut wird, in ihrer Sichtweise und Argumentation ernst genommen und wertgeschĂ€tzt zu werden. Nicht Recht zu bekommen, wenn man meint, im Recht zu sein, stachelt die GesprĂ€chspartner an. Das Ringen um eine gemeinsame Lösung wird zu einem Kampf. Wenn in dieser Situation kein Klebstoff zum Andocken im HandgepĂ€ck vorhanden ist, kann das GesprĂ€ch eskalieren. Sobald man diese Dynamik bemerkt, sollte man sich disziplinieren und nicht zu schnell bewerten. Die Konfrontation in dem GesprĂ€ch entsteht nicht durch unterschiedliche Interessen und Auffassungen. Zielkonflikte sind in Unternehmen Teil des Spiels. Zu einer Störquelle werden sie, wenn mit den Auffassungen ErklĂ€rungen verbunden werden, die unmittelbar bewertet werden.
Eine anstehende Umstrukturierung der Aufgaben beispielsweise wĂŒrde mittels dieses Klebstoffs zunĂ€chst neutral beschrieben. In einer nĂ€chsten Phase wĂŒrde jeder GesprĂ€chspartner erklĂ€ren, was sie fĂŒr ihn bedeutet. Erst zum Schluss wĂŒrde eine Bewertung erfolgen, wie gut oder schlecht, hilfreich oder störend, durchdacht oder krĂ€nkend man diese MaĂnahme empfindet. Ohne Klebstoff werden Phase eins (beschreiben) und Phase zwei (erklĂ€ren) so schnell durchlaufen, dass das GesprĂ€ch durch die Fokussierung auf Bewertungen verhĂ€rtet. Abweichende Auffassungen werden von deren Bewertung unzureichend getrennt. Wer zu schnelle Bewertungen vermeidet, sich zunĂ€chst Zeit zur neutralen Beschreibung der Situation nimmt, um erst dann die ErklĂ€rungen abzugleichen, wird das GesprĂ€ch entschleunigen. Person und Sache können so wieder leichter getrennt werden. Die Wahrscheinlichkeit einer konstruktiven Problemlösung steigt.
6. Die drei Ws der konstruktiven RĂŒckmeldung
Im Onboarding-Prozess ist der konstruktive Austausch von Sichtweisen ein kritischer Erfolgsfaktor. Erfolgt er zu wenig, muss die Passung sehr hoch sein, damit die Integration gelingen kann. Im Idealfall sind RĂŒckmeldungen ritualisiert, beispielsweise in Form von regelmĂ€Ăigen RĂŒcksprachen und EntwicklungsgesprĂ€chen. Eine konstruktive dreistufige RĂŒckmeldetechnik wirkt als Klebstoff und sollte möglichst immer sofort zum Einsatz kommen, wenn es Bedarf gibt. Eine Mitarbeiterin legt beispielsweise die Regel, dass alle im Team gleichberechtigt sind, anders aus als ihre Teamkolleginnen. Sie holt RĂŒckmeldung zu Zwischenergebnissen bei unterschiedlichen GesprĂ€chspartnerinnen ein, ganz unabhĂ€ngig von der Hierarchie, wenn sie es fĂŒr notwendig hĂ€lt. Teamkolleginnen, die unter gleichberechtigt verstehen, dass solche Aktionen abgesprochen werden, bevor man mit anderen kommuniziert, werden irritiert sein. Warten sie auf die nĂ€chste ritualisierte Austauschrunde, beispielsweise eine Retrospektive15, kann es sein, dass sich Irritationen summieren und das StörgefĂŒhl verstĂ€rken.
Um diese Eskalation zu vermeiden, sollte dieser Schritt immer bei Bedarf genutzt werden: Die konstruktive RĂŒckmeldung erfolgt in drei Stufen. Die drei Ws bezeichnen die Phasen Wahrnehmung â Wirkung â Wunsch. In dem oben aufgefĂŒhrten Beispiel könnte die irritierte Teamkollegin nach diesem Dreiklang rĂŒckmelden:
- Wahrnehmung: »Du hast der Direktorin unsere Teamergebnisse vorgestellt, ohne dich vorher mit uns abzustimmen.«
- Wirkung: »Dieses Verhalten irritiert mich, weil ich mich ĂŒbergangen fĂŒhle.«
- Wunsch: »Ich wĂŒnsche mir, dass du dich in Zukunft vorher mit mir absprichst. Wie siehst du das?«
Auch bei dieser Andocktechnik wird vermieden, die GesprĂ€chspartnerin mit Du-Botschaften in die Ecke zu treiben. Die Technik ermöglicht es, bei sich zu bleiben und eine Lösung herbeizufĂŒhren, ohne die GesprĂ€chspartnerin zu beschuldigen. Diese Andocktechnik wirkt am besten, wenn sie eingesetzt wird, sobald Irritationen auftreten.
7. Mit Boarding Experience (BX) switchen
Im Theater können wir die Wirkung dieser Technik miterleben. Schauspieler sind Meister dieser Technik. Sie schlĂŒpfen in eine Rolle und fĂŒhlen, denken und agieren aus dieser Rolle heraus. Sie sind Meister des Switchens. Auch in Unternehmen wird eine Variante dieser...