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Demokratisiert das Kapital
Ein Wirtschaftskompass, um Ökonomie zu verstehen und politisch zu handeln
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Demokratisiert das Kapital
Ein Wirtschaftskompass, um Ökonomie zu verstehen und politisch zu handeln
About this book
Ein Kompendium, um kapitalistische Mythen und neoliberale Legenden zu entlarven und über sozial-ökologische Alternativen (BGE, grünes Wachstum, Freigeld, MMT, Postwachstumsgesellschaft usw.) aufzuklären. Ein "Wer bin ich - und wenn ja, wie viele?" der politischen Ökonomie.
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1. Vorwort: Nicht vor Komplexität kapitulieren
und Alternativen wieder denkbar machen
»Eine Linke, die zwar den Kapitalismus kritisiert, sich aber für Wirtschaft nicht interessiert, ist wie ein Kfz-Mechaniker, der den Motor nicht versteht.«1
(Fabio De Masi, ehemaliger Finanzexperte der Linken)
Wer den Kapitalismus sezieren will, der braucht dafür ein breites Besteck aus geschichtlichen, philosophischen, ökonomischen, mathematischen, soziologischen und sozialpsychologischen Werkzeugen besteht. So waren die ersten Ökonomen einst Universalgelehrte, Philosophen wie Platon und auch der Urvater der modernen Wirtschaftswissenschaften Adam Smith war nicht nur Ökonom, sondern auch gleichzeitig Moralphilosoph. Auch wenn sich seit der Antike einiges geändert hat, die Wirtschaft betrifft uns nach wie vor alle, ob es um unsere Jobs geht, um unser Einkommen, die Umwelt oder auch um die »Ökonomisierung unseres Privatlebens«. Der Auftrag der Ökonomen, in möglichst verständlicher Sprache über die Wechselwirkung von Märkten, Menschen und Mächten aufzuklären und uns intelligenter über diese nachdenken zu lassen, wurde jedoch von der orthodoxen Ökonomie - dem dominanten Zweig der Wirtschaftswissenschaft - zunehmend auf abstrakte mathematische Modelle verengt, die mit der Lebensrealität der Menschen oder ihren historischen Bezügen, kaum noch etwas zu tun haben. Fälschlicherweise hielt man sich für Physiker, die Naturgesetze postulieren, die meisten jedoch wiederholten lediglich die starren Dogmen ihrer Vorgänger oder formalisierten diese lediglich. Wie der britische Ökonom John Maynard Keynes schrieb:
»Die Gedanken der Ökonomen und Staatsphilosophen [sind], sowohl wenn sie im Recht, als wenn sie im Unrecht sind, einflußreicher, als gemeinhin angenommen wird. Die Welt wird in der Tat durch nicht viel anderes beherrscht. Praktiker, die sich ganz frei von intellektuellen Einflüssen glauben, sind gewöhnlich die Sklaven irgendeines verblichenen Ökonomen.«2
Damit aber machten sich die Ökonomen in Wahrheit zu Theologen und Predigern der »unsichtbaren Hand des Marktes« und damit zu ideologischen Scharlatanen. Die kritische Debatte wurde bereits im Keim erstickt und »Ketzer«, die der reinen Lehre kritisch gegenüberstanden, als »umstritten« gebrandmarkt oder durch Nicht-Beachtung diskreditiert.
Dementsprechend ist das Dilemma, dass die Wirtschaft zwar jeden betrifft, aber die Wenigsten etwas angeht. Die offenen Fragen, die die Dogmatiker hinterließen, basieren dabei auf ihrer eigenen Engstirnigkeit, denn das Wachstum sei ewig, der Markt sozial, Geldschöpfung irrelevant und Arbeitslosigkeit immer selbstverschuldet. Der Respekt, mit dem wir diesen Theorien gegenübertreten ist dabei aber nichts anderes als unsere gespiegelte Unwissenheit. Es verwundert daher kaum, dass mittlerweile Literaturwissenschaftler, Soziologen, Philosophen, Schriftsteller, Satiriker und Youtuber die Aufgaben von Ökonomen übernehmen müssen, um die grundlegenden Fragen neu zu verhandeln. Dass das Wissen um alternative Perspektiven über die Wirtschaft in der Öffentlichkeit kaum verbreitet ist, verwundert dabei wenig, denn wer hat schon Zeit und Lust sich intensiv mit einer scheinbar so komplexen Materie auseinanderzusetzen. Die Auseinandersetzung aber lohnt, wenn man es denn schafft Dinge verständlich aufzubereiten. Darum sollten wir auch nicht vor einer Schein-Komplexität kapitulieren, die durch eine mathematische Sprache gerne suggeriert wird.
Machen wir es doch einfach und nehmen wir einmal den Asterix-Comic Obelix GmbH & Co. KG (1978) zur Hand. In dem Comic-Band versuchen die Römer, nachdem etliche Versuche bereits gescheitert sind, das widerspenstige gallische Dorf nun zu demoralisieren, indem man unter ihnen Zwietracht sät und sie zu Kapitalisten macht. Hierzu wird dem gutmütigen, aber einfältigen Obelix ein Geschäft vorgeschlagen. Er soll fortan als gallische »Ich-AG« Hinkelsteine für die Römer produzieren und im Gegenzug reich entlohnt werden. Während die hinterlistigen Römer die Nachfrage beständig anheizen, hat Obelix jedoch bald keine Zeit mehr für seine liebsten Hobbys (Jagen, Essen, Raufen) und er wird zum missvergnügten Geschäftsmann. Darüber hinaus stellt er nun Dorfbewohner als Mitarbeiter ein, die ihm dabei helfen sollen, die Produktion zu steigern und die dadurch ebenfalls keine Zeit mehr für ihre eigentlichen Aufgaben finden. In Windeseile mutiert die egalitäre Dorfgemeinschaft, aus genügsamen Handwerkern, Kleinbauern und Wildbeutern, zu einer elitären Klassengesellschaft, in der Neid und Missgunst vorherrschen. Der Plan der Römer scheint aufzugehen. Doch dann wendet sich das Blatt. Das Geld der Römer wird langsam knapp und man versucht nun durch geschicktes Marketing die sich exponentiell auftürmenden, nutzlosen Hinkelsteine an die römischen Bürger weiterzuverkaufen. Aufgrund des großen Werbeerfolges ziehen dann jedoch auch Ägypter, Phönizier und Griechen nach und überschwemmen den Markt mit weiteren nutzlosen Hinkelstein-Plagiaten. Am Ende entsteht eine riesige »Hinkelstein-Blase«, die – wie sollte es anders sein - plötzlich platzt und das gesamte Konstrukt einstürzen lässt. In dem Asterix-Comic endet damit die Geschichte und man kehrt, mit dem obligatorischen Abschlussfest, zum Normalzustand zurück. In der Wirklichkeit jedoch beginnt diese Geschichte immer wieder von Neuem. Kapitalismus in seiner neoliberalen Spielart - und das ist die Moral aus der Geschichte - ist ein großes Spiel für »rationale Idioten«.
Es sei schon seltsam, schreibt der britische Kulturwissenschaftler Mark Fisher (1968-2017), dass wir uns leichter das Ende der Welt vorzustellen können als das Ende des Kapitalismus. So erscheint es höchst seltsam, dass wir nach der großen Finanzkrise 2008 – die nur eine von vielen war - einfach weitermachen wie bisher und uns lediglich Zeit kaufen und Flickschusterei betreiben, anstatt uns ernsthaft mit Alternativen zu beschäftigen.
Ein gutes Beispiel für die scheinbare Alternativlosigkeit des kapitalistischen Modells verdeutlicht auch die Batman-Trilogie von Christopher Nolan. In Nolans Blockbuster The Dark Knight (2008) mischt der Joker eine gehörige Portion Chaos unter die bestehende »Wüste der Ordnung« (verkörpert durch Mafiaverbrecher und korrupte Staatsdiener), um hinter der zivilisatorischen Firnis der sisyphusianischen Rationalität den viehischen Urinstinkt hervor zu kitzeln. Dabei ertappen wir uns selbst als »Freud'sches Es«, mit einem diebischen Spaß an dem anarchischen Momentum der mephistophelischen Kunstfigur, die schmutziges Mafiageld verbrennt, sich ihre eigenen Regeln strickt und als Radikal-Reinkarnation von Pippi Langstrumpf die Welt als großen Abenteuerspielplatz begreift, während das elterlich-moralische »Über-Ich« in uns einen Weile lang ruht. Dadurch erweist sich der Bösewicht auf der Leinwand auch als Katalysator unserer eigenen dunklen Triebe die wir faszinierend radikal und vital auf der Großleinwand vor uns sehen. »Ich bin ein Hund, der Autos nachjagt«, offenbart sich der Joker zweckmäßig an einer Stelle des Films, »Ich wüsste gar nicht, was ich machen sollte, wenn ich eins erwische!« Schon bald aber kippt die dionysische Clownerei in blanken Terrorismus um und schafft damit die nötige moralische Distanz zum Anti-Helden, um die Rückkehr zur bestehenden apollinischen Ordnung, vollstreckt durch den eigentlichen Helden des Films (Batman), innerlich zu befürworten - vielleicht aber auch nur, weil dieser einfach die cooleren Spielsachen besitzt. Die Welt ist von ein paar Schurken befreit und scheinbar alles wieder beim Alten. So lernen wir, dass es zum Status quo keine wirkliche Alternative gibt - wenngleich das fairerweise für eine Comic-Verfilmung auch ein zu hoher Anspruch sein mag.
Auch im dritten Teil der Batman-Trilogie, The Dark Knight Rises (2012) geht es wieder um die Kritik am Status quo. So gebärdet sich der Superschurke des Films als angeblicher Volksbefreier, diesmal nicht im psychologischen Guerilla-Kampf gegen die bestehende Ordnung, sondern im »jakobinischen Terror« gegen eine von »spätrömischer Dekadenz« degenerierte Gesellschaftsschicht, beherrscht von einer korrupten kleinen Wall-Street-Elite - der Film spielt nur vier Jahre nach der großen Finanzkrise von 2008. Wie es Catwoman, alias Selina Kyle, am Vorabend der Revolution ausdrückt: »Ein Sturm zieht auf, [...] wenn er losbricht, werden sie sich alle fragen, wie sie je so maßlos leben konnten, während sie uns anderen so wenig lassen.« Als dann die gewaltsame »Revolution von oben« ausbricht, inszeniert zwischen radikaler (Wut-)Bürgerbewegung und »Volkssturm«, übernimmt der steroidale Stalinist Bane das Ruder, der mit seiner schwerbewaffneten Söldner-Armee, einmarschierend wie ein diktatorischer Feldherr, das Kriegsrecht ausruft, Schwerverbrecher befreit, die Oligarchen und Plutokraten vor ein Standgericht zerrt und anschließend in den sicheren Tod des »Gulags« schickt.3 Es erscheint fast wie ein ironischer Fingerzeig der Geschichte, wenn man feststellt, dass die Amtseinführungsrede des narzisstischen Rechtspopulisten Donald Trump nur eine schlecht geklaute Kopie der Anti-Establishment-Rede von Bane darstellt. So heißt es bei diesem: »Wir holen uns Gotham zurück von den Korrupten! Den Reichen! (…) Und wir geben es euch, dem Volk, zurück!« Während es bei Trump fünf Jahre später – nur geringfügig paraphrasiert - so klingt: »Wir nehmen die Macht von Washington D.C. und geben sie an euch, das Volk, zurück!«4
Als indirekte Antwort hierauf kann man die Analyse der Politikwissenschaftlerin Chantal Mouffe lesen, die den Staat von rechtslibertären Kräften als »kleptokratischen Leviathan« gegeißelt sieht. Mouffe schreibt: »[Die Krise des Wohlfahrtsstaates] ermöglichte den Konservativen, ihre Offensive gegen die Demokratie als einen Kampf für die Demokratie darzustellen. Dabei wurde Letztere unter dem Gesichtspunkt eines 'Volkes' definiert, das sich seine vom Staat konfiszierten 'Rechte' zurückholt.«5
So treibt uns der seit den 1980er-Jahren stark abgeschwächte Sozialaufstieg - und die undifferenzierte Gleichsetzung des heutigen Rechtsstaats mit einem merkantilistischen Obrigkeitsstaat absolutistischer Prägung - geradewegs in die Arme von Rechtspopulisten, die behaupten im Namen der bürgerlichen Freiheit oder der christlich-weißen Werte als »Stimme der schweigenden Mehrheit« gegen wahlweise jüdische und/oder kommunistische Mächte verteidigen zu wollen. So stürmten diffuse Querfront-Bewegungen im August 2020 erst den deutschen Reichstag in Berlin und im Januar 2021 das Kapitol in Washington. Scheinbar haben die vielen Jahrzehnte libertärer Dauerbeschallung – jene Ideologie, die den Markt über den Menschen stellt - ihre Wirkung nicht verfehlt, die uns nach dem Zusammenbruch der UdSSR an das alternativlose »Ende der Geschichte« (Francis Fukuyama) glauben ließen und die Wirtschaft entpolitisierten. Der kalte Krieg zwischen Konsumismus und Kommunismus - zumindest das, was die UdSSR dafürgehalten hatte - war vorbei, der Kapitalismus hatte gewonnen und die scheinbar letzte systemische Alternative war fortan diskreditiert.
Im Zuge der Corona-Pandemie und den geweckten Hoffnungen durch die Biden-Administration flammt nun bei vielen Menschen die Hoffnung auf, wir stünden vor einer »ökonomischen Stunde Null« und das diese Krise der »letzte Sargnagel für den Neoliberalismus«6 sei. Wer jedoch glaubt, dass Veränderungen einfach so vom Himmel regnen, der unterschätzt die Beharrungskräfte in der Welt gewaltig, denn nach den gemeinsamen Solidaritätsbekundungen und einem allgemeinen Applaus für systemrelevante Jobs wie Pfleger und Krankenhausangestellte werden schon wieder Stimmen laut, die dazu auffordern, ab sofort den Gürtel enger zu schnallen und beim Sozialstaat den Rotstift anzusetzen. Befinden wir uns also wie Wettermann Phil Conners im Filmklassiker Und täglich grüßt das Murmeltier in einer fortwährenden Wiederholungsschleife, aus der es kein Entrinnen gibt?
Das Ziel dieses Buches ist es daher den verengten öffentlichen Debattenraum – ganz insbesondere im Bereich der Ökonomie - wieder für Alternativen zu weiten, um die Marktmythologie nicht weiter als unüberwindliche Naturgesetzlichkeit, um ihrer selbst willen, zu akzeptieren, sondern das Kapital konsequent dem ökologischen und sozialen Wohl unterzuordnen. Denn nicht die Wahl, bei der eine Minderheit eine Mehrheit akzeptieren muss, ist das Herzstück der Demokratie, sondern das offene Streitgespräch über gesellschaftliche Probleme. Aus diesen Gründen muss die Ökonomie repolitisiert werden, indem man die »Ökologische Frage« im Kontext der »Sozialen Frage« grundlegend neu verhandelt und Marktnormen wieder stärker in Sozialnormen integriert. An erster Stelle steht aber die Aufklärung. Denn um unsere Wirtschaft zu verändern, müssen wir diese zunächst einmal verstanden haben. Denn selbst der genialste Künstler kann mit den gängigen Gesetzen nur dann brechen und etwas Neues erschaffen, wenn er auch die Spielregeln des Systems verstanden hat. Dieses Buch soll hierzu einen kleinen Beitrag leisten.
2. Wirtschaftspolitik: Was war zuerst da, dass
Angebot oder die Nachfrage?
I. Homo sapiens und Homo oeconomicus
Vom »Urkommunismus« zum »Ultrakapitalismus«
- Die ökonomische Menschheitsgeschichte
- Die ökonomische Menschheitsgeschichte
Die Geschichte des Homo sapiens begann vor etwa 150.000 Jahren in Ostafrika, als eine Geschichte von egalitären Jäger- und Sammlergemeinschaften. Diese ostafrikanischen Nomadenstämme gingen dann, vor etwa 12.000 Jahren, in eine Epoche der Sesshaftwerdung über, in der die Menschen sich als Bauern und Viehhalter niederließen (»Neolithische Revolution«). Aus diesen entstanden später erst kleinere, dann größere Dorfgemeinschaften. Viele germanische Stämme bewirtschafteten später ein dörfliches Gemeindeland (Allmende), das allen gleichermaßen gehörte. Nach und nach verdichteten sich diese Gemeinschaften. Die Strukturen wurden organisatorisch komplexer und durch ungleicher werdenden Bodenwert und Besitz auch hierarchischer. Zudem ging mit der Ausweitung des Handwerks eine zunehmende Arbeitsteilung einher. Auf dem Gebiet der arabischen Halbinsel bildeten sich mit Mesopotamien, der Levante, Anatolien und Industal um 4.000 v. Chr. die ersten Hochkulturen. Noch zu Zeiten der großen griechischen Philosophen (Sokrates, Platon, Aristoteles) befand sich die Wirtschaft, abgesehen vom Bevölkerungswachstum, in einem weitgehend stationären Zustand. Der körperlichen Arbeit haftete nun etwas Abschätziges an und wurde daher vorrangig von Sklaven erledigt. Insofern war die Philosophie, die Liebe zur Weisheit, nicht nur ein Produkt der Neugierde, sondern ebenso sehr auch der Langeweile – ein Nebenaspekt der durch Sklavenarbeit neu gewonnen Lebenszeit. Einer der ersten Philosophen, die sich nachweislich mit der Wirtschaft auseinandersetzten, war Platon (428-348 v. Chr.), der in seinem Hauptwerk »Politeia« einen Idealstaat entwarf, indem die »Philosophenherrscher« die Geschicke des Stadtstaates steuerten. Die frühe Wirtschaftstheorie war hierbei überwiegend Ethiklehre, denn die heutigen Begriffe und Strukturen gab es zu dieser Zeit noch nicht, weshalb man die Wirtschaft überwiegend auf Sittlichkeitskriterien hin untersuchte.
Auf die Zeit der Antike folgte die Zeit der mittelalterlichen Königreiche (6.-15. Jh.). Vorherrschend war dabei lange Zeit das Wirtschaftssystem des Feudalismus (ab 10. Jh.), in dem Grund und Boden das Maß aller Dinge darstellten – damit war es das »Kapital« der vorindustriellen Zeit. Freie Bauern, die durch Missernten in eine Schuldknechtschaft gerieten, wurden hierdurch immer stärker zu unfreien Bauern, die einen beträchtlichen Teil ihrer Ernte an den Großgrundbesitzer abtreten mussten, auf dessen Feld sie nun viele Stunden als Abhängige schufteten. Nach der Renaissance und zu Beginn der Neuzeit rückte durch den Gutenberg'schen Buchdruck und die kopernikanische Wende (15.-16. Jh.) mit der Ausweitung des Handels und der Kaufmannszünfte, zunehmend die Beziehungen zu weit entfernten Ländern in den Fokus der Herrschenden. Nach und nach setzte sich eine stark interventionistische und protektionistische Wirtschaftspolitik durch, die man später als Merkantilismus (16.-18. Jh.) bezeichnete – die deutsche Variante hiervon titulierte man hingegen als »Kameralismus«.7 Der Merkantilismus zeichnete sich durch den Bedarf der absolutistischen Herrscher aus, ihren Herrschaftsapparat bestehend aus Armeen, Schlössern und Beamten zu finanzieren und ihre Macht auszudehnen. Hierzu versuchten sie den Wettbewerb nach ihren Interessen auszurichten und zu verzerren, indem sie Exporte förderten und gleichzeitig Importe durch Zölle verteuerte. Mit den dadurch erzielten Handelsüberschüssen hatten sie dann ausreichend Geld zur Verfügung, um Kriege anzuzetteln und die Ressourcen anderer Länder zu plündern. Der Merkantilismus wurde dabei durch die ökonomische Schule der französischen »Physiokratie« (18. Jh.), vor allem durch dessen Hauptvertreter, den französischen Chirurgen und Ökonomen François Quesnay (1694-1774), angegriffen, der ein entschiedener Gegner des Merkantilismus war. Die Physiokraten grenzten sich bewusste von der imperialistischen Politik des »Sonnenkönigs« Ludwig XIV. ab, traten für eine stärkere Liberalisierung des Handels ein und betonten gleichzeitig, dass der Reichtum eines Landes einzig aus seiner Natur heraus möglich sei, d.h. aus seinen Selbstversorgungskräften in Form von La...
Table of contents
- Inhaltsverzeichnis
- 1. Vorwort
- 2. Wirtschaftspolitik: Was war zuerst da, das Angebot oder die Nachfrage?
- 3. Handelspolitik: Gewinner und Verlierer der Globalisierung
- 4. Sozialpolitik: Hängematte oder Sicherheitsnetz?
- 5. Makropolitik: Den Gürtel enger schnallen oder Freibier für alle?
- 6. Wirtschaftswachstum: Selbstzweck oder Notwendigkeit?
- 7. Zwischen Dystopie und Utopie: Hurra, die Welt geht unter!
- Zusammenfassung der wichtigsten Grundsätze einer ökonomischen Alphabetisierung:
- Anhang
- Quellenangaben
- Impressum