Möglichkeiten, das Risiko einer
SubsidiÀrhaftung zu reduzieren
Nachdem die SubsidiĂ€rhaftung nicht auszuschlieĂen ist, geht es darum, dass Risiko zu minimieren. Nachfolgend werden die wesentlichen Möglichkeiten erlĂ€utert und kritisch hinterfragt.
Unbedenklichkeitsbescheinigungen
Vorbemerkung: Ein ZeitarbeitsverhÀltnis unterscheidet sich nicht von einem ArbeitsverhÀltnis in einem Industriebetrieb oder Handelsunternehmen.
Die Zeitarbeiter sind genauso bei der Kranken-, Renten-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung versichert, die BeitrĂ€ge werden zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber aufgeteilt. Der Arbeitgeber ĂŒberweist die GesamtbetrĂ€ge an die jeweils zustĂ€ndige Krankenkasse.
Auch sind die Zeitarbeiter gesetzlich unfallversichert und der Arbeitgeber bezahlt auf Basis der Lohnsummen den entsprechenden Betrag an die zustÀndige Berufsgenossenschaft.
Die Zahlungen an die SozialversicherungstrÀger kann der Personaldienstleister in aller Regelmit sogenannten Unbedenklichkeits-bescheinigungen nachweisen.
Aber Achtung: die Bescheinigung gibt lediglich wieder, dass die gemeldeten BeitrĂ€ge auch bezahlt wurden. D. h., wenn der Dienstleister aufgrund technischer Probleme oder mit krimineller Absichteinfachwenigermeldet(unddengeringerenBetragbezahlt), gibt die Bescheinigung hierzu keinen Aufschluss. Die Antwort auf diese Frage gibt es erst nach Abschluss der PrĂŒfungen durch das Finanzamt (LohnsteuerauĂenprĂŒfung) oder dem PrĂŒfdienst der Deutschen Rentenversicherung (SozialversicherungsprĂŒfung). Eine etwaige PrĂŒfung durch die Regionaldirektion der Agentur fĂŒrArbeit10 kann etwaige Fehler zu Tage fĂŒhren, aber sicher ist dies leider nicht, da diese hin und wieder sehr oberflĂ€chlich ablĂ€uft.
Eigentlich sollte die Vorlage von Unbedenklichkeitsbescheinigungen reine Formsache sein. Leider ist dem nicht so. Veraltete oder unvollstĂ€ndige Belege sind nach meinen Erfahrungen bei mehr als einem Drittel der von mir in jĂŒngster Vergangenheit kontaktierten Personaldienstleister die Regel.
Berufsgenossenschaft
Typischerweise sind die Zeitarbeiter bei der sachlich zustÀndigen Verwaltungsberufsgenossenschaft VBG versichert.
Die BeitrĂ€ge fĂŒr das vergangene Jahr sind zum 15. Mai des darauffolgenden Jahres fĂ€llig, d. h. der Beitrag fĂŒr das Jahr 2019 sollte im Mai 2020 bezahlt sein â soweit die Theorie.
Historisch bedingt kann es auch sein, dass ein Personaldienstleister nicht bei der Verwaltungsberufsgenossenschaft VBG unfallversichert ist, sondern bei einem anderen UnfallversicherungstrĂ€ger. Dies wĂ€re beispielsweise dann der Fall, wenn das Unternehmen nicht nur ArbeitnehmerĂŒberlassung betreibt, sondern (ursprĂŒnglich) einen anderen Unternehmenszweck verfolgt(e). Z. B. ein Handwerksbetrieb ĂŒberlĂ€sst auch seine ArbeitskrĂ€fte an andere Unternehmen, dies macht vor allem dann Sinn, wenn die Arbeitskraft am Einsatzort in die Organisation des Kunden eingegliedert ist. Weitere Möglichkeiten wĂ€ren beispielsweise eine Spedition, die LagerkrĂ€fte an Kunden ĂŒberlĂ€sst, oder ein Metallverarbeiter der seine SchweiĂer auch an andere Unternehmen ĂŒberlĂ€sst. Je nach Konstellation benötigt das verleihende Unternehmen unter UmstĂ€nden gar keine Ăberlassungserlaubnis, aber dies ist hier nicht das Thema.
So kann es durchaus vorkommen, dass das ĂŒberlassende Unternehmen (Verleiher) bei einer anderen Berufsgenossenschaft versichert ist und dort gelten andere Zahlungszeitpunkte. Z. B. bei der BG HM (Berufsgenossenschaft Holz und Metall) werden die Beitragsbescheide im April verschickt und die BG ETEM (Energie, Textil, Elektro, Medienerzeugnisse) verschickt die Bescheide erst Ende Juni/Anfang Juli, etc.
Das Datum ist wichtig, da Unbedenklichkeitsbescheinigungen erst nach diesem Termin eine Aussage ermöglichen, ob der Betrag des Vorjahres bezahlt ist.
So lĂ€sst beispielsweise diese Unbedenklichkeitsbescheinigung von der Unfallkasse keinen RĂŒckschluss zu, ob der Beitrag 2019 bezahlt wurde. Hintergrund sind die FĂ€lligkeitsdaten und hier im Konkreten die quartalsweise Zahlung!
Abbildung 19: Beispiel Unbedenklichkeitsbescheinigung Berufsgenossenschaft #1
Neben dem Zeitpunkt / Datum der Unbedenklichkeitsbescheinigung ist natĂŒrlich die Formulierung der Bescheinigung von Bedeutung.
ZunÀchst zwei Unbedenklichkeitsbescheinigungen anderer Berufsgenossenschaften, beide sagen aus, dass der Beitrag 2019 bezahlt ist [Abbildung 20; Abbildung 21]:
Abbildung 20: Beispiel Unbedenklichkeitsbescheinigung Berufsgenossenschaft #2
Abbildung 21: Beispiel Unbedenklichkeitsbescheinigung Berufsgenossenschaft #3
AbschlieĂend ein Beispiel einer weiteren nicht unbedingt zeitarbeitstypischen Berufsgenossenschaft, der BG fĂŒr Nahrungsmittel und Gastgewerbe. Deutlich ist der Hinweis (befristet bis zum15.5.2021) zu entnehmen, dass der Dienstleister nicht stundet, aber auch der Hinweis auf die SubsidiĂ€rhaftung trotz Bescheinigung:
Abbildung 22: Beispiel Unbedenklichkeitsbescheinigung Berufsgenossenschaft #4
Kommen wir zu den Unbedenklichkeitsbescheinigungen der Verwaltungsberufsgenossenschaft. Hier wurden anfĂ€nglich Bescheinigungen ausgestellt, die eine abschlieĂende Beurteilung verhinderten [Abbildung 23]:
Abbildung 23: Beispiel Unbedenklichkeitsbescheinigung Berufsgenossenschaft #5
Die VBG hat nach einigen Hinweisen und Beschwerden die Formulierungen verÀndert [Abbildung 24]:
Abbildung 24: Beispiel Unbedenklichkeitsbescheinigung Berufsgenossenschaft #5
Der Zusatz, dass die fĂ€llig gewordenen BeitrĂ€ge bezahlt sind und dass diese Bescheinigung bis zum nĂ€chsten Zahlungspunkt (Mai 2021) befristet ist, lĂ€sst klar erkennen, dass der Dienstleister seine gemeldete Beitragsschuld fĂŒr das Jahr 2019 vollumfĂ€nglich erfĂŒllt hat.
Anzumerken ist jedoch, dass eine Unbedenklichkeitsbescheinigung vor einer zu geringen Beitragsmeldung oder fehlerhaften Eingruppierung nicht schĂŒtzt.
So wurde mir als Berater auch folgende qualifizierte Unbedenklichkeitsbescheinigung vorgelegt [Abbildung 25]:
Abbildung 25: Beispiel Unbedenklichkeitsbescheinigung Berufsgenossenschaft #6
Nun muss man wissen, dass kaufmĂ€nnische Zeitarbeiter und interne KrĂ€fte ein deutlich geringeres Unfallrisiko haben und deshalb deutlich gĂŒnstiger sind als gewerbliche KrĂ€fte (oben alle anderen Bereiche). Offensichtlich wurden alle Zeitarbeiter in der gĂŒnstigeren Klasse gemeldet. Nachfolgend die Eingruppierung der VBG [Abbildung 26]:
Abbildung 26: Eingruppierung Berufsgenossenschaft
Mein Kunde entleiht sich von diesem Dienstleister jedoch gewerbliche KrÀfte. Die Eingruppierung ist definitiv falsch!
Aber dies ist ein absoluter Ausnahmefall. Beanstandungen, dass im groĂen Stil ArbeitskrĂ€fte falsch eingruppiert sind, sind eher selten.
Haftungsrisiko BG-Beitrag: Auch fĂŒr BG-BeitrĂ€ge gibt es VerjĂ€hrungsfristen: AnsprĂŒche der Berufsgenossenschaft verjĂ€hren vier Jahre nach Ende des Jahres, in dem sie fĂ€llig werden. Bei Vorsatz oder grober FahrlĂ€ssigkeit sprechen wir von gröĂeren ZeitrĂ€umen.
Sie können davon ausgehen, dass ein gewerblicher Zeitarbeiter etwa 2 % der Jahresausgaben (aus Sicht des Entleihers â Kunde) an BG-BeitrĂ€gen verursacht.
Bis die BG aber den Kunden zur Kasse bittet, sind meist noch einige Monate im neuen Jahr vergangen, so dass im Haftungsfall eher 3-5 % als Risiko angesetzt werden sollte.
AbschlieĂend noch eine Anmerkung zur Stundungsmöglichkeit bei der BG:
Die Berufsgenossenschaften haben im Mai 2020 nahezu jeder formlosen Bitte um Stundung groĂzĂŒgig stattgegeben. In aller Regel haben sie eine Ratenvereinbarung getroffen, bei der sich der Personaldienstleister verpflichtet hat, die rĂŒckstĂ€ndigen BeitrĂ€ge in 3/6/9 Monatsraten ohne Verzinsung zu bezahlen. Teilweise wurde Ratenzahlungen sogar proaktiv von der Berufsgenossenschaft angeboten.
Einige Dienstleister haben diese Ratenzahlung auch ohne wirtschaftliche Not âmitgenommen...