Kleidung kommuniziert immer
Ein wichtiger Schritt zurück, bevor wir miteinander ins Gespräch kommen
Bevor wir das Gespräch mit jemanden beginnen, oder wir von einer anderen Person angesprochen werden, sind bereits viele Informationen ausgetauscht worden. Die meisten davon unbewusst.
Sie haben vermutlich schon einmal gehört, dass das, was wir sagen, nur einen kleinen Teil unseres Gesamtbildes ausmacht.
Und vermutlich hat Ihnen Ihre Mutter auch beigebracht, dass wir nicht nach Äußerlichkeiten urteilen sollen. Oder?
Das war lieb gemeint von unseren Müttern, ist aber – bei allem Respekt – Unsinn.
Wir urteilen die ganze Zeit über aufgrund des äußeren Eindrucks. Manchmal revidieren wir die Einschätzung später, aber zuerst einmal urteilen wir aber aufgrund äußerer Erscheinung.
An diesem Urteil nach Augenschein ist erst mal nichts Schlechtes. Wir sind biologisch so gemacht. Wir mussten schnell entscheiden, ob der andere ein Feind ist, oder nur etwas tauschen wollte.
Ob diese Frucht essbar aussieht, oder eklig wirkt. Erst im zweiten Schritt haben wir daran geschnuppert, und natürlich kann der Augenschein auch trügen. Zum Beispiel beim durchaus ansehnlichen Fliegenpilz.
Vielleicht gibt es jetzt einige unter Ihnen, die den inneren Widerstand spüren und darauf bestehen: nein, ich urteile nicht nach Äußerlichkeiten. Dann möchte ich Ihnen noch ein Beispiel geben.
Ich sitze mit meiner Familie an einer Kaffeebar auf dem Flughafen von Istanbul. Zwei Frauen mit identischen Rollkoffern kommen vorbei. Die erste hat lange blonde Haare, trägt High Heels und einen kurzen Rock. Die andere ist ganz in Schwarz gehüllt, schwarzes Kopftuch, Schleier, schwarze Handschuhe.
Ich bin sicher, Sie haben zu beiden Frauen eine bestimmte Haltung. Diese Haltung kann natürlich ganz unterschiedlich sein. Je nachdem welche Meinung wir über High Heels, Kopftücher oder kurze Röcke haben.
Aber jeder von uns hat erst einmal nach Äußerlichkeiten geurteilt.
Wenn wir uns nun darauf geeinigt haben, dass Optik eine Rolle spielt, lassen Sie uns untersuchen, wie wir das für uns nutzen können, um mit anderen ins Gespräch zu kommen.
Kennen Sie den Satz, Kleidung kommuniziert immer? Ich finde diesen Satz sehr klug, deshalb noch einmal: Kleidung kommuniziert immer!
Immer bedeutet, unsere Kleidung spricht zu den anderen, ob uns das nun bewusst ist oder nicht, ob wir wollen oder nicht.
Wenn ich Zeit habe, die Gäste für meine Radiosendung selber beim Empfang abzuholen, nutze ich diese Möglichkeit, um bereits vor der Sendung einige Eindrücke zu gewinnen.
Neulich sollte ein Biologieprofessor mein Gast sein. Ich ging also herunter. Unten standen zwei Männer. Einer im Anzug, der andere in Jeans und einem T-Shirt mit Comic-Helden drauf.
Ich entschied mich für den Anzugmann. „Guten Morgen Herr Professor, ich bin Ihr Moderator. Wollen wir ins Studio gehen?“
Er: „Ich bin kein Professor.“ Also hab ich den Comic-T-Shirt-Mann gefragt, ob er der gesuchte Professor sei? Er war es.
Und er wollte von mir wissen, warum ich den anderen Mann ausgesucht hatte. Ich antwortete, weil Sie angezogen sind wie ein Kind. Das war zwar zugegebenermaßen etwas rau, aber eindeutig die Wahrheit.
Er war auch gar nicht beleidigt und erzählte, dass ihm das öfter passiert, gerade neulich auf einem Kongress wurde sein Assistent für den Professor gehalten. Und man wollte ihn, den echten Professor nicht ans Rednerpult lassen.
„Interessant“, habe ich gesagt, „aber warum machen Sie es dann? Funktioniert der Look so gut bei den Frauen?“
„Überhaupt nicht“ hat er gelacht, flirten nach dem Kongress am Buffet bringe bei ihm gar nichts.
Ich fragte noch einmal, „warum ziehen Sie sich dann so an?“
Hier kommt die Lösung. Unser Professor wollte zu Beginn seiner Karriere kein typischer Professor sein, sondern so etwas wie ein cooler, schlauer Außenseiter.
Er hatte also vor vielen Jahren ein Bild von sich entwickelt, dem er optisch noch immer treu bleiben wollte. Obwohl es mittlerweile auch für ihn nicht mehr zu seiner Lebenssituation passte.
Er war also sinnbildlich aus dem T-Shirt herausgewachsen. Trug es aber immer noch, um einer lange zurückliegenden Entscheidung gerecht zu werden.
Selbstverständlich können Sie anziehen, was immer Sie möchten, allerdings müssen Sie auch mit den Folgen leben.
Die Schwierigkeit ist, viele von uns wissen nicht, was unsere Kleidung der Welt sagt.
Eine Freundin von mir lernt Männer über Dating-Portale kennen. Die interessantesten unter ihnen trifft sie in der richtigen Welt. Neulich rief sie mich an, obwohl ihr Date gerade erst angefangen hatte.
Ich fragte, ob er nicht gekommen sei. Sie erwiderte doch, aber sie hätte ihn schnell aussortiert.
Ich wollte wissen, „warum?“ Sie: „Er hatte ein labbriges T-Shirt an und kein Hemd. Und machte insgesamt einen ungepflegten, unmännlichen Eindruck. Da bin ich sofort raus!“
Diese Freundin ist eine gestandene Frau und attraktiv, deshalb waren die Männer bestimmt enttäuscht. Aber niemand hat ihnen gesagt, woran es lag.
Sie könnten jetzt sagen: böse Freundin. Was ist denn mit den inneren Werten der Männer?
Ich habe sie das auch gefragt.
Für sie stand das Nicht-Outfit für einen Mangel an Haltung und Präsenz. Außerdem empfand sie das auch als Mangel an Respekt für ein erstes Kennenlernen in einen schönen Ambiente. Sie gab sich Mühe, er erkennbar nicht.
Und außerdem sagt sie, sie will innere Werte, aber präsentiert in einer ansprechenden Verpackung. Ein teures Schmuckstück hätte ja auch an sich einen hohen Wert, wird aber dennoch auf einem schönen Samtuntergrund präsentiert und nicht einfach in die Auslage des Schaufensters geknallt.
Natürlich dürfen Sie das gemein oder oberflächlich finden, aber es bleibt trotzdem die Wahrheit. Andere Menschen beurteilen uns, bevor wir überhaupt das erste Mal etwas gesagt haben, nach unserem Äußeren.
Also, nach Kleidung, Frisur, Schmuck usw.
Ein Beispiel möchte ich Ihnen noch zur Verdeutlichung präsentieren. Haben Sie je einen italienischen Mann gesehen, der Funktionssandalen und ein T-Shirt mit irgendeinem amerikanischen Aufdruck trug. Genau! Haben wir nicht und werden wir nicht.
Wenn wir uns nun darauf geeinigt haben, dass Kleidung kommuniziert, lassen Sie uns untersuchen, was die passende Kleidung ist.
Die Antwort ist tatsächlich nicht ganz einfach und hängt von mehreren Faktoren ab. Wie sehen wir uns selber, wie wollen wir gesehen werden? Mit wem möchten wir ins Gespräch kommen, und, auch sehr wichtig: zu welchem Anlass?
Zuallererst sollten wir uns in dem, was wir tragen, wohl fühlen. Es sollte bestenfalls ausdrücken: wer wir sind. Die richtige Kleidung zu Anlass und Ort sorgt außerdem für das Gefühl: Ich gehöre hierher und dazu.
Neulich traf ich einen jungen Mann in einer roten Hose, mit Rastalocken und Hosenträgern. Er sah definitiv super darin aus. Alles übrigens Sachen, die ich niemals anziehen könnte.
Ich sagte ihm, dass ich sein Outfit gut finde, er erzählte mir, dass er Musiker ist.
Das, was dieser Mann anhatte, spiegelte perfekt, was er ist. Und so eine Übereinstimmung erzeugt immer einen harmonischen Gesamteindruck. Und wirkt deshalb kraftvoll.
Meiner Meinung nach sind Frauen besser in diesen Dingen. Frauen wirken optisch eher nicht so, als hätten sie mit geschlossenen Augen in den Schrank gegriffen.
Männer – sorry liebe Geschlechtsgenossen – schon eher mal. Wenn Sie also ein Mann sind, finden Sie einen Look, der Sie widerspiegelt und echte Präsenz zeigt.
Ich bevorzuge modern geschnittene Anzüge mit Hemden oder etwas legerer eine gut sitzende Jeans mit einem Hemd und Sakko.
Wenn Sie aus dem Teenager-Alter raus sind, achten Sie auf gute Qualität von Stoffen und Materialien, dann können Sie nicht mehr viel verkehrt machen.
Wir erinnern uns, dann klappt es auch mit dem Date, und wir können ins Gespräch kommen.
Wenn Sie unsicher sind, fragen Sie eine Frau in Ihrem Umfeld, die Sie attraktiv finden und der Sie vertrauen, lassen sich beraten, das wirkt Wunder.
Nun zum letzten Aspekt. Zum Anlass, bei dem wir ins Gespräch kommen wollen.
Ich weiß, viele glauben mittlerweile, heute geht alles zu jeder Gelegenheit. Ich weiß, dass es nicht so ist.
Allerdings wird uns in Deutschland nur selten knallhart gesagt, dass es optisch so nicht geht, andere Länder, zum Beispiel Großbritannien sind da deutlich härter.
Einzig Türsteher scheren sich nicht um das Laissez-faire-Gebot und weisen uns einfach ab.
Bei Bewerbungsgesprächen oder auf Parties ist die Situation subtiler, weil wir aufgrund von unpassender Kleidung möglicherweise kommentarlos aussortiert werden. Wohlgemerkt, bevor wir unsere inneren Werte präsentieren konnten.
Einige von Ihnen denken sicher, ich bin ein zu unangepasster Freigeist, um mich von solchen kleingeistigen Konventionen einschränken zu lassen.
Meine Frau zum Beispiel ist auch ein echter Freigeist, zuhause trägt sie gern Starwars-T-Shirts. Mal ist Yoda drauf oder ein Stormtrooper, und sie fühlt sich sehr wohl darin.
Aber wenn wir zum Beispiel eine Einladung zum Fest beim Bundespräsidenten haben, zieht sie sich ein schickes Kleid mit Perlenkette an.
Deshalb bleibt sie immer noch ein Starwars-Fan, auch wenn Meister Yoda zu diesem Anlass zuhause bleiben muss.
Darum glaube ich nicht, dass wir uns verbiegen, wenn wir zu bestimmten Gelegenheiten bestimmte Kleidung tragen.
Ich sehe das im Gegenteil als Respektbezeugung vor dem Anlass, dem Ort oder der Person, die wir treffen werden.
Falls Ihnen das am Anfang noch fremd erscheint, stellen Sie sich Ihre Kleidung als eine positive Rüstung vor. Jeder Ritter, jeder Astronaut und auch jede Ärztin braucht bestimmte Kleidung, um die jeweilige Aufgabe zu meistern.
Wir wollen mit jedem ins Gespräch kommen, deshalb brauchen auch wir passende Kleidung, die uns e...