Zensur im Dienst des Priesterbildes
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Zensur im Dienst des Priesterbildes

Der "Fall Crottogini

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Zensur im Dienst des Priesterbildes

Der "Fall Crottogini

About this book

Obwohl der Missionspater Jakob Crottogini SMB 1954 problemlos die Druckerlaubnis seines Diözesanbischofs erhalten hatte, gelangte seine empirische Studie "Werden und Krise des Priesterberufes" nie in den Handel - das Hl. Offizium verbot vorab jede Verbreitung. Dass im "Fall Crottogini" trotz der selten gewordenen Buchverbote eines der letzten Zensurverfahren vor Abschaffung des Index der verbotenen BĂŒcher gefĂŒhrt wurde, hĂ€ngt mit jenem Teil seiner Befunde zusammen, der u. a. sexuelle Probleme von Priesterkandidaten thematisierte.Die reichhaltig quellengestĂŒtzte Rekonstruktion dieses Zensurfalls ist daher nicht nur von kirchenrechtlichem und zensurhistorischem Interesse. Vielmehr ergibt die zeitgeschichtliche Kontextuierung wichtige Einblicke in die Grundlagen und Probleme der Priesterausbildung wie in das ambivalente VerhĂ€ltnis der katholischen Kirche zur empirischen Sozialforschung.

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Information

Publisher
Echter
Year
2019
Print ISBN
9783429053512
eBook ISBN
9783429064198
ZWEITER TEIL
4. Der „FALL CROTTOGINI“
4.1 Das erteilte Imprimatur (September 1954)
Im SpĂ€tsommer 1954, nur wenige Monate vor der Besprechung in der HK, ahnte Crottogini noch nicht, welche Schwierigkeiten bald auf ihn zukommen wĂŒrden. Zu diesem Zeitpunkt stand der Veröffentlichungsprozess noch ganz am Anfang. Der Benziger-Verlag hatte Crottogini gerade erst zugesagt, den Priesterberuf zu verlegen, und die Veröffentlichung eines Missionspaters in einem katholischen Verlag bedeutete einigen organisatorischen Aufwand, weil der CIC/1917 konkrete Auflagen zur Veröffentlichung von BĂŒchern vorsah.1031
Den Anfang machte die sogenannte Druckerlaubnis – das Imprimatur („es wird gedruckt“; can. 1385 CIC/1917) –, die der Verleger Oscar Bettschart Crottogini einzuholen bat.1032 Diese kirchliche Erlaubnis war ein Relikt aus dem spĂ€ten Mittelalter, das um die Wende zum 20. Jahrhundert zwar eine Renaissance erlebt hatte1033, dem in den 1950er Jahren aber meist nur noch katholische Verleger die kirchlich geforderte Beachtung schenkten.1034 Jahrhunderte vorher hatte man sie eingefĂŒhrt, als durch das Aufeinandertreffen von Konfessionalisierung und Buchdruck die Anzahl hĂ€retischer Schriften rasant gewachsen war.1035 Die bis dahin praktizierte Rezeptionsselektion oder -manipulation, bei der GlĂ€ubige Texte nur „nach einem bestimmten [
] Interpretationsschema“1036 erschlossen hörten, weil sie ihnen vorgelesen wurden, war mit dem Buchdruck und eigener LektĂŒre von GlĂ€ubigen vorbei. Das Buch galt als das gefĂ€hrlichste Medium, um sich als Katholik „mit der protestantischen Pest und anderen gefĂ€hrlichen HĂ€resien“1037 anzustecken. Zum Schutz ihrer GlĂ€ubigen musste die Kirche umdenken und setzte stattdessen gezwungenermaßen auf Verbreitungsbehinderung.1038 Zu groß schien ansonsten „die Gefahr, auflagenstarke hĂ€retische Schriften 1032 Die Bezeichnung kirchliche Druckerlaubnis ist insofern in den meisten FĂ€llen inkorrekt, als der Druck von Schriften allein nicht verboten war und nur fĂŒr den Druck somit keine Erlaubnis notwendig war. Erst die Veröffentlichung von Schriften ohne kirchliche Vorzensur war verboten (vgl. LACKMANN, BĂŒcherzensur, 28). Zutreffender wĂ€re die Bezeichnung Unbedenklichkeitsbescheinigung. Dennoch hat sich die Bezeichnung Druckerlaubnis durchgesetzt. Zur Sicherheit sollten nur Manuskripte zur Vorzensur eingereicht werden, „da nur so grĂ¶ĂŸere Ă€ußere Schwierigkeiten bei etwaigen von der Zensurbehörde verlangten Korrekturen vermieden“ (ebd.) werden könnten. Ein bereits gedrucktes Werk zur Vorzensur vorzulegen, war aber nicht verboten. und ihre Wirkung auf die Menschen nicht mehr vollstĂ€ndig beseitigen zu können.“1039 Deshalb sah man eine systematische und institutionalisierte Kontrolle von Kommunikation gefordert. Den Auftakt in der Kontrollmaschinerie machte deshalb seitdem die Vorzensur oder PrĂ€ventivzensur (censura praevia), weil die Kirche nicht mehr erst die Veröffentlichung gefĂ€hrlicher Schriften abwarten wollte, um sie zu verurteilen.1040 Jedem Bischof wurde die Sorge fĂŒr die Druckwerke in seiner Diözese ĂŒbertragen und GlĂ€ubige – Kleriker wie Laien – mussten ihm kĂŒnftig vor der Veröffentlichung alle Werke zur Vorzensur unterbreiten.1041 Hielten sich GlĂ€ubige nicht an diese Vorschriften, drohte Bestrafung.1042 Das Drucken, Binden und Lesen von BĂŒchern ohne vorherige kirchliche Unbedenklichkeitsbescheinigung konnte mit der Exkommunikation und einer zusĂ€tzlichen Geldstrafe geahndet werden.1043
Seit jeher wusste sich die Kirche „gebunden an die Offenbarung Gottes in Jesus Christus, ĂŒber die sie nicht verfĂŒgen kann, zu der sie vielmehr treu zu stehen hat.“1044 Als „Erzieherin der Menschen, als die mit der Hirtensorge betraute und mit der Hirtengewalt ausgestattete ĂŒbernatĂŒrliche Instanz in dieser Welt“1045, ĂŒberwachte und schĂŒtzte sie die unverkĂŒrzte Weitergabe der Offenbarung, der Glaubens- und Sittenlehren (can. 1322 § 1 CIC/1917; Joh 8,32; Mt 28,19; Apg 1,8 und Apg 19,19). Und als „HĂŒterin von Wahrheit und Sitte“1046 sah sie es als ein ihr zukommendes Recht, Druckschriften vorab verbieten zu können und die Nichtbeachtung des Verbots zu ahnden. So war jedwede Kontrolle von Wissen und Kommunikation mit dem Auftrag Christi legitimiert und einzig von der Sorge um den Schutz der Offenbarung und das Heil der GlĂ€ubigen motiviert.1047 Die praktische Konsequenz war deshalb, womöglich glaubens-, sitten- und damit heilsgefĂ€hrdende Schriften frĂŒhzeitig abzuwehren.1048 „Wer ein Recht des hygienischen Bakterienschutzes bei Seuchengefahr verteidigt, wird eine BehĂŒtung der Menschheit gegen geistige Gifte nicht in Frage stellen dĂŒrfen“1049, wurde die Vorzensur von ihren BefĂŒrwortern verteidigt. Als notwendige Maßnahme zum kirchlichen Selbsterhalt1050 habe es sich also keineswegs um eine „sittenrichterliche[] SchnĂŒffelei oder pedantische[] Straftendenz“1051 gehandelt. Dennoch setzte die Kirche in Bezug auf das katholische Buchwesen negativ an, denn der „Ausgangszustand neuer Werke [war] das Verbot.“1052
Diese Pflicht zur Vorzensur galt bis 1897 fĂŒr alle Schriften. Erst Papst Leo XIII. erstreckte die Vorzensurpflicht nur noch auf jene Werke, die den Glauben und/oder die Sitten behandelten.1053 In dieser Form fand die Vorzensur auch Eingang in den CIC/1917; mit can. 1385 CIC/1917 galt die Pflicht grundsĂ€tzlich fĂŒr alle Schriften, die sich der Religion und der Sittlichkeit widmeten, und fĂŒr alle StĂ€nde, d. h. Kleriker und Laien.1054 Im Unterschied zu den Laien und Weltgeistlichen galten fĂŒr Ordenskleriker leicht erhöhte Anforderungen: Bei ihnen musste vor der Druckerlaubnis des Ortsbischofs zusĂ€tzlich die Erlaubnis des Oberen eingeholt werden (can. 1385 § 3 CIC/1917).1055 Dabei handelte es sich aber „um eine innerklösterliche Disziplinarmaßnahme, mit der die Klosterzucht und eventuell sich ergebende Vermögensrechte des Klosters gewahrt werden sollen“1056.
Die erteilte Druckerlaubnis war ein Urteil ĂŒber den Buchinhalt und dessen Freiheit von IrrtĂŒmern hinsichtlich der katholischen Glaubens- und Sittenlehre. Sie war weder eine Empfehlung noch eine einfache Gutheißung des Buchinhalts.1057 Deshalb konnte sie auch jederzeit wiede...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titel
  3. Impressum
  4. Vorwort
  5. 0. Einleitung
  6. Erster Teil
  7. Zweiter Teil