Muslime und Christen
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Muslime und Christen

Ein franziskanischer Blick auf den Islam

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Muslime und Christen

Ein franziskanischer Blick auf den Islam

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Mit dem Zuzug von Muslimen nach Europa stellen sich neue und große Herausforderungen für die Gesellschaften und für die Kirchen. Insbesondere die Franziskaner schauen hierbei auf eine Jahrhunderte lange, auf Franziskus selbst zurückgehende Tradition des Miteinanders zurück.Jürgen Neitzert stellt sowohl die Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen Muslimen und Christen als auch die kritischen Punkte und die Chancen des Dialogs heraus. Er berichtet von konkreten Erfahrungen der Begegnung und zeigt Möglichkeiten des Dialogs in der Theologie, im täglichen Umgang miteinander und im gemeinsamen Handeln auf.Exemplarisch und wegweisend wird das Bild des als Muslim geborenen und späteren Franziskaners Jean-Mohammed Abd-el-Jalil gezeichnet, der u. a. die Konzilserklärung zum Islam und zu anderen nichtchristlichen Religionen einleitete.

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Information

Publisher
Echter
Year
2017
Print ISBN
9783429043322
eBook ISBN
9783429063283
1. Wie es begann: Franziskus und der Sultan
„Mit Hochachtung betrachtet die Kirche auch die Muslime, die den alleinigen Gott anbeten, den lebendigen und in sich seienden, barmherzigen und allmächtigen, den Schöpfer Himmels und der Erde, der zu den Menschen gesprochen hat. Sie mühen sich, auch seinen verborgenen Ratschlüssen sich mit ganzer Seele zu unterwerfen, so wie Abraham sich Gott unterworfen hat, auf den der islamische Glaube sich gerne beruft. Jesus, den sie allerdings nicht als Gott anerkennen, verehren sie doch als Propheten, und sie ehren seine jungfräuliche Mutter Maria, die sie bisweilen auch in Frömmigkeit anrufen. Überdies erwarten sie den Tag des Gerichtes, an dem Gott alle Menschen auferweckt und ihnen vergilt. Deshalb legen sie Wert auf sittliche Lebenshaltung und verehren Gott besonders durch Gebet, Almosen und Fasten. Da es jedoch im Lauf der Jahrhunderte zu manchen Zwistigkeiten und Feindschaften zwischen Christen und Muslim kam, ermahnt die Heilige Synode alle, das Vergangene beiseite zu lassen, sich aufrichtig um gegenseitiges Verstehen zu bemühen und gemeinsam einzutreten für Schutz und Förderung der sozialen Gerechtigkeit, der sittlichen Güter und nicht zuletzt des Friedens und der Freiheit für alle Menschen.“1
Diese Aussage des II. Vatikanischen Konzils (1962–1965) über das Verhältnis der katholischen Kirche zu den Muslimen ist ein Meilenstein für den Dialog der katholischen Kirche mit dem Islam. Sie ist Teil der Erklärung „Nostra Aetate“ über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen. In Fortführung dieser Konzilserklärung gab das vatikanische Sekretariat für die Nichtchristen 1984 das Dokument „Dialog und Mission“ heraus. Darin wird Bezug auf das Modell des Dialogs genommen, das der heilige Franziskus von Assisi in das 16. Kapitel seiner Ordensregel von 1221 aufgenommen hat:
„Unter den zahlreichen Beispielen aus der Geschichte der christlichen Mission sind die Normen bezeichnend, die der hl. Franziskus in der nicht bullierten Regel von 1221 den Brüdern gibt, die von Gott angeregt zu den Sarazenen gehen möchten … Sie können auf doppelte Weise unter ihnen die geistlichen Beziehungen ordnen. Die eine ist, dass sie keinen Streit oder Disput anfangen, sondern jedem menschlichen Geschöpf aus Liebe zu Gott untertan sind und bekennen, Christen zu sein. Die zweite Weise besteht darin, dass, wenn sie es als dem Herrn wohlgefällig erkennen, das Wort Gottes verkünden.“2
Die Erfahrungen, die bei Franziskus von Assisi zur Aufnahme dieser Normen für die Präsenz unter den Sarazenen, wie die Muslime zu seiner Zeit genannt wurden, in die Regel des Franziskanerordens führten, hängen mit seinem Treffen mit den Muslimen in Ägypten zusammen.
Der Kreuzzug
Franziskus von Assisi (1182–1226) begegnet durch seine Friedensinitiative während des 5. Kreuzzuges dem Sultan von Ägypten, al-Malik al-Kamil. Seit der Eroberung 1187 durch Saladin befindet sich Jerusalem wieder in den Händen der Muslime. Nur Akkon und ein schmaler Küstenstreifen sind den Kreuzfahrern geblieben. Auf dem Vierten Laterankonzil im Jahr 1215 wird ein Kreuzzug beschlossen, der am 1. Juni 1217 beginnt. Im April 1218 kämpfen die Kreuzfahrer nicht im Heiligen Land, sondern beginnen mit der Belagerung der strategisch wichtigen Hafenstadt Damiette im Nildelta Ägyptens. Diese kontrolliert den einzig befahrbaren Nil-Arm. Ende August 1218 nehmen die Kreuzfahrer die Stadt ein.
Kurz darauf stirbt der muslimische Herrscher, der Sultan al-Adil, der Bruder Saladins. Einer seiner Söhne, al-Malik al-Kamil, herrscht nun in Ägypten und dem Süden Palästinas. Da er seine Herrschaft gegenüber seinen Brüdern erst sichern muss, verhandelt er mit den Kreuzfahrern und bietet mehrmals die Rückgabe Jerusalems einschließlich der meisten Gebiete des ehemaligen Königreiches Jerusalem sowie die Rückgabe der christlichen Kriegsgefangenen an. Der päpstliche Legat bei den Kreuzfahrern, Kardinal Pelagius, lehnt es allerdings ab, mit ihm zu verhandeln.
Franziskus begegnet dem Sultan al-Malik al-Kamil
Franziskus fährt 1219 von Ancona aus Richtung Akkon in Syrien und gelangt schließlich nach Damiette, wo das Kreuzfahrerheer lagert. Er sieht die Sittenlosigkeit und Sucht nach Beute bei den Kreuzfahrern und erfährt so, dass es kein gerechter und gottgefälliger Krieg ist. Er warnt vor einem Überfall auf das muslimische Heer, wird aber nicht ernst genommen. Im September 1219 macht sich Franziskus mit seinem Begleiter, Bruder Illuminatus, zum Lager des Sultans auf, dem er das Evangelium verkünden will. Eine Vielzahl lateinischer Quellen belegt die Historizität der Begegnung des Sultans mit Franziskus.
Die erste Quelle über den Besuch des Franziskus beim Sultan ist der Brief des Bischofs von Akkon, Jakob von Vitry, aus Damiette vom Februar/März 1220. In diesem Brief beschreibt dieser erst ein Blutbad der Kreuzfahrer an den Muslimen und die Einnahme von Damiette, das infolge der Pest fast ausgestorben war; dann fügt er an:
„Ihr Meister, der diesen Orden gegründet hat (er heißt Bruder Franziskus, ein liebenswerter und von allen verehrter Mann), war damals zu unserem Heer gestoßen. In seinem Eifer für den Glauben ließ er sich nicht davon abhalten, in das Heer unserer Feinde hinüberzugehen. Obwohl er den Sarazenen während mehreren Tagen das Wort Gottes predigte, richtete er nur wenig aus. Doch der Sultan, der König von Ägypten, bat ihn insgeheim, für ihn zum Herrn zu beten, damit er auf göttliche Erleuchtung hin derjenigen Religion anhangen könne, die Gott mehr gefalle“ (2 Vitry 2, FQ 1536 f).
Derselbe Jakob von Vitry schreibt 1221: „Der Sultan hörte ihm sehr aufmerksam zu. Doch da er schließlich befürchtete, Leute aus seinem Heer könnten sich aufgrund der Wirksamkeit seiner Worte zu Gott bekehren und ins Heer der Christen überlaufen, befahl er, ihn mit allen Ehren und unter Geleitschutz ins Lager der Unsrigen zurückzubringen. Beim Abschied sagte er zu ihm: ‚Bete für mich, dass Gott mir gnädig offenbare, welches Gesetz und welcher Glaube ihm mehr gefalle‘“ (3 Vitry 14, FQ 1541).
Für den Sultan ist der Besuch des Franziskus wahrscheinlich kein großes Ereignis; er hat viele koptische Christen und auch Mönche in seinem Herrschaftsgebiet und es gibt Kontakte zu christlichen Kaufleuten. Doch hat er vielleicht erwartet, dass Franziskus aufgrund der Friedensvorschläge des Sultans an das Kreuzfahrerheer gekommen sei. Dass er ihn bittet, zu beten, dass Gott ihm das Gesetz und den Glauben zeige, die ihm das Wichtigste seien, klingt für uns wie eine Offenheit, zum Christentum überzutreten, doch ist das für einen frommen Muslim, wie es der Sultan sicher war, nur eine Formulierung, die den Islam als letzte Botschaft von Allah, Gott, bestätigen soll.
Auch in Franziskus-Biographien der Franziskaner sind die Anwesenheit im Kreuzfahrerlager und die Begegnung mit dem Sultan häufig erwähnt. Thomas von Celano berichtet in seiner Zweiten Lebensbeschreibung (2 C 30, FQ 317) über die kritische Stellung des Franziskus dem Kreuzzug gegenüber, dessen Niederlage Franziskus voraussagt.
Bonaventura schildert in seiner Legenda Maior (LM 9,8, FQ 745 f) noch eine Feuerprobe als Gottesurteil, die Franziskus dem Sultan angeboten und dieser abgelehnt haben soll, doch ist das eher eine Antwort auf die im Koran in Sure 3,61 erwähnte Geschichte Mohammeds mit den Christen von Nadschran, mit denen er ein Gottesurteil ausmacht, das diese ablehnen, und insofern genauso wenig historisch wie andere Details der Schilderung der Begegnung durch Bonaventura.
Anregungen aus der Begegnung mit Muslimen
Franziskus versucht, den Kreuzzug zu beenden, doch seine Warnungen werden nicht gehört. Aber er erkennt, dass der Sultan ein frommer Muslim ist und keine Bestie, als die er von den Kreuzfahrern beschrieben wird. Er erlebt, dass die Muslime fünfmal am Tag vom Muezzin zum Gebet gerufen werden. Das nimmt er als Anregung nach Europa mit und setzt sich nach seiner Rückkehr bei Fürsten und Gottesleuten für das täglich mehrmals zu verrichtende Gotteslob der Christen ein.3 So schreibt er 1220 in seinem Brief an die Lenker der Völker: „Und möget ihr doch unter dem euch anvertrauten Volk dem Herrn so große Ehre bereiten, dass an jedem Abend durch einen Herold oder sonst ein Zeichen dazu aufgerufen werde, vom gesamten Volk Gott, dem Allmächtigen Herrn, Lobpreis und Dank zu erweisen“ (Lenk 7, FQ 137). Im ersten Brief an die Kustoden, die Verantwortungsträger seines Ordens, schreibt Franziskus im gleichen Jahr 1220: „Und über sein Lob sollt ihr zu allen Leuten so sprechen und predigen, dass zu jeder Stunde und wenn die Glocken läuten, dem allmächtigen Gott vom gesamten Volk auf der ganzen Erde immer Lobpreis und Dank dargebracht wird“ (1 Kust 8, FQ 112). In seinem Brief an alle Brüder oder den gesamten Orden fordert er die Brüder zur gleichen Gebetshaltung auf, die er bei den Muslimen gesehen hat: „Wenn ihr seinen Namen hört, betet ihn an mit Furcht und Ehrerbietung, tief zur Erde gebeugt“ (Ord 4, FQ 114). Einige Jahre später, 1224, schreibt er seinem Sekretär Bruder Leo einen Segen und einen Lobpreis Gottes, der an die 99 Namen Gottes, die die Muslime ehrfurchtsvoll beten, erinnert: „Du bist der heilige Herr, der alleinige Gott, der du Wunderwerke vollbringst. Du bist stark, du bist groß. Du bist der Höchste. Du bist allmächtig, du heiliger Vater, König des Himmels und der Erde“ (LobGott 1 f, FQ 37).
Ein weiterer Niederschlag der Erfahrungen aus diesem Besuch beim Sultan ist im Kapitel 16 der Nicht-bullierten Regel zu finden, die Franziskus dem Pfingstkapitel, dem damals jährlichen Treffen des Franziskanerordens, 1221 vorlegt:
„Von denen, die unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen. Der Herr sagt: ‚Seht, ich sende euch wie Schafe mitten unter Wölfe. Seid daher klug wie Schlangen und einfältig wie Tauben‘. Daher soll jeder Bruder, der auf göttliche Eingebung hin unter die Sarazenen und andere Ungläubige gehen will, mit der Erlaubnis seines Ministers und Dieners gehen. Der Minister aber soll ihnen ohne Widerspruch die Erlaubnis geben, wenn er sieht, dass sie zur Mission tauglich sind, denn er wird dem Herrn Rechenschaft ablegen müssen, wenn er hierin oder in anderen Dingen unüberlegt vorgegangen ist. Die Brüder, die dann hinausziehen, können in zweifacher Weise unter ihnen geistlich wandeln. Eine Art besteht darin, dass sie weder zanken noch streiten, sondern um Gottes willen jeder menschlichen Kreatur untertan sind und bekennen, dass sie Christen sind. Die andere Art ist die, dass sie, wenn sie sehen, dass es dem Herrn gefällt, das Wort Gottes verkünden, damit jene an den allmächtigen Gott glauben, den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist, den Schöpfer aller Dinge, an den Sohn, den Erlöser und Retter, und sich taufen lassen und Christen werden; denn wer nicht wiedergeboren wird aus Wasser und Heiligem Geist, kann nicht in das Reich Gottes eingehen“ (NbR 16,1–7, FQ 81 f):
Dieses Kapitel der in den Jahren 1211 bis 1221 gewachsenen Regel ist das grundlegende franziskanische Missionsdokument. Es fasst die Erfahrungen des Franziskus nach seiner Reise nach Ägypten zusammen. Es ist eingebettet in drei schon früher entstandene Kapitel, die die Sendung der Brüder in die Welt beschreiben und als wesentliche Elemente der franziskanischen Sendung die Besitzlosigkeit und das Mindersein als dem Evangelium gemäße Lebensform bei der Wanderschaft, den Friedensgruß sowie die Bußpredigt herausstellen. Dazu kommt die enge inhaltliche Verbindung zu Kapitel 7 „Von der Weise zu dienen und zu arbeiten“, in dem steht: „Sie sollen vielmehr mindere und allen untergeben sein, die im gleichen Hause sind. Und die Brüder, die arbeiten können, sollen arbeiten und das Handwerk ausüben, das sie verstehen …“ (NbR 7,2 f, FQ 75).
Für die Präsenz unter den Muslimen wird der gleiche lateinische Begriff „subditus, zu Deutsch: „untergeben“, gebraucht wie für die Präsenz der Brüder in den christlichen Ländern. Wesentliches Element der franziskanischen Lebensform ist zu dieser Zeit die einfache Handarbeit im Dienste der Menschen, die einen Zugang zu dem Alltagsleben der umgebenden Gesellschaft schafft. Franziskus macht keinen Unterschied zwischen der Sendung der Brüder zu den Christen und zu den Muslimen mit den Elementen: Dienst, Friedensgruß, Zeugnis eines dem Evangelium gemäßen Lebens und Aufruf zu Buße und Umkehr.
Franziskaner und Muslime in der Geschichte: Dialog und Konflikte
Das Modell der Begegnung des Franziskus mit dem Sultan in Damiette und die Anweisung in der Ordensregel, ohne Streit und Zank unter Muslimen dienstbar zu leben, findet Nachahmer in dem von ihm gegründeten Orden. Einige exemplarische Gestalten seien hier angeführt.
Der sich 1256 dem Franziskanerorden anschließende Theologe Roger Bacon (1220–1292) gilt als einer der Begründer der empirischen Naturwissenschaften. Da er der Meinung ist, dass Glaubensverbreitung nicht mit Gewalt, sondern nur argumentativ oder durch das gute Beispiel möglich ist, kritisiert er die Kreuzzüge und vertritt die friedliche Glaubensverbreitung.
Der Franziskanerterziar Ramon Llull (1232–1316), namhafter Philosoph und Theologe, entschließt sich 1263 nach einem mystischen Bekehrungserlebnis, sein Leben der Reform der Kirche und der Bekehrung der Muslime und Juden auf friedliche Weise, durch theologischen Disput, zu widmen. Dazu lernt er Arabisch und studiert arabische Philosophie, setzt sich mit der islamischen Theologie auseinander und verfasst zahlreiche Schriften in Arabisch. Die arabische Mystik, der Sufismus, ist ihm sehr nahe und sehr vertraut. Er wirbt unermüdlich bei Päpst...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Inhalt
  5. Vorwort
  6. 1. Wie es begann: Franziskus und der sultan
  7. 2. Die drei abrahamitischen Glaubensrichtungen
  8. 3. Der Islam
  9. 4. Sufismus
  10. 5. Dialog mit dem Islam in Deutschland – Chancen und Probleme
  11. 6. Was die franziskanische Welt heute für ein friedliches Miteinander einbringen kann
  12. 7. Schlusswort: Islam – Herausforderung für uns Christen
  13. Anmerkungen
  14. Zum Weiterlesen
  15. Abkürzungsverzeichnis