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INHALTSVERZEICHNIS
EINLEITUNG
GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
Unverheiratete Frauen ...
... verheiratete MĂ€nner
Die Historikerin als Teil der Geschichte
Aufbau
Quellenlage
METHODE
Geschlechtergeschichte: ledige Frauen â verheiratete MĂ€nner
Alltagsgeschichten und Fallstudien von Familien
Forschungsgeschichten und der Blick der Historikerin
Geschichte als Kunst der Textinterpretation
ZEITLICHE UND ĂRTLICHE HINTERGRĂNDE
DIE NATIONALE BĂHNE â HISTORISCHE ENTWICKLUNG DER SCHWEIZ 1910â1950
GEOGRAFISCHE SCHAUPLĂTZE UND NETZWERKE
TABELLARISCHE DARSTELLUNG DER WOHNORTE UND LEBENSDATEN DER GESCHWISTER SCHNYDER
KURZBIOGRAFIEN
Ernst Schnyder
Lilly Schnyder
Hedwig Schnyder
Hans Schnyder
Hanna Schnyder
Sophie HablĂŒtzel-Schnyder
Rosa Schnyder
Martha Schnyder
Karl Schnyder
Gertrud Schnyder
Paula Schnyder
Walter Schnyder
FAMILIENTAFEL
BAUERNSOHN UND HĂHERE TĂCHTER: WURZELN UND WERTE DER BILDUNGSBĂRGERLICHEN PFARRFAMILIE
RELIGION, ERZIEHUNG, BILDUNG UND DIE POSITION DES VATERS
Vom Heimarbeitersohn zum Pfarrer
Der Aufstieg ins BildungsbĂŒrgertum und die Heirat mit höheren Töchtern
Die «positive» Theologie und der Zofinger Abendmahlshandel
Pfarrer und Vater: Seelsorge und Unterricht auf Schritt und Tritt
Innere und Ă€ussere Mission â Pietismus im Pfarrhaus des 19. Jahrhunderts
RELIGION, ERZIEHUNG, BILDUNG UND DIE POSITION DER ERSTEN MUTTER MUTTER
Die Pfarrerstochter wird Pfarrfrau
Die Kinder sind eine von Gott zugewiesene Aufgabe
RELIGION, ERZIEHUNG, BILDUNG UND DIE POSITION DER ZWEITEN MUTTER
Die Rentierstochter wird Lehrerin
Die neue Frau Pfarrer als begabte PĂ€dagogin
GEBURT UND TOD ALS MASSGEBENDE ERLEBNISSE
Geburten
Tod
MUSIK UND LITERATUR: DIE BĂRGERLICHE KUNST, SICH SELBST ZU ERKENNEN
Gesang und Musik als Ausdruck des Herzens
Gemeinsames Musizieren und die Sonderstellung des Klaviers
Lesen, Vorlesen, Zuhören und der Drang nach Austausch und BestÀtigung
BEDEUTUNG DER FAMILIĂREN GEMEINSCHAFT
Tradition, Religion und bĂŒrgerliche Normen: Memoiren des Ă€ltesten Bruders
Ausschluss bei NormĂŒberschreitungen: Gedichte der Schwester Sophie
BERUF, BERUFUNG, SCHICKSAL UND ĂKONOMIE
BERUFSWAHL UND DIE THEORIE DER GESCHLECHTSCHARAKTERE
Der so genannte FrauenĂŒberschuss
MÀnnliche und weibliche Geschlechtscharaktere und die ErgÀnzungstheorie
DIE GESCHWISTERFOLGE UND DIE BESTIMMUNG VON BERUFEN
Die Ausbildung der BrĂŒder
Der Beruf der Schwestern
Geistige MĂŒtterlichkeit
Ungleich nicht nur im Geschlecht, sondern auch in der Geschwisterreihe
DIE SCHWESTER ALS HAUSMĂTTERCHEN: ĂKONOMISCHE UND BERUFLICHE ENTSCHEIDUNGEN DES ĂLTESTEN BRUDERS UND SEINER KLEINEN SCHWESTER
Gottes Weg, Bruders Wille und die Entscheidung der Schwester
Schluss
«MEIN LIEBER BUB!» â WISSENSAUSTAUSCH UND RAT DER ĂLTEREN SCHWESTER UND IHRES KLEINEN BRUDERS
Klavierstunden und Literaturkritik: die Schwester als Lehrerin
Schluss
DIE ĂLTERE SCHWESTER ALS VORGĂNGERIN DER JĂNGEREN â 50 JAHRE PRIMARSCHULE EINER SCHWEIZER LANDSTADT
Wo bleiben Stimmrecht und gleicher Lohn? â eine der ersten Lehrerinnen im Thurgau
«Die Erziehung der Kinder wird einem wichtiger als das Wissen» â Unterrichtspraxis um 1900
WohltĂ€tigkeit und öffentliche Ămter
«Ăberzeugtes Einspannertum» â die neue Generation der Lehrerinnen
Schluss
SCHWESTERN ALS ERGĂNZENDE LEBENSPARTNERINNEN â 30 JAHRE EVANGELISCHES TĂCHTERINSTITUT HORGEN
VielfÀltiges Institutsleben, kaum Privates
Wandel der Jugendkultur und die strenge Vorsteherin
ErgÀnzende Partnerinnen bis ins hohe Alter
Schluss
DIE SCHWESTER ALS DIAKONISSE â AUSGESANDT AUF STATION â HEIM INS MUTTERHAUS
Evangelische Schwesterngemeinschaft und Mutterhaus
Ausgesandt und «versucht»
Aufgehoben im doppelten Sinn
Schluss
DIE SCHWESTER ALS GOUVERNANTE â FLORENZ UND MAILAND 1906â1943
Die Schwester in der Ferne
Die Bedeutung der Schweizer Gouvernanten
«Ich bin halt stets verliebt in Florenz» â unsichere Bindungen, die das Leben bedeuten
RĂŒckkehr
SCHLUSSFOLGERUNG
ALLTAGSLEBEN UND ALLTAGSERLEBEN
WOHNRĂUME ZWISCHEN ĂFFENTLICHKEIT UND INTIMITĂT
«Daheim» bei Mama â lebenslĂ€nglich
Die eigene Wohnung
Vom StĂŒbchen zur Schwesternwohngemeinschaft
Schluss
GESCHWISTER ALS DIE BESTE GESELLSCHAFT â ODER: WIE VIEL PLATZ BLEIBT BEI ZWĂLF GESCHWISTERN FĂR DIE PFLEGE VON AUSSERFAMILIĂREN BEZIEHUNGEN?
UnterdrĂŒckte SexualitĂ€t der Schwestern, institutionalisierte SexualitĂ€t der BrĂŒder
Verbotene Schokolade
Verbotene Liebe
Der verheiratete Bruder und der Kinderwunsch
Schluss
BESUCHSRITUALE UND FESTE
Der Vier-Uhr-Tee und andere Besuchsrituale
Besondere AnlÀsse und Feste
Familienfeste, Geburtstage und Weihnachten
Schluss
WANDERN DURCH GOTTES SCHĂNE WELT â PATRIOTISMUS UND RELIGIOSITĂT IM INTENSIVEN NATURERLEBNIS
Wandern als FreizeitbeschÀftigung
Wandern mit den Geschwistern oder allein
Schluss
POLITISCHE POSITIONEN IN DER FAMILIE â HELVETISCHE DISKUSSIONEN ĂBER ZWEI WELTKRIEGE
MilitĂ€rische Positionen und politische Standpunkte der BrĂŒder 1914â1918
Einmachen, Sparen, Stellung halten â die Schwestern 1914â1918
Das Geschwisternetzwerk in der Zwischenkriegszeit
Zweiter Weltkrieg: politische Einigkeit der BrĂŒder und das Schweigen der ledigen Schwestern
Schluss
TRADIERTE FAMILIENGESCHICHTEN UND DER BLICK DER FORSCHERIN
MĂNDLICHE FAMILIENGESCHICHTEN UND DAS FRAGMENTARISCHE
MĂŒndliche ErzĂ€hlungen und schriftliche Quellen
MĂŒndliche ErzĂ€hlungen und fehlende schriftliche Quellen
Verstummte FamilienerzÀhlungen und das Schweigen der Quellen
Der Ausflug auf den Stockberg â aktiv gelebte Familienerinnerung
SELBSTĂNDIGWERDEN DER HISTORISCHEN AKTEURE IM NARRATIVEN PROZESS DES SCHREIBENS
GESCHICHTE ALS SPURENSUCHE, DIE DEM JETZT BEDEUTUNG GIBT
ANHANG
AbkĂŒrzungen
Archive
Anmerkungen
Quellen- und Literaturverzeichnis
GesprÀche
Ungedruckte Quellen
Nekrologe
Gedruckte Quellen
SekundÀrliteratur
Bildnachweis
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Die Welt braucht auch Schwestern, nicht MĂŒtter nur.
Martha Schnyder, 1920.
VORWORT
Die konzentrierte und rasche Verwirklichung dieser Dissertation wurde durch Stipendien des Schweizerischen Nationalfonds, der Max Geldner Stiftung und der Akademischen Gesellschaft Basel ermöglicht. Meine Doktormutter Prof. Regina Wecker hat mich wĂ€hrend der ganzen Zeit ermutigt und bestĂ€rkt, den eingeschlagenen Weg zu beschreiten. Dr. Heidi Witzig danke ich herzlich fĂŒr ihre Bereitschaft, meine Arbeit zu begleiten, fĂŒr die vielen Anregungen, ErgĂ€nzungen und fĂŒr die klĂ€renden GesprĂ€che. Prof. Rosi Braidotti und Prof. Bertekke Waldijk am Center for Women Studies an der UniversitĂ€t Utrecht erweiterten meinen Blick auf Geschlechtergeschichte und bewegten meine Position innerhalb der Arbeit nachhaltig.
Einen ganz besonderen Dank möchte ich an meine Eltern Christoph und ZĂŒsi Schnyder-Scheuermeier und an meine Tante Brigitte Schnyder richten. Sie standen mir mit reger Anteilnahme und grossem Interesse zur Seite, öffneten Tore zu Materialien, lasen Texte, gaben Feedbacks und eilten mit Rat und Tat in allen Belangen zu Hilfe. Ich danke auch Ernst Gysel, Hans Schnyder, Hans Walter Schnyder, Rudolf Schnyder und Beth Werner-Schnyder fĂŒr Informationen, den Zugang zu grundlegenden Quellen und die Bereitschaft zu GesprĂ€chen.
Sibylle Meyrat und Claudia Settelen winde ich fĂŒr ihr kritisches Gegenlesen ein KrĂ€nzchen, Dietrich Seybold fĂŒr die vielen Tipps und kritischen Gedanken wĂ€hrend der ganzen Arbeit.
Michael GĂ€rtner danke ich fĂŒr die treue Begleitung, seine UnterstĂŒtzung und sein geduldiges VerstĂ€ndnis. Die Betreuerinnen des «SchnĂ€ggehĂŒsli» liessen mich bis zum Ende mit einem guten GefĂŒhl meiner Arbeit nachgehen, und Helena und Joachim sorgten in den vielen lustigen Stunden, die mich von der Arbeit abhielten, dafĂŒr, dass ich mich der Welt nicht entfremdete.
Basel, im Januar 2008
Arlette Schnyder
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GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
Ernst, Marie, Hedwig, Hans, Hanna, Sophie, Rosa, Martha, Karl, Gertrud, Paula, Walter. Zwölf Geschwister, geboren in der Schweiz, zwischen 1873 und 1897. Acht Schwestern, sieben blieben unverheiratet, nur eine â Sophie â heiratete und liess sich zehn Jahre spĂ€ter wieder scheiden. Keine hatte Kinder. Vier BrĂŒder, alle waren verheiratet und hatten Kinder. Sie standen in wichtigen offiziellen Ămtern: Pfarrer, Posthalter, Arzt und Gymnasiallehrer. Auch alle Schwestern lernten einen Beruf. Alle hatten eine Ausbildung als Lehrerin, KindergĂ€rtnerin oder Erzieherin. Einige entschieden sich spĂ€ter fĂŒr andere Wege: Eine wurde Diakonisse, eine andere SekretĂ€rin und eine gar Institutsleiterin.
Die erste Frage, die sich bei dieser Fallstudie aufdrĂ€ngt, ist die, weshalb alle diese Frauen ledig blieben. Diese schwierige Frage soll zunĂ€chst zurĂŒckstehen und der Frage, wie sie alle ledig blieben, weichen.1 Dieses Wie zeigt sich in unzĂ€hligen Geschichten. Ich erzĂ€hle also Geschichten. Denn Geschichte ist immer Geschichten erzĂ€hlen. Geschichte ist eine Auswahl von Geschichten im Geschehen eines bestimmten Zeitraumes, einer bestimmten Personenkonstellation. Geschichte ist eine Perspektive. Von einem spĂ€teren Zeitpunkt auf einen frĂŒheren Zeitpunkt.2 Bereits 1978 verwies Hayden White mit seinem Artikel «The Historical Text as Literary Artifact» auf die narrative Arbeit der Historiker. Er wollte der Arbeit mit ...