Lebendige Seelsorge 2/2016
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Lebendige Seelsorge 2/2016

Resonanz

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Lebendige Seelsorge 2/2016

Resonanz

About this book

Wann sind Sie zuletzt ins pralle Leben eingetaucht? Vielleicht bei einemSpaziergang unter blühenden Kirschbäumen, beim Meistern einer kniffeligenAufgabe oder auf den letzten, kernigen Kilometern der Laufstrecke? SolcheMomente sind kostbar. Es sind Momente der Resonanz - so nennt der JenaerSoziologe Hartmut Rosa diese intensiven Erfahrungen des Verwobenseinsmit der Welt. Wenn Beschleunigung das Problem ist, dann ist Resonanz vielleichtdie Lösung. Das ist der erste Satz und die pointierte These seines geradeerschienenen Buches "Resonanz". Es sei eben nicht die Menge anRessourcen und Optionen, die die Qualität eines menschlichen Lebens bestimme, sondern die Liebe zu den Menschen, Ideen oder Werkzeugen, mitdenen wir zu tun haben. Wie eine Stimmgabel, die angeschlagen wird, einezweite in deren eigener Frequenz in Schwingung versetzt, so berühren sichin Resonanzbeziehungen Subjekt und Welt - und lassen den jeweils anderenmit dessen eigener Stimme sprechen.Pastoral … ist die Kunst, durch die eigene Anwesenheit den anderen in seinerEinmaligkeit zum Vorschein zu bringen. (Christoph Theobald) Einer, der sichauf diese Kunst versteht, ist Erich Garhammer. Er steht als Pastoraltheologeund Schriftleiter dieser Zeitschrift für eine Theologie, die nicht räsoniert, sondern "resonniert". Zu seinem 65. Geburtstag, den er in diesem Monatfeiert, widmen wir ihm dieses Heft. Es öffnet Resonanzräume. So kommenneben profilierten Theologen aus unterschiedlichen Disziplinen die Stimmenderjenigen zum Klingen, die er auf ihrem akademischen Weg begleitet hat.Sie erzählen von Orten, an denen sie das pralle Leben spüren.Wohltuende Unterbrechungen sind sechs Resonanzen bekannter Schriftsteller.Informationen zu den Literaten sowie Inspirationen zum Weiterlesenfinden Sie ebenfalls. Davor steht die Glosse von Annette Schavan, die indieser Ausgabe zum ersten Mal von Rom aus auf Welt und Kirche blickt.Unser Dank gilt Wolfgang Frühwald, der diese Rubrik in den vergangenenJahren mit Leben füllte. Schließlich erinnern wir an dieser Stelle dankbar anProf. Dr. Werner Rück, der am 14. Januar in Freiburg verstorben ist. Von1975-2003 hat er mit großem Engagement die Lebendige Seelsorge alsHauptschriftleiter geprägt.

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Information

Vom „Notnagel“ zur geschätzten Mitarbeiterin und „Frau Pastor“
Das Berufsbild der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im Wandel
Die Internationale Tagung, veranstaltet vom Berufsverband der Pastoralreferentinnen Deutschlands e.V. und des VPW Nederland vom 16. bis 18. November 2015 in Aachen, trägt den Titel „Herausforderungen und Entwicklungen unseres Berufes”. Schon in den ersten Gesprächsrunden wird klar, dass ‚Ungleichzeitigkeit‘ bei den Teilnehmenden sowohl in ihren Erfahrungen und beruflichen Feldern als auch in den Rahmenbedingungen und konkreten Dienstaufgaben vorherrscht. Dieser Eindruck der bunten Vielfalt wird dadurch verstärkt, dass nicht nur Vertreterinnen und Vertreter der Berufsgruppe aus den deutschen Bistümern teilnehmen, sondern auch aus den Niederlanden, Luxemburg, Belgien, der Schweiz und aus Österreich. Überall ist man in der katholischen Kirche beheimatet und für diese tätig und zugleich liegen die Dinge überall ein wenig oder sogar völlig anders: Gemeindegrößen, Dienstverhältnisse, Kompetenzen, Dienstaufgaben, Bistumsvorgaben, Haupt- und Ehrenamt, Geschlechterverhältnisse, Projekte, Pläne, Priester und Bischöfe – all das eint und trennt zugleich. Martin Ostermann
Die Beschreibung als „Notnagel“ für Pastoralreferentinnen und -referenten mag zwar der Vergangenheit angehören, aber die Wahrnehmung als „Ersatzkaplan“ ist auch heute noch an manchen Orten pastorale Wirklichkeit. Deutlicher (und in der Beschreibung treffender) erscheint der Begriff „Seelsorger/in“, denn die Seelsorge steht für die Frauen und Männer dieser Berufsgruppe insbesondere auch in der ganz persönlichen Motivation an vorderster Stelle. Als theologische Expertinnen und Experten könnte in Zukunft auch die Funktion des Dolmetschens mehr und mehr an Bedeutung gewinnen. In einer Gesellschaft, die schon jetzt zu einem Drittel aus Menschen besteht, die sich keinem Bekenntnis und keiner Religion zugehörig fühlen, verlangt religiöses Wissen nach Beratungs-, Erklärungs- und Übersetzungskompetenz. Das Dolmetschen ist dann aber nicht nur eine rein intellektuelle oder sprachliche Tätigkeit, sondern kann auch wieder Zugänge zu kulturellen Handlungen und geprägten Orten beinhalten. Kirche ist eben mehr als ein Baudenkmal aus vergangener Zeit. Ebenso wie Pastoralreferent/innen heute schon Generalisten und Spezialisten zugleich sein müssen, werden sie auch zu Personen, deren Kompetenz das Erkunden (spiritueller Suche und allgemeiner Lebensbegleitung) und das Ermöglichen (von neuen Formen der Trauerbewältigung oder von Begleitung in Wechselfällen des Lebens) werden. Aber dies sind bereits Einsichten, die am Ende der Tagung in Gruppen, welche die Gesprächsergebnisse zusammenzufassen suchten, formuliert worden sind. Am Anfang stand vor allem auch die gegenseitige Rückversicherung über den Ort und das Aufgabenfeld, in welche Mann und Frau hinein entsandt worden sind.
Martin Ostermann
Dr. theol.; von 2003 bis 2012 Mitarbeiter bzw. Akademischer Rat am Lehrstuhl für Dogmatik an der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt; von September 2012 bis August 2014 Bildungsreferent im Bistum Erfurt am Bildungshaus St. Ursula; seit September 2014 Studienleiter bei Theologie im Fernkurs und Lehrbeauftragter an der Katholischen Universität Eichstätt und an der Universität Erfurt.
„MÄDCHEN FÜR ALLES“: DIE GEGENWÄRTIGE SITUATION
War zu Beginn von Ungleichzeitigkeit in Bezug auf das Berufsbild der Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten die Rede, so kann nun noch das Stichwort der Unübersichtlichkeit ergänzt werden. Auch wenn „Un“-Worte dazu neigen, wertend verstanden zu werden, so sind sie im vorliegenden Zusammenhang nur deskriptiv gemeint. Das Unübersichtliche des Berufsbildes bezieht sich auf den Raum bzw. die vielfältigen Räume, in denen gearbeitet wird, auf die sehr unterschiedlichen Aufgabenfelder des Berufes und auf die sich zum Teil widersprechenden Perspektiven, unter denen diese Arbeit geschieht.
Die Unübersichtlichkeit des Raumes speist sich zum einen aus dem in allen deutschen Bistümern immer stärker um sich greifenden Trend, pastorale Räume und Einheiten zu vergrößern, sodass die ehemals übersichtliche Pfarrgemeinde mit einem klar abgegrenzten Gebiet und einer (zumindest im Kern) überschaubaren Menge an Menschen bald der Vergangenheit angehört. Positiver formuliert beinhaltet diese Entwicklung eine Veränderung der Pastoral weg von einzelnen Pfarrgemeinden hin zu formal größeren Strukturen, die aber eigene Binnenstrukturen entwickeln. Diese Binnenstrukturen sind weniger von Gebieten und einem Kirchenbau sich zugehörig fühlenden Menschen gekennzeichnet, sondern von Interessengruppen, unterschiedlichen Einrichtungen (z.B. Kindergarten, Schule, Altenheim) und Menschen, die sich sowohl ‚draußen’ (z.B. aus der Kirche Ausgetretene), als ‚Grenzgänger’ (z.B. Kasualienfromme), als auch ‚drinnen’ (z.B. ehrenamtlich Engagierte) verorten (vgl. Bucher, 136-147).
Aus Sicht der pastoral Mitarbeitenden ist diese Situation insofern unübersichtlich, als diese Heterogenität von Personen, Räumen und Anforderungen eine Vielfalt von Handlungs- und Denkweisen verlangt. Es kann nicht mehr das eine pastorale Programm für alle geben (falls es so etwas jemals gab) und die Halbwertzeit von Initiativen reduziert sich immer weiter bzw. ist zumindest starken zeitlichen Schwankungen unterworfen. Wenn Pastoralreferentinnen und Pastoralreferenten im Zwischentitel als „Mädchen für alles“ bezeichnet werden, so ist damit auf der Seite der Handlungsoptionen und Handlungsfelder die genannte Unübersichtlichkeit beschrieben. „Mädchen für alles“ zu sein kann überfordernd, aber auch herausfordernd sein. Die Herausforderung bedarf allerdings klarer Perspektiven: Was ist mein Einsatzort? Wer sind die Adressaten meines Handelns? Welche Ziele werden verfolgt und aus welchen Ressourcen kann ich schöpfen? Um die positiv verstandene Herausforderung besser zu verstehen, soll die gegenwärtige Situation noch differenzierter betrachtet werden.
„FRAU DEKANIN“: DIE SPANNUNG VON ‚LAIE‘-SEIN IM HAUPT- UND EHRENAMT
Da die pastoralen Räume und damit die Zuständigkeitsbereiche vergrößert werden, sind die Einsatzstellen oft nicht mehr auf der Ebene der Gemeinde direkt vor Ort, sondern auf der strukturell nächsthöheren Ebene, z.B. dem Dekanat, angesiedelt. Hier muss vor allem organisatorische und begleitende Arbeit (von Ehrenamtlichen) geleistet werden. Begleitung und Anleitung wird dann oft als (übergeordnete) Leitung wahrgenommen, sodass die Pastoralreferentin in dieser Position als „Frau Dekanin“ wahrgenommen wird. Dies ist so lange unproblematisch, wie es sich um eine inhaltlich gut austarierte und für die anvertrauten Menschen förderliche Tätigkeit handelt. Problematisch wird eine Zuschreibung als „Frau Dekanin“, wenn damit Erwartungshaltungen in Bezug auf letztverantwortliche Leitung und Repräsentation als Sakramentenspenderin verbunden ist. Wohlgemerkt: problematisch ist dies vor allem für die Mitarbeiterin, die mit Ansprüchen konfrontiert wird, die sie oft nicht erfüllen kann.
An dieser Stelle ist festzuhalten, dass die Arbeit im Team aus Priestern und Laien im pastoralen Dienst an vielen Orten sehr gut funktioniert und mit viel gemeinsamen Engagement gefüllt wird, ohne zu verschweigen, dass unterschiedliche Rollen- und Berufungsvorstellungen durchaus Konfliktpotential beinhalten. Die Konflikte erwachsen mehrheitlich aber aus unklaren Zielvorgaben, Anhäufung von Aufgabenfeldern und einer kaum noch einzuholenden Differenzierung der Pastoral vor Ort. Ist die (Groß-)Pfarrei nur eine Verwaltungseinheit, die in kleinere, mit deutlichen Konturen versehene pastorale Einheiten (Gemeinden?) ausdifferenziert werden muss? Wenn dem so ist: Wer trägt dann wofür in den kleineren Einheiten die Verantwortung? Wie stellt sich in den kleineren Einheiten das Verhältnis von Gemeinde- und Kategorialseelsorge dar? Welche Kompetenzen werden Laien im pastoralen Dienst zuerkannt und wie stellt sich das Verhältnis von Haupt- und Ehrenamtlichen dar?
Ganz im Sinne von Ungleichzeitigkeit und Unübersichtlichkeit gibt es auf diese Fragen keine eindeutigen, immer und überall gültigen Antworten, sondern entscheidend ist der Kontextbezug. Der Kontext ist länder-, diözesan- und ortsspezifisch zu beschreiben. Vor allem sollte beachtet werden – und das war in den Gesprächen der Tagung in Aachen immer wieder Thema -, dass es weniger um Strukturen und Ämter, sondern mehr um Sendung und Charismen geht. „Als gemeinsame Mitglieder von Kirche sind wir viel mehr füreinander als ‚Hauptamtliche’ und ‚Ehrenamtliche’. Das zu realisieren ist die Voraussetzung, um tun zu können, was wir füreinander vor allem tun sollten: voneinander lernen, was das Evangelium heute bedeutet“ (Bucher, 130).
„SAMMLUNG UND SENDUNG“: ZWISCHEN BISTUMSVORGABEN UND BERUFSIDENTITÄT
Eben jene Sendung, um das Evangelium zu verkünden, ist vom Zweiten Vatikanischen Konzil gestärkt worden. „Die Kirche ist ja in Christus gleichsam das Sakrament, das heißt Zeichen und Werkzeug für die innigste Vereinigung mit Gott wie für die Einheit der ganzen Menschheit“ (LG 1). Die Kirche ist zudem vor allem Ortskirche, d.h. vor Ort realisiert sich katholische Kirche für die Menschen und in den Menschen.
„Diese Kirche Christi ist wahrhaft in allen rechtmäßigen Ortsgemeinschaften der Gläubigen anwesend, die in der Verbundenheit mit ihren Hirten im Neuen Testament auch selbst Kirchen heißen. Sie sind nämlich je an ihrem Ort, im Heiligen Geist und mit großer Zuversicht (vgl. 1 Thess 1,5), das von Gott gerufene neue Volk“ (LG 26). In der Konstitution der „Kirche in der Welt von heute“ wiederum finden wir ein klares Bekenntnis zur Vorläufigkeit allen kirchlichen Handelns und Denkens und ein immer neues Zugehen auf die sich ständig verändernde Welt (vgl. GS 91). Schon die ersten Zeilen und Absätze von „Gaudium et Spes“ machen deutlich, dass sich die christliche frohe Botschaft an alle Menschen richtet und darum auch kirchliches Handeln zuallererst einen allgemeinen, an alle Menschen sich richtenden Bezug hat. Um sich aber „Freude und Hoffnung, Trauer und Angst der Menschen von heute“ (GS 1) ganz konkret zuwenden zu können, bedarf es auch der Sammlung als Kirche, bedarf es der beständigen Rückversicherung der Nachfolg...

Table of contents

  1. Cover
  2. Inhalt
  3. Poesie und Theologie
  4. Predigt als Resonanz-Geschehen
  5. Reden, Resonanz und Risiko, oder: Von der Lust am Predigen
  6. Lokale Europäische Theologie
  7. Bad Vibrations?
  8. Mystische Beunruhigung und kirchlicher Status quo
  9. Hoffnungsimpulse
  10. „Alles im Leben ist eine Brücke…“
  11. Es muss erzählt werden
  12. Resonanzraumüberlagerungen
  13. Regensburger Resonanz, oder: „Bitte Abstand halten“
  14. Der christlich-jüdische Dialog – ein Theologie und Kirche herausfordernder Resonanzort
  15. Lusen
  16. Auf dem spätmodernen Areopag
  17. Sterne, die nicht bleichen (Rilke), oder: Ganz gewöhnliche Heilige
  18. Das Kreuz mit dem Krebs
  19. An Evening with David Sedaris
  20. Vom „Notnagel“ zur geschätzten Mitarbeiterin und „Frau Pastor“
  21. Aufgeladen werden