Lebendige Seelsorge 2/2017
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Lebendige Seelsorge 2/2017

Die WĂŒrde des Sterbens

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Lebendige Seelsorge 2/2017

Die WĂŒrde des Sterbens

About this book

Sterbende möchten leben und in ihrem Kampf gegen den Tod begleitet werden, so der Psychologe und Theologe Ernst Engelke. Aber von ihnen wird erwartet, in ihr Sterben einzuwilligen. Ein guter Begleiter dagegen teilt Angst und Hoffnung des Sterbenden, er weiß um seine Ambivalenzen. Die Palliativmedizinerin Claudia Bausewein betont die Kraftquellen und Ressourcen von Schwerkranken. Sie wollen die Zeit des Sterbens oft bewusst erleben und gestalten und eine Lebensbilanz ziehen. Deshalb warnt sie vor einem Schubladendenken in Sachen Sterben: Die Zustimmungsnötigung zum Sterben von Elisabeth KĂŒbler-Ross hĂ€lt sie genauso wenig zutreffend wie eine generelle Ablehnungsthese. Erich Garhammer befragt Literaten auf ihre Einstellung zum Sterben und stĂ¶ĂŸt auf bemerkenswerte Befunde. Der Begriff "SterbegrĂ¶ĂŸe" (Thomas HĂŒrlimann) taucht ebenso auf wie der Wunsch, den letzten Weg als ein Abenteuer zu verstehen. "Der Weg, den du jetzt gehst, gehen alle, aber du zum ersten Mal" (Adolf Muschg). Die Medizinhistorikerin Karen Nolte beschreibt die professionspolitische Konkurrenz der Helferberufe am Sterbebett im 19. Jahrhundert. Die Ärzte verstanden sich als die besseren Seelsorger, als die "Priester der Natur" und sahen sich neben der medizinischen Sterbebegleitung auch zustĂ€ndig fĂŒr die religiöse Sterbebegleitung. Diese Zeiten sind lĂ€ngst vorbei: das therapeutische Team ist angesagt, in dem der professionelle Seelsorger eine spezifische Aufgabe hat. Gottfried Amendt versteht seine Rolle am Sterbebett als "Hebammendienst zur zweiten Geburt".Die WĂŒrde des Sterbens in der palliativen Arbeit nehmen Susanne Röder und Elisabeth Köhler aus Ă€rztlicher und Regina Raps aus pflegerischer Perspektive in den Blick. Sr. Paula Helm schreibt ĂŒber Sterbebegleitung im Kloster. Deutlich wird: die Begleitung in den letzten Lebenswochen ist eine der intensivsten Erfahrungen. Wenn sie gelingt, können alle gestĂ€rkt hervorgehen.Dabei soll die Dimension der Überforderung nicht verschwiegen werden, die oft zu anderen Lösungen greifen lĂ€sst. So stellt Ernst Engelke in seinem Schlussbeitrag die provokante Frage, ob wir nicht auf dem Weg in eine Euthanasie mit gesundheitsökonomischer Selbsttötung sind. Seine Beobachtungen sind ein Aufruf, weiter personell, finanziell und kulturell in eine andere Richtung zu investieren: in die WĂŒrde des Sterbens.

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Information

THEMA
Die Wahrheit im und am Krankenbett
Angst und Hoffnung teilen
Was erlebt ein Mensch und wie verhĂ€lt er sich, wenn sein Leben durch eine Krankheit bedroht wird? Diese Fragen haben Menschen zu allen Zeiten bewegt und sie sind sehr verschieden beantwortet worden. Die Antworten auf diese Fragen entscheiden mit darĂŒber, wie Sterbenskranke und Sterbende begleitet werden. Ernst Engelke
Die Kommunikation zwischen gesunden und sterbenskranken Menschen erinnert oft an ein Spiel, in dem ein Schachspieler und ein Damespieler nach ihren eigenen Regeln an einem B(r)ett miteinander spielen. Das Spiel kann nicht gelingen: Sie verstehen sich nicht und spielen aneinander vorbei. Das Ziel gelingender Kommunikation ist aber, sich zu verstehen. Dadurch und durch gemeinsames Handeln entsteht Gemeinschaft. Darauf sind Sterbenskranke und Sterbende in besonderer Weise angewiesen.
Sterbenskrank ist jemand, dessen Leben von einer todbringenden Erkrankung bedroht ist. Sterbende haben nur noch wenige Tage oder Stunden zu leben. Sterbenskranke und Sterbende erleben ihre körperlichen Grenzen, die Bedrohung ihres Lebens und ihr Ausgeliefertsein an andere Menschen. Sie sind davon abhÀngig, dass gesunde Menschen sich auf sie einstellen und sich ihnen zuwenden.
STERBEN NACH PLAN?
In der modernen Medizin wird seit Johann Lukas Schönlein (1793–1864) Kranksein aus biologisch-medizinischer Sicht als Prozess verstanden und mit Stadien oder Phasen der Entwicklung beschrieben. In gleicher Weise wird seit Anfang des 20. Jahrhunderts Sterben aus psychologischer Sicht ebenfalls als ein Prozess beschrieben, in dem der Sterbende bestimmte Phasen durchlebt. Das bekannteste Phasenmodell ist von Elisabeth KĂŒbler-Ross 1969 vorgestellt worden. Das Modell ist mit seinen fĂŒnf Phasen in seiner Art deskriptiv, wird aber oft so verbreitet und aufgenommen, als sei es prĂ€skriptiv (ein Fahrplan fĂŒr das Sterben). In der internationalen Sterbeforschung wurden von Anfang an gravierende, sozialwissenschaftlich fundierte EinwĂ€nde gegen dieses Phasenmodell und generell gegen Modelle, die das Sterben mit gestuften Verhaltensweisen beschreiben, angefĂŒhrt. Neben den methodischen Fehlern wird bemĂ€ngelt: Mit der Generalisierung und Standardisierung des Verhaltens (leugnen, erzĂŒrnen, verhandeln, depressiv sein, zustimmen) werden das Persönliche des Sterbenden und seine Einzigartigkeit missachtet. Obgleich KĂŒbler-Ross in ihrem Buch sogar
Ernst Engelke
geb. 1941, Dr. theol., Prof. em. fĂŒr Soziale Arbeit in WĂŒrzburg, zuvor Klinikseelsorger; seit 2001 Engagement im Palliativ- und Hospizzentrum der Stiftung Juliusspital WĂŒrzburg; seit 1975 Publikationen zu Sterbeforschung, Palliative Care, Hospizarbeit und zur Sozialen Arbeit. selbst betont, dass Sterbende „ihren persönlichen Stil, ihre gewohnten Verhaltensweisen“ (KĂŒbler-Ross, 36) auch im Sterben nicht aufgeben, besteht sie darauf, dass jeder Sterbende diesen Prozess durchmacht.
Die Studien der empirischen Sterbeforschung haben dagegen ergeben: Den Sterbenden gibt es nicht und ein gesetzmĂ€ĂŸiger Verlauf des Sterbens, dem alle Menschen unterliegen, ist auch nicht zu erkennen. Mit dem Satz „IndividualitĂ€t und UniversalitĂ€t verbinden sich beim Sterben“ hat Richard Kastenbaum die Erkenntnisse der Sterbeforschung auf den Punkt gebracht (Kastenbaum, 126–149). Aus Sicht eines Sterbenskranken: „Das Faszinierende am Tode ist folgendes: Der Tod ist das Allgemeinste und zugleich das Individuellste“ (Noll, 109). So, wie das Leben eines jeden Menschen einzigartig ist, ist auch sein Sterben einzigartig. Dennoch gibt es Übereinstimmungen im Sterben aller Menschen: Typisches im Individuellen eben, Gemeinsames und Persönliches.
Gemeinsames: Jeder Sterbenskranke kommt zu Erkenntnissen, die fĂŒr das Sterben typisch sind und die er nicht ignorieren kann. Da ist vor allem die Erkenntnis: „Mein Leben ist durch meine Krankheit bedroht.“ Jeder Sterbende muss Aufgaben, die fĂŒr das Sterben typisch sind, lösen. So muss er zum Beispiel entscheiden, wie er mit seiner Lebensbedrohung umgehen will. Und jeder Sterbenskranke muss typische EinschrĂ€nkungen, die mit seiner Erkrankung einhergehen, ertragen, zum Beispiel nicht mehr gehen zu können.
Persönliches: Jeder Mensch geht auf seine ganz persönliche Weise mit diesen fĂŒr das Sterben typischen Erkenntnissen, Aufgaben und EinschrĂ€nkungen um. Wie der Sterbende damit umgeht, hĂ€ngt von vielen Faktoren ab. Das sind zum Beispiel seine Persönlichkeit, seine Biographie, seine körperlichen, psychischen, sozialen, finanziellen, religiösen und spirituellen Ressourcen, seine Einstellung zum Leben und zum Sterben, die Art, Schwere und Dauer der Erkrankung, die Therapie mit ihren Nebenwirkungen, die QualitĂ€t der Ă€rztlichen Behandlung und der Pflege sowie die Einstellungen, Erwartungen und das Verhalten der Angehörigen, Pflegenden, Ärzte und der Gesellschaft (vgl. Engelke 2015, 63–70).
DER KAMPF GEGEN DEN TOD
Unheilbar erkrankte Menschen kennen in der Regel ihre Lage und sind sich bis auf wenige Ausnahmen ihrer Lebensbedrohung bewusst, ohne dass sie eigens von irgendjemandem darĂŒber aufgeklĂ€rt werden mĂŒssen. Offen ist, ob sie ihr Wissen mitteilen, wem sie sich anvertrauen, wann und wie sie es tun. Der behandelnde Arzt bestĂ€tigt zumeist nur, was die Patienten schon befĂŒrchtet haben, ausgenommen bei Zufallsbefunden. Fast immer wird erwartet: Sterbenskranke sollen einsehen, dass sie sterben mĂŒssen, und dem zustimmen. Genau das können und tun Sterbenskranke und auch Sterbende aber nicht. Ärzte, Pflegende, Seelsorger und auch Angehörige sollten akzeptieren: Sterbenskranke und auch Sterbende wehren sich fĂŒr gewöhnlich bis zuletzt gegen ihr Schicksal und hoffen immer noch auf ein Wunder. Sie möchten leben und in ihrem Kampf gegen den Tod begleitet werden. Sie geben ihren Widerstand erst dann auf, wenn sie vom Kampf erschöpft mit ihren KrĂ€ften am Ende sind.
Elementare BedĂŒrfnisse dominieren die Sterbenskranken und besetzen ihre Aufmerksamkeit, ihre Interessen und ihre Valenzen. Wenn wir gesund sind, bemerken wir unseren Körper kaum. Das ist anders, wenn unser Körper nicht mehr funktioniert. Atemnot, Schmerzen, Durchfall oder Erbrechen stören und beherrschen uns. Dann sind wir nicht mehr offen fĂŒr das Schöne und Leichte im Leben. Sterbenskranke kennen nur ein Thema: ihre lebensbedrohliche Erkrankung und den Wunsch zu leben. Sie sprechen fast nur noch von den schlechten Nachrichten, ihrem Protest und Zorn, ihren Schmerzen und Konflikten, ihren Ängsten und Hoffnungen, ihren Verlusten und ihrer Trauer, ihrem Wunsch nach Ruhe und Frieden. Die lebensbedrohliche Erkrankung scheint nicht nur den Körper, sondern auch die Gedanken zu besetzen; sie ist der rote Faden, der sich durch alles zieht. Sterbenskranke sind auf Menschen, die ihnen zuhören, angewiesen.
Der Lebensweg Sterbenskranker ist oft eine einzige Kette von Verlusten. Sie verlieren nach und nach alles, was fĂŒr sie das Leben ausgemacht hat. Viele kleine Verluste ĂŒberlagern sich und es gibt kaum Zeit und Raum, ausreichend und angemessen zu trauern – zumal Trauernde und Klagende nicht so gern gesehen sind wie Frohe und Zufriedene. Sterbende und alternde Menschen sind immer auch trauernde Menschen; ihr Trauern unterscheidet sich in der Regel von der (psychiatrischen) Depression. Die Sprache der Sterbenden ist eigen, kreativ und tiefgrĂŒndig. Sterbenskranke erzĂ€hlen und Ă€ußern sich, indem sie ihr Erleben, ihre Hoffnungen und Ängste mit Bildern, Symbolen, Metaphern und metaphorischen Vergleichen beschreiben. Diese stammen aus ihrem Leben und sind daher biographisch zu entschlĂŒsseln und zu verstehen: Der Schriftsteller verschreibt die letzte Tinte. Der Arzt macht seine letzte Visite.
Die persönlichen Eigenschaften und Verhaltensmuster sowie die Kommunikations- und Beziehungsmuster werden durch die Bedrohung verstĂ€rkt: Ruhige Menschen werden zum Beispiel ruhiger, zornige Menschen werden zorniger. Eine lebensbedrohliche Erkrankung schweißt die betroffenen Menschen und ihre Partner nicht automatisch zusammen. Vielmehr gilt: Stabile Beziehungen werden stabiler und zerbrechliche Beziehungen werden zerbrechlicher. In der alten Umgebung (Wohnung, familiales Umfeld usw.) dauern alte Probleme an, potenzieren sich. In einer neuen Umgebung (Krankenhaus, professionelles Umfeld usw.) entstehen neue Probleme, viele alte Probleme bleiben.
Die persönlichen Eigenschaften und Verhaltensmuster werden durch die Bedrohung verstÀrkt.
DIE AMBIVALENZ VON ANGST UND HOFFNUNG
Jeder von uns empfindet in bestimmten Lebenssituationen Angst. Angst begleitet uns von der Geburt bis zum Tod. Sie gehört zu unserer Existenz und spiegelt unsere AbhĂ€ngigkeiten. Jeder lebt Angst so, wie sie zu ihm und seiner Persönlichkeit passt. Wir können Angst nicht vermeiden oder ausschalten. Versuche, Angst zu unterdrĂŒcken, gelingen auf Dauer nicht. Wir sehnen uns nach einem angstfreien Leben und sind dankbar, wenn uns jemand verspricht, dass er uns unsere Angst nehmen kann. Das gilt insbesondere fĂŒr unsere Angst vor dem Sterben. Denn die Angst vor dem Sterben spielt eine SchlĂŒsselrolle in unserem Leben, auch wenn sie uns nicht immer bewusst ist. Auch Jesus kannte die Todesangst (Lk 22,39–44). Wir sollten uns bewusst sein: Die boomende Gesundheitsindustrie lebt letztlich von unserer Todesangst.
Unsere Angst kann uns lĂ€hmen, sie kann uns aber auch aktivieren. Wir können GegenkrĂ€fte gegen sie entwickeln: Hoffnung, Mut, Vertrauen, Erkenntnis, Glaube und Liebe. Ängste werden dann am besten ĂŒberwunden, wenn wir bereit sind, sie uns einzugestehen und auszuhalten, so lange, bis sie abnehmen. Das kann dauern. Die behutsame Begleitung durch jemanden, der jetzt gerade nicht von Angst besetzt ist, kann es erleichtern, Angst auszuhalten. Hoffnung ist eine unserer Grundempfindungen,
kontrĂ€r zur Angst. Hoffnung ist ein Prinzip unseres Lebens, eine innerliche optimistische Haltung. Wir erwarten, dass etwas GewĂŒnschtes in Zukunft eintritt, ohne dass es gewiss ist. Wir hoffen ĂŒber den Tag hinaus und trĂ€umen von einem besseren Leben.
Hoffnung und Sehnsucht gehören auch zum Leben Sterbenskranker und Sterbender.
Hoffnung und Sehnsucht gehören auch zum Leben Sterbenskranker und Sterbender. Sie helfen ihnen, den Tag zu ĂŒberleben. Und so trĂ€umen sie, dass eines Tages alles wieder gut sein wird. Dabei ist es gleichgĂŒltig, ob die Hoffnung realistisch und berechtigt oder trĂŒgerisch und unberechtigt ist. Sterbenskranke und Sterbende haben ein Recht auf Hoffnung und pochen auch darauf, noch Hoffnung haben zu dĂŒrfen. Sie hoffen auf die Hochleistungsmedizin, auf neue Therapien und Medikamente. Aus Sicht der Gesunden ist es Überversorgung, aus Sicht Sterbenskranker aber Grund ihrer Hoffnung, dass der Sterbezeitpunkt noch in weiter Ferne liegt. Wenn ein Sterbender ĂŒberhaupt keine Hoffnung mehr zu erkennen gibt, ist das meistens ein Zeichen dafĂŒr, dass sein Tod unmittelbar bevorsteht.
FĂŒr glĂ€ubige Menschen ist Hoffnung kein gewöhnlicher Optimismus. GlĂ€ubige Menschen erhoffen, dass Gott eingreift. Die religiös begrĂŒndete Hoffnung basiert auf dem Glauben, dass Gott den Tod des Menschen nicht will, der Tod nicht zum Leben gehört und der Mensch auch nach seinem Tod weiterleben wird.
Bei Sterbenskranken ist das Gleichgewicht von Angst und Hoffnung labil. Die Stimmung kann sehr schnell von der Hoffnung zur Verzweiflung und von der Verzweiflung zur Hoffnung kippen. Wenn die Begleiterscheinungen des Sterbens heftiger werden und der Lebensraum enger wird, gelingt es immer seltener, Angst und Hoffnung auszubalancieren, ausgeglichen zu sein.
Es ist ein alter Gedanke: Je schĂ€rfer und unerbittlicher wir eine These formulieren, desto unwiderstehlicher ruft sie nach der Antithese. Sterbenskranke reagieren heftig, wenn einseitig versucht wird, sie positiv aufzubauen. Wenn einem Sterbenskranken nur von Hoffnung, Optimismus, positivem Denken und guten Aussichten erzĂ€hlt wird, dann wird er vermutlich antworten: „Ja, aber 
“ und dem seine Angst entgegenstellen. Wenn ihm nur mit Angst, Pessimismus, negativem Denken und schlechten Aussichten begegnet wird, dann wird er geradezu gezwungen, von seiner Hoffnung zu erzĂ€hlen: „Ja, aber mir geht es schon wieder besser.“ FĂŒr Entspannung kann das Wörtchen „und“ sorgen. Mit ihm wird die Verbindung von Hoffnung und Angst ausgedrĂŒckt: „Du hast Angst und Du hoffst.“
SOLL DIE BEGLEITUNG GELINGEN 

DafĂŒr gibt es weder verbindliche Modelle noch feste Regeln oder StandardsĂ€tze. Gute Absichten allein reichen nicht aus. Die Kommunikation mit Sterbenskranken ist zu komplex. Mit festgelegten Vorgaben kann man sie nicht meistern. Begegnungen mit Sterbenskranken finden im Hier und Jetzt statt. Damit sind die unmittelbaren VorgĂ€nge hier in diesem konkreten Krankenzimmer, in dieser Klinik, in diesem Heim und jetzt genau zu diesem Zeitpunkt gemeint. Im Hier und Jetzt zeigt sich, was Sterbenskranke und Sterbende bewegt und was ihnen wichtig ist. Die realen Bedingungen der jeweiligen Situation, die Lebenswirklichkeit und die Charaktereigenschaften aller Beteiligten sowie die KomplexitĂ€t von Kommunikation ĂŒberhaupt sind zu berĂŒcksichtigen. Immer konfrontieren die Begleiter die Sterbenden mit ihrer Gesundheit und die Sterbenden die Begleiter mit ihrem Sterben.
Ein wirklicher Begleiter geht einen kleinen Schritt hinter dem Sterbenskranken oder Sterbenden her, lĂ€sst ihm den Vortritt, folgt ihm bescheiden und geduldig. Im GesprĂ€ch nimmt sich der Begleiter zugunsten des Sterbenskranken zurĂŒck und lĂ€sst ihn „zu Wort“ kommen. Er fĂŒhlt sich nicht genötigt, den Sterbenskranken aus seiner Trauer zu reißen oder reinen Optimismus und positives Denken zu verbreiten, sondern hĂ€lt den Zorn und die Trauer mit ih...

Table of contents

  1. Cover
  2. Inhalt
  3. Thema
  4. Interview
  5. Praxis
  6. Forum
  7. Popkulturbeutel
  8. Nachlese