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Inhalt
Prolog: Ein Leben ohne Rast und Ruh
Erster Teil: Die Erfahrung der Welt
1. Vorspiel in Venedig
2. Ein junger DraufgÀnger im Familienkreis
3. Freiburg im Ăchtland â ein Stadtstaat um 1600
4. Intermezzo in Mailand
5. Collalto
6. Eine Karriere in stĂŒrmischen Zeiten
7. Neueste Nachrichten nach Hause
8. Zeitgeschehen aus Augenhöhe
9. Meyritz
10. Der Bruder
Zweiter Teil: Das Kriegshandwerk
1. Der Adjutant des Generalfeldmarschalls
2. Exkurs: Ein Kriegsunternehmer
3. Exkurs: Das Kontributionswesen
4. Zwei Kugeln im Leib
5. Ein Feldzug nach Italien
6. Lindau oder die HĂ€rte des Gouverneurs
7. Kempten
8. Der Sturz
Dritter Teil: Geld, Ruhm, Macht
1. Ein Oberst auf Stellensuche
2. Salz und Pulver
3. Kleiner Herr auf grossem Fuss
4. Unter Patriziern
5. Ein Zepter aus schwarzem Holz
6. Der Schultheiss auf Reisen
7. Seine GĂŒter, sein Leib, seine Seele
Anhang
AbkĂŒrzungsverzeichnis
Anmerkungen
Bibliografie
Abbildungsnachweis
Dank
Personen- und Ortsregister
AusfĂŒhrliches Inhaltsverzeichnis
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Prolog
Ein Leben ohne Rast und Ruh
Aufgezwirbelter Schnurrbart, spitzer Kinnbart, ĂŒppige Haarpracht: Herausfordernd blickt der fesche Musketier hoch zu Ross auf uns nieder. Das Pferd, ein Rappe mit dichtem Fell, wehender MĂ€hne und prachtvollem Schweif, bĂ€umt sich auf und bringt seinen Herrn vor wolkigem Himmel aufs Schönste zur Geltung. Am Zaumzeug glĂ€nzen Gold und Edelsteine. Der Reiter trĂ€gt einen Harnisch aus schwarzem Stahl, einen weissen Spitzenkragen und eine quer ĂŒber Schulter und Brust gelegte rote SeidenschĂ€rpe; seine FĂŒsse stecken in Stiefeln aus falbem Wildleder. In schneidiger Haltung stĂŒtzt er die behandschuhte Rechte auf den Kommandostab. Wir stehen vor dem frĂŒhesten Reiterbildnis der Schweizer Malerei, obwohl die Darstellungsweise 1631 â das Datum steht in der Bildecke links unten â bereits seit lĂ€ngerem zum Repertoire der höfischen Kunst gehört. Zu Pferd hatte Tizian 1548 Kaiser Karl V. wiedergegeben. Dieselbe Inszenierung wird Gaspar de GuzmĂĄn, Graf von Olivares und allmĂ€chtiger Premierminister Philipps IV. von Spanien, wĂ€hlen, um sich gegen 1634 von VelĂĄzquez malen zu lassen.
Das Modell hat einen Maler mit dem Bildnis beauftragt, der am Rhein und in Schwaben hoch angesehen ist: den St. Galler Samuel Hofmann.1 SpĂ€ter sollte dieser KĂŒnstler zahlreiche Honoratioren der Eidgenossenschaft malen â Söhne der Familien Merian und Wettstein in Basel, der Familien BrĂ€m, Hirzel und WerdmĂŒller in ZĂŒrich. Zur Zeit unseres PortrĂ€ts sucht er seine Kunden bei den Ostschweizer SeidenhĂ€ndlern und sĂŒddeutschen DuodezfĂŒrsten, aber auch unter den HeerfĂŒhrern am Bodensee, ohne dabei parteiisch zu sein. Neben den Kaiserlichen konterfeit er die Schweden und zumindest einen â erlauchten â Franzosen: Herzog Henri de Rohan. Von bescheidener Herkunft und stĂ€ndig auf Reisen (in Holland ausgebildet), steigt Hofmann zielstrebig die Sprossen der gesellschaftlichen Leiter empor; er hat das gleiche Alter und eine vergleichbare Laufbahn wie der Reiter im schwarzen Harnisch, der sich von ihm wie ein König darstellen lĂ€sst.
König heisst er denn auch, zumindest bei seinen deutschen Soldaten und den Standesgenossen in Freiburg. Die Bauern seiner mĂ€hrischen Herrschaft nennen ihn «KrĂĄl», doch scheut er sich nicht, bei Gelegenheit auch mit «Rex» zu unterzeichnen. Vom Kaiser zum Freiherrn ernannt, ist er Grundherr dreier Dörfer im Freiburgischen und Mitglied des Rats seiner Geburtsstadt. Warum sollte er nicht die Pose eines Karl V. oder Olivares einnehmen? Derart insistent zur Schau getragen, wird Unverfrorenheit zu Kunst. Doch König hat Geschmack, wie seine Wahl des KĂŒnstlers Hofmann beweist. Der Maler besitzt Talent, sein Modell hingegen die Begabung, sich vorteilhaft in Szene zu setzen. So will es der Geist der Zeit. Der Barockstaat wird regiert, als sei er ein Welttheater; und die Protagonisten fĂŒhren ihr Leben, als sei es eine öffentliche AuffĂŒhrung, ein Schauspiel fĂŒr sie selbst («um der Ehre willen») und fĂŒr die anderen.
Das Leben des Franz Peter König (1594â1647) gleicht einem Abenteuerroman, dessen Verfasser unablĂ€ssig mit einer neuen Situation, einer ĂŒberraschenden Wende aufwartet. Er treibt es bis zum Exzess, zum Masslosen, zum Unglaublichen; bald ist der Held oben, bald unten. Ein misslungener und ein gelungener Mord. Zu Hause zwei solide Ehen, eine Tochter, die den Schleier nimmt, und ein Sohn, der Mönch wird; daneben vielerorts Geliebte und uneheliche Kinder. Gestern bei Hofe noch angesehen â der Kaiser unterhĂ€lt sich mit ihm auf der Jagd â, heute ins Verlies geworfen und der Bestechung, des Mordes und des Hochverrats bezichtigt. Doch stets auf der Hut, bereit zum Gegenschlag, zu kĂŒhnen Ăberraschungscoups und waghalsigen AusfĂ€llen. Er handelt sich ein Todesurteil ein? Es braucht mehr, um ihn zur Strecke zu bringen. Im Ăbrigen gelingt ihm die Flucht. Gegen UnglĂŒck ist er resistent wie gegen Schmerz. Bleikugeln haben ihm einen Arm zerschmettert. Er wird sich erholen.
König ist aber nicht nur ein HartschĂ€del, sondern auch recht gebildet, wie es in dieser Zeit einem Mann seines Ranges geziemt. Er hat Latein gelernt, spricht neben seiner französischen Muttersprache auch Deutsch und Italienisch. Daneben radebrecht er vielleicht das eine oder andere slawische Idiom; nicht umsonst ist er jahrelang durch Zentraleuropa und die Randregionen des Habsburgerreiches gezogen. Die Geografie ist ihm in Fleisch und Blut ĂŒbergegangen. Sein Hinterteil ist gegerbt von den unzĂ€hligen Stunden im Sattel auf PferderĂŒcken, ohne Rast und Ruh unterwegs von Mailand nach BrĂŒssel und von Wien nach Frankfurt. Die Geschichte? Er liest jene der Alten und versucht die, welche rund um ihn stattfindet, zu verstehen; der politischen und diplomatischen Konsequenzen von militĂ€rischen Operationen ist er sich bewusst. Als Offizier der Infanterie, Kavallerie und Artillerie kennt er sein Handwerk aufs Beste: eine Truppe werben, ausrĂŒsten, ausbilden und fĂŒhren; eine Festung angreifen oder verteidigen; die Versorgung sicherstellen. Als Kriegsunternehmer versteht er die Funktionsweise der kapitalistischen Wirtschaft, die sich damals herausbildet â seine Investitionen in das SalzgeschĂ€ft beweisen es zur GenĂŒge. König ist alles andere als ein bornierter MilitĂ€r oder ein unbedarfter Haudegen.
Er schreibt viel und ist ein einnehmender und wertvoller Zeitzeuge, da ...