Israel als Urgeheimnis Gottes?
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Israel als Urgeheimnis Gottes?

Die Analogik des christlich-jĂŒdischen VerhĂ€ltnisses bei Erich Przywara

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Israel als Urgeheimnis Gottes?

Die Analogik des christlich-jĂŒdischen VerhĂ€ltnisses bei Erich Przywara

About this book

Erich Przywara SJ (1889-1972) gehört zu den wichtigsten und innovativsten katholischen Denkern der Zwischen- und Nachkriegszeit. Diese Studie widmet sich Przywaras BeschĂ€ftigung mit dem Thema Israel in seiner biblischen als auch zeitgenössischen Dimension. In Anlehnung an die analogische Grundstruktur seines Denkens wird Israel als durchgĂ€ngiges Motiv fĂŒr Przywaras Religionsphilosophie und Theologie aufgezeigt. Seine Ansichten ĂŒber die dynamische Einheit von Altem und Neuem Bund als Mitte des Christlichen sowie ĂŒber das Miteinander von Judentum und Christentum im Lauf der Geschichte regen zum Weiterdenken oder zum Widerspruch an. Auf diese Weise leistet die vorliegende Arbeit einen Beitrag zur Vertiefung der theologischen Reflexion ĂŒber das christlich-jĂŒdische VerhĂ€ltnis.

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Information

Publisher
Echter
Year
2018
Print ISBN
9783429053116
eBook ISBN
9783429064075
1. Erich Przywara – der Denker und seine Welt1
Die Welt, in der Erich Przywara lebte, wirkte und dachte, war eine Welt der BrĂŒche und GegensĂ€tze. Der Grundimpetus von Przywaras Denken ist die Suche nach dem Einen, in dem das VielfĂ€ltige und WidersprĂŒchliche begrĂŒndet ist. Dieser Einheitsgrund ist das rechte VerhĂ€ltnis, in dem alles zueinander steht. Da Erich Przywaras philosophisch-theologisches Werk und seine Existenz „wie kaum bei einem zweiten Theologen“1 seiner Epoche zusammengehören, ist auch seine BeschĂ€ftigung mit dem JĂŒdischen und dem christlich-jĂŒdischen VerhĂ€ltnis ohne die enge Verschlingung mit seiner Zeit und Umwelt, wie auch ohne Przywaras eigenwilliger Persönlichkeit, nicht zu verstehen. Die symbolischen Orte, die fĂŒr Erich Przywaras Welt und seine eigene existenzielle Verortung stehen, sowie die Koordinaten seines Denkens seien nun skizziert.
1.1 Welt der BrĂŒche und GegensĂ€tze
1.1.1 GegensÀtzliche Geburtserde
Dem oberschlesischen Industriebezirk, in dem „alle GegensĂ€tze sich schnitten“2, verdankte Erich Przywara seine erste und damit fĂŒr die weitere Entwicklung grundlegende Formung. Am 12. Oktober 1889 in Kattowitz geboren, wurde Przywara von Kindesbeinen an mit einer Stadt konfrontiert, die symptomatisch fĂŒr die GegensĂ€tze und WidersprĂŒche seiner Epoche stehen kann. Im Zuge der rasanten Industrialisierung Oberschlesiens in der zweiten HĂ€lfte des 19. Jahrhunderts stieg Kattowitz binnen weniger Jahrzehnte vom Dorf zum Zentrum des oberschlesischen Industriebezirks auf. Es war keine organisch gewachsene Einheit, sondern eine im Geist des Positivismus kĂŒnstlich angelegte Stadt. „Es war darum eigentlich nicht ‚Erde‘, sondern Kohlen-Halden-Boden“, auf dem ein kalt nĂŒchterner „Realismus von Grube, Fabrik, Handelskontor“ 3 herrschten. Den Geist dieser Entwicklung bekam Erich Przywara aus nĂ€chster NĂ€he zu spĂŒren, da der Alltag in seinem Elternhaus dem GeschĂ€ft des Vaters, eines begabten und leidenschaftlichen Kaufmanns, gĂ€nzlich untergeordnet4 und somit durch „das rechnerisch NĂŒchterne der AtmosphĂ€re von Kattowitz“5 zutiefst geprĂ€gt wurde.
Umgeben wurde diese StĂ€tte eines entzauberten Realismus und harter Arbeitsbedingungen von tiefen, vom großen schlesischen Romantiker Joseph von Eichendorff besungenen, WĂ€ldern, in derer unendlichen Weite Przywara aufatmen und eine ganz andere Welt erleben konnte: „Unendlichkeit, Wildnis, Zauber, Nacht“6. Das ist also der erste Gegensatz, dem Przywara ins Gesicht schaut: „So stark das AbgrĂŒndig-NĂ€chtige echter Romantik im Oberschlesien der WĂ€lder lebt, ebenso stark wirkt ein schroffer rationalistisch nĂŒchterner Technizismus im Oberschlesien der HĂŒtten und Gruben“7. In Przywaras Welt stehen sich die GegensĂ€tze in ihrer reinen Form gegenĂŒber und es fehlt zwischen ihnen an einer vermittelnden und abmildernden Instanz.
Es ist eine unruhige Welt. Der rasante Fortschritt machte das bis hinein ins 19. Jahrhundert industriell zurĂŒck gebliebene Deutschland binnen einiger Jahrzehnte zu einer der fĂŒhrenden kapitalistischen Weltwirtschaften. Wie G. Aly beschreibt, verlief dieser Prozess jedoch „in immer rasanteren, den meisten Deutschen zu harten, zu schnellen Rhythmen“8, was sich in sozialen, tief in das Bevölkerungsgewebe und kollektive Bewusstsein reichenden Verunsicherungen und Spannungen auswirkte. Die ModernisierungsschĂŒbe ĂŒberschlugen sich mit ökonomischen und politischen Krisen, denen sich viele Menschen wehrlos ausgeliefert fĂŒhlten.
Przywara ist Kind seiner Zeit, deren GrundgefĂŒhl im Existenzialismus ihren Ausdruck fand. Alles ist im Fluss, der Mensch bebt von Unruhe. Hoffnung und Angst, Fortschrittsenthusiasmus und Resignation geben sich die Klinke. Das Sein ĂŒberhaupt wird durch seine NichtidentitĂ€t, nicht durch Seinsgewissheit, definiert. Die beruhigten, statischen Strukturen des anthropozentrischen Idealismus entlarvten sich spĂ€testens im Zuge des I. Weltkriegs als nicht tragfĂ€hig. Die Unruhe ist das Welterlebnis, von der her Przywara das Ganze betrachtet. Er nimmt sie ernst und diskreditiert sie nicht, als ob sie nur eine Art Störung wĂ€re. Die Unruhe ist bedrohlich, aber sie offenbart etwas Wesentliches.
Johann Wolfgang Goethe, der Schlesien 1790 bereiste, nannte es ein „zehnfach interessante[s] Land“ und „BrĂŒckenlandschaft“ zwischen West- und Osteuropa9. Przywaras Familienhaus illustriert diese Begegnung und das Miteinander, da sein Vater aus einer polnischen Bauernfamilie, seine Mutter hingegen aus einer deutschen Beamtenfamilie aus Neiße stammte. Der Oberschlesier, schreibt Przywara, „spĂŒrt immer gleichzeitig die Gegenseite im eigenen Blut“10, was ihn vor Einseitigkeit hĂŒtet, und zur „BrĂŒcke“ werden lĂ€sst, vorausgesetzt „er erkennt und anerkennt seine Aufgabe“11. Die Suche nach der Geisteseinheit zwischen Ost und West begleitet ihn lebenslang als die Herausforderung der Gegenwart schlechthin und wird ihm zur Chiffre der Einheit vor allem im Kontext seiner Begegnung mit dem Judentum.
Auch hier handelt es sich aber nicht um ein harmonisches Miteinander der Ethnien und Kulturen, sondern um einen angespannten Gegensatz. Als Przywara in Kattowitz aufwĂ€chst, liegt die Stadt in der NĂ€he des ‚Dreikaiserecks‘, zwischen Deutschland, Österreich-Ungarn und Rußland. Die drei aneinandergrenzenden Kaiserreiche schließen sich auf dem Wiener Kongress in der ‚Heiligen Allianz‘ als Garanten „eines einzigen Abendlandes“ zusammen, um „hierdurch sowohl die Gefahr aus Asien wie die Gefahr aus dem Westen bannen zu können“12. Diese politische Ordnung auf der Basis monarchischer LegalitĂ€t hat Mitteleuropa fĂŒr ca. 100 Jahre relativen Frieden beschert, was jedoch auf Kosten national-staatlicher und demokratischer Bestrebungen erfolgte. Nun brechen die nationalen und ideologischen GegensĂ€tze umso heftiger auf.
Wenige Jahre danach, als Przywara seine Heimatstadt verlassen hat, zerbricht diese Allianz endgĂŒltig. Nach dem I. Weltkrieg wurde Oberschlesien geteilt und Kattowitz dem wiedergegrĂŒndeten polnischen Staat zugeschlagen. So traten auch viele nationale Anfeindungen zu Tage. In dieser Periode besuchte Przywara seine Heimatstadt, um 1920 seine Primizmesse zu feiern und einen Vortrag fĂŒr den dortigen MĂ€nnerverein zu halten. In einem handschriftlich gefertigten Verzeichnis aller seiner VortrĂ€ge bis 1938 steht der am 29. November 1920 geplante Vortrag ĂŒber „Die katholische Geistesbewegung in Deutschland seit Beginn des Weltkrieges“ zu Beginn der langen Liste. Daneben wird angemerkt: „nicht gehalten, da der Saal abbrannte (Brandstiftung polnischer Insurgenten)“13. Dieser Einstieg in die VortragstĂ€tigkeit in Przywaras Heimatstadt mag symbolisch gesehen werden: in der Zerrissenheit zwischen den benachbarten Völkern, im brodelnden Chaos nach dem Zusammenbruch der alten Ordnung, im Trauma des verlorenen Krieges.
Auch Ereignisse um Kattowitz in den drauffolgenden Jahren sind bezeichnend fĂŒr die Welt, in der Przywara lebte. Unweit von seiner Heimatstadt wurde mit dem fingierten Überfall auf den Sender Gleiwitz der Paukenschlag fĂŒr den Ausbruch des II. Weltkrieges gegeben. Nach dem Krieg blieb Kattowitz hinter dem Eisernen Vorhang, um 1953–56 sogar StalinogrĂłd zu heißen. Ca. 30 km von Kattowitz entfernt liegt noch eine andere Stadt, die wie keine andere fĂŒr das Dunkle des 20. Jahrhunderts steht: Auschwitz.
Diese Erde, die Przywara in seinen Kindes- und Jugendjahren geformt hatte, versank im Chaos des Weltgeschehens. Mit ihr versank aber auch ein weltanschauliches, philosophisches und politisch-gesellschaftliches Projekt. Der I. Weltkrieg zeigte, dass der „Kohlen-Halden-Boden“ am Dreikaisereck des ausgehenden 19. Jahrhunderts nur eine dĂŒnne Erdkruste der Technik und der Politik war, unter der die „versöhnten GegensĂ€tze ein wahrhaft chthonisches Chaos blieben, das als sein Symbol Rauch und Feuer und Aschenstaub der Gruben- und HĂŒttenlandschaft emportrieb“14. Mit der Weimarer Zeit beginnt das Ringen um Strukturen in politischen und wirtschaftlichen Turbulenzen, um letztendlich in die nĂ€chste Katastrophe zu mĂŒnden. FĂŒr Przywara ist Oberschlesien ein symbolischer Zugang zur Welt, wie sie wirklich ist. Über das Erlebnis des I. Weltkrieges schreibt er:
„Das aber ist das eigentliche fruchtbare Erlebnis der Kriegsjahre, daß diese vergötterte Welt auseinanderflog in Fetzen, daß diese ganze Menschheit, in die man Gott verengt und vermenschlicht hatte, sich zeigte als ein Raubgesindel, daß diese ganze Schöpfung sich zeigt als ein Vulkan. Das ganze Kriegserlebnis war letztlich: daß wir erwachten, und jenes Erlebnis von der Welt hatten, wie sie Augustinus uns zeichnet: diese Welt ‚ist‘ eigentlich gar nicht.“15.
Diese Welt gibt es nur als eine Spannungseinheit. Da wo Entzweiung herrscht, mĂŒssen die Bezogenheiten und VerhĂ€ltnisse neu durchdacht werden. Przywara scheint jede feste Form der Einheit von GegensĂ€tzen suspekt utopisch, trĂŒgerisch und somit letztendlich gefĂ€hrlich. Er warnt unablĂ€ssig vor oberflĂ€chlichen und starren Konstrukten einer Einheit der real existierenden GegensĂ€tze. Vielmehr will Przywara alle Konstrukte zerlegen und in das Chthonische der GegensĂ€tze hinabsteigen, um den Er...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Vorwort
  5. Inhalt
  6. AbkĂŒrzungen
  7. Einleitung
  8. 1. Erich Przywara – der Denker und seine Welt
  9. 2. Religionsphilosophische und offenbarungstheologische Verortung des christlich-jĂŒdischen VerhĂ€ltnisses
  10. 3. Analogia fidei als Methode der Schriftauslegung von Altem und Neuem Bund
  11. 4. Kirche in Bezug auf Israel
  12. 5. Geschichtstheologie – „das Mysterium zwischen Jude und Heide als das Geheimnis jedes Weltalters“
  13. 6. Ertrag in kritischer Wertung
  14. Epilog
  15. Literaturverzeichnis
  16. Personenverzeichnis