Der Ausschluss des Gattenwohls als Ehenichtigkeitsgrund
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Der Ausschluss des Gattenwohls als Ehenichtigkeitsgrund

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Der Ausschluss des Gattenwohls als Ehenichtigkeitsgrund

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Nach dem Gesetzbuch der katholischen Kirche ist die Ehe nicht nur auf Nachkommenschaft hingeordnet, sondern auch auf das bonum coniugum, das Wohl der Gatten: Damit ist die erneuerte Ehelehre des II. Vatikanischen Konzils rechtlich umgesetzt; der personalen Dimension der Paarbeziehung wird eine wesentliche und eigenstĂ€ndige Rolle zugewiesen. In Ehenichtigkeitsverfahren spielt der Ausschluss dieser Hinordnung auf das Gattenwohl bislang jedoch kaum eine Rolle. Das Gattenwohl gilt vielen Gerichten als schwer fassbare und daher kaum justiziable GrĂ¶ĂŸe.Die vorliegende Studie zeigt auf, wie der Begriff des bonum coniugum inhaltlich gefĂŒllt werden kann. Auf der Grundlage der bisherigen Rechtsprechung kirchlicher Gerichte und anhand von Überlegungen zur Partnergewalt, zur Gestaltung der ehelichen SexualitĂ€t und zur partnerschaftlichen Ko-Evolution werden verschiedene Varianten dieses Ehenichtigkeitsgrundes vorgestellt und AnknĂŒpfungspunkte fĂŒr die Praxis markiert.

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Information

1. EINLEITUNG
1.1 EinfĂŒhrung und ForschungsĂŒberblick
„Kurzer Prozess fĂŒr katholische Ehen“1. Mit dieser Schlagzeile reagierte die WELT auf die Veröffentlichung des Motu Proprio Mitis iudex Dominus Iesus, mit dem Papst Franziskus im August 2015 das Eheprozessrecht der lateinischen Kirche Ă€nderte. ErklĂ€rte Absicht des Papstes war es, das kirchliche Ehenichtigkeitsverfahren zu vereinfachen und dafĂŒr Sorge zu tragen, möglichst zĂŒgig und unkompliziert die Nichtigkeit von Ehen feststellen zu können.2 FĂŒr Christen, deren sakramentale und vollzogene Ehe gescheitert ist, stellt ein solches Verfahren nach kirchlichem SelbstverstĂ€ndnis nach wie vor die einzige Möglichkeit dar, fĂŒr eine neue kirchlich gĂŒltige Ehe frei zu werden und so den sakramenten- und arbeitsrechtlichen Konsequenzen zu entgehen, die andernfalls mit einer (nur) zivilen Wiederheirat nach Scheidung verbunden sind.3
Änderungen des kirchlichen Eheprozessrechts sind zweifellos ein Ansatzpunkt, um das Ehenichtigkeitsverfahren fĂŒr Betroffene attraktiv(er) zu machen. Vorbehalte gegenĂŒber dem Verfahren werden dadurch möglicherweise abgebaut sowie Hemmschwellen verringert. Dies kann die Akzeptanz des Eheprozesses unter Betroffenen erhöhen. Die Erfolgsaussichten eines solchen Verfahrens werden dadurch – anders als der mehrdeutige Hinweis auf einen „kurzen Prozess“ suggerieren kann – nicht verĂ€ndert. Auch ein optimal organisiertes Gerichtsverfahren fĂŒhrt nicht zu den von den Antragstellern erwĂŒnschten Ergebnissen, wenn es fĂŒr die NichtigerklĂ€rung der Ehe keine sachliche Grundlage gibt.
Sollen die Erfolgsaussichten eines Ehenichtigkeitsverfahrens verbessert werden, ist bei den GrĂŒnden anzusetzen, die das kanonische Eherecht fĂŒr die NichtigerklĂ€rung einer Ehe bereithĂ€lt. Insbesondere ist zu fragen, ob die kirchlichen Gerichte bislang alle Möglichkeiten berĂŒcksichtigen, die der Gesetzgeber im Codex Iuris Canonici eröffnet. Wer dieser Frage nachgeht, dessen Blick fĂ€llt auch auf einen Klagegrund, der mehr als dreißig Jahre nach der Promulgation des CIC noch ein Schattendasein fristet: der Ausschluss der Hinordnung der Ehe auf das Gattenwohl.
Das Gattenwohl (bonum coniugum) begegnet im CIC an herausragender Stelle, in der programmatischen Norm, die das Eherecht einleitet. Dort wird der Ehebund als eine Gemeinschaft des ganzen Lebens beschrieben, die „durch ihre natĂŒrliche Eigenart auf das Wohl der Gatten und auf die Zeugung und Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist“.4 Der Begriff „Wohl der Gatten“ wurde 1983 neu in das kirchliche Gesetzbuch aufgenommen, als möglicher AnknĂŒpfungspunkt fĂŒr die Nichtigkeit von Ehen jedoch eher zögerlich wahrgenommen. 1995, mehr als zehn Jahre nach Inkrafttreten des CIC, konstatierte Norbert LĂŒdecke „Startschwierigkeiten“5 fĂŒr den Klagegrund „Ausschluss des bonum coniugum“ und ermutigte dazu, ihn an kirchlichen Gerichten zu berĂŒcksichtigen. Weitere 20 Jahre spĂ€ter gibt es zwar einzelne einschlĂ€gige Urteile, von einer routinierten Anwendung kann aber lĂ€ngst noch keine Rede sein. Aus diesem Grund ist eine neuerliche Starthilfe angezeigt.
Die Kirchenrechtswissenschaft hat sich unmittelbar nach der Promulgation des CIC von 1983 mit dem bonum coniugum nur sehr selten eigens befasst.6 Eine intensivere Auseinandersetzung mit der Thematik beginnt erst Mitte der 90er Jahre.7 Die Zahl der in der Folgezeit veröffentlichten Arbeiten belegt, dass das bonum coniugum stĂ€rker in den Fokus der Kanonistik rĂŒckte. Teils unter RĂŒckgriff auf die Ehezwecklehre des CIC/1917, teils in deutlicher Abgrenzung davon wurde versucht, dieses neuartige Konzept formal einzuordnen, den Begriff inhaltlich zu konturieren und mögliche Perspektiven fĂŒr ein Ehenichtigkeitsverfahren zu benennen. Nach ersten einschlĂ€gigen Urteilen der Rota Romana um das Jahr 2000 erhöhte sich die Zahl der BeitrĂ€ge etwas.8 Bei den wenigen zum bonum coniugum publizierten Monographien handelt es sich um italienische oder englische Studien, darunter mehrere an den pĂ€pstlichen UniversitĂ€ten in Rom erarbeitete Dissertationen.9 Sie werden jedoch bisher nicht breiter rezipiert und gehen zumeist auch nicht auf die jĂŒngere Rechtsprechung der Rota ein.10 Diese wurde bisher allein von Giacomo Bertolini ausfĂŒhrlich dargestellt und erörtert.11 Der Umgang mit dem Klagegrund an den Gerichten des deutschen Sprachraums wurde bis heute noch nicht untersucht, eine deutschsprachige Monographie zum Ausschluss des Gattenwohls steht ebenfalls noch aus.12
1.2 Ziel und Aufbau
Die vorliegende Untersuchung möchte diesem Mangel abhelfen. Sie nimmt eine formale und inhaltliche Bestimmung des bonum coniugum vor und zeigt auf, dass es sich beim „Ausschluss der Hinordnung auf das Gattenwohl“ um einen justiziablen Klagegrund handelt.
Dazu wird zunĂ€chst der Hintergrund der Fragestellung ausgeleuchtet, um die Aufnahme des bonum coniugum in das kirchliche Gesetzbuch einordnen zu können. So wurde in der ersten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts die damalige lehramtliche VerhĂ€ltnisbestimmung der ehelichen Sinngehalte vonseiten der akademischen Theologie angefragt und auf dem II. Vatikanischen Konzil das Thema erneut behandelt. Diese Debatten prĂ€gten die Revisionsarbeiten am CIC maßgeblich.
Darauf aufbauend werden Vorkommen und Bedeutung des Begriffs bonum coniugum im geltenden Recht untersucht, um eine formale Bestimmung des Gattenwohls vornehmen zu können. Diese Abgrenzung ist erforderlich, damit gezeigt werden kann, dass der Ausschluss der Hinordnung auf das bonum coniugum eine eigenstÀndige Form der Partialsimulation darstellt und in Ehenichtigkeitsverfahren herangezogen werden kann.
Es folgt eine Erörterung der Judikatur, um die formale Bestimmung zu ĂŒberprĂŒfen und erste Hinweise auf eine inhaltliche Konturierung des Gattenwohls zu erhalten. HierfĂŒr wird zuerst die Rechtsauffassung der Rota Romana, des pĂ€pstlichen Berufungsgerichts, anhand ausgewĂ€hlter Urteile zum Ausschluss des Gattenwohls analysiert. Danach folgt eine Darstellung der Rechtsprechung der Gerichte des deutschen Sprachraums, die im Rahmen dieser Studie gebeten wurden, Angaben zu ihrem Umgang mit dem Klagegrund zu machen. Mittels der Beispiele aus der Judikatur werden verschiedene TatbestĂ€nde vorgestellt, die nach Auffassung des jeweiligen Gerichts einen Ausschluss des bonum coniugum darstellen. Somit wird deutlich, dass ein Vorbehalt im unmittelbaren Zusammenhang mit dem Wohl der Gatten nicht nur auf ExtremfĂ€lle beschrĂ€nkt ist, sondern durchaus praktische Relevanz besitzt.
In der kanonistischen Doktrin werden unterschiedliche Aspekte des bonum coniugum benannt bzw. verschiedene Konzepte aufgegriffen, um den Begriff inhaltlich zu fĂŒllen. Die gĂ€ngigen Bestimmungsversuche werden vorgestellt und vor dem Hintergrund ihrer kodikarischen und bisweilen außerkodikarischen Grundlagen daraufhin ĂŒberprĂŒft, ob sie eine rechtliche Konkretion erbringen. Auf diese Weise soll ermittelt werden, welche Teilaspekte das Gattenwohl ausmachen.
Sicherlich hat das Fehlen einer griffigen inhaltlichen Bestimmung des bonum coniugum die Entwicklung einer konsolidierten Judikatur verzögert und erschwert. Daher werden die herausgearbeiteten Teilaspekte jeweils anhand eines Beispielfeldes vertieft. HierfĂŒr werden Fragestellungen hinsichtlich Partnergewalt, Gestaltung der ehelichen SexualitĂ€t und partnerschaftlicher Ko-Evolution behandelt. Dadurch werden sowohl verschiedene Varianten eines Ausschlusses des bonum coniugum vorgestellt als auch konkrete AnknĂŒpfungspunkte fĂŒr die Rechtsprechung markiert.
Abschließend soll der Ertrag der vorangehenden AusfĂŒhrungen fĂŒr die Rechtspraxis erhoben werden. Dabei ist neben dem grundsĂ€tzlichen Erfordernis eines positiven Willensaktes darauf einzugehen, was genau einen Ausschluss der Hinordnung auf das Gattenwohl darstellt und welche Formen dieser annehmen kann. Des Weiteren sind Abgrenzungen von anderen KonsensmĂ€ngeln vorzunehmen, die ebenfalls das bonum coniugum betreffen. Zuletzt werden Fragen im Zusammenhang mit dem Beweis des Klagegrundes geklĂ€rt.
Neben der Partialsimulation ist das bonum coniugum auch fĂŒr andere EhenichtigkeitsgrĂŒnde von Bedeutung bspw. hinsichtlich einer UnfĂ€higkeit zur EhefĂŒhrung gemĂ€ĂŸ c. 1095, n. 3. Eine solche UnfĂ€higkeit besteht dann, wenn ein Partner aus psychischen GrĂŒnden nicht in der Lage ist, wesentliche Pflichten der Ehe zu ĂŒbernehmen. Dass sich aus der Hinordnung auf das bonum coniugum eigenstĂ€ndige Pflichten ergeben, wird weitgehend bejaht. Die Auseinandersetzung mit der Frage, inwieweit das Gattenwohl Objekt einer UnfĂ€higkeit sein kann, stellt jedoch ein eigenes Thema dar und wird daher in der vorliegenden Arbeit nur dort berĂŒcksichtigt, wo sich konkrete Verbindungen ergeben.
1Kamann: Prozess, 6.
2So sind bspw. nicht mehr in jedem Fall mehrere Instanzen zu durchlaufen, die Verfahren sollen fĂŒr die GlĂ€ubigen kostenlos sein und – so erklĂ€rt sich obiges Zitat – es wurde die Möglichkeit eines kĂŒrzeren Eheprozesses vor dem Bischof geschaffen; vgl. Franziskus: Mitis iudex.
3Bereits 1994 verwies die Kongregation fĂŒr die Glaubenslehre hinsichtlich der Frage des Eucharistieempfangs von GlĂ€ubigen nach Scheidung und ziviler Wiederheirat auf eine KlĂ€rung des Personenstandes im Rahmen eines Ehenichtigkeitsverfahrens; vgl. C DocFid: Epistula, n. 9. Auf der außerordentlichen Bischofssynode von 2014 sowie auf der ordentlichen Bischofsynode von 2015 wurde das Thema erneut aufgegriffen; vgl. Relatio synodi 2014, n. 48; Relatio synodi 2015, n. 82. Zuletzt hat Papst Franziskus das Verfahren als eine Form von Begleitung nach einer gescheiterten Ehe genannt; vgl. Franziskus: Amoris laetitia, n. 244.
4Vgl. c. 1055 § 1: „Matrimoniale foedus, quo vir et mulier inter se totius vitae consortium constituunt, indole sua naturali ad bonum coniugum atque ad prolis generationem et educationem ordinatum, a Christo Domino ad sacramenti dignitatem inter baptizatos evectum est. – Der Ehebund, durch den Mann und Frau unter sich die Gemeinschaft des ganzen Lebens begrĂŒnden, welche durch ihre natĂŒrliche Eigenart auf das Wohl der Ehegatten und auf die Zeugung und die Erziehung von Nachkommenschaft hingeordnet ist, wurde zwischen Getauften von Christus dem Herrn zur WĂŒrde eines Sakramentes erhoben.“
5LĂŒdecke: Ausschluß, 117.
6Vgl etwa Burke: Bonum; Sztychmiler: Ius.
7Bspw. hielt die Associazione Canonistica Italiana 1994 einen Kongress zu diesem Thema ab. Die Beitrage sind veröffentlicht in: Associazione Canonistica Italiana (Hg.): Il «bonum coniugum» nel matrimonio canonico: Atti del XXVI congresso nazionale di diritto canonico Bressanone-Brixen 12–15 settembre 1994. Vatikanstadt, 1996. Vgl. auch Barrett: Reflections; Pompedda: Bonum.
8Vgl. etwa Aznar Gil: ExclusiĂłn; Boccafola: Reflections; Ewering: Ausschluss; Kowal: Annotazione; LĂŒdicke: Bonum; Mendonça: Developments; Robitaille: Exclusion.
9Vgl. Banjo: Relevance; Bertolini: Bonum; Bertolino: Matrimonio; Bwambale: Bonum; Kimengich: Bonum; Posa: Bonum.
10Die Mehrheit der genannten Monographien ist erschienen, bevor die Rota erstmals ein Urteil in Bezug auf einen Ausschluss des Gattenwohls fĂ€llte. Michael A. Banjo befasste sich schwerpunktmĂ€ĂŸig mit bonum coniugum und der Gleichheit der Gatten in der Ehe und behandelt vor diesem Hintergrund nur ein Urteil ausfĂŒhrlicher; vgl. Banjo: Relevance, 151–155.
11Vgl. Bertolini: Bonum, 57–298.
12Der bislang...

Table of contents

  1. Cover
  2. Titelblatt
  3. Urheberrecht
  4. Vorwort
  5. Inhaltsverzeichnis
  6. 1. Einleitung
  7. 2. Sinngehalte der Ehe bis zum CIC/1983
  8. 3. Das bonum coniugum im CIC/1983
  9. 4. Ausschluss des bonum coniugum in der Rechtsprechung der Rota Romana
  10. 5. Ausschluss des bonum coniugum in der deutschsprachigen Judikatur
  11. 6. Rechtsdogmatische Positionsbestimmung
  12. 7. Konkretionen
  13. 8. Ertrag fĂŒr die Praxis
  14. 9. Zusammenfassung und Ausblick
  15. AbkĂŒrzungsverzeichnis
  16. Quellen- und Literaturverzeichnis
  17. Stellenregister
  18. Gerichtsurteile
  19. Personenregister
  20. Sachregister